Buch 09

Das neunte Buch – Dass von den wesentlichen Dingen nichts untergehe

Titelblatt der ersten Ausgabe in Deutsch, Hamburg 1706
1. Lieber Sohn, wir müssen nun von der Seele und von dem Leibe sprechen: wie nämlich die Seele unsterblich sei und wie groß die Wirkung sei der Zusammenfügung und Entbindung des Leibes.

2. Denn in keinem von diesen wesenden Dingen wird der Tod gefunden, aber der Tod ist nur ein Wort, damit man sich den Tod einbildet, oder ein Name ohne Werke, ohne Wesen, welcher vielleicht darum Thanathos (das ist der Tod) genannt ist, weil man die ersten Buchstaben von Anathanathos (das ist unsterblich) ausgelassen.

3. Denn der Tod weist an einen Untergang, es geht aber von den Dingen in der Welt nichts unter, denn nachdem die Welt der zweite Gott und ein unsterbliches Tier ist, so ist es unmöglich, dass von diesem unsterblichen Tier ein Teil kann untergehen.

4. Alle Dinge aber, die in der Welt sind, sind Glieder der Welt, am allermeisten aber der Mensch, seiend das vernünftige Tier oder Geschöpf.

5. Denn der Erste von allen, welcher ewig ungeboren und ein Werkmeister ist von allen Dingen, ist Gott.

6. Aber das zweite oder andere, welches nach seinem Ebenbild ist, ist die Welt, welche von ihm zusammengefügt, unterhalten und mit Unsterblichkeit ist begabt worden, als welche von dem einzigen Vater allezeit lebend und allezeit unsterblich ist.

7. Allezeit lebend und allezeit unsterblich ist sie, denn das allezeit Lebende wird vom Ewigen nicht unterschieden.

8. Denn das Ewige ist nicht von einem Anderen geworden, doch im Fall es geworden ist, so ist es zu einem Mal von sich selbst geworden und nicht von einem Anderen, aber es wird allezeit; denn das Ewige, insoweit es ewig ist, ist alles.

9. Er, der Vater, ist ewig von sich selbst, die Welt aber ist von dem Vater (allezeit Lebenden und Unsterblichen) geworden.

10. Derselbe, soviel er von der Materie von sich weggelegt hatte, hat alles miteinander in einen Leib getrieben und dasselbe kugelig gemacht und mit einer Eigenschaft, die gleichfalls unsterblich ist und einer ewigen Leiblichkeit umfangen.

11. Aber der Vater, voll seiend von Gestalten, hat die Eigenschaften in die Kugel eingesetzt und dieselben darin, gleich als in einem Zirkel, von all den Eigenschaften umringt, womit er hat wollen abbilden die Eigenschaft, die in ihm war.

12. Den ganzen Leib hat er demnach mit Unsterblichkeit umringt, auf dass die Materie (im Fall sie wollte von der Zusammenfügung derselben abweichen) nicht könne in ihre Unordnung wieder aufgelöst werden, denn da die Materie, lieber Sohn! ohne Leib war, da war dieselbe ungeordnet.

13. Dieselbe hat auch allhier wohl eine Unordnung bei Abwechslung anderer kleiner Eigenschaften, welche Unordnung ist das Zu- und Abnehmen, welches die Menschen einen Tod nennen.

14. Doch diese Unordnung geschieht alleine an den irdischen Tieren, denn die Leiber von den Himmlischen behalten nur eine Ordnung, welche sie von Anfang von dem Vater empfangen haben.

15. Diese ihre Ordnung bleibt allezeit und vermag von keiner Herstellung eines Dinges aufgelöst werden, denn die Herstellung ist die Zusammenfügung der irdischen Leiber, aber die Bindung wird hergestellt in unauflösliche (das sind unsterbliche) Leiber, und also geschieht da eine Entbindung der Zusammenfügung, ist aber nicht der Leiber Untergang.

16. Das dritte Tier, der Mensch, der nach dem Ebenbild der Welt ist geworden, und nach dem Willen des Vaters über alle irdischen Tiere das Gemüt hat, der hat nicht allein mit dem zweiten Gott eine Übereinstimmung, sondern auch die Gemüts-Kraft des ersten, denn jenen begreift er mit dem seinen als einen Leib, aber diesen versteht er mit der Erkenntnis, gleich als ein unleibliches Wesen und das Gemüt des Guten.

17. Vergehet dieses Tier denn nicht?

18. Gedenke auf was Besseres, lieber Sohn, und verstehe doch, was Gott sei, was die Welt sei, was ein unsterbliches Tier sei, und verstehe, wie die Welt von Gott und in Gott ist, aber der Mensch von der Welt und in der Welt, aber der Anfang, der Begriff und die Zusammenstellung aller Dinge ist Gott.