Fulcanelli – Alchimie und Spagyrik

Alchemie und Spagyrik

Fulcanelli (ca. 1925)

Es ist anzunehmen, dass eine gute Anzahl gelehrter Chemiker – und gleichermaßen einige Alchimisten – keinesfalls unsere Sichtweise teilen. Das wird uns nicht aufhalten. Wir müssten als Parteigänger auch der subversivsten Theorien gelten, da wir uns nicht fürchten, hier unsere Gedanken darzulegen, davon ausgehend, dass die Wahrheit eine ganz andere Anziehungskraft besitzt als ein vulgäres Vorurteil, und dass sie selbst in ihrer Nacktheit jedem noch so schön bemäntelten und pompös daherkommenden Irrtum vorzuziehen ist.

Alle Autoren seit Lavoisier, die über die Geschichte der Chemie schreiben, sind sich darin einig, dass unsere Chemie in direkter Linie von der alten Alchimie abstammt. Entsprechend wird die Herkunft der einen Disziplin mit der der anderen durcheinandergebracht, dergestalt, dass gelehrt wird, die heutige Wissenschaft verdanke ihre faktischen Erkenntnisse, auf denen sie fußt, der geduldigen Arbeit der alten Alchimisten.

Diese Hypothese, der man allenfalls einen relativen und konventionellen Wert zugestehen könnte, wird heute als bewiesene Wahrheit anerkannt. Die Wissenschaft der Alchimie, derart ihrer eigenen Grundlagen beraubt, verliert somit alles, was ihre Existenz hätte begründen, ihr Dasein hätte rechtfertigen können. Aus der Ferne, durch den Nebel der Legende und den Schleier der Jahrhunderte betrachtet, bietet sie nur noch eine vage Form dar, nebulös, ohne Konsistenz. Als undeutliches Phantom, lügnerisches Gespenst verdient die wundersame und trügerische Chimäre, in den Rang der gestrigen Illusionen und falschen Wissenschaften verwiesen zu werden, wie es im übrigen ein bekannter Professor wünscht.

Aber da, wo Beweise nötig wären, wo Fakten unverzichtbar sind, begnügt man sich damit, den hermetischen Annahmen lediglich die Bitte um eine Grundlagendebatte entgegenzusetzen. Die Schule, die keinen Widerspruch duldet, diskutiert nicht, sie tranchiert. Nun denn! Wir bescheinigen nun unsererseits, wobei wir vorschlagen, es auch zu beweisen, den Wissenschaftlern, die guten Glaubens diese Hypothese sich zu eigen gemacht und sie propagiert haben, dass sie sich – aus Unwissenheit oder mangelnder Verstandesschärfe – Illusionen hingegeben haben. Sie verstanden die Bücher, die sie studierten, nur zur Hälfte und nahmen den Anschein für die Wirklichkeit. Sagen wir es also in aller Deutlichkeit, da doch so viele gelehrte und ernsthafte Forscher es nicht zu wissen scheinen, dass die wahre Ahnherrin unserer Chemie die alte Spagyrie ist und nicht die hermetische Wissenschaft selbst. Es existiert in der Tat ein tiefer Abgrund zwischen der Spagyrie und der Alchimie. Genau das ist es, was wir versuchen wollen aufzuzeigen, zumindest so weit es ratsam ist, dies zu tun, ohne dabei die Grenzen des Erlaubten zu überschreiten. Wir hoffen indessen, die Analyse weit genug treiben und eine ausreichende Präzisierung zur Untermauerung unserer These erzielen zu können. Dabei schätzen wir uns außerdem glücklich, denjenigen Chemikern, die unserer These feindlich gegenüberstehen, von unserem guten Willen und unserem aufrichtigen Bemühen Zeugnis zu geben.

Es gab im Mittelalter – und wahrscheinlich auch in der griechischen Antike, wenn wir uns auf die Werke von Zozime und Ostanes berufen wollen – zwei Grade, zwei Arten von Forschung im Bereich der Chemie: die Spagyrie und die Alchimie. Diese beiden Zweige ein und derselben Populärwissenschaft unterschieden sich bei den Praktikern durch die Art des Experimentierens. Metallverarbeiter, Goldschmiede, Maler, Keramikhersteller, Glaser, Färber, Schnapsbrenner, Emailleschmelzer, Töpfer etc. benötigten, ebenso wie Apotheker, ausreichende Kenntnisse der Spagyrie. Sie vervollkommneten diese selbst im Laufe der Zeit durch die Ausübung ihres Berufes. Was die Alchimisten betrifft, so bildeten sie eine besondere Kategorie unter den antiken Alchimisten, die abgeschlossener und auch geheimnisvoller war. Das Ziel, das sie verfolgten, hatte zwar einiges gemein mit dem der Alchimisten, aber die Materialien und die Verfahrensweisen, die sie anwandten, um ihr Ziel zu erreichen, waren rein chemischer Natur. Ein Metall in ein anderes zu verwandeln, Gold und Silber aus einfachen Erzen oder Metallsalzverbindungen zu gewinnen, das potentiell im Silber enthaltene Gold und das im Zinn verborgene Silber offenbar werden zu lassen und herauslösbar zu machen: das waren die Ziele des Alchimisten. Er war, abschließend gesagt, ein Spagyrist, der sich im Reich der Minerale verschanzt hatte und freiwillig die tierischen Substanzen sowie die pflanzlichen Alkaloide aufgegeben hatte. Da es nun aber im Mittelalter verboten war, außer mit vorheriger Genehmigung zu gewerblichen Zwecken, Schmelzöfen und chemische Utensilien bei sich zu Hause zu haben, studierten, experimentierten und manipulierten sie nach getaner Arbeit heimlich in ihren Kellern oder auf ihren Dachböden. Sie kultivierten die Wissenschaft der Kleinen Merkwürdigkeiten, wie die Alchimisten diese eines Philosophen unwürdigen Nebensächlichkeiten ein wenig abschätzig nannten. Ohne diese nützlichen Forscher deswegen zu verachten, müssen wir feststellen, dass auch die erfolgreichsten unter ihnen einen oft nur mäßigen Nutzen daraus zogen und dass mitunter ein Experiment, das zunächst mit Erfolg durchgerührt worden war, bei Wiederholung keine oder nur unsichere Ergebnisse erbrachte.

Gleichwohl sind es – trotz oder gerade wegen ihrer Irrtümer – die Alchimisten, die zunächst den Spagyristen und dann der modernen Chemie die Grundlagen geliefert haben, die Fakten, Methoden und Verfahrensweisen, deren sie bedurften. Diese Männer, getrieben von ihrem Drang, alles zu durchstöbern und alles zu erforschen, sind die wahren Gründer einer perfekten und strahlenden Wissenschaft, sie sind es, die sie mit den richtigen Beobachtungen, den exakten Reaktionen, den brauchbaren Verfahren, den mühsam erarbeiteten Fertigkeiten ausgestattet haben. Erweisen wir diesen Pionieren, die uns vorausgegangen sind, diesen großen Arbeitern demütig unseren Respekt und vergessen wir nie, was sie für uns getan haben.

Aber die Alchimie, wir wiederholen es, steuerte zu diesem fortlaufenden Prozess nichts bei. Die hermetischen Schriften, die von uneingeweihten Forschern gar nicht verstanden wurden, waren lediglich die indirekte Ursache für Entdeckungen, die ihre Autoren niemals hatten voraussehen können. Auf solche Art und Weise stellte etwa Blaise de Vigenere Benzoesäure durch Erhitzen von Benzoegummi her; gewann Brandt Phosphor, als er im Urin nach Alkaest suchte; erstellte Basile Valentin – Meisterschüler seines Faches, der spagyristische Experimente keineswegs verachtete – die komplette Liste der Ammoniumsalze und synthetisierte das Rotgoldalkolloid; stellte Raymond Lulle Aceton und Cassius Purpurgold her; produzierte Glauber Sodiumsulfat und wies Van Helmont die Existenz der Gase nach. Aber, mit Ausnahme von Lulle und Basile Valentin wurden alle diese Forscher fälschlicherweise als Alchimisten klassifiziert, waren sie doch in Wirklichkeit einfache Alchimisten oder Spagyriker. Auf Grund dieses Fehlers kann ein berühmter Gelehrter, Autor eines Klassikers, mit einigem Recht behaupten: «Wenn Hermes, der Vater der Philosophen, heute zusammen mit dem scharfsinnigen Geber und dem gründlichen Raymond Lulle auferstünde, würden die drei von unseren gemeinen Chemikern nicht als Philosophen betrachtet. Ja, sie wagten es kaum, sie in die Reihe ihrer Schüler aufzunehmen, da diese gar nicht umzugehen verstünden mit all den Distillationen, Kreisläufen, Kalzinierungen und all den unzähligen Verfahren, die unsere gemeinen Chemiker erfunden haben. Deswegen verstünden die heutigen Chemiker die allegorischen Schriften dieser Philosophen auch völlig falsch».

Mit ihrem konfusen Text, der mit kabbalistischen Ausdrücken gespickt ist, sind diese Bücher auch heute noch der eigentliche Grund für die plumpe Verachtung, die wir hier ansprechen. Denn trotz der warnenden Hinweise ihrer Autoren bestehen die Studenten hartnäckig darauf, den Text im konkreten Wortsinn zu verstehen. Sie wissen nicht, dass diese Texte den Eingeweihten vorbehalten sind und dass man den passenden Geheimschlüssel braucht, um sie wirklich zu verstehen. Um diesen Schlüssel zu finden, muss man vorher hart arbeiten. Sicherlich enthalten diese alten Traktate wenn nicht die vollständige Wissenschaft, so doch zumindest ihre Philosophie und ihre Prinzipien sowie die Möglichkeit, sie in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen anzuwenden. Aber wenn man die okkulte Bedeutung der Begriffe nicht kennt – was zum Beispiel Ares heißt, was es von Aries unterscheidet und gleichzeitig mit Arles, Amet und Albait gemein hat – und der absichtlich dunklen Bezeichnungen, die in diesen Werken auftauchen, dann muss man fürchten, entweder gar nichts zu verstehen oder zwangsläufig einer Täuschung auf den Leim zu gehen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich dabei um eine esoterische Wissenschaft handelt. Folglich sind eine wache Intelligenz, ein ausgezeichnetes Gedächtnis sowie eiserner Wille keinesfalls ausreichend, um hoffen zu können, die Materie jemals zu beherrschen. «Diejenigen irren sich gewaltig», schreibt Nicolas Grosparmy, «die glauben, dass wir unsere Bücher nur für sie geschrieben haben; haben wir sie doch geschrieben, um gerade alle die auszuschließen, die nicht zu unserer Sekte gehören.» Batsdorff gibt seinen Lesern am Anfang seines Traktates folgenden gutgemeinten Rat: «Jeder vernünftige Mensch», sagt er, «muss zuerst die Wissenschaft erlernen, das heißt ihre Grundlagen und Techniken, bis er sie beherrscht, oder das Ganze sein lassen, anstatt sinnlos seine Zeit und sein Geld zu verschwenden … Nun aber bitte ich die Leser dieses kleinen Buches, meinen Worten Glauben zu schenken. Ich sage ihnen also noch einmal, dass sie diese hehre Wissenschaft niemals aus Büchern lernen werden, sondern dass man sie nur durch göttliche Offenbarung begreifen kann, weswegen sie auch göttliche Wissenschaft genannt wird. Oder aber vermittels eines guten und treuen Meisters; und da es wenige gibt, denen Gott diese Gnade erwiesen hat, gibt es auch wenige, die diese Wissenschaft lehren.» Schließlich nennt ein anonymer Autor des XVII. Jahrhunderts weitere Gründe für die Schwierigkeit, die man bei der Lösung dieses Rätsels hat: «Dies aber», schreibt er, «ist der wichtigste und wahre Grund, weswegen die Natur so vielen Philosophen diesen offenen Königspalast verschlossen hat, selbst den scharfsinnigsten unter ihnen: dass sie nämlich, da sie schon seit frühester Jugend vom einfachen Weg der Natur abgekommen sind, durch logische sowie metaphysische Deduktionen und, getäuscht durch die Illusionen auch der besten Bücher, sich vorstellen und beschwören, dass diese Kunst tiefer ist und schwieriger zu erlernen als jede Metaphysik, obgleich die harmlose und unbefangene Natur auf diesem wie auf allen anderen Wegen geraden und einfachen Schrittes schreitet.»

Solcherart sind die Meinungen der Philosophen über ihre eigenen Werke. Wen nimmt es da wunder, dass so viele exzellente Chemiker der falschen Fährte folgen, dass sie sich selbst überschätzen, wenn sie über eine Wissenschaft diskutieren, deren Grundbegriffe zu verstehen sie nicht einmal in der Lage sind? Und hieße das nicht, den Neubekehrten einen Dienst erweisen, wenn man sie aufriefe, über diese große Wahrheit nachzudenken, die in der Imitation proklamiert wird, wo es in Bezug auf die versiegelten Bücher heißt (Buch III, Kap.II, Abs.2):

«Sie [die Bücher] können wohl ihre Stimme zu Gehör bringen, aber das ergibt noch keinen intelligenten Sinn. Sie bieten die Buchstaben dar, aber es ist der Herr, der den Sinn offenbart; sie geben uns Rätsel auf, aber Er ist es, der sie löst. Sie zeigen den Weg auf, dem man folgen muss, aber Er gibt die Kraft, ihn auch zu gehen.»

Dies ist der Stein des Anstoßes, über den unsere Chemiker immer wieder gestolpert sind. Und wir sind sicher, dass, hätten unsere Gelehrten die Sprache der alten Alchimisten verstanden, ihnen die Praktiken des Hermes bekannt wären und auch der Stein der Weisen nicht länger als eine Chimäre betrachtet würde.

Wir haben oben dargelegt, dass die Alchimisten ihre Arbeiten auf der hermetischen Theorie aufbauten – soweit sie diese verstanden – und dass dies der Ausgangspunkt für äußerst fruchtbare Experimente mit rein chemischen Erkenntnissen war. Sie stellten die sauren Losungsmittel her, deren wir uns bedienen, und auf Grund deren Reaktion auf Metalloberflächen erhielten sie bereits die ganze Reihe der Salze, die wir heute kennen. Indem sie anschließend diese Salze reduzierten, entweder durch andere Metalle, durch Laugen oder Kohlenstoff, oder mit Hilfe von Zucker oder Fetten, erhielten sie ihre basischen Ausgangsstoffe unverändert wieder. Diese Versuche ebenso wie die Methoden, die sich daraus ergeben, unterscheiden sich in keinster Weise von denen, die in den heutigen Labors ständig angewandt werden. Manche Forscher allerdings trieben ihre Untersuchungen sehr viel weiter; sie erweiterten auf eigentümliche Weise das Feld des chemisch Möglichen bis zu einem Punkt, an dem ihre Resultate uns zweifelhaft, ja phantastisch erscheinen. Es stimmt, dass diese Verfahren oft unvollkommen und fast ebenso geheimnisumwittert sind wie das Große Werk selbst. Unsere Absicht war es indes – wir haben es angekündigt – den Studenten nützlich zu sein, und so behandeln wir dieses Thema im Detail und werden zeigen, daß die Erträge dieser Souffleure sicherere experimentelle Ergebnisse liefern, als man ihnen zugetraut hätte. Mögen uns die Philosophen, unsere Brüder, die wir dafür um Nachsicht bitten, diese Abschweifungen verzeihen. Einerseits ist unsere Aufgabe auf die Alchimie beschränkt und beabsichtigen wir auch, auf strikt spagyristischem Terrain zu bleiben, andererseits wollen wir auch unser Versprechen einhalten und durch reale und kontrollierbare Fakten zeigen, daß unsere Chemie den Spagyristen und Alchimisten alles, der hermetischen Philosophie und den Alchimisten dagegen gar nichts verdankt.

Das einfachste alchimistische Verfahren besteht darin, den Effekt heftiger Reaktionen – etwa den der Säuren auf Basen – zu benutzen, um während der Siedephase die Vereinigung der reinen Bestandteile zu einem neuen, nicht mehr reduzierbaren Stoff zu erreichen. Man kann so, ausgehend von einem dem Gold benachbarten Metall – vorzugsweise dem Silber – eine kleine Menge des Edelmetalls herstellen. Dies ist, in diesem Bereich der Forschungen, ein elementares Verfahren, bei dem wir den Erfolg garantieren, falls man unsere Anleitung genau befolgt.

Füllen Sie einen hohen, gläsernen, zylindrischen Kolben zu einem Drittel mit Salpetersäure. Verbinden Sie den Kolben über ein Röhrchen mit einem Auffanggefäß und stellen Sie die Apparatur in ein Sandbad. Erhitzen sie die Apparatur vorsichtig. Kurz vor Erreichen des Siedepunktes der Salpetersäure stellen Sie das Feuer ab, öffnen den Hahn und führen durch das Röhrchen eine kleine Menge gediegenen Silbers bzw. Silbers von höchstem Feingehalt, das keinerlei Spuren von Gold enthält, zu. Sobald die Stickstoffperoxydemission aufhört und das Gemisch nicht mehr brodelt, lassen Sie eine zweite Menge reinen Silbers in die Flüssigkeit fallen. Wiederholen Sie die Zufuhr von Silber so lange, bis ein schwächeres Aufbrodeln und ein geringerer Ausstoß an roten Dämpfen die baldige Sättigung anzeigen. Führen Sie nichts mehr zu, lassen Sie das Gemisch eine halbe Stunde stehen, bis die Feststoffe sich abgesetzt haben. Gießen Sie nun vorsichtig die noch heiße Flüssigkeit in ein anderes Gefäß ab. Sie werden auf dem Boden des Kolbens eine dünne Ablagerung finden, die wie feiner, schwarzer Sand aussieht. Waschen Sie diese in lauwarmem, destilliertem Wasser aus und schütten Sie sie in einen kleinen Porzellantiegel. Sie werden durch Versuche feststellen, dass der Niederschlag weder in Salpeter- noch in Salzsäure löslich ist. Er löst sich hingegen in Königswasser auf und ergibt eine wunderschöne gelbe Lösung, die der Farbe des Trichloridgoldes genau entspricht. Verdünnen Sie die Lösung mit destilliertem Wasser. Geben Sie eine Zinkplatte in das Gemisch, wird sich daran ein amorphes Puder anlagern, das sehr fein und matt sowie von rotbrauner Farbe ist und so aussieht wie natürliches Gold, das auf gleiche Weise reduziert wurde. Waschen Sie diesen pulverigen Niederschlag sorgfältig und trocknen Sie ihn anschließend. Wenn Sie ihn auf einer Glas- oder Marmorplatte pressen, erhalten Sie ein schimmerndes, kohärentes Blättchen, das das Licht hellgelb reflektiert und, gegen das Licht gehalten, grünlich durchscheint. Damit entspricht es in Eigenschaften und Oberflächenstruktur dem reinen Gold.

Um Ihren kleinen Vorrat um eine weitere Menge zu erhöhen, können Sie das Verfahren beliebig oft wiederholen. Nehmen Sie dazu wiederum die klare Silbernitratlösung, die inzwischen um das zum Auswaschen verwandte Wasser angereichert ist. Reduzieren Sie das Metall mittels Zink oder Kupfer. Gießen Sie ab und waschen Sie mehrmals aus, sobald die Reduktion abgeschlossen ist. Trocknen Sie dieses Silber in Pulverform und benutzen Sie es für Ihre zweite Losung. Wenn Sie so fortfahren, häufen Sie damit genug Metall an, um die Analyse bequemer durchführen zu können. Außerdem sind Sie sich so über die Herstellung sicher – auch um Ausschließen zu können, dass das anfänglich verwandte Silber Spuren von Gold enthielt.

Aber ist dieser einfache, so problemlos gewonnene Stoff wirklich Gold? Unsere Aufrichtigkeit zwingt uns, diese Frage mit nein oder zumindest mit einem noch nicht zu beantworten. Denn wenn dieser Stoff auch äußerlich völlig dem Gold gleicht und auch in seinen Eigenschaften und chemischen Reaktionen mit ihm übereinstimmt, so fehlt ihm doch ein entscheidender physikalischer Faktor: die gleiche Dichte. Dieses Gold ist leichter als das natürliche, wenngleich es bereits eine höhere Dichte hat als Silber. Wir können es also nicht als mehr oder weniger stabiles Silberisotop betrachten, sondern als junges Gold, Gold in statu nascendi sozusagen, was seine erst kürzliche Entstehung nicht verleugnen kann. Es ist allerdings durchaus möglich, dass dieses neuentstandene Produkt durch Kontraktion die höhere Dichte des ausgereiften Metalls dauerhaft erreichen wird. Die Alchimisten wandten ein Verfahren an, mit dem sie dem jungen Gold alle spezifischen Eigenschaften des ausgereiften Metalls verschafften; sie nannten dieses Verfahren Reifung oder Verfestigung, und wir wissen, dass das Quecksilber dabei eine wichtige Rolle spielte. Man findet in manchen alten lateinischen Manuskripten unter der Bezeichnung Confirmatio noch Hinweise auf dieses Verfahren.

Es sei uns erlaubt, zu dem Verfahren, das wir oben geschildert haben, einige nützliche und weiterführende Bemerkungen zu machen, die philosophischen Prinzipien betreffend, auf denen die konkrete Herstellung des Metalls beruht. Wir könnten gleichzeitig einige verbesserte Varianten nennen, die die quantitative Ausbeute erhöhen, aber damit überschritten wir die von uns selbst gesetzten Grenzen. Wir überlassen es also jedem Forscher selbst, solche Verbesserungen zu entdecken und die Rückschlüsse daraus am Experiment kritisch zu überprüfen. Unsere Rolle beschränkt sich darauf, Fakten zu präsentieren; es ist an den modernen Alchimistcn, Spagyristcn und Chemikern, daraus Schlüsse zu ziehen.

Aber es gibt in der Alchimie noch andere Methoden, deren Ergebnisse als Beweis philosophischer Annahmen dienen können. Sie erlauben die Zerlegung metallischer Stoffe, die lange Zeit als Elemente galten. Das Ziel dieser Verfahren, die den Alchimisten bekannt sind, wenngleich sie sie nicht zum Erarbeiten des Großen Werkes benötigen, ist es, einen der beiden Metallradikale, Quecksilber oder Schwefel, zu isolieren.

Die hermetische Philosophie lehrt, dass die Stoffe keinerlei Wirkung auf andere Stoffe ausüben, sondern allein die Geister aktiv und durchdringend sind. Sie sind es, die Geister und natürlichen Kräfte, die bei der Materie jene Umwandlungen bewirken, die wir beobachten. Überdies bestätigt die Weisheit durch das Experiment, dass die Stoffe unter sich nur kurzfristig und leicht rückgängig zu machende Verbindungen eingehen können. Dies gilt für Legierungen, von denen manche sich schon durch einfaches Schmelzen seigern lassen sowie für alle Salzverbindungen. Desgleichen behalten die Bestandteile einer Metallverbindung ihre spezifischen Charakteristika, unbeschadet der davon verschiedenen Eigenschaften, die sie in der Verbindung annehmen. Man versteht also, von welch großem Nutzen die Geister bei der Trennung von Quecksilber und Schwefel sein können, wenn man weiß, dass sie allein in der Lage sind, die großen Kohäsionskräfte zu überwinden, die diese beiden Prinzipien aneinander bindet.

Zunächst einmal ist es unumgänglich zu wissen, was die Alten unter der ziemlich vagen Gattungsbezeichnung Geister verstanden.

Für die Alchimisten sind dies reale Kräfte, obwohl sie, rein physisch gesehen, fast immateriell und unwägbar sind. Sie wirken auf mysteriöse, unerklärliche und unbekannte Art und Weise auf die Stoffe ein, die ihnen unterworfen und für sie empfänglich gemacht werden. Die Ausstrahlung des Mondes ist einer dieser hermetischen Geister.

Was die Alchimisten betrifft, so erweist sich ihre Konzeption als konkreter und substantieller. Unsere alten Chemiker subsumieren unter ein und derselben Rubrik alle Stoffe, einfache sowie komplexe, feste wie flüssige, solange sie nur die Qualität flüchtig aufweisen, was sie völlig sublimierbar macht. Metalle, Nichtmetalle, Salze, Kohlenwasserstoffe etc. bieten dem Alchimisten ihren Vorrat an Geistern: Quecksilber, Arsen, Antimonium und einige ihrer Verbindungen; des weiteren Schwefel, Ammoniaksalz, Alkohol, Äther, pflanzliche Öle etc.

Bei der Isolierung metallischen Schwefels ist die Sublimationsmethode die beliebteste. Hier also als Hinweis einige Vorgehensweisen:

Lösen Sie auf gleiche Weise wie oben beschrieben reines Silber in heißer Salpetersäure, verdünnen Sie anschließend die Lösung mit heißem, destilliertem Wasser. Gießen Sie die klare Flüssigkeit ab, um sie gegebenenfalls von dem bereits bekannten schwarzen Niederschlag am Boden des Gefäßes zu trennen. Lassen Sie es in einem abgedunkelten Raum abkühlen und gießen Sie langsam entweder eine gefilterte Lösung Sodiumchlorid oder pure Salzsäure hinzu. Das Chlor des

Silbers setzt sich als milchigweiße Masse am Boden ab. Nach vierundzwanzig Stunden Ruhe gießen Sie die saure Lösung ab, waschen den Rest schnell unter kaltem Wasser und trocknen es sofort anschließend in einem völlig abgedunkelten Raum. Wiegen Sie nun ihr Silberchlorid und vermischen Sie es gut mit der dreifachen Menge reinen Ammoniumchlorids. Füllen Sie das ganze in einen ausreichend hohen Glaskolben, so dass das Gemisch nur gerade den Boden bedeckt. Erhitzen Sie vorsichtig im Sandbad und erhöhen Sie die Temperatur nur gradweise. Sobald die richtige Temperatur erreicht ist, wird das Ammoniaksalz aufsteigen und die Wand sowie den Rand des Gefäßes mit einer festen Schicht überziehen. Dieser Belag, von schneeweißer, selten auch gelblicher Farbe lässt nicht vermuten, dass er etwas Ungewöhnliches enthielte. Schneiden Sie nun das Gefäß auf und entfernen Sie sorgfältig jenen weißen Belag, den Sie dann in heißem oder kaltem destilliertem Wasser lösen. In der fertigen Lösung werden Sie schließlich ein sehr feines Puder von strahlendem Rot finden; dies ist ein Teil des Silber- oder auch Mondschwefels, das aus dem Metall herausgelöst und durch das Ammoniaksalz verflüchtigt worden ist.

Dieses Verfahren hat trotz seiner Einfachheit gravierende Nachteile. Scheinbar so einfach, erfordert es dennoch großes Geschick und besondere Vorsicht bei der Dosierung der Hitze. Man muss vor allem, will man nicht die Hälfte oder noch mehr des Metalls verlieren, das Schmelzen der Salze vermeiden. Bleibt man andererseits unterhalb der Temperatur, die nötig ist, um das Gemisch flüssig werden zu lassen und zu halten, so findet keine Sublimierung statt. Überdies wird während der Sublimierung das Silberchlorid, das von Natur aus sehr durchdringend ist, durch den Kontakt mit Ammoniaksalz so beißend, dass es durch die Poren des Glaskolbens ins Freie entweicht. Sehr häufig springt der Kolben zu Beginn der Vaporisationsphase, sodass das Ammoniaksalz an der freien Luft sublimiert wird. Der Versuchsleiter kann aber nicht auf Steingut-, Ton- oder Porzellankolben ausweichen, die poröser sind als Glas, da er ständig den Reaktionsverlauf beobachten muss, um jederzeit eingreifen zu können. Es gibt also, bei dieser wie auch bei vielen ähnlichen Verfahren, gewisse praktische Tricks, die die Alchimisten vorsichtigerweise für sich behalten haben. Einer der besten besteht darin, das Chloridgemisch aufzuteilen, indem man einen inerten Stoff dazwischensetzt, der geeignet ist, die Salze zwar klebrig zu machen, das Schmelzen aber zu verhindern. Dieser Stoff darf weder reduzierend noch katalysierend wirken; man muß ihn auf jeden Fall auch problemlos vom caput mortuum isolieren können. Früher benutzte man dazu zerstoßene Ziegelsteine und verschiedene andere Absorbenten wie eine Masse Zinns, Bimsstein, pulverisierten Feuerstein etc. Diese Substanzen ergeben leider einen sehr verunreinigten Sublimat. Wir bevorzugen ein bestimmtes Produkt, das keinerlei Affinität zum Silber- oder Ammoniumchlorid hat und das aus judäischem Bitumen gewonnen wird. Neben der Reinheit des erzeugten Schwefels wird auch das Verfahren einfacher. Man kann dabei ohne weiteres die Menge der anfallenden Rückstände an metallischem Silber reduzieren und den Prozess der Sublimierung problemlos so lange wiederholen, bis der Schwefel vollständig herausgelöst ist. Die Rückstände, die sich nicht weiter reduzieren lassen, haben die Form einer grauen, weichen, sehr feinen Asche, die sich fettig anfühlt und den Fingerabdruck abbildet. Diese Asche verliert in kurzer Zeit die Hälfte ihres spezifischen Quecksilbergewichtes.

Diese Technik lässt sich ebenso gut auf Blei anwenden. Es ist billiger und hat zudem den Vorteil, lichtunempfindliche Salze zu bilden, was den Versuchsleiter davon entbindet, im Dunkeln zu arbeiten. Ebenso kann der Gips entfallen. Schließlich gelingt, da Blei weicher als Silber ist, die Umwandlung in roten Sublimat besser und in kürzerer Zeit. Der einzig ärgerliche Nebeneffekt dieses Verfahrens ist die Tatsache, dass das Ammoniaksalz sich mit dem Schwefel des Bleis an der Wand des Kolbens zu einer so kompakten und verkrusteten Salzschicht verbindet, dass man sie mit dem Glas verschmolzen glaubt. Es ist daher sehr aufwendig, die Schicht zu lösen, ohne sie zu zermahlen. Die Schicht selbst ist von einem schönen rot, umhüllt von einem kräftiggelben Sublimat, der aber sehr unrein ist im Vergleich zu dem des Silbers. Man muss ihn also vor der Weiterverarbeitung gründlich reinigen. Seine Reife ist ebenfalls unvollkommener, eine wichtige Feststellung, falls man seine Forschungen auf die Erzeugung bestimmter Farbstoffe hin ausgerichtet hat.

Nicht alle Metalle reagieren auf die gleichen chemischen Wirkstoffe. Das Verfahren für Silber und Blei kann so nicht auf Zinn, Kupfer, Eisen oder Gold angewandt werden. Zunächst übt der Geist, der den Schwefel von einem gegebenen Metall löst und isoliert, seine Wirkung bei einen anderen Metall auf dessen merkurisches Prinzip aus. Im ersten Fall wird das Quecksilber fest gebunden, während der Schwefel sich verflüchtigt; im zweiten Falle kann man den umgekehrten Prozess beobachten. Von daher die unterschiedlichen Methoden und die vielzähligen Techniken der Metallaufspaltung. Es ist im übrigen hauptsächlich die Affinität der Stoffe zueinander sowie die der Stoffe für die Geister, die die Anwendung regeln. Man weiß, dass Silber und Blei eine große Sympathie füreinander besitzen; die Minerale des silberhaltigen Bleis beweisen es hinreichend. Wenn nun die Affinität die genauere chemische Zugehörigkeit dieser Stoffe bestimmt, so ist es logisch anzunehmen, dass derselbe Geist, unter gleichen Umständen eingesetzt, die gleichen Effekte erzielte. Das geschieht so bei Eisen und Gold, welche durch eine nahe Affinität verbunden sind; wenn die mexikanischen Goldschürfer eine sehr rote Sanderde entdecken, die hauptsächlich aus Eisenoxid besteht, so schließen sie daraus, dass das Gold nicht weit sein kann. Auch sehen sie diese rote Erde als eine Mine und die Mutter des Goldes an, als das beste Indiz einer nahen Ader. Die Tatsache scheint dennoch ziemlich eigenartig, wenn man die physikalischen Unterschiede dieser Metalle bedenkt. In der Klasse der gewöhnlichen metallischen Stoffe ist das Gold das rarste; das Eisen hingegen ist das häufigste, welches man überall findet, nicht nur in den Minen, wo man auf beachtliche und zahlreiche Vorkommen stößt, sondern auch auf der Erdoberfläche verstreut. Die Tonerde verdankt ihm ihre spezielle Färbung, zuweilen gelb, wenn das Eisen unwässrigem Zustand ist, zuweilen rot, wenn es als Oxyd auftritt, eine Farbe, die sich beim Brennen noch verstärkt (Bricketts, Kacheln, Töpferwaren). Von allen klassifizierten Mineralen ist der Eisenkies das gewöhnlichste und bekannteste. Die schwarze, eisenhaltige Masse findet man häufig in Form von Kugeln unterschiedlicher Größe, mit harter Schale, zuweilen auch nierenförmig, auf Feldern, am Wegesrand, in kreidehaltigem Gebiet. Die Kinder auf dem Land spielen gewöhnlich mit diesen Markasiten, die, wenn man sie aufbricht, eine faserige, kristalline und strahlige Konsistenz zeigen. Sie umschließen mitunter kleine Mengen Goldes. Die vor allem aus geschmolzenem, magnetischem Eisen bestehenden Meteoriten beweisen, dass die interplanetarischen Massen, von denen sie stammen, ihre Struktur zum größten Teil dem Eisen verdanken. Manche Pflanzen enthalten Eisenverbindungen (Weizen, Kresse, Linsen, Bohnen, Kartoffeln). Der Mensch wie die Wirbeltiere verdanken dem Eisen und dem Gold die rote Färbung ihres Blutes. Die Eisensalze sind nämlich das aktive Element des Hämoglobins. Sie sind für die Funktion der Organe so wichtig, dass Medizin und Pharmazie zu allen Zeiten versucht haben, dem metallarmen Blut die zu seiner Restitution nötigen Stoffe wieder zuzuführen (Peptonat und Eisenkarbonat). Im Volk hat sich der Brauch erhalten, dem Wasser vermittels oxydierter Nägel Eisen zuzusetzen. Schließlich besitzen die Eisensalze eine solche farbliche Bandbreite, dass man mit Sicherheit damit das gesamte Farbspektrum abdecken könnte, vom Violett, das die Farbe des reinen Metalls darstellt, bis zum intensiven Rot des Siliziums in den verschiedenen Rubin- und Granatsorten.

Das alles war gar nicht nötig, die Alchimisten zu bewegen, über das Eisen zu arbeiten mit der Absicht, die Zusammensetzung seiner Farbanteile herauszubekommen. Überdies läßt sich dieses Metall sehr leicht in seine schwefeligen und quecksilbrigen Anteile zerlegen, es ist dazu nur eine einzige Manipulation vonnöten, was sehr vorteilhaft ist. Die überragende, enorme Schwierigkeit besteht in der Vereinigung dieser Elemente, welche sich, trotz ihrer Reinigung, energisch der Zusammensetzung zu einem neuen Stoff widersetzen. Aber wir übergehen dieses Problem ohne es zu analysieren oder zu lösen, da unser Thema sich darauf beschränkt nachzuweisen, dass die Alchimisten immer schon chemische Stoffe, benutzt haben unter Verwendung chemischer Mittel und Verfahren.

Bei der spagyristischen Behandlung des Eisens benutzt man die heftige Reaktion von Säuren, die eine entsprechende Affinität zu dem Metall haben, um die Kohäsionskräfte zu überwinden. Man geht gewöhnlich aus vom Eisenkies oder Eisenfeilspänen. Im letzten Fall empfehlen wir Vorsicht und Behutsamkeit. Verwendet man Eisenkies, genügt es, es möglichst fein zu zerstoßen und das Pulver unter ständigem Rühren im Feuer glühend zu machen. Wiederabgekühlt füllt man es in einen großen Glaskolben, zusammen mit der vierfachen Menge Königswasser und bringt das ganze zum Kochen. Für ein oder zwei Stunden läßt man es stehen, gießt die Flüssigkeit ab, schüttet schließlich zu dem Magma eine entsprechende Menge Königswasser und bringt das Gemisch erneut zum Kochen. Man muss mit dem Erhitzen und Abgießen so lange fortfahren, bis der Eisenkies am Boden des Gefäßes weiß erscheint. Man nimmt den Extrakt heraus, filtert ihn durch Glaswolle und konzentriert ihn durch langsames Destillieren in einem zylindrischen Kolben. Wenn die Ausgangsmenge auf ein Drittel reduziert ist, öffnet man den Kolben und gibt nach und nach eine bestimmte Menge 66° Schwefelsäure zu (60 Gramm auf einen Extrakt, das aus 500 Gramm Eisenkies gewonnen wurde). Man destilliert, bis es trocken ist und erhöht, nachdem man das Gefäß gewechselt hat, langsam die Temperatur. Man wird beobachten können, wie sich ölige, blutrote Tröpfchen bilden, die den schwefeligen Farbstoff darstellen, daneben sieht man einen schönen weißen Sublimat, der sich als kristalliner Flaum am Gefäß festgesetzt hat. Dieser Sublimat ist ein echtes Quecksilbersalz -von manchen Alchimisten Quecksilbervitriol genannt – den man ohne Schwierigkeit mit Hilfe von Eisenfeilspänen, ungelöschtem Kalk oder anhydratischem Potassiumkarbonat in flüssiges Quecksilber verwandeln kann. Man kann sich übrigens sofort überzeugen, dass der Sublimat das spezielle Quecksilber des Eisens enthält, indem man die Kristalle auf einer Kupferplatte verreibt: der Amalgamat entsteht sofort und das Metall erscheint wie versilbert.

Die Eisenfeilspäne hingegen erzeugen einen Schwefel von goldener statt roter Farbe sowie ein wenig – ein ganz klein wenig – sublimerten Quecksilbers. Das Verfahren ist das gleiche mit dem kleinen Unterschied, dass man in das erhitzte Königswasser jeweils eine Prise Eisenfeilspäne werfen und danach immer erst warten muss, bis die Aufwallung sich gelegt hat. Es ist gut, einen Rührfisch zum ständigen Umrühren zu verwenden um zu verhindern, dass die Eisenfeilspäne am Boden klumpen. Nach dem Filtern und Reduzieren bis auf die Hälfte gibt man – in ganz kleinen Mengen, da die Reaktion sehr heftig ist -Schwefelsäure hinzu bis zur Hälfte des Gewichts der konzentrierten Flüssigkeit. Das ist der gefährliche Teil des Verfahrens, da es häufig vorkommt, dass der Kolben explodiert oder an der Stelle, an der die Säure sich befindet, Risse bekommt.

Wir hören an dieser Stelle mit der Beschreibung des Eisens auf, da wir meinen, dass das Gesagte genügt, um unsere These zu untermauern und beschäftigen uns zum Abschluss unserer Betrachtung spagyristischer Verfahren mit dem Gold, das sich nach Meinung aller Philosophen der Auflösung am hartnäckigsten widersetzt. Es ist ein bekanntes Axiom der Spagyrie, dass es leichter ist, Gold zu machen als es zu zerstören. Aber hierzu zwingt sich uns eine kurze Anmerkung auf.

Wir beschränken uns darauf, die chemische Realität der archimistischen Forschung zu beweisen und hüten uns wohl, in klaren Worten zu lehren, wie man Gold machen kann. Wir verfolgen ein höhergestecktes Ziel. Wir ziehen es vor, im Bereich der reinen Alchimie zu bleiben, anstatt den Forscher anzuregen, diesem dornigen, von Schlamm gesäumten Pfad zu folgen. Denn die Anwendung dieser Methoden, mit denen man zwar das chemische Prinzip der direkten Umwandlungen auf eine feste Grundlage stellen kann, bringt für das Große Werk überhaupt nichts, da dessen Erarbeitung von diesem Prinzip völlig unberührt bleibt. Nachdem wir dies gesagt haben, kehren wir zu unserem Thema zurück.

Ein altes Diktum der Spagyrie besagt, dass der Grund des Goldes im Gold selbst liegt; wir widersprechen dem nicht, solange jeweils gesagt wird, um welches Gold es sich handelt oder wie es möglich sein soll, diesen aus dem gewöhnlichen Gold entwickelten Grund zu erlangen. Solange man dieses letzte Geheimnis nicht kennt, muss man sich gezwungenermaßen damit begnügen, der Entstehung des Phänomens zuzuschauen, ohne dabei mehr zu gewinnen als eine objektive Sicherheit. Beobachten wir also aufmerksam die folgende Operation, deren Durchführung keinerlei Schwierigkeiten bereitet.

Lösen Sie reines Gold in Königswasser auf; gießen Sie eine der Hälfte des Gewichts des verwandten Goldes entsprechende Menge Schwefelsäure zu. Es wird sich lediglich eine leichte Kontraktion vollziehen. Rühren Sie die Lösung auf und füllen Sie sie in einen nicht röhrenförmigen Glaskolben, der in einem Sandbad steht. Erwärmen Sie zunächst mit mittlerer Hitze, damit die Destillierung der Säuren sanft und ohne Aufzukochen vor sich geht. Sobald die Destillation abgeschlossen ist und das Gold als eine gelbe, matte, trockene und schwammige Masse am Boden erscheint, füllen Sie das Gemisch um und erhöhen Sie stetig die Temperatur. Sie werden weiße, undurchsichtige Dämpfe aufsteigen sehen, zunächst nur wenig, dann immer stärker werdend. Die ersten Dämpfe werden als schönes gelbes Öl kondensieren und in das Gefäß laufen; die nachfolgenden lagern sich an den Wänden des Gefäßes als feine Kristalle ab, die wie Vogelflaum aussehen. Die wunderschöne blutrote Farbe strahlt wie ein Rubin, wenn ein Sonnenstrahl oder anderes Licht darauffällt. Diese Kristalle,

die, wie alle Goldsalze, sehr instabil sind, lösen sich in eine gelbe Flüssigkeit auf, sobald die Temperatur sinkt…

Wir untersuchen die Sublimationen nicht weiter. Bei den alchimistischen Vorgängen, die als Kleine Merkwürdigkeiten bekannt sind, handelt es sich meistens um auf Zufall beruhenden Techniken. Die besten dieser Vorgänge gehen von solchen Metallprodukten aus, die auf die von uns beschriebene Weise erzeugt worden sind. Zahlreiche zweitrangige Werke oder Manuskripte von Souffleuren verbreiten sich ausgiebig darüber. Wir beschränken uns auf die Merkwürdigkeit, die Basile Valentin schildert und die wir um der Dokumentation willen beschreiben wollen, da sie, im Gegensatz zu den anderen, durch solide und treffende philosophische Begründungen untermauert wird. Der berühmte Adept gibt in dieser Passage an, daß man eine ganz besondere Farbe gewinnen kann, wenn man vermittels Eisensalz das Quecksilber des Silbers mit dem Schwefel des Kupfers verbindet. «Der Mond», sagt er, «hat in sich ein stabiles Quecksilber, wodurch er der Gewalt des Feuers länger widersteht als die anderen, unvollkommenen Metalle; und der Sieg, den es davonträgt, zeigt nur mehr, wie stabil es ist, so daß noch nicht einmal der reißende Saturn ihm etwas entreißen oder es vermindern kann. Die laszive Venus ist sehr bunt, ihr ganzer Körper ist fast nur Tünche und von ähnlicher Farbe, wie sie die Sonne hat, die auf Grund ihres Überflusses einen Zug ins rötliche hat. Aber ihren [der Venus’] leprösen und kranken Körper hält auch die Tünche nicht zusammen; wo der Körper sich verflüchtigt, muss die Farbe folgen, denn wenn ebendieser vergeht, kann die Seele nicht bestehen. Ist ihr Domizil vom Feuer verzehrt, bleibt ihr kein Sitz und keine Zuflucht, wohingegen sie, wenn sie begleitet ist, sich in einem stabilen Körper befindet. Das stabile Salz verschafft dem Krieger Mars einen harten, starken, soliden und robusten Körper, von dem seine Größe und großer Mut herrühren. Deswegen ist es so schwierig, diesen tapferen Feldherrn zu überwinden, ist sein Körper doch so hart, daß man ihn nur mit Mühe verletzen kann. Paart aber jemand seine Stärke und Härte mit der Beständigkeit des Mondes und der Schönheit der Venus und stimmt sie mit einem spirituellen Mittel ab, könnte er gegen eme zarte Harmonie gar nicht so viel Übles ausrichten, wie der arme Mensch nötig hätte, der sich zu diesem Zweck einiger Kniffe unserer Kunst bedient hätte, nachdem er auf dieser Leiter hochgestiegen und bis ans Ende des Großen Werkes gelangt wäre, um dadurch sein Leben besonders zu gewinnen. Denn die phleghmatische und feuchte Natur des Mondes kann durch das warme und cholerische Blut der Venus erwärmt und getrocknet werden; seine große Schwärze kann durch das Salz des Mars ausgeglichen werden.»

Von den Alchimisten, die mit Gold experimentierten, um es zu vermehren und die mit ihren Formeln erfolgreich waren, nennen wir den venezianischen Priester Pantheus; Naxagoras, Autor der Alchymia denudata (1715); de Hocques, Duclos, Bernard de Labadye; Joseph du Chesne, Baron von Morance, Arzt König Heinrichs IV.; Blaise de Vigenere; Bardin, du Havre (1638); Mlle de Martinville (1610); Yardley, englischer Erfinder eines dem Londoner Handschuhmacher M. Garden im Jahre 1716 übertragenen Verfahrens, wiederum von M. Ferdinand Hochley weitergegeben an Doktor Sigismond Bacstrom, der es 1804 in einem Brief an M.L. Sand beschrieb; zuletzt der fromme Philanthrop St.Vincent de Paul, Gründer der Peres de la Mission (1625), der Kongregation üerSccursde la Charite (1634) etc.

Man möge uns gestatten, einen Augenblick bei dieser großen und noblen Gestalt sowie seiner okkulten Arbeit zu verweilen, die weithin unbekannt geblieben ist.

Man weiß, dass der Heilige Vincent de Paul auf einer Reise von Marseille nach Narbonne von berberischen Piraten gefangengenommen und nach Tunis verschleppt wurde. Er war zu diesem Zeitpunkt 24 Jahre alt. Man versichert uns weiterhin, dass es ihm gelang, seinen letzten Herrn, einen Renegaten, in den Schoß der Kirche zurückzuführen, dass er nach Frankreich zurückkehrte und sich in Rom aufhielt, wo ihn Papst Paul V. mit großen Ehren empfing. Seit dieser Zeit gründete er fromme Stiftungen und karitative Einrichtungen. Was man uns nicht sagt, ist, dass der Vater der Findelkinder, wie man ihn zu seinen Lebzeiten nannte, während seiner Gefangenschaft Alchimie studiert hat. So erklärt sich auch, ohne dass man dazu wunderbare Interventionen bemühen müsste, wie der große Apostel der christlichen Nächstenliebe das nötige Geld für seine zahlreichen philanthropischen Werke aufbringen konnte. Er war im übrigen ein praktischer Mensch, entschlossen, seiner Sache gewiss, der keineswegs seine Angelegenheiten vernachlässigte, kein bisschen träumerisch oder dem Mystizismus zugeneigt. Außerdem verbarg sich eine wahrhaft menschliche Seele unter der rauhen Schale eines geschäftigen, hartnäckigen und ehrgeizigen Mannes.

Was seine chemischen Arbeiten anbelangt, so besitzen wir von ihm zwei aussagekräftige Briefe. Der erste, der an Monsieur de Comet, Anwalt am Präsidialgericht in Dax, gerichtet ist, wurde mehrmals veröffentlicht und von Georges Bois im Peril occultiste (Paris: Victor Retaux o.J.) untersucht. Er ist in Avignon abgefasst und datiert vom 24. Juni 1607. Wir zitieren das ziemlich lange Dokument von dem Moment an, wo Vincent, nachdem er seine Mission in Marseille erledigt hat, seine Vorbereitungen für die Rückkehr nach Toulouse trifft.

«… Als ich schon dabei war, die Reise auf dem Landweg anzutreten, wurde ich von einem Edelmann, mit dem zusammen ich logierte, überzeugt, mich mit ihm zusammen bis Narbonne einzuschiffen, da das Wetter günstig war; dies tat ich dann, um schneller anzukommen und Geld zu sparen oder, besser gesagt, um niemals anzukommen und alles zu verlieren. Der Wind war so günstig, dass er uns noch am selben Tag bis Narbonne gebracht hätte, und das wären fünfzig Meilen gewesen, wenn Gott es nicht zugelassen hätte, dass drei türkische Briganden, die den Golf von Leon befuhren (um die Barkassen abzufangen, die aus Beaucaire kamen, wo gerade eine Messe stattgefunden hatte, die, wie man sagte, zu den schönsten der Christenheit zählte), uns jagten und so heftig attackierten, dass zwei oder drei von uns getötet und alle anderen verletzt wurden. Auch ich bekam einen Pfeil ab, der mir noch bis ans Ende meines Lebens als Uhr dienen wird. Schließlich mussten wir uns diesen Gaunern ergeben, die schlimmer waren als Tiger. In der ersten Wut hieben sie unseren Steuermann in tausend Stücke, da sie einen ihrer Anführer verloren hatten, den wir, mit vier oder fünf weiteren Verbrechern, getötet hatten. Nachdem sie dies getan hatten, legten sie uns in Ketten, nicht ohne uns vorher wüst beschimpft zu haben, und setzten dann ihre Plünderung fort. Sie stahlen tausend Sachen, ließen aber dennoch alle diejenigen frei, die sich kampflos ergeben hatten, freilich nicht ohne auch sie auszurauben: schließlich stachen sie, hochbeladen mit Waren, nach sieben oder acht Tagen in See und nahmen Kurs auf das Land der Berber, das den Dieben, ohne Billigung des Großtürken, als Schlupfwinkel und Höhle diente. Dort angekommen, boten sie uns zum Verkauf feil und erzählten dabei die Geschichte unserer Gefangennahme, die sie auf ein spanisches Schiff verlegten, da wir ohne diese Lüge von dem Konsul ausgelöst worden wären, den der [französische] König entsandt hatte, um den Franzosen den freien Handel zu ermöglichen. Die Verkaufsprozedur verlief so, dass wir, nachdem sie uns völlig nackt ausgezogen hatten, von ihnen je ein paar Hosen sowie einen linnenen Rock mit einer benote bekamen; sie führten uns sodann durch Tunis, wohin sie gekommen waren, um uns zu verkaufen. Nachdem sie uns fünf oder sechs Runden durch die Stadt hatten laufen lassen, die Kette um den Hals, brachten sie uns zurück aufs Schiff, damit die Händler sehen könnten, wer etwas essen kann und wer nicht, um zu zeigen, dass unsere Verletzungen nicht tödlich waren. Anschließend brachten sie uns wieder auf den Platz, wo die Händler kamen und uns genauso begutachteten, wie man es beim Kauf eines Pferdes oder Ochsen tut; sie öffneten uns den Mund, um nach den Zähnen zu sehen, betasteten unsere Seite, untersuchten unsere Wunden, ließen uns traben oder rennen und schließlich Lasten tragen, zuletzt kämpfen, um die Kraft jedes einzelnen festzustellen, und tausend andere Brutalitäten.

Ich wurde an einen Fischer verkauft, der bald gezwungen war, sich wieder von mir zu trennen, da das Meer ihm nicht günstig war von dem Fischer kam ich zu einem alten Mann, einem spagyristischen Mediziner, souveränem Beherrscher der Essenzen, einem sehr humanen und umgänglichen Menschen der, wie er mir sagte, fünfzig Jahre lang den Stein der Weisen gesucht hatte und, wenn auch in dieser Beziehung erfolglos, sicherlich einige andere Metallmutationen entdeckt hatte. Dies ist wahr, denn ich habe ihn oft soviel Gold wie Silber zusammen schmelzen sehen, die Legierung in kleine Plattchen walzen und eine Schicht irgendeines Pulvers in einen Schmelztiegel oder ein Schmelzgefäß, wie es die Schmiede benutzen, schütten sehen, gefolgt von einer Schicht Plättchen, worauf er wiederum eine Schicht Pulver schüttete und so fort. Dann hat er es für vierundzwanzig Stunden ins Feuer gestellt, und als er es öffnete, habe ich gesehen, dass alles Silber zu Gold geworden war. Öfter noch sah ich ihn Quecksilber zu Feinsilber gerinnen lassen, das er verkaufte, um den Erlös den Armen zu geben. Meine Aufgabe war es, in zehn oder zwölf Öfen das Feuer zu unterhalten, was mir, Gott sei Dank, nicht mehr Mühe als Freude bereitete. Er mochte mich sehr und fand großen Gefallen daran, mich Alchimie und deren Gesetz zu lehren, für das er mich eifrig zu begeistern suchte, indem er mir großen Reichtum und all sein Wissen versprach. Gott hielt in mir durch meine unablässigen Gebete zu ihm und der Jungfrau Maria den Glauben an die Befreiung aufrecht, und ich glaube fest daran, durch das Eingreifen der Jungfrau allein die Freiheit wiedererlangt zu haben. Die Hoffnung und der unerschütterliche Glaube, Sie, mein werter Herr, wiederzusehen, gaben mir die Kraft ihn zu bitten, mir das Mittel zur Heilung des Harngrieses, bei dessen Behandlung ich ihn täglich Wunder vollbringen sah, zu zeigen. Dies tat er auch, das heißt, er ließ mich die Ingredienzen zubereiten und das Mittel verabreichen…

Ich blieb von September 1605 bis zum nächsten August bei dem Alten, dann wurde er abgeholt, um zum Großen Sultan gebracht zu werden, für den er arbeiten sollte. Dies war allerdings vergeblich, denn er starb vor Kummer auf dem Weg dorthin. Er hinterließ mich seinem Neffen, einem wahren Anthropomorphiten, der mich bald nach dem Tod seines Onkels verkaufte, da er gehört hatte, dass Monsieur de Breve, Bostschafter des [französischen] Königs in der Türkei, mit guten und ausdrücklichen Patenten des Großtürken käme, um die christlichen Sklaven auszulösen. Ein Renegat und natürlicher Feind der Kirche aus Nice in Savoyen kaufte mich und nahm mich mit in sein Temat (so nennt sich das Gut, das man als Pächter vom Großherrn erhält, denn das Volk besitzt nichts, alles gehört dem Sultan). Sein Temat war in den Bergen, wo es extrem heiß und öde ist.»

Zehn Monate, nachdem er diesen Mann bekehrt hatte, brach Vincent mit ihm auf, «als wir endlich», fährt der Schreiber fort, «in einem kleinen Boot fliehen konnten und wir trafen am 28. Juni in Aigues-Mortes ein. Bald darauf kamen wir in Avignon an, wo der Vizelegat den Renegaten öffentlich in der St.-Peterskirche empfing, mit Tränen in den Augen und schluchzender Stimme, zur Ehre Gottes und zur Erbauung der Zuschauer. Mein Herr erwies mir die Ehre, mich zu lieben und zu herzen um einiger alchimistischer Geheimnisse willen, die ich ihn gelehrt hatte und aus denen er größeren Nutzen ziehe, sagt er, si io gli avessi dato un monte di oro, denn er habe ein Leben lang gearbeitet und erhoffe sich keine weitere Befriedigung … – Vincent Depaul».

Ein weiteres Schreiben aus Rom vom Januar 1608, an denselben Adressaten gerichtet, zeigt uns Vincent de Paul, wie er den eben genannten Vizelegaten in seine spagyristischen Geheimnisse einweiht und wegen ebendieser Kenntnisse in hoher Gunst steht. «… Meine Stellung ist also die, in einem Wort, dass ich in der Stadt Rom bin, wo ich meine Studien fortsetze und vom Herrn Vizelegaten aus Avignon unterhalten werde, der mir die Ehre erweist, mich zu lieben und mein Fortkommen zu wünschen, da ich ihm einige sehr schöne Dinge gezeigt habe, die ich während meiner Versklavung bei dem alten Türken gelernt hatte, an den ich verkauft worden war. Ich habe Euch ja davon geschrieben und auch von der Zahl der Kuriositäten, von denen der Spiegel des Archimedes nur den Anfang, nicht die Vollendung darstellt. Hierbei handelt es sich um ein künstliches Mittel, um den Kopf eines Toten zum Sprechen zu bringen. Dieser Elende bediente sich dieses Mittels, um das Volk zu verführen, indem er ihnen erzählte, dass sein Gott Mohammed durch diesen Kopf seinen Willen verkünde. Dies und noch tausend weitere schöne Sachen aus der Geometrie lernte ich bei ihm, deretwegen mein genannter Herr Vizelegat so eifersüchtig ist, dass er nicht einmal will, dass ich jemanden empfange, aus Angst, ich könnte ihm etwas verraten. Er allein möchte in dem Ruf stehen, diese Dinge zu wissen und er gefällt sich darin, sie gelegentlich Seiner Heiligkeit und den Kardinalen vorzuführen.»

Trotzdem er den Alchimisten und ihrer Wissenschaft nur geringe Glaubwürdigkeit zugesteht, erkennt Georges Bois an, dass man weder die Redlichkeit des Erzählers noch die Richtigkeit der Experimente, die er gesehen hat, in Zweifel ziehen kann. «Er ist ein Zeuge», schreibt er, «der auf sich alle Garantien vereinigt, die man von einem Augenzeugen erwarten kann: er hat es häufig gesehen und offensichtlich ohne erkennbares eigene Interesse, eine Bedingung, die sich nicht in gleichem Maße bei Forschern findet, die von ihren eigenen Experimenten erzählen und dabei durch ihren besonderen Standpunkt voreingenommen sind. Er ist ein guter Zeuge, aber er ist ein Mensch: er ist nicht unfehlbar. Er konnte sich täuschen und für Gold ansehen, was doch nur eine Legierung aus Gold und Silber war. Nach unserem jetzigen Kenntnisstand und der unserer Erziehung zu verdankenden Gewohnheit, die Metallumwandlungen unter die Fabeln einzureihen, sehen wir uns gezwungen, dies anzunehmen. Wenn wir aber darauf verzichten, das Zeugnis, das wir untersuchen, leicht zu nehmen, ist der Irrtum ausgeschlossen. Es ist klar gesagt, dass der Alchimist zusammen Gold und Silber zu gleichen Teilen schmolz: das wäre also die klar definierte Legierung. Diese Legierung wird zu Plättchen ausgewalzt. Anschließend werden diese Plättchen schichtweise angeordnet, wobei sie jeweils durch eine Schicht eines nicht weiter beschriebenen Pulvers getrennt werden. Dieses Pulver ist zwar nicht der Stein der Weisen, aber es besitzt eine seiner Eigenschaften: es bewirkt die Umwandlung. Man erhitzt es vierundzwanzig Stunden lang, und der Silberanteil der Legierung hat sich in Gold verwandelt. Dieses Gold wird wieder verkauft und so fort. Es gibt keinerlei Missverständlichkeit bei der Unterscheidung der Metalle. Zudem ist es unwahrscheinlich, dass ein solch enormer Irrtum so leicht hätte passieren können, da das Verfahren häufig wiederholt und das Gold an Händler verkauft wurde. Zu dieser Zeit nämlich glaubte alle Welt an Alchimie; “die Goldschmiede, Bankleute und Händler wussten sehr wohl reines Gold von einer Goldlegierung zu unterscheiden. Seit Archimedes kann jeder Gold an Hand der Relation von Volumen und Gewicht erkennen. Die Fürsten, die Gold fälschen, täuschen damit ihre Untertanen, nicht aber die Waage der Bankicutc oder die Münzprägekunst. Man konnte keinen Goldhandel betreiben, indem man für Gold verkaufte, was keines war. Dies wäre im Tunis des Jahres 1605, das zu der Zeit einer der bekanntesten internationalen Handelsplätze war, ein ebenso schwieriger und gefährlicher Betrug gewesen wie zum Beispiel in London, Amsterdam, New York oder Paris heutzutage, wo die großen Goldgeschäfte in Barren getätigt werden. Dies ist der unserer Meinung nach schlagendste Beweis, den wir zur Unterstützung der These der Alchimisten beibringen konnten, wonach die Metallumwandlung tatsächlich möglich ist.»

Das Verfahren selbst hängt ausschließlich von der Alchimie ab und kommt dem ziemlich nahe, was Pantheus in seiner Voarchademie lehrt, wo er das Ergebnis des Verfahrens als das Gold der zwei Zementationen bezeichnet. Denn wenn Vincent de Paul auch in groben Zügen das Verfahren beschrieben hat, hat er sich andererseits wohl gehütet, die genaue Abfolge und Art der Verfahrensschritte zu beschreiben. Derjenige, der es heute zu realisieren suchte, könnte, auch wenn er genaueste Kenntnis des speziellen Zementierpulvers besäße, nur den Misserfolg konstatieren. In der Tat muss das Gold, um das beigemischte Silber umwandeln zu können, besonders vorbehandelt werden, da das Zementierpulver sich allein auf das Silber auswirkt. Ohne diese Vorbehandlung bliebe das Gold im Elektrum inert und könnte dem Silber nicht das übertragen, was es selbst nicht besitzt. Die Spagyristen nennen diese Vorbereitungsarbeit Exaltation oder Trumfusion, und man führt sie ebenfalls mit Hilfe eines Zementierpulvers aus, das schichtweise beigegeben wird. Da die Zusammensetzung des ersten Zementierpulvers von der des zweiten verschieden ist, ist die von Pantheus für das erzeugte Metall gewählte eigene Bezeichnung voll gerechtfertigt.

Das Geheimnis der Läuterung [Exaltation], ohne dessen Kenntnis man keinen Erfolg hat, besteht darin, die normale Farbe des Goldes entweder auf einen Schlag oder auch schrittweise zu erhöhen, indem man den Schwefel eines unvollkommenen Metalls, im Normalfall des Kupfers, zugibt. Dieser gibt dem Edelmetall durch eine Art chemischer Transfusion sein eigenes Blut. Das so mit Farbe überladene Gold nimmt eine korallenrote Farbe an und kann so dem spezifischen Quecksilber des Silbers den Schwefel abgeben, der ihm fehlt. Dies geschieht vermittels mineralischer Geister, die im Laufe des Prozesses aus dem Zementierpulver entweichen. Diese Übertragung des im Überfluss im geläuterten Gold gebundenen Schwefels vollzieht sich langsam und schrittweise unter Hitzeeinwirkung; sie benötigt 24 bis 48 Stunden, je nach den Fähigkeiten des Handwerkers beziehungsweise der Menge der bearbeiteten Materie. Größte Aufmerksamkeit ist dem Unterhalt des Feuers zu widmen, welches gleichbleibend und von ausreichender Stärke sein muss, ohne jemals den Schmelzpunkt der Legierung zu erreichen. Man riskiert bei zu starker Hitze die Verflüchtigung des Silbers sowie die Auflösung des im Gold gebundenen Schwefels, der ja noch keine vollkommene Festigkeit gewonnen hat.

Schließlich befasst sich ein drittes Verfahren, das absichtlich ausgelassen wird, da ein kundiger Archimist so vieler Hinweise gar nicht bedarf, mit dem Auswalzen der Metallplättchen, ihrer Verschmelzung und Kapellierung. Der Bodensatz aus reinem Gold zeigt beim Wiegen eine mehr oder weniger spürbare Verminderung, die im allgemeinen variiert zwischen einem Fünftel und einem Viertel des beigemischten Silbers. So oder so bleibt trotz dieser Einbuße bei dem Verfahren noch ein lohnender Gewinn.

Wir machen darauf aufmerksam, dass dem korallenroten Gold, gleich, auf welche Weise es gewonnen wurde, die Fähigkeit zur direkten Umwandlung, das heißt auch ohne Zusatz eines Zementierpulvers, einer gewissen Menge Silbers eignet: ungefähr bis zu einem Viertel seines Eigengewichts. Da es jedoch unmöglich ist, den genauen Wert des Koeffizienten der Kraft des Goldes zu bestimmen, umgeht man die Schwierigkeit, indem man das Rotgold mit der dreifachen Menge Silbers schmilzt und die ausgewalzte, zu Plättchen geschnittene Legierung dem Ausgangsverfahren unterzieht.

Nachdem wir gesagt haben, dass die auf der Aufnahme einer bestimmten Menge metallischen Schwefels durch das Quecksilber des Goldes beruhende Läuterung eine farbverstärkende Wirkung auf das Metall hat, geben wir nun einige Hinweise auf die zu diesem Zweck ausgeführten Arbeitsschritte. Diese nutzen, wenn man auf die Metallmasse einwirken will, um die Legierung wieder aufzulösen, die Fähigkeit des Sonnenquecksilbers, einen Teil reinen Schwefels fest zu binden. So gibt das mit Kupfer verschmolzene Gold, wird es wieder getrennt, dennoch einen Teil jener Färbung nie vollständig auf, deren es das Kupfer entkleidet hat. Das heißt, dass bei mehrmaliger Wiederholung des Prozesses das Gold sich mehr und mehr anreichert und schließlich diese überflüssige Farbe dem ihm nahestehenden Metall, dem Silber, abgeben kann.

Ein erfahrener Chemiker, bemerkt Naxagoras, weiß zur Genüge, dass, reinigt man Gold bis zu vierundzwanzig Mal und noch darüber hinaus mit Antimoniumsulfat, es eine bemerkenswerte Farbe und Feinheit sowie besonderen Glanz gewinnt. Aber dabei tritt, im Gegensatz zu dem, was sich beim Kupfer ereignet, ein Metallverlust auf, da das Quecksilber des Goldes bei der Reinigung einen Teil seiner Substanz an das Antimonium abgibt, wodurch der Schwefel im Überfluss vorhanden ist, was ein Ungleichgewicht der natürlichen Verhältnisse darstellt. Dies macht die Technik unbrauchbar und lässt lediglich die simple Befriedigung der Neugier erwarten.

Man kann ebenfalls Gold läutern, indem man es zunächst zusammen mit der dreifachen Menge Kupfers schmilzt und die ausgewalzte Legierung anschließend mit kochender Salpetersäure wieder auflöst. Obwohl diese Technik aufwendig und, wegen der benötigten Säuremenge, auch teuer ist, ist sie doch eine der besten und sichersten Methoden, die wir kennen.

Besäße man jedoch ein wirksames Reduktionsmittel, das man während der Verschmelzung des Goldes mit dem Kupfer einsetzen könnte, wäre das Verfahren dadurch viel einfacher und man müsste weder Materialverlust noch übergroße Mühen befürchten, und das trotz der unumgänglichen Wiederholungen, die diese Methode erfordert. Schließlich wird der Kundige, indem er diese verschiedenen Methoden erforscht, vielleicht noch bessere, das heißt noch effizientere entdecken. Es würde zum Beispiel genügen, einen direkt aus dem Blei gelösten Schwefel zu verwenden, ihn im Rohzustand an Wachs zu binden und ihn langsam in das geschmolzene Gold einzuleiten, das dann den reinen Anteil bände. Man könnte auch gleich auf das Eisen zurückgreifen, für dessen spezifischen Schwefel das Gold die größte Affinität zeigt.

Aber es genügt. Wer will, kann nun arbeiten; ob man seine Meinung für sich behält oder nicht, unsere Ratschläge befolgt oder missachtet, uns ist es gleich. Wir wiederholen ein letztes Mal, dass keine der hier großzügigerweise beschriebenen Methoden auch nur im geringsten etwas mit der traditionellen Alchimie zu tun hat; keine davon kann mit den klassischen alchimistischen Methoden verglichen werden. Eine dicke Mauer trennt die beiden Wissenschaften, die ein unüberwindbares Hindernis darstellt für diejenigen, die mit den Methoden und Formeln der Chemie vertraut sind. Wir möchten niemanden entmutigen, aber um der Wahrheit willen müssen wir sagen, dass niemand, der sich spagyristischen Forschungen widmet, jemals über die Wege der offiziellen Chemie hinausgelangen wird. Viele Leute heute glauben, ganz naiv, entschieden von der Chemie abzuweichen, weil sie deren Phänomene auf eine besondere Weise erklären. Dabei verwenden sie aber keine anderen Methoden als diejenigen Gelehrten, auf die sich ihre Kritik erstreckt. Ach, es wird sie immer geben, diese Irrenden und Betrogenen, und ihnen hat wohl Jacques Tesson diese so wahren Zeilen gewidmet: «Diejenigen, die unser Großes Werk mit Digestieren, gewöhnlichem Destillieren und ähnlichen Sublimationen vollbringen wollen, und solche, die es mit Zerreiben versuchen, alle du’ sind weit uh vom richtigen Weg, in großem Irrtum und großer Pein befangen, sie werden niemals ans Ziel gelangen, denn alle diese Namen und Worte sowie Vorgehensweisen sind metaphorisch aufzufassen.»

Wir meinen, nun unser Bild vervollständigt und gezeigt zu haben, so gut es uns eben möglich war, dass die Ahnlierrln der heutigen Chemie nicht die gute alte Alchimie, sondern die alte Spagyrie ist, angereichert durch kontinuierliche Beiträge der griechischen, arabischen und mittelalterlichen Alchimie.

Und wenn man irgendeine Vorstellung dieser geheimen Wissenschaft gewinnen möchte, muss man seine Gedanken auf die Arbeit des Bauern und des Mikrobiologen richten, denn die unsere ist unter analoge Bedingungen gestellt. Wie nämlich die Natur dem Bauern die Erde und das Korn, dem Mikrobiologen das Agar-Agar und die Samen gibt, so verschafft sie dem Alchimisten das Gebiet der eigentlichen Metalle und den passenden Keim. Wenn alle für ein reguläres Vorgehen dieser besonderen Kultur günstigen Umstände strengstens beachtet werden, so kann die Ernte nur üppig ausfallen …

Die Wissenschaft der Alchimie bleibt, um es zusammenzufassen, trotz der extremen Einfachheit in Bezug auf ihre Materialien und Formeln, dennoch die undankbarste, die obskurste von allen, berücksichtigt man die genaue Kenntnis der notwendigen Bedingungen und geforderten Einflüsse. Dort ist ihre mysteriöse Seite, und auf die Lösung dieses schwierigen Problems konzentrieren sich die Anstrengungen aller Söhne des Hermes.