Das Petrus Evangelium

Das Petrus Evangelium

(ca. 70 n. Chr.)

1) Von den Juden aber wusch sich keiner die Hände, weder Herodes noch einer seiner Richter. Und als sie sich nicht waschen wollten, stand Pilatus auf. Und da befiehlt der König Herodes, den Herrn abzuführen, indem er ihnen sagt: „Was ich euch befohlen habe, an ihm zu tun, das tut.“

2) Es stand aber daselbst Joseph, der Freund des Pilatus und des Herrn, und als er sah, dass sie ihn kreuzigen würden, kam er zu Pilatus und bat um den Leib des Herrn zum Begräbnis. Und Pilatus sandte zu Herodes und bat um seinen Leib. Und Herodes sprach: „Bruder Pilatus, auch wenn niemand um ihn gebeten hätte, würden wir ihn begraben, da ja auch der Sabbat aufleuchtet. Denn es steht im Gesetz geschrieben, die Sonne dürfe nicht über einem Getöteten untergehen.“Und er übergab ihn dem Volke am Tag vor den ungesäuerten Broten, ihrem Feste.

3) Sie aber nahmen den Herrn und stießen ihn eilends und sprachen: „Lasset uns den Sohn Gottes schleifen, da wir Gewalt über ihn bekommen haben“. Und sie legten ihm ein Purpurgewand um und setzten ihn auf den Richtstuhl und sprachen: „Richte gerecht, o König Israels!“ Und einer von ihnen brachte einen Dornenkranz und setzte ihn auf das Haupt des Herrn. Und andere, die dabei standen, spieen ihm ins Angesicht, und andere schlugen ihm auf die Wangen, andere stießen ihn mit einem Rohre, und etliche geißelten ihn und sprachen: „Mit solcher Ehre wollen wir den Sohn Gottes ehren.“

4) Und sie brachten zwei Übeltäter und kreuzigten den Herrn mitten zwischen ihnen. Er aber schwieg, wie wenn er keinen Schmerz empfände. Und als sie das Kreuz aufgerichtet hatten, schrieben sie darauf Dies ist der König Israels. Und sie legten die Kleider vor ihm nieder und teilten sie unter sich und warfen das Los über sie. Einer aber von den Übeltätern schalt sie und sprach: „Wir sind ins Leiden geraten um der Freveltaten willen, die wir begangen haben. Dieser aber, der der Heiland der Menschen geworden ist, was hat er euch zu Leide getan?“ Und sie wurden zornig über ihn und befahlen, dass ihm die Schenkel nicht gebrochen würden, damit er unter Qualen sterbe.

5) Es war aber Mittag, und eine Finsternis bedeckte ganz Judäa. Und sie gerieten in Angst und Unruhe darüber, dass die Sonne schonuntergegangen sei, da er ja noch am Leben war. (Denn) es steht ihnen geschrieben, die Sonne dürfe nicht über einem Getöteten untergehen. Und einer unter ihnen sprach: „Gebet ihm Galle mit Essig zu trinken.“ Und sie mischten es und gaben ihm zu trinken. Und sie erfüllten alles und machten das Maß der Sünden über ihr Haupt voll. Viele aber gingen mit Lichtern umher, da sie meinten. es sei Nacht (und) fielen hin. Und der Herr schrie auf und rief: Meine Kraft, o Kraft, du hast mich verlassen! Und indem er dies sagte, wurde er aufgenommen. Und zu derselben Stunde riss der Vorhang des Tempels zu Jerusalem entzwei.

6) Und da zogen die Juden die Nägel aus den Händen des Herrn und legten ihn auf die Erde. Und die ganze Erde erbebte und große Furcht entstand. Da leuchtete die Sonne wieder, und es fand sich, dass es die neunte Stunde war. Die Juden aber freuten sich und gaben seinen Leib dem Joseph, damit er ihn beerdige, da er ja all das Gute geschaut hatte, das Jesus getan hatte. Er nahm aber den Herrn, wusch ihn, hüllte ihn in eine Leinwand und brachte ihn in sein eigenes Grab, genannt Josephs Garten.

7) Da erkannten die Juden und die Ältesten und die Priester, welch großes Übel sie sich selbst zugefügt hatten, und begannen zu klagen und zu sagen: „Wehe über unsere Sünden, das Gericht und das Ende Jerusalems ist nahe herbeigekommen.“ Ich aber trauerte mit meinen Genossen, und verwundeten Sinnes verbargen wir uns denn wir wurden von ihnen gesucht als Übeltäter und solche, die den Tempel anzünden wollten. Wegen all dieser Dinge fasteten wir und saßen trauernd und weinend da Nacht und Tag bis zum Sabbat.

8) Als sich aber die Schriftgelehrten und Pharisäer und Ältesten miteinander versammelten und hörten, dass das ganze Volk murre und sich an die Brust schlage und sage: „Wenn bei seinem Tode diese überaus großen Zeichen geschehen sind, so sehet, wie gerecht er war!“, da fürchteten sie sich und kamen zu Pilatus, baten ihn und sprachen: „Gib uns Soldaten, damit wir sein Grab drei Tage lang bewachen, damit nicht seine Jünger kommen und ihn stehlen und das Volk glaube, er sei von den Toten auferstanden, und uns Böses antue“. Pilatus aber gab ihnen den Hauptmann Petronius mit Soldaten, um das Grab zu bewachen. Und mit diesen kamen Älteste und Schriftgelehrte zum Grabe. Und alle, die dort waren, wälzten zusammen mit dem Hauptmann und den Soldaten einen großen Stein herbei und legten ihn vor den Eingang des Grabes und legten sieben Siegel an, schlugen ein Zelt auf und hielten Wachen.

9) Frühmorgens, als der Sabbat anbrach, kam ein Volkshaufe aus Jerusalem und der Umgebung, um das versiegelte Grab zu sehen. In der Nacht aber, in welcher der Herrentag aufleuchtete, als die Soldaten, jede Ablösung zu zweit, Wache standen, erscholl eine laute Stimme im Himmel, und sie sahen die Himmel geöffnet, und zwei Männer in einem großen Lichtglanz von dort herniedersteigen und sich dem Grabe nähern. Jener Stein, der vor den Eingang des Grabes gelegt war, geriet von selbst ins Rollen und wich zur Seite, und das Grab öffnete sich, und beide Jünglinge traten ein.

10) Als nun jene Soldaten dies sahen, weckten sie den Hauptmann und die Ältesten – auch diese waren nämlich bei der Wache zugegen. Und während sie erzählten, was sie gesehen hatten, sehen sie wiederum drei Männer aus dem Grabe herauskommen und die zwei den einen stützen und ein Kreuz ihnen folgen, und das Haupt der zwei bis zum Himmel reichen dasjenige des von ihnen an der Hand Geführten aber die Himmel überragen. Und sie hörten eine Stimme aus den Himmeln rufen: „Hast du den Entschlafenen gepredigt?“, und es wurde vom Kreuze her die Antwort laut: „Ja.“

11) Jene erwogen nun miteinander, hinzugehen und dies dem Pilatus zu melden. Und während sie noch beratschlagten, sieht man wieder. wie die Himmel sich öffnen und ein Mensch heruntersteigt und ins Grab hineingeht. Als die Leute um den Hauptmann dies sahen, eilten sie in der Nacht zu Pilatus und verließen das Grab, das sie bewachten, und erzählten alles, was sie gesehen hatten, voller Unruhe und sprachen: „Wahrhaftig, er war Gottes Sohn.“ Pilatus antwortete und sprach: „Ich bin rein am Blut des Sohnes Gottes, ihr habt solches beschlossen.“. Da traten alle zu ihm, baten und ersuchten ihn dringend, dem Hauptmann und den Soldaten zu befehlen, niemandem zu sagen, was sie gesehen hatten. „Denn es ist besser für uns“, sagten sie, „uns der größten Sünde vor Gott schuldig zu machen, als in die Hände des Judenvolkes zu fallen und gesteinigt zu werden.“ Pilatus befahl nun dem Hauptmann und den Soldaten, nichts zu sagen.

12) In der Frühe des Herrntages nahm Maria Magdalena, die Jüngerin des Herrn – aus Furcht wegen der Juden, da (diese) vor Zorn brannten, hatte sie am Grabe des Herrn nicht getan, was die Frauen an den von ihnen geliebten Sterbenden zu tun pflegten – mit sich ihre Freundinnen und kam zum Grabe, wo er hingelegt war. Und sie fürchteten, die Juden würden sie sehen, und sprachen: „Wenn wir auch an jenem Tage, da er gekreuzigt wurde, nicht weinen und klagen konnten, so wollen wir solches wenigstens jetzt an seinem Grabe tun. Wer aber wird uns auch den Stein, der an den Eingang des Grabes gelegt ist, wegwälzen, damit wir hineingelangen, uns neben ihn setzen und tun, was sich gehört? – denn der Stein war groß – und wir fürchten, dass uns jemand sieht. Und wenn wir es nicht können, so wollen wir wenigstens am Eingang niederlegen, was wir zu seinem Gedächtnis mitbringen, wollen weinen und klagen, bis wir wieder heimgehen.

13) Und als sie hingingen, fanden sie das Grab geöffnet. Und sie traten herzu, bückten sich nieder und sahen dort einen Jüngling sitzen mitten im Grabe, anmutig und bekleidet mit einem hell leuchtenden Gewande, welcher zu ihnen sprach: „Wozu seid ihr gekommen? Wen sucht ihr? Doch nicht jenen Gekreuzigten? Er ist auferstanden und weggegangen. Wenn ihr aber nicht glaubt, so bückt euch hierher und sehet den Ort, wo er gelegen hat, denn er ist nicht da. Denn er ist auferstanden und dorthin gegangen, von wo er gesandt worden ist.“ Da flohen die Frauen voller Entsetzen.

14) Es war aber der letzte Tag der ungesäuerten Brote, und viele gingen weg und wandten sich nach Hause, da das Fest zu Ende war. Wir aber, die zwölf Jünger des Herrn, weinten und trauerten, und ein jeder, voller Trauer über das Geschehene, ging nach Hause. Ich aber, Simon Petrus, und mein Bruder Andreas nahmen unsere Netze und gingen ans Meer.