Teil 2.1

Einleitung

Hat er aber, obwohl er zu Lebzeiten von einem Lama zur Einsicht gebracht wurde, nur wenig spirituelle Übung, dann kann er von sich aus keine Klarheit über den Zwischenzustand gewinnen. Deshalb muss ein Lama oder ein geistlicher Bruder ihn klar und deutlich unterweisen. Doch auch wenn er über spirituelle Übung verfügt, aber im Todesaugenblick durch eine heftige Krankheit so verwirrt ist, dass er sich den Sinn der früheren Unterweisungen nicht mehr vergegenwärtigen kann, dann ist diese Art von Unterweisung nötig. Auch wenn er früher die spirituelle Übung des geistlichen Weges beherrschte, seine Gelübde aber aufgegeben hatte und — da er sein tantrisches Hauptgelübde nicht unverbrüchlich halten konnte — zu denjenigen gehört, die eine schlechte Wiederverkörperung erfahren werden, braucht er diese Unterweisung unbedingt.

Am besten ist es, wenn der Tote das Licht im ersten Zwischenzustand erkennt. Erkennt er es jedoch nicht, dann wird er befreit, wenn während des zweiten Zwischenzustands durch die Hilfe der klaren Anweisung seine Geist-Natur erwacht. Ferner wird im zweiten Zwischenzustand ein reines Wissen auftreten, das man bisher, als Toter oder Lebender, nicht besaß. Dies ist das, was man den wahren Illusionsleib nennt.

Begreift der Tote zu dieser Zeit nun die Unterweisung, dann erkennt er das So-Sein der Wirklichkeit, so wie Kind und Mutter sich erkennen. Das Karma kann daran nichts ändern. Ein Beispiel hierzu: So wie das Licht der Sonne die Dunkelheit besiegt, so besiegt das helle Licht des geistigen Pfades die Kraft des Karma, und man erlangt die Befreiung. Ferner geht nun dem Geist-Wesen deutlich das auf, was man den zweiten Zwischenzustand nennt.

Das Bewusstsein des Toten schweift wie vorher in Hörweite um die Leiche. Wenn der Tote zu dieser Zeit die Unterweisung versteht, ist der Sinn erfüllt, und da die wirren Erscheinungen des Karma noch nicht aufgegangen sind, kann man nach Belieben noch Einfluss nehmen.

Auch wenn der Tote das Urlicht nicht erkannt hat, aber nun das Licht des zweiten Zwischenzustands erkennt, wird er befreit. Wenn er hierdurch nicht befreit wird, dann nennt man das Kommende den dritten Zwischenzustand. Wenn der Zwischenzustand des Seins-an-sich aufgeht, ziehen die wirren Erscheinungen des Karma im dritten Zwischenzustand auf. Zu dieser Zeit muss man unbedingt die Große Einsicht in den Zwischenzustand des Seins-an-sich lesen, denn dieses Traktat ist wirkungsmächtig und hilfreich. Zu dieser Zeit weinen und wehklagen seine Verwandten, geben ihm seinen Anteil am Essen nicht, nehmen ihm seine Kleider weg, räumen seinen Schlafplatz auf. Wenn sie ihn rufen, so kann er sie hören, aber wenn er sie ruft, dann hören sie ihn nicht. Deshalb entflieht er immer wieder voll Wehmut.