Gottfried Willhelm Leibniz – Über die Natur an sich oder über die den erschaffenen Dingen innewohnende Kraft und Tätigkeit

Über die Natur an sich oder über die den erschaffenen Dingen innewohnende Kraft und Tätigkeit

Gottfried Willhelm Leibniz (1740)

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Ich habe vor kurzem die Verteidigungsschrift zugesandt erhalten, die der berühmte und um die Mathematik und die Physik wohlverdiente Herr Johann Christoph Sturm in Altorf zugunsten seiner Abhandlung De Idola natura herausgegeben hat, die von dem ersten und beliebtesten Arzt in Kiel, Herrn Günther Christoph Schelhammer, in einer Schrift über die Natur angegriffen worden war. Da ich mich nun früher selbst mit diesem Gegenstand beschäftigt habe und sogar zwischen mir und dem berühmten Verfasser der Abhandlung eine kleine schriftliche Fehde stattfand, deren er kürzlich in für mich ehrenvoller Weise Erwähnung getan hat, indem er in seinen Ausgewählten physikalischen Abhandlungen einiger Verhandlungen gedenkt, die zwischen uns gepflogen wurden, so habe ich dem an sich wichtigen Gegenstande umso lieber Geist und Aufmerksamkeit zugewandt, da ich es für notwendig erachte, dass sowohl meine Ansicht wie die ganze Sache aus den von mir bereits mehrmals dargelegten Prinzipien etwas bestimmter entwickelt werde.

Eine bequeme Gelegenheit dazu schien nun diese Verteidigungsschrift zu bieten, da sich annehmen lässt, dass der Verfasser hier die Hauptsachen in kurzen Worten unter einem Gesichtspunkte dargelegt hat. Im Übrigen mische ich mich jedoch nicht in den Streit zwischen den beiden berühmten Männern.

Wie ich meine, handelt es sich hauptsächlich um zwei Fragen: erstens, worin die den Dingen gewöhnlich beigelegte Natur besteht, deren Eigenschaften, wie sie allgemein angenommen werden, nach Herrn Sturms Meinung etwas nach Heidentum riechen; und zweitens, ob in den geschaffenen Dingen irgendeine ἐνέϱγεια enthalten ist, was er zu verneinen scheint.

Was die erste Frage, über die Natur an sich, anlangt, so pflichte ich, wenn man in Erwägung zieht, was sie ist und nicht ist, allerdings dem bei, dass es keine Weltseele gibt, und gebe auch zu, dass jene wunderbaren täglichen Vorgänge, aus denen man mit Recht folgert, dass das Werk der Natur das Werk eines Geistes sei, nicht gewissen erschaffenen Geistern zugeschrieben werden dürfen, die mit der einer so großen Aufgabe angemessenen Weisheit und Kraft begabt wären, sondern dass die ganze Natur sozusagen ein Kunstwerk Gottes ist, und zwar ein so großes, dass jede natürliche Maschine (was eben den wahren, aber wenig beachteten Unterschied zwischen der Natur und der Kunst ausmacht) aus geradezu unendlich vielen Organen besteht, und es daher eine unendliche Weisheit und Macht seitens seines Urhebers und Leiters erfordert.

Daher erachte ich das feurige, allwissende Wesen des Hippokrates, die seelenverleihende Cholcodea Avicennas, die allweise bildende Kraft Scaligers und anderer sowie das hylarchische Prinzip des Henricus Morus teils für unmöglich, teils für überflüssig und begnüge mich damit, dass die Maschine der Dinge mit solcher Weisheit eingerichtet worden, dass jene wunderbaren Vorgänge durch ihren eigenen Fortgang eintreten, indem sie sich, wie ich glaube, organisch aus einer gewissen Vorherbestimmung entwickeln. Daher billige ich es, dass der Verfasser das Phantasiegebilde einer geschaffenen Natur verwirft, die vermöge ihrer Weisheit die Maschinen der Körper bilde und leite. Aber ich glaube nicht, dass daraus folgt und dass es mit der Vernunft übereinstimmt, wenn man den Dingen jede innewohnende, erschaffene, aber tätige Kraft abspricht.

Ich habe gesagt, was die Natur nicht ist; sehen wir nun ein wenig näher zu, was jene Natur ist, die Aristoteles nicht uneben das Prinzip der Bewegung und der Ruhe nannte, obschon dieser Philosoph mir, das Wort Bewegung im weiteren Sinne nehmend, darunter nicht bloß die örtliche Bewegung oder Ruhe, sondern überhaupt die Veränderung und die στάσις oder das Beharren zu verstehen scheint. Daher ist auch, nebenbei gesagt, die Definition, die er von der Bewegung aufstellt, wenn auch dunkler als billig, doch nicht so widersinnig, wie es denen scheint, welche annehmen, dass Aristoteles damit nur die örtliche Bewegung habe definieren wollen.

Doch zur Sache. Robert Boyle, ein bedeutender und in der Beobachtung der Natur bewanderter Mann, hat über die Natur an sich ein kleines Buch geschrieben, dessen Meinung, wenn ich mich recht besinne, dahin geht, dass wir die Natur als den Mechanismus der Körper selbst aufzufassen haben, was man ὡς ἐν πλάτει allerdings gelten lassen kann. Erwägt man jedoch die Sache mit größerer ἀϰϱιβεία, so müssen in dem Mechanismus selbst die Prinzipien von dem Abgeleiteten unterschieden werden, wie es ja auch bei der Erklärung einer Uhr nicht ausreicht, wenn man sagt, sie werde auf mechanische Weise bewegt, ohne zu unterscheiden, ob sie durch ein Gewicht oder eine Feder getrieben wird.

Auch ist von mir schon wiederholt ausgesprochen worden (was meines Erachtens von Nutzen sein wird, damit nicht zum Schaden der Frömmigkeit mit der mechanischen Erklärung der natürlichen Dinge Missbrauch getrieben werde, als ob die Materie durch sie bestehen könne und der Mechanismus keines Verstandes oder keiner geistigen Substanz bedürfe), dass der Ursprung des Mechanismus selbst nicht aus einem bloßen stofflichen Prinzipe und mathematischen Gründen, sondern aus einer höheren und sozusagen metaphysischen Quelle herfließt.

Einen wichtigen Beweis dafür liefert unter anderem die Grundlage der Naturgesetze, die man nicht daraus herleiten darf, dass sich die nämliche Menge der Bewegung erhält, wie man gewöhnlich glaubte, sondern die vielmehr daraus abgeleitet werden muss, dass sich notwendigerweise die nämliche Menge des tätigen Vermögens, ja sogar (was, wie ich gefunden habe, aus einem sehr schönen Grunde geschieht) die nämliche Menge der bewegenden Kraft erhält, deren Abschätzung eine ganz andere ist als die, welche die Cartesianer unter der Menge der Bewegung begreifen.

Als zwei Mathematiker, die durch ihren Scharfsinn wohl zu den ersten gehören dürften, über diesen Gegenstand teils in Briefen, teils öffentlich mit mir verhandelt hatten, ging der eine völlig in mein Lager über, und der andere kam dahin, dass er nach langer und sorgfältiger Erwägung alle seine Einwürfe fallen ließ und offen bekannte, dass ihm auf meinen Beweis noch keine Antwort zur Hand sei. Daher nimmt es mich umso mehr Wunder, dass der berühmte Mann bei der Erklärung der Gesetze der Bewegung in dem herausgegebenen Teile seiner ausgewählten physikalischen Abhandlungen die gewöhnliche Ansicht darüber als von keinem Zweifel berührt angenommen hat (obgleich er doch selbst anerkannt hat, dass sie sich auf keinen Beweis, sondern nur auf eine gewisse Wahrscheinlichkeit stütze, und dies auch in der neuesten Dissertation, Kap. 3, § 2, wiederholt hat), wenn er es nicht etwa lange vor dem Bekanntwerden meiner eigenen Ansicht geschrieben und später zur Durchsicht des Geschriebenen entweder keine Zeit gehabt oder auch wohl nicht daran gedacht hat, besonders da er die Gesetze der Bewegung für willkürlich gegeben ansieht, was mir nicht durchaus vernunftgemäß erscheint.

Ich bin nämlich der Ansicht, dass Gott durch bestimmte Gründe der Weisheit und Ordnung zur Aufstellung der Gesetze gekommen ist, die man in der Natur beobachtet, und es erhellt daraus auch, woran von mir schon einmal bei Gelegenheit eines optischen Gesetzes erinnert worden ist, und was dann auch der berühmte Molineux in seiner Dioptrik sehr gebilligt hat, dass nämlich die Zweckursache nicht bloß in der Ethik und der natürlichen Theologie für die Tugend und die Religiosität, sondern selbst in der Physik zur Auffindung und Entdeckung verborgener Wahrheiten von Nutzen ist.

Daher hätte ich gewünscht, dass der berühmte Herr Sturm, als er in seinen physikalischen Abhandlungen, wo er von der Zweckursache handelt, unter den Hypothesen auch meine Ansicht anführte, dieselbe auch bei der Beurteilung genugsam erwogen hätte, da er dabei ohne Zweifel Gelegenheit genommen haben würde, viel Vortreffliches über die Vorzüglichkeit und die Ergiebigkeit dieser Auffassung vorzubringen, was auch für die Religiosität dienlich gewesen sein würde.

Doch jetzt habe ich das zu prüfen, was er in der vorliegenden Verteidigungsschrift über den Begriff der Natur sagt und was dem von ihm Gesagten noch abzugehen scheint. Er gibt zu (Kap. 4, § 2, 3 und anderwärts), dass die jetzt sich vollziehenden Bewegungen aus dem ein für allemal von Gott aufgestellten ewigen Gesetze folgen, welches Gesetz er auch Wille und Befehl nennt, und dass es keines neuen Befehls Gottes, keines neuen Willens, geschweige denn eines Kraftaufwands oder irgendeiner beschwerlichen Tätigkeit seinerseits bedürfe, wie er auch in § 3 die ihm mit Unrecht zugerechnete Ansicht von sich weist, dass Gott die Dinge bewege wie der Holzschläger seine Axt und wie der Müller durch Absperrung oder Einlassung des Wassers in das Rad die Mühle leitet.

In Wahrheit scheint mir jedoch diese Erklärung noch nicht auszureichen. Denn nun frage ich, ob jener Wille oder jener Befehl oder, wenn man lieber will, jenes einst von Gott aufgestellte Gesetz den Dingen nur eine äußere Benennung verliehen hat oder ob es ihnen einen als in ihnen fortdauernd erschaffenen Eindruck oder – wie es der nicht weniger an Urteilskraft wie an Erfahrung ausgezeichnete Herr Schelhammer sehr gut nennt – ein eingepflanztes Gesetz hat zuteil werden lassen, aus welchem ihre Handlungen und Erleidungen entspringen, wenn dies Gesetz auch von den Geschöpfen, denen es innewohnt, meistens nicht wahrgenommen wird. Das erstere scheint die Meinung der Urheber des Systems der Gelegenheitsursachen, besonders des scharfsinnigen Malebranche, zu sein; das letztere ist das als richtigste angenommen worden, wofür auch ich es halte.

Denn da jener vergangene Befehl, da er jetzt nicht mehr ist, jetzt auch nicht mehr wirken kann, wenn er nicht damals eine fortdauernde Wirkung hinterlassen hat, die auch jetzt noch dauert und wirksam ist, so verzichtet der, welcher anderer Ansicht ist, meines Erachtens auf jede deutliche Erklärung der Dinge, denn wenn das nach Art und Zeit Abwesende ohne Vermittlung hier und jetzt zu wirken vermag, so kann mit gleichem Recht jedes aus jedem abgeleitet werden. Daher reicht es nicht aus, wenn man sagt, Gott habe zu Anbeginn bei Erschaffung der Dinge gewollt, dass dieselben bei ihrer Weiterentwicklung ein gewisses Gesetz beobachten sollen, wenn dabei sein Wille für so unwirksam angenommen wird, dass die Dinge davon nicht berührt worden und keine dauernde Wirkung in ihnen hervorgebracht worden ist.

Auch widerstreitet es auf alle Fälle dem Begriffe der göttlichen Macht und seines reinen und unbedingten Willens, dass Gott wolle und doch durch sein Wollen nichts hervorbringe oder verändere und dass er immer handle, ohne jemals etwas zu bewirken, noch irgendein Werk oder ἀποτέλεσμα zurückzulassen. Wenn durch jenes göttliche Gebot: Die Erde soll Frucht tragen und die Tiere sich vermehren den geschaffenen Dingen nichts eingepflanzt worden ist, wenn die Dinge nach demselben ebenso beschaffen waren, als ob gar kein Befehl ergangen wäre, so folgt zuverlässig (da zwischen Ursache und Wirkung entweder unmittelbar oder irgendwie mittelbar eine gewisse Verknüpfung vonnöten ist), dass entweder jetzt nichts geschieht, was jenem Befehle entspricht, oder dass der Befehl nur für die damalige Gegenwart Kraft hatte und für die Zukunft immer wieder erneuert werden muss, was der berühmte Verfasser mit Recht von sich abweist.

Wofern aber das von Gott erlassene Gesetz eine an den Dingen ausgedrückte Spur zurückgelassen hat und die Dinge durch den Befehl so gebildet worden sind, dass sie fähig wurden, den Willen des Gebietenden zu erfüllen, so muss eingeräumt werden, dass den Dingen eine gewisse Wirksamkeit, Form oder Kraft eingefügt worden, welche von uns mit dem Namen Natur belegt zu werden pflegt, und der die Reihe der Erscheinungen nach Vorschrift des ersten Befehls entspringt.

Diese eingepflanzte Kraft kann nun zwar deutlich verspürt, nicht aber auf vorstellbare Weise erklärt werden. Auch darf sie nicht in dieser Weise erklärt werden, so wenig wie die Natur der Seele, denn diese Kraft gehört zu den Dingen, welche nicht durch bildliche Vorstellung, sondern durch den Verstand erfasst werden. Die Forderung des berühmten Mannes (Kap. 4, § 6 seiner Abhandlung), man möge in bildlich vorstellbarer Weise die Art erklären, in der das eingepflanzte Gesetz in den mit demselben unbekannten Körpern wirke, fasse ich daher so auf, dass er eine begreifliche Auseinandersetzung wünscht, und nicht, dass er verlangt, die Töne sollen gemalt oder die Farben gehört werden.

Wenn ferner die Schwierigkeit der Erklärung zur Verwerfung einer Sache ausreicht, so gilt dies folgerichtig auch von dem, was ihm, wie er klagt (Kap. 1, § 2), mit Unrecht zur Last gelegt wird, nämlich dass er lieber alles nur durch göttliche Kraft allein sich bewegen lassen, als unter dem Namen der Natur etwas hinzunehmen wolle, dessen Wesen er nicht kenne. Mit gleichem Rechte würden sich darauf ohne Zweifel auch Hobbes und andere stützen, die alle Dinge für körperlich angesehen wissen wollen, weil nach ihrer Meinung nur der Körper deutlich und bildlich vorstellbar erklärt werden kann.

Die richtige Widerlegung dieser Ansicht folgt aber gerade daraus, dass den Dingen eine Kraft zu wirken innewohnt, die nicht aus dem Bildlich-Vorstellbaren abgeleitet werden kann; eine einfache Zurückführung dieser Kraft aber auf einen einst von Gott erlassenen Befehl, der die Dinge in keiner Weise berührt, noch eine Wirkung hinterlassen habe, macht die Sache so wenig erklärlicher, dass es vielmehr, unter Ablegung der Philosophenrolle, ein Durchhauen des gordischen Knotens mit dem Schwerte sein würde. Übrigens kann eine deutlichere und genauere Erklärung der tätigen Kraft, als bis hierher gegeben worden ist, aus meinen dynamischen Abhandlungen und der darin enthaltenen wahren Abschätzung der Naturgesetze und der Bewegung abgeleitet werden.

Wenn ein Anhänger der neuen Philosophie, die die Trägheit und Erstarrung der Dinge lehrt, so weit geht, dass er kein Bedenken trägt, den Befehlen Gottes jede dauernde Wirkung und Wirksamkeit in die Zukunft abzusprechen und immer neue Zurichtungen von ihm zu verlangen (was Herr Sturm klüglich für seiner Ansicht entgegen erklärt), so mag er selbst sehen, was er Würdiges von Gott denkt. Dagegen kann er nicht entschuldigt werden, wenn er nicht den Grund beibringt, warum zwar die Dinge selbst einige Zeit bestehen können, während ihre Eigenschaften, die man unter dem Namen ihrer Natur zusammenfasst, nicht dauernd sein können, und warum es eine natürliche Folge ist, dass das Wort, auf welche Weise es auch erfolgt, etwas hinterlässt, nämlich die dauernde Sache selbst. So ist denn auch nicht weniger wunderbar, dass das Wort der Segenspendung in den Dingen zur Hervorbringung und Bewirkung ihrer Handlungen eine gewisse Fruchtbarkeit und einen gewissen Drang hinterlassen hat, aus welchem die Verrichtung unmittelbar erfolgt, wenn kein Hindernis im Wege steht.

Dazu mag noch das hinzugefügt werden, was ich an anderem Orte auseinandergesetzt habe, wenn es vielleicht auch noch nicht allen hinlänglich klar ist, dass nämlich die Substanz der Dinge in der Kraft zu handeln und zu leiden besteht, woraus folgt, dass kein dauerndes Ding hervorgebracht werden kann, wenn demselben nicht durch das göttliche Vermögen eine zeitweilig fortdauernde Kraft eingepflanzt zu werden vermag. Unter diesen Umständen würde dann folgen, dass keine geschaffene Substanz und keine Seele der Menge nach dieselbe bliebe und eigentlich nichts von Gott erhalten würde, und dass demnach alle Dinge nur gewisse hinschwindende oder fließende Zustände und sozusagen Phantasmen der einen dauernden göttlichen Substanz wären und somit Gott, was auf dasselbe hinausläuft, die Natur an sich oder die Substanz aller Dinge wäre, welche Lehre schlimmster Art neuerdings ein allerdings scharfsinniger, aber irreligiöser Schriftsteller in die Welt gesetzt oder doch erneuert hat. Wenn freilich die körperlichen Dinge nichts als Stoffliches enthielten, so würde man ganz der Wahrheit gemäß sagen, dass sie im Fließen beständen und nichts Substantielles besäßen, wie auch die Platoniker ehemals richtig erkannt haben.

Die zweite Frage ist, ob die Geschöpfe im eigentlichen und wahren Sinne tätig genannt werden dürfen? Wenn man einmal anerkennt, dass die ihnen innewohnende Natur nicht verschieden ist von der Kraft zu handeln und zu leiden, so fällt diese Frage mit der ersten zusammen. Denn eine Tätigkeit kann nicht ohne die Kraft zu handeln sein, und andererseits ist ein Vermögen, das niemals in Ausübung kommen kann, ein nichtiges. Weil aber nichtsdestoweniger die Tätigkeit und das Vermögen verschiedene Dinge sind, die erstere ein fortschreitendes, das letztere ein beharrendes, so wollen wir auch die Tätigkeit ins Auge fassen, wobei ich jedoch, wie ich bekennen muss, bei der Erklärung der Meinung des berühmten Herrn Sturm keiner geringen Schwierigkeit begegne. Er bestreitet nämlich, dass die geschaffenen Dinge durch sich und im eigentlichen Sinne tätig seien, gibt aber bald danach in der Weise eine Tätigkeit derselben zu, dass er eine Vergleichung der Geschöpfe mit der vom Holzschläger bewegten Axt sich nicht beigelegt wissen will. Daraus vermag ich nun weder etwas Sicheres zu entnehmen, noch sehe ich mit hinlänglicher Bestimmtheit dargelegt, wie weit er von der herrschenden Ansicht abweicht oder welchen bestimmten Begriff der Tätigkeit er im Sinne hat, umso mehr, da dieser Begriff gar nicht so naheliegend und leicht zugänglich ist, wie aus den Streitigkeiten der Metaphysiker hervorgeht.

Soweit mir der Begriff der Tätigkeit klargeworden ist, folgt meines Erachtens aus demselben (und wird zugleich dadurch bestätigt) der allgemein anerkannte philosophische Satz, dass die Tätigkeit dem Unterliegenden eigen ist. Und dies finde ich so wahr, dass es auch in der Umkehrung richtig sein muss, so dass also nicht bloß alles, was handelt, eine besondere Substanz ist, sondern dass auch jede besondere Substanz ohne Unterbrechung handelt, selbst den Körper nicht ausgenommen, an welchem niemals eine unbedingte Ruhe wahrgenommen wird.

Nun aber wollen wir die Ansicht derer etwas genauer ins Auge fassen, die den geschaffenen Dingen jede wahre und eigentliche Tätigkeit absprechen, was in früherer Zeit auch der Verfasser der Philosophia Mosaica, Robert Fludd, getan hat und jetzt von einigen Cartesianern geschieht, nach deren Ansicht nicht die Dinge handeln, sondern nur Gott bei Gegenwart und gemäß der Passlichkeit der Dinge, so dass diese nur Gelegenheiten, nicht Ursachen sind und nur empfangen, nicht aber bewirken oder hervorbringen. Diese Lehre war zuerst von Cordemoy, La Forge und andern Cartesianern aufgestellt worden, besonders aber hat sie dann Malebranche vermöge seines Scharfsinns und durch eine gewisse glänzende Darstellung ausgeschmückt; stichhaltige Gründe hat jedoch (soweit ich mich darauf verstehe) keiner beigebracht.

Kein Zweifel, wenn diese Lehre so weit ausgedehnt wird, dass auch die inneren Handlungen der Substanzen beseitigt werden – was jedoch Herr Sturm (Buch I, Kap. 4, Epil. § 11, S. 176) mit Recht verwirft, wodurch er seine Umsicht hinlänglich an den Tag legt –, so scheint sie der Vernunft in solchem Grade entgegen wie keine zweite. Denn wer wird in Zweifel ziehen, dass die Seele denken und wollen kann, dass in uns viele Gedanken und Willensäußerungen aus uns hervorgelockt werden und dass bei uns etwas Selbsttätiges vorhanden ist? Wollte man dies tun, so würde man damit nicht bloß die menschliche Freiheit verneinen und die Ursache der Übel in Gott verlegen, sondern auch dem Zeugnis unserer inneren Erfahrung und unserm Bewusstsein widersprechen, wodurch wir spüren, dass das, was ohne den geringsten Schatten eines Grundes von den Gegnern Gott zugeschrieben wird, uns selbst angehört. Wird dagegen unserer Seele eine innewohnende Kraft, innere Handlungen hervorzubringen oder, was dasselbe ist, innerlich zu handeln, beigelegt, so steht dem nichts entgegen, vielmehr ist damit verträglich, dass auch den übrigen Seelen oder Formen, oder, wenn man lieber will, den Naturen der Substanzen, die nämliche Kraft innewohnt, falls man nicht etwa annehmen will, dass in der uns zugänglichen Natur der Dinge nur unsere Seelen allein handeln, oder dass alle Kraft zu handeln innerlich, und somit sozusagen lebendig, mit dem Verstand verbunden sei, Behauptungen, die sich offenbar weder durch irgendeinen Grund rechtfertigen noch ohne der Wahrheit zu nahezutreten verteidigen lassen

Was aber bezüglich der vorübergehenden Handlungen der Geschöpfe zu sagen ist, wird besser an anderer Stelle dargelegt werden und ist auch schon zum Teil von mir anderweitig auseinandergesetzt worden, indem ich nämlich zeigte, dass der Verkehr zwischen den Substanzen oder Monaden nicht durch eine Einwirkung entsteht, sondern durch ein Zusammenwirken, das einer göttlichen Vorherbildung entstammt, durch welche ein jedes Ding, während es der innewohnenden Kraft und den Gesetzen seiner Natur folgt, den andern angepasst worden ist, worin eben die Verbindung der Seele mit dem Körper besteht.

Dass jedoch die Körper an sich träge sind, ist allerdings wahr, wenn es richtig aufgefasst wird: Nämlich insofern, dass das, was einmal aus irgendeinem Grunde als ruhend angenommen wird, sich so lange weder selbst in Bewegung setzen kann noch sich von einem andern ohne Widerstand in Bewegung setzen lässt, so wenig wie es aus eigenem Antriebe den Grad seiner Geschwindigkeit oder die Richtung, die es einmal hat, verändern oder leicht und ohne Widerstand zulassen kann, dass sie von einem andern verändert werde.

Somit muss also in der Tat eingeräumt werden, dass die Ausdehnung oder das Geometrische am Körper, für sich betrachtet, nichts in sich schließt, woraus eine Tätigkeit und Bewegung hervorgehen könnte; vielmehr widersteht der Stoff der Bewegung infolge seiner natürlichen Trägheit, wie Kepler es sehr schön benannt hat, so dass er nicht gegen Bewegung und Ruhe gleichgültig ist, wie man die Sache gewöhnlich aufzufassen pflegt, sondern nach seiner Größe auch eine entsprechend größere tätige Kraft verlangt. Daher verlege ich in eben diese passive Kraft zum Widerstände (die auch die Undurchdringlichkeit und noch einiges mehr in sich begreift) den eigentlichen Begriff des ersten Stoffs oder der Masse, welche sich in jedem Körper im Verhältnis zur Größe desselben findet, und zeige, dass sich daraus ganz andere Gesetze der Bewegung ergeben, als wenn im Körper und im Stoffe an sich nur die Undurchdringlichkeit nebst der Ausdehnung vorhanden wäre, und dass, gleichwie im Stoffe eine natürliche Trägheit der Bewegung entgegensteht, so auch im Körper, ja in jeder Substanz eine natürliche Beständigkeit enthalten ist, die der Veränderung widerstrebt.

Diese Lehre aber spricht nicht zugunsten derer, welche den Dingen die Tätigkeit absprechen, sondern bekämpft sie vielmehr: Denn so gewiss es ist, dass der Stoff an sich keine Bewegung beginnt, so gewiss ist auch (und wird durch die bekannten Versuche über die von einem bewegenden Körper auf einen andern übertragene Bewegung bestätigt), dass der Körper den einmal empfangenen Anstoß durch sich selbst festhält und in seiner Geschwindigkeit beständig ist oder das Bestreben hat, in der Reihenfolge seiner einmal begonnenen Veränderung zu beharren. Da nun diese Tätigkeiten und Entelechien keine Zustände des ersten Stoffs oder der Masse, eines wesentlich passiven Dinges, sein können, wie der scharfsinnige Herr Sturm (was ich im folgenden Paragraphen zeigen werde) selbst ausdrücklich anerkennt, so darf man schließen, dass in der körperlichen Substanz eine erste Entelechie oder ein πϱῶτον δεϰτιϰὸν der Tätigkeit bestehen muss, d. h. eine ursprüngliche bewegende Kraft, die, zu der Ausdehnung (oder dem rein Geometrischen) und der Masse (oder dem rein Stofflichen) hinzugenommen, immer tätig ist, aber infolge des Zusammentreffens der Körper mannigfach durch Anläufe und Stöße verändert wird.

Eben dies aber ist das substantielle Prinzip, das bei den lebenden Dingen Seele, bei den übrigen substantielle Form genannt wird und, insofern es mit dem Stoffe wahrhaft eine einzige, aber durch sich einzige Substanz bildet, das ausmacht, was ich Monade nenne ; denn nimmt man diese wahrhaften und wirklichen Einheiten weg, so bleiben nur noch durch Anhäufung gebildete Dinge, ja, wie daraus folgt, überhaupt kein wahrhaft Seiendes in den Körpern übrig. Denn wenn es auch Atome der Substanz gibt, nämlich meine Monaden, die keine Teile haben, so gibt es doch keine Atome der Masse oder kleinsten Ausdehnung oder letzte Elemente, da das Stetige aus Punkten nicht zusammengesetzt werden kann. Ferner gibt es kein Ding, das an Masse das größte oder an Ausdehnung unendlich wäre, wenn es auch Dinge gibt, von denen eins immer größer ist als das andere, sondern es gibt nur ein Ding, das im Grade der Vollkommenheit das größte oder von unendlichem Vermögen ist.

Wie ich sehe, versucht jedoch der berühmte Herr Sturm in seiner Verteidigungsschrift (Kap. 4, § 7 ff.) die den Körpern innewohnende bewegende Kraft mit einigen Gründen zu bekämpfen. Zum Überfluss, sagt er, will ich hier zeigen, dass die körperliche Substanz keines tätig bewegenden Vermögens fähig ist. Ich begreife indessen nicht, was ein nicht-tätig bewegendes Vermögen sein könnte. Er wolle aber dazu zwei Gründe benutzen, sagt er, von denen der eine der Natur des Stoffs und des Körpers, der andere der Natur der Bewegung entnommen sei. Der erstere läuft nun darauf hinaus, dass der Stoff seiner Natur nach und wesentlich eine leidende Substanz und es daher ebenso unmöglich sei, demselben eine tätige Kraft zu verleihen, als Gott wollen könne, ein Stein solle, während er Stein bleibt, lebendig und vernünftig, d. h., nicht Stein sein: was aber ferner im Körper angenommen werde, seien nur Zustände des Stoffs, ein Zustand (was ich für trefflich gesagt anerkenne) einer wesentlich passiven Sache aber vermöge dieselbe nicht zu einer tätigen zu machen.

Darauf kann aber vom Standpunkte der nicht bloß landläufigen, sondern auch wahren Philosophie leicht zur Antwort gegeben werden: Ob hier der zweite oder der erste Stoff zu verstehen sei; der zweite ist eine allerdings vollständige, aber nicht rein leidende Substanz, der erste dagegen ist rein leidend, aber keine vollständige Substanz, vielmehr muss erst noch eine Seele oder eine der Seele ähnliche Form oder ἐντελέχεια ἡ πϱώτη, d. h. ein gewisses Streben oder eine ursprüngliche Kraft zu handeln hinzukommen, die eben das dem Stoffe innewohnende und durch einen göttlichen Beschluss eingepflanzte Gesetz ist.

Ich glaube, der berühmte und scharfsinnige Mann wird dieser Ansicht umso weniger abhold sein, da er erst vor kurzem den Satz verteidigt hat, der Körper bestehe aus Stoff und Geist, nur dürfe dabei der Geist nicht (wie es sonst geschieht) als verständiges Ding aufgefasst werden, sondern als Seele oder der Seele ähnliche Form, und ebenso nicht als einfacher Zustand, sondern als das das Substantielle begründende Beharrende, das ich Monade zu nennen pflege, in der gleichsam Vorstellen und Bestreben enthalten ist. Erst muss also die übliche Ansicht, die mit dem glimpflich ausgelegten Lehrsatze der Scholastiker harmoniert, widerlegt werden, ehe der Beweis des berühmten Mannes Kraft haben kann, und ebenso erhellt daraus, dass auch seine Behauptung, alles in der körperlichen Substanz sei Veränderung des Stoffs, nicht zugestanden werden kann, denn es ist bekannt, dass der herrschenden Philosophie zufolge die Seelen der lebenden Wesen den Körpern innewohnen, und diese sind durchaus keine Zustände.

Mag nun Herr Sturm immerhin das Entgegengesetzte behaupten und den Tieren alle Empfindung im wahren Sinne und die eigentliche Seele absprechen, so kann er diese Behauptung doch nicht zur Grundlage seines Beweises nehmen, bevor er sie nicht ebenfalls bewiesen hat. Und ich glaube im Gegenteil, dass es weder der Ordnung noch der Schönheit, noch der Vernunftgemäßheit der Dinge entspricht, wenn das Lebendige oder innerlich Tätige nur in einem kleinen Teile des Stoffes enthalten wäre, da es zu einer größeren Vollkommenheit führt, wenn es in jedem Stoffe besteht. Auch hindert nichts, dass es nicht überall Seelen oder wenigstens Seelenähnliches gebe, wenn auch die herrschenden, also verständigen Seelen, wie es die menschlichen sind, nicht überall vorhanden sein können.

Auch der zweite Grund, den Herr Sturm der Natur der Bewegung entnimmt, scheint mir keine größere Beweiskraft zu haben. Die Bewegung, sagt er, sei nur das aufeinanderfolgende Dasein des bewegten Dinges an verschiedenen Orten. Ich will dies vorläufig gelten lassen, wenn es auch im allgemeinen nicht genügt und mehr das, was sich aus der Bewegung ergibt, als dessen, wie man sagt, formalen Grund ausdrückt – wird ja doch deswegen die bewegende Kraft nicht ausgeschlossen.

Denn der Körper ist nicht bloß im gegenwärtigen Augenblicke seiner Bewegung in dem ihm zuzumessenden Orte, sondern hat auch das Bestreben oder den Drang, den Ort zu wechseln, so dass der folgende Zustand von selbst durch die Kraft der Natur aus dem gegenwärtigen folgt, denn andernfalls würde der Körper A, der vom Körper B bewegt wird, sich im gegenwärtigen Augenblicke (und demnach also in jedem Augenblicke) nicht von einem ruhenden unterscheiden, und es würde aus der Ansicht des berühmten Mannes, wenn sie mir in diesem Punkte entgegen wäre, folgen, dass es ganz und gar keinen Unterschied bei den Körpern gäbe, da sich bei der im Ganzen an sich einförmigen Masse ein Unterschied nur aus dem, was die Bewegung angeht, entnehmen lässt.

Endlich würde dies noch die weitere Wirkung haben, dass durchaus nichts bei den Körpern wechselte und sie alle sich immer in der nämlichen Weise verhielten. Denn wenn sich kein Teil des Stoffs von einem andern gleich großen und gleich gestalteten unterscheidet (was Herr Sturm als tatsächlich zugeben muss, sobald die tätigen Kräfte, das Bestreben und einige andere Eigenschaften und Zustände, mit Ausnahme des Daseins an diesem Orte, das nach und nach ein anderes und wieder anderes werden wird, weggedacht werden), und wenn außerdem der Zustand des einen Augenblicks nur durch die Umstellung gleich großer, gleich gestalteter und in allem übereinstimmender Teile des Stoffs sich von dem Zustande eines andern Augenblicks unterscheidet, so folgt wegen dieser beständigen Unterschiebung nicht zu unterscheidender Dinge offenbar, dass die Zustände der verschiedenen Augenblicke in der körperlichen Welt auf keine Weise voneinander unterschieden werden können.

Die Benennung, durch welche man einen Teil des Stoffs von einem andern unterschiede, würde dann nur von außen entnommen sein, und zwar vom Zukünftigen, weil nämlich der Teil später an einem andern und wieder anderem Orte sein wird. Für die Gegenwart gibt es in der Tat keinen Unterschied, und sogar vom Zukünftigen könnte ein solcher nicht mit Grund entnommen werden, weil man auch später niemals zu einem wahren gegenwärtigen Unterschied gelangen würde, da weder ein Ort vom andern noch (nach der Hypothese jener vollkommenen Gleichförmigkeit im Stoffe an sich) ein Stoff von einem andern am selben Orte durch irgendein Merkmal unterschieden werden kann.

Vergeblich würde man auch neben der Bewegung zur Gestalt seine Zuflucht nehmen. Denn in einer vollkommen ähnlichen, unabgesonderten und vollen Masse entsteht keine Gestalt oder Abgrenzung verschiedener Teile und keine Scheidung, wenn nicht eben durch die Bewegung. Wenn daher die Bewegung kein Merkmal zur Unterscheidung enthält, so wird auch die Gestalt kein solches gewähren, und da alles, was an Stelle der früheren Teile gesetzt wird, von vollkommen gleicher Bedeutung ist, so kann von keinem, selbst nicht von einem allwissenden Beobachter auch nur das kleinste Merkzeichen einer Veränderung wahrgenommen werden, und daher wird alles gerade so sein, als ob es gar keine Veränderung und keinen Unterschied bei den Körpern gäbe: Man wird daraus nie einen Grund für die verschiedenen Erscheinungen, die wir wahrnehmen, hernehmen können.

Die Sache würde sich dann geradeso verhalten, als wenn man sich zwei vollkommen konzentrische Hohlkugeln vorstellte, die einander sowohl im Ganzen wie in allen ihren Teilen vollkommen ähnlich wären und von denen die eine so in die andere eingeschlossen wäre, dass nicht der geringste Abstand bliebe; nimmt man nun an, dass die eingeschlossene sich dreht oder ruht, so wird selbst ein Engel, um nicht mehr zu sagen, nicht imstande sein, irgendeinen Unterschied zwischen den Zuständen zu verschiedener Zeit wahrzunehmen noch einen Anhalt haben, um zu unterscheiden, ob und nach welchem Gesetze die innere Kugel ruht oder sich dreht.

Auch die Grenze der beiden Kugeln wird wegen des gleichzeitigen Mangels jedes Abstandes und Unterschieds nicht angegeben werden können, gerade wie die Bewegung wegen des alleinigen Mangels jedes Unterschieds nicht erkannt werden kann. Daher steht fest (wenn auch die es nicht erkennen, die noch nicht tief genug in die Sache eingedrungen sind), dass sich dergleichen nicht mit der Natur und der Ordnung der Dinge verträgt und dass es (was eins meiner neuen und wichtigsten Axiome ist) nie eine vollkommene Gleichheit geben wird, woraus dann folgt, dass sich in der Natur weder Körperchen von äußerster Härte noch ein Flüssiges von höchster Dünne, noch ein feiner, überall verbreiteter Stoff oder letzte Elemente finden, die bei einigen den Namen Stoff ersten und zweiten Elements führen. Da Aristoteles, wie ich glaube, einiges davon erkannt hatte, so urteilte er meines Erachtens scharfsinniger, als viele meinen, dass es außer dem Ortswechsel noch eine Veränderung geben müsse und dass sich demnach der Stoff nicht allenthalben gleich sei noch unveränderlich bleibe.

Diese Unähnlichkeit oder Verschiedenheit der Eigenschaften und ἀλλοίωσις oder Veränderung, die Aristoteles nicht hinlänglich erklärt hat, wird aber durch die verschiedenen Grade und Richtungen der Bestrebungen oder, besser gesagt, durch, die Zustände der im Stoff enthaltenen Monaden erreicht. Daraus kann man aber meines Erachtens ersehen, dass notwendigerweise in den Körpern etwas anderes angenommen werden muss als eine gleichförmige Masse und deren allerdings nicht unzeitliche Fortbewegung. Wer freilich Atome und ein Leeres annimmt, bringt wenigstens einige Verschiedenheit in den Stoff, insofern er ihn hier als teilbar, dort als unteilbar, an einem Orte als lückenfrei, an einem ändern als mit Lücken versehen annimmt. Indessen erkannte ich schon vor langer Zeit (nach Ablegung des jugendlichen Vorurteils), dass die Atome samt dem Leeren verworfen werden müssen.

Herr Sturm fügt hinzu, dass das Bestehen des Stoffs durch verschiedene Zeitpunkte hindurch dem Willen Gottes zugeschrieben werden müsse – warum also, sagt er, soll demselben nicht auch zugeschrieben werden, dass der Stoff hier und jetzt besteht? Darauf erwidere ich, dass dies ohne Zweifel von Gott herrührt wie alles andere, insoweit es irgendeine Vollkommenheit einschließt; allein wie jene erste, allgemeine und alles erhaltende Ursache das Sein des natürlichen Fortbestehens eines beginnenden Dinges oder das einmal bewilligte Beharren im Sein nicht aufhebt, sondern vielmehr bewirkt, so wird sie auch die natürliche Wirksamkeit eines in Bewegung gesetzten Dinges oder das demselben eingepflanzte Beharren in der Tätigkeit nicht aufheben, sondern vielmehr bestätigen.

In dieser Verteidigungsschrift kommt aber noch vieles andere vor, das seine Schwierigkeiten hat, so z. B. das, was Herr Sturm (im erwähnten Kap. 4, § 11) von der durch mehrere dazwischenliegende übertragenen Bewegung einer Kugel sagt, wobei die letzte Kugel sich mit derselben Kraft bewegt wie die erste. Mir scheint jedoch, sie bewege sich wohl mit einer gleichvermögenden, nicht aber mit derselben Kraft, da jede Kugel (was wunderbar erscheinen kann), durch ihre eigene, nämlich die elastische Kraft (ich will jetzt nicht über die Ursache jenes Abprallens streiten und nicht leugnen, dass dasselbe auf mechanische Weise durch die Bewegung einer innewohnenden und sehr beweglichen Flüssigkeit erklärt werden kann) von der benachbarten abgestoßen, zur Bewegung bestimmt wird.

Ebenso wird es mit Recht sonderbar erscheinen, dass er in § 12 sagt, ein Ding, das sich nicht selbst den Anfang der Bewegung zu erteilen vermöge, könne auch die Bewegung nicht von selbst fortsetzen. Denn es steht vielmehr fest, dass, gleichwie zur Verleihung der Bewegung eine Kraft vonnöten ist, so auch nach einmal erfolgtem Anstoß eine neue Kraft nicht zu deren Fortsetzung, sondern vielmehr zu deren Hemmung vonnöten ist. Denn jene Erhaltung der Bewegung ist den Dingen aus einer allgemeinen Ursache notwendig, die hier nicht erörtert werden kann, die aber, wie schon gesagt, auch den Bestand der Dinge aufheben würde, wenn sie deren Wirksamkeit aufhöbe.

Daraus erhellt nun abermals, dass die von einigen verteidigte Lehre der Gelegenheitsursachen (falls sie nicht so ausgelegt wird, dass sie Milderungen zulässt, die Herr Sturm zum Teil schon angenommen hat, zum Teil annehmen zu wollen scheint) zu gefährlichen Folgerungen führt, wenn auch ohne Zweifel wider Willen ihrer gelehrten Verteidiger. Weit entfernt, durch Beseitigung des Idols der Natur den Ruhm Gottes zu mehren, schwächt diese Lehre vielmehr die erschaffenen Dinge zu bloßen Zuständen der einen göttlichen Substanz ab und scheint mit Spinoza Gott zur bloßen Natur der Dinge machen zu wollen, da das, was nicht handelt, was keine tätige Kraft besitzt, was der Unterscheidbarkeit und jedes Grundes und jeder Unterlage seines Bestehens beraubt wird, auf keine Weise eine Substanz sein kann. Ich bin auch fest überzeugt, dass Herr Sturm, ein Mann von so ausgezeichneter Gelehrsamkeit und Frömmigkeit, von diesen Ungeheuerlichkeiten weit entfernt ist. Er wird daher ohne Zweifel entweder klärlich darlegen, auf welche Weise, seiner Lehre unbeschadet, in den Dingen eine gewisse Substanz oder auch Veränderung verbleibt, oder aber er wird der Wahrheit die Hand reichen müssen.

Viele Umstände machen jedoch den Verdacht in mir rege, dass weder seine Ansicht von mir noch meine Ansicht von ihm hinlänglich erfasst worden sei. Er hat mir irgendwo zugestanden, ein gewisser Teil des göttlichen Vermögens (d. h. meines Erachtens der Ausdruck, die Nachahmung, die nächste Wirkung desselben, denn die göttliche Kraft an sich kann durchaus nicht zerlegt werden) könne, ja müsse sogar gewissermaßen als den Dingen angehörig und zuerteilt aufgefasst werden. (Vgl. die Ausgewählten physikalischen Abhandlungen an der zu Anfang dieses Aufsatzes angeführten Stelle, wo er das mir brieflich Mitgeteilte wiederholt.) Wenn dies (wie aus den Worten zu erhellen scheint) in dem Sinne genommen wird, in welchem man die Seele einen Teil des göttlichen Hauches nennt, so ist damit der Streit zwischen uns schon beseitigt.

Allein ich wage dem kaum diesen Sinn beizulegen, weil Herr Sturm fast nirgends sonst etwas Derartiges äußert oder etwas daraus Folgendes entwickelt; vielmehr gewahre ich, dass seine sonstigen Äußerungen mit jener Ansicht in keinem rechten Zusammenhange stehen, während die Verteidigungsschrift auf alles andere eingeht. Allerdings hat er gegen meine zuerst in den Leipziger Actis Eruditorum vom März 1694 veröffentlichte Ansicht von der den Dingen innewohnenden Kraft (welche Ansicht dann durch mein Specimen dynamicum im Aprilhefte 1695 der nämlichen Zeitschrift näher erläutert wird) brieflich einige Einwürfe erhoben, nach Empfang meiner Antwort aber in liebenswürdiger Weise geäußert, dass nur in der Ausdrucksweise ein Unterschied zwischen uns bestehe. Als ich daraufhin noch einiges hervorgehoben hatte, stellte er nun im Gegenteile mehrere Unterschiede zwischen uns auf, die ich anerkenne, und nachdem diese schließlich vor kurzem beseitigt worden, schrieb er mir von neuem, dass nur hinsichtlich der Worte ein Unterschied zwischen uns bestehe, was mir sehr angenehm sein würde.

Daher habe ich gelegentlich seiner neuesten Verteidigungsschrift die Sache derart auseinandersetzen wollen, dass man endlich auf leichtere Weise sowohl über die Ansicht eines jeden von uns wie auch über die Wahrheit derselben Gewissheit haben könne. Denn der ausgezeichnete Mann besitzt eine große Sorgfalt in der Auffassung und Klarheit in der Darlegung, und ich hoffe daher, dass durch seinen Eifer viel Licht über die Sache verbreitet werden könne, oder erachte vielmehr meine Arbeit deshalb nicht für überflüssig, weil sie ihm vielleicht Gelegenheit bietet, mit gewohntem Fleiß und Scharfsinn manches zu erwägen und zu erläutern, was für die vorliegende Frage von Gewicht, bisher aber von deren Bearbeitern und mir übersehen worden ist.

Wenn ich mich nicht irre, wird er die Angelegenheit mit einigen neuen, tiefer ergründeten und weiter ausgedehnten Axiomen ergänzen, aus denen dereinst ein aufgebessertes und vervollkommtes Mittelsystem zwischen der formalen und der materialen Philosophie unter gehöriger Verbindung und Beibehaltung beider scheint hervorgehen zu können.