82. Kreuzigung Jesu
1. Dann gab er ihnen Barabbas frei. Nachdem er Jesus hatte geißeln lassen, lieferte er ihn aus, damit er gekreuzigt würde. Da nahmen ihn die Kriegsknechte des Stadthalters zu sich in die Gerichtshalle und holten um ihn die ganze Schar der Soldaten zusammen.
2. Und sie zogen ihn aus und legten ihm einen Purpurmantel an. Und sie flochten eine Dornenkrone und setzten sie auf sein Haupt und gaben ihm einen Rohrstab in die rechte Hand, beugten die Knie vor ihm, verspotteten ihn und sprachen: „Sei gegrüßt, du König der Juden!“
3. So trat Jesus heraus. Er trug die Dornenkrone und das Purpurgewand. Und Pilatus sagte zu ihnen: „Sehet, diesen Mann!“
4. Als ihn die Hohepriester und die Obersten des Volkes so sahen, schrien sie auf: „Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!“ Und Pilatus sagte zu ihnen: „Nehmt ihr ihn hin und kreuzigt ihn; denn ich finde keine Schuld an ihm.“
5. Und sie spuckten ihn an und nahmen den Stab und schlugen ihm damit auf sein Haupt. Und als sie ihn verspottet hatten, zogen sie ihm den Mantel aus, zogen ihm seine eigenen Kleider an und führten ihn weg, um ihn zu kreuzigen.
6. Und als sie ihn hinwegführten, hielten sie einen Mann an, Simon, einen Kyrenier, der gerade auf das Land hinausging. Sie zwangen ihn, dass er Jesus das Kreuz nachtrug. Es folgte ihm eine große Volksmenge und viele Frauen, die klagten und ihn beweinten.
7. Jesus aber wandte sich zu ihnen und sprach: „Ihr Töchter von Jerusalem, weinet nicht über mich, sondern weinet über euch selbst und eure Kinder. Denn siehe, die Tage werden kommen, in welchen man sagen wird: Selig sind die Unfruchtbaren und die Leiber, die nicht geboren haben, und die Brüste, die nicht gesäugt haben!
8. Dann werden sie anfangen zu sagen zu den Bergen: Fallt auf uns! und zu den Hügeln: Bedecket uns! Denn so man das tut am grünen Holz, was soll am dürren werden?“
9. Es wurden aber auch zwei andere Übeltäter hingeführt, dass sie mit ihm hingerichtet würden. Und als sie an die Stätte kamen, die Kalvaria und Golgatha heißt, das bedeutet Schädelstätte, kreuzigten sie ihn; ebenso die Übeltäter, einen zur Rechten und einen zur Linken.
10. Und es war die dritte Stunde, als sie ihn kreuzigten, und sie gaben ihm Essig zu trinken, gemischt mit Galle. Und nachdem er davon gekostet hatte, wollte er nicht trinken. Und Jesus sprach: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“
11. Nachdem die Kriegsknechte Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Knecht ein Stück und dazu auch den Rock. Der Rock war aber ohne Saum, in einem Stück gewebt. Sie sprachen darum untereinander: Lasst uns den nicht zerteilen, sondern darum losen, wer ihn haben soll.
12. Auf dass erfüllt werde die Schrift, welche sagt: „Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über meinen Rock das Los geworfen.“ Dies taten also die Kriegsknechte. Und sie setzten sich hin und hielten Wache.
13. Und eine Aufschrift wurde über ihm befestigt in griechischen, lateinischen und hebräischen Buchstaben: „Das ist der König der Juden.“
14. Diesen Titel lasen viele Juden; denn die Stätte, an der Jesus gekreuzigt worden war, war nahe bei der Stadt. Da sprachen die Hohepriester der Juden zu Pilatus: „Schreibe nicht, der König der Juden, sondern, dass er gesagt habe: Ich bin der König der Juden.“ Pilatus antwortete: „Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.“
15. Einer der Übeltäter, die gehängt waren, verspottete ihn und sagte: „Bist du Christus, so hilf dir selbst und uns!“ Da tadelte ihn der andere und sagte: „Fürchtest du nicht Gott, der du doch in der gleichen Verdammnis bist? Wir sind zu Recht darin; denn wir empfangen den rechten Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan.“
16. Und er sagte zu Jesus: „Herr, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst.“ Und Jesus sprach zu ihm: „Wahrlich, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.“
17. Und sie gingen an dem Kreuze vorüber und verspotteten ihn, schüttelten die Köpfe und sagten: „Du wolltest den Tempel zerstören und ihn in drei Tagen wieder aufbauen. Hilf dir nun selbst! Wenn du der Sohn Gottes bist, steige vom Kreuz herab!“
18. Und auch die Hohepriester verspotteten ihn mit den Schriftgelehrten und Ältesten und sagten: „Er hat einem Lamm geholfen, aber sich selbst kann er nicht helfen. Wenn er der König von Israel ist, so lasst ihn jetzt vom Kreuze herabsteigen, und wir wollen an ihn glauben. Er vertraute auf Gott, überlasst ihn jetzt ihm, ob er ihn haben will. Denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn.“
19. Die Wucherer und Tierhändler ließen sich in gleicher Weise aus und sagten: „Du hast die Händler mit Ochsen, Schafen und Tauben aus dem Tempel getrieben und bist selbst aber ein Schaf, das geopfert worden ist.“
20. Und von der sechsten Stunde an war eine Finsternis über dem ganzen Land bis zur neunten Stunde. Einige aber, die herumstanden, zündeten ihre Fackeln an; denn die Finsternis war sehr groß. Und um die sechste Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: „Eli, Eli, lama sabachthani?“ das ist: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
21. Einige von denen, die da standen und dies hörten, sagten: „Dieser Mann ruft nach Elias“, andere wieder sagten: „Er ruft die Sonne.“ Die übrigen sagten: „Lasst uns bleiben und sehen, ob Elias kommt und ihn rettet.“
22. Es standen aber bei dem Kreuze Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, des Kleophas Weib, und Maria Magdalena.
23. Als Jesus seine Mutter sah und den Jünger dabeistehen, den er lieb hatte, sprach er zu seiner Mutter: „Weib, siehe deinen Sohn!“ Und er sprach zu dem Jünger: „Siehe, deine Mutter!“ Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich in sein Haus.
24. Jesus wusste nun, dass alles geschehen war und die Schrift erfüllt sei. Er sprach: „Ich bin durstig.“ Und aus einem Gefäß voll Essig füllten sie einen Schwamm und legten ihn um einen Ysop und hielten es ihm an den Mund.
25. Und Jesus rief mit lauter Stimme: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist!“
26. Da nun Jesus den Essig genommen hatte, rief er laut: „Es ist vollbracht!“ Und er neigte sein Haupt und gab den Geist auf. Und es war die neunte Stunde.
27. Und siehe, es donnerte und blitzte stark, und die Trennwand des Heiligtums, vor der der Vorhang hing, fiel herab und zerbrach in zwei Stücke. Die Erde bebte, und auch die Felsen zerbarsten.
28. Aber der Hauptmann und die bei ihm waren und Jesus bewachten, sahen das Erdbeben und alles, was geschah. Sie fürchteten sich sehr und sagten: „Das war wirklich ein Sohn Gottes.“
29. Und es waren viele Frauen hier, die von Galiläa gefolgt waren und ihm gedient hatten. Unter ihnen waren Maria, die Mutter des Jakobus und Joses, und die Mutter der Kinder des Zebedäus, und sie weinten und klagten und sagten: „Das Licht der Welt ist vor unseren Augen verborgen, der Herr unserer Liebe ist gekreuzigt worden!“
30. Da es aber vor Sabbat war, baten die Juden Pilatus, dass die Beine der Leichname gebrochen und sie abgenommen würden, damit sie nicht am Kreuze blieben den Sabbat über (denn es war der Passah-Sabbat).
31. Da kamen die Kriegsknechte und brachen die Beine der beiden, die mit ihm gekreuzigt worden waren. Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon gestorben war, brachen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Kriegsknechte stach ihm mit seiner Lanze in das Herz, und alsbald floss Blut und Wasser heraus.
32. Und der das sah, der hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr. Er weiß, dass er die Wahrheit sagt, damit auch ihr glaubt. Denn solches ist geschehen, dass die Schrift erfüllt würde: Ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen, und: Sie werden den ansehen, den sie durchstachen.