11 Der Stein der Weisen und die Metalle

Der Stein der Weisen  und die Metalle

Max Retschlag (1934)

Nach den Angaben der Adepten hat das große Universalheilmittel auch die Eigenschaft, umwandelnd auf die Metalle einzuwirken. Nach alchemistischer Meinung sind die unedlen Metalle nicht ausgereift, sie sind unreif, unvollkommen geblieben, während Gold und Silber, die in früheren Zeiten allein bekannten Edelmetalle, ausgereift und vollkommen sind. Alle Metalle aber, vollkommene und unvollkommene, entstehen aus demselben Samen, Azoth, der von der Natur „in eine gleichmäßige elementische Temperatur und Concordanz der sieben Planeten gebracht wurde.“

Nach Kircher, “Mundus Subterraneus” bildet ein gewisses Agens, das aus der Atmosphäre in die Erdrinde eindringt, den metallischen Samen. Mit den von ihm befruchteten Elementen der Erde ist er die entfernte Materie, die Materia secunda, aus der dann weiter die nächste Materie, die Materia prima, entsteht als ein schweflich-salzig-merkurieller Brodem. “Materiam proximam metallorum, non materiam primam Peripateticorum, non stellarum influxum,. non elernenta, sed vaporem et exhalationem sulphureo-sale-mercurialem dicimus, quo unice metallica corpora, tanquam ex semine chaoticae massae concreato, originem suam nasciscuntur. Materiam vero remotam, hylem, elementanum qual itatem concursum, influ xum stellarum dicimus; quae omnia quomodo intelligenda sint, ex sequentibus patebit.
Notandum itaque, in chaotica massa latere suc cum quendam piguem salinum elernentis con genitum, qui a subterranei ignis potestate in vaporem actus, per universas Telluris fibras dispersus, ubi matricem invenerit Proportionatam, ei adhaeret, idemque longo temporis tractu coctus tandem in metallum glebae seu matrici terrae appropriatum degenerat.”

Die Vollkommenheit eines Metalls ist von der Art und Beschaffenheit der als Matrix dienenden Erden abhängig, wodurch sich enge Beziehungen zwischen dem Metall und dem Gestein, in dem es gefunden wird, ergeben. Den alchemistischen Anschauungen über das Entstehen der Metalle stehen diejenigen der Geologie gegenüber, worüber Abel Haatan in seinem Buche „Contribution a L`Etude De L`Alchemie, Theorie Et Pratique Du Grand Oeuvre“, Paris, Chacornac, sich eingehender äußert. Danach nimmt die Geologie im allgemeinen an, dass der Kern unserer Erde zu einem nicht geringen Teil aus Metallen im flüssigen Zustand gebildet wird, und dass einstmals die verschiedenen Metalle aus diesem Kern in die noch glühende und weiche Erdrinde durch Eruptionen verteilt wurden. Teilweise wurden diese Metalle später durch mineralische Wasser gelöst, von ihnen mitgeführt, in Klüften und Spalten abgelagert, und hier durch geeignete Reduktionsmittel wieder zu Metallen und metallischen Verbindungen reduziert.

Durch die Tatsachen scheinen jedoch diese Anschauungen wenig Bestätigung zu finden, den reichen und mächtigen Metallablagerungen, wie auch den oft eigenartigen Metallvorkommen gegenüber bleiben sie ungenügend. Die Erzgänge weisen in ihren Formationen keinerlei Anzeichen dafür auf, dass sie einstmals als Fumarolen in geschmolzen-flüssigem Zustand in das Gestein eingedrungen waren, und ebenso wenig weist ihre Struktur auf eine Bildung aus Salzen mineralischer Wasser, bei der die Wasser allmählich verdampft waren, und die in ihnen enthaltenen Metallsalze proportional zu ihrer Löslichkeit abgelagert hatten.

Entstammen die in der Erdrinde eingelagerten Metalle dem flüssigen Metallkern, so müsste das Metallvorkommen umso reicher sein, je tiefer man in die Erdrinde eindringt und sich damit dem Kern nähert. Das ist nicht der Fall, in größeren Tiefen werden überhaupt keine Metalle mehr gefunden. Solche und noch andere geologische Tatsachen scheinen die alchemistische Lehre eher zu bestätigen, nach der ein von außen, aus der Atmosphäre kommender Stoff durch seine Einwirkung auf eine aus dem inneren Kern aufsublimierende Substanz die Metalle entstehen lässt. Diese derartig zustande kommende Ursprungsmaterie entwickelt sich dann je nach ihrer Umgebung und der Art des Gesteins, und gerinnt unter der Einwirkung des Mineralisators zu einer ihrer Entwicklung entsprechenden metallischen oder mineralischen Form.

Kein Adept aber war so vermessen, wie die Alchemisten, die Metalle auf dieselbe Weise erzeugen zu wollen, wie die Natur. Der wahre Alchemist suchte durch einen Stoff, der desselben Ursprungs, aber anders geartet war, wie jener, mit dem die Natur Metalle erzeugt, die in der Natur “unreif” gebliebenen Metalle zur Reife zu bringen. “Gott hat uns dafür eine nähere Materie gegeben”, wie Leona Constantia sagte, und mit dieser Materie wird dann dasjenige Metall zur Vollkommenheit gebracht, das die Natur unvollkommen lassen musste. Die alchemistische Umwandlung unedler Metalle in edle ist derjenigen vergleichbar, die der Mensch im Pflanzenreich erzielen konnte, als er durch Bodenpflege, Auswahl, Kreuzung, Pfropfen und dergleichen die wilden Gramineen in Getreide verwandelte, Wildbäume zu reichtragenden Obstbäumen machte, aus einfachen Blumen in Wald und Feld die farbenprächtigen, duftenden Gartenblumen hervorbrachte.

In „Astronomia Inferior, Erzählung und Erwählung der sieben irdischen Planeten“, Nürnberg 1648, sagt der Verfasser, der sich Marcus Friedrich Rosencreutzer nennt, über das Entstehen der Metalle und von der „philosophischen Arbeit“ Folgendes: „Allhier treten nun die Pbilosophi zusammen, erforschen im Grunde weiter die vorsichtige wahre Natur, folgen derselben in Geberung und(,) Zeitigung der Mineralien und Metallen ganz fleißig nach, und machen IHR Wasser auch zu einem Samen in Centro Terrae geboren, und durch den Archaeum verschlossen, ausgekochet und vermischet, bis dasselbe wohl vereiniget, und zu einem dicken aqua viscosa seu unctuosa worden ist, weIches dann den, so es anrühret, nicht netzet, die metallische Natur und die natürliche Mutter aller Mineral und Metall nicht unbillich genannt wird: alsdann haben sie eine künstliche Arbeit verrichtet, und den Anfang ihres Werkes weiteres fortzusetzen und zu vollziehen, formiret und gemacht.
Dieser Universal und allgemeinen Wasserquelle weiß sich zu rühmen, und geust da aus Bemhardus Trevisan seine Fonticam: Raymundus sein Aqua Coelicam. Ripleus sein Benedictam Solis ac Lunae, das in der Hölen der Erden stecket; Frater Basihus Val. seinen Mercurii Spiritum: Sendivogius sein Aquam ponticam: Paracelsus sein Azoth, wie auch grünen und roten Löwen; Nortonius Anglicus sein Miraculum miraculorum: der kleine gelehrte Bauer seinen merkurialischen weißen Liliensaft; Hermes sein superius ac inferius: die Turba oder Schaar der Weisen ihr Lunae Wasser oder Argentum vivum. Dieser seinen acetum acerrimum oder Lac virginis: Jener den wunderbarlichen Vogel, wie man nur wolle, derselbige singen müsse, damit man Gold und Silber und alle Metall, alle weich und harte, edel und unedel Gesteine radicaliter auflösen, zerlegen und in primam materiam bringen könnte.

Herr Omnis Aleman einen Mercurialischen und Venerischen Geist, aus dem alle Ding der Weisheit kommen, welcher auch unsichtbar in der ganzen Welt herum regieret, und die Geburt der Metallen und Mineralien anhebet und vollbringet, auch allen Dingen, sie heißen, wie sie wollen, das Leben gibt und mittheilet, ja wachsen, geboren und erhalten werden. O Heimlichkeit über alle Heimlichkeiten, vor den Unwürdigen den Mund zu halten und zu verbergen.
Wie nun aber bei diesem edlen Brunnen die wahren Philosophi sich allzeit wohl befunden: also haben sie demselben nachzugehen und zu erforschen, auch ihren Jüngern anbefohlen und zum höchsten recornmandiret, als welcher große Wirkung in des menschlichen Leibe operieren und verrichten täte wie dann alle Metall aufschließen, und hinwieder in Wasser bringen, er einzig und allein vermag.
Und ob zwar bei diesem reinquellenden Erdsaft jederzeit viel Ungeziefer, Schlangen, Ottern und Basilischken sich gefunden haben, die mit ihrem Schreien und falschen Vorgeben denselben zu vergiften unterstanden, Schaden und allerlei Irrwege angeben, den richtigen Zugang dahin zu verhindern und aufzuhalten: sind sie doch endlich als betrügerische Leute, falsche Laboranten, unerfahrene Landstreicher erfunden, bei denen weder Kraft noch Saft, weder Nutz noch Frommen, endlich vermerket und verspüret worden. Mit einem Worte werden sie verlogene Alchimisten genannt, welche mit ihren falschen Prozessen hohes und niedriges Standes verführen und beschwatzen, aufsetzen, und von unmöglichen Dingen daherreden, davon die Natur und der Bestand ganz nichts weiß: welche alle Bemhardus der Philosophus in seiner Vorrede recht abmahlen und beschreiben tut, welcher hiervon wohl zu lesen und zu merken ist.”

“Frater Basilius sagt aus dem Grund, dass der erste Anfang des Samens der Metallen zu gebären in der Erden gewirkt wird, durch die Impression und Influenz Syderischer Eigenschaft, die gebet von den oberen in das untere, als in den Bauch der Erden und wirkt für und für Wärme drinnen, mit Hilfe der Elementen, dann sie müssen beide beisammen sein: Das Syderische gibt die Einbildung, dass die Erde zu der Empfängnis geschickt und schwanger wird: Die Elements mehren und speisen solche Frucht und bringen sie fort, durch stetige warme Eigenschafft, bis zur Vollkommenheit, das irdische Wesen gibt dazu die Form.

Also wird anfänglich der metallische und mineralische Samen gewirkt, nämlich aus einer syderischen (himmlischen) Einbildung, elementischer (geistlicher) Wirkung: und irdischer (leiblicher) Form. Die drei nun machen aus ihrem Centrum das erste Wesen des metallischen Samens, weIcher den noch die Philosophi weiter ergründet haben, dass aus diesem Wesen eine Form der metallischen Materia worden, begreiflich von dreien zusammengesetzt als Mercur, Sulphur und Sal, einem metallischen Mercurio geistlich, einem metallischen Schwefel himmlisch, und einem metallischen Salz leiblich, welches durch die Reduktion und Aufschließung der Metallen erweislich gefunden wird.

Das ist dann der rechte, wahre Sperma der Philosophen, von ihnen lange gesucht und nicht erkannt worden und das Licht von vielen zu sehen begehrt und eben die erste Materia, das selbige einige Ding, so aller Welt offenbar für Augen liegt, und doch von den wenigsten erkannt, und dazu an allen Orten sichtbar gefunden wird, nämlich Mercurius, Sulphur und Sal, und ein mineralisch Wasser oder metallischer Liquor, als das Centrum von seiner Form abgeschieden, und von diesen drei Anfahenden gemacht worden: Aus welchem mineralischen Wasser nun auch ferner alle Metalle gewirkt und gezeitigt werden zu ihrer Vollkommenheit, und wird solch Metall daraus, oder auch ein solch Mineral, danach das meiste unter den tribus principiis die Herrschung überkommen, danach hat es viel oder wenig Mercurius, Sulphur und Sal oder sein misciret mit einer ungleichen Abteilung des Gewichts, dass also etliche Metallen dadurch fix werden, etliche aber unfix, das ist, etliche beständig, etliche aber flüchtig.

Und auf diese Weise werden die Metalle in dem Bauche der Erden unterschiedlich gewirkt, gezeigt und geboren, die man dann hernach durch die Bergkunstarbeit herausgräbt und gewinnt, schmelzt und gutmacht, ein jedes nach seiner Art und Gewohnheit.”

Es ist ein Stein, und doch kein Stein, in welchem liegt die Kunst allein:
Ihn hat so die Natur gemacht, doch zur Vollkommenheit nicht bracht,
Darinnen liegt die ganze Kunst. Wer hat desselben Dinges Dunst,
Des roten Löwen güldnen Schein, Mercurium ganz rein und fein,
Und drin den roten Sulphur kennt, der hat das ganze Fundament!