Dictum 39 – Turba Philosophorum

Dictum 39

Sprach Bacsem (Paxamos): Alle Erforscher dieser Kunst, ihr könnt nicht zum Nutzen gelangen ohne rechtschaffensten Geist und anhaltende Arbeit. Wer also freiwillig Geduld aufwendet bei dieser Behandlung, der trete in sie ein, wer aber schneller zu verstehen wünscht, der schaue nicht in unsere Bücher, weil sie großen Schaden zufügen, bevor sie von den Lesern verstanden werden (durch) ein- oder zwei- oder dreimaliges (Lesen). Darum sagt der Meister: “Wer seinen Rücken über unsere Bücher krümmt, um sie zu lesen, und bei ihnen verweilt und nicht in eitle Gedanken verwickelt ist, und endlich zu Gott betet, der wird ein nie versagendes Reich beherrschen, bis er stirbt”. Denn was ihr sucht, ist von nicht geringem Wert. Wehe euch, (die) ihr den Schatz und den Lohn Gottes des Erhabenen sucht, wisst ihr nicht, dass sich die Weltlichen wegen dem kleinsten weltlichen Wert, den sie begehren, gegenseitig ermorden? Was würden sie also erst tun, um dieser höchst ausgezeichneten, fast unmöglichen Gabe willen? Denn sein Verfahren ist zu wunderbarer, als dass es durch Vernunft erfasst werden könnte, es sei denn durch göttliche Offenbarung. Denn ich habe in unseren Tagen (einen) gesehen, der die Elemente wusste wie auch ich, dann aber über dieses Verfahren nachsinnend nicht zu seiner Freude gelangte wegen seiner Traurigkeit und Unwissenheit beim Vorgehen, und seiner Ungeduld und allzu großen Begierde und Eile gegenüber dem Vorhaben. Wehe euch, ihr Söhne der Lehre! Wer von euch, der Bäume pflanzt, hofft nicht Früchte zu bekommen außer nach (einiger) Zeit, und wer Saat aussät, hofft nicht zu ernten, außer nach Monaten? Wie also wollt ihr diese Gabe empfangen, wenn ihr das Buch nur einmal gelesen, oder das Verfahren zum erstenmal erprobt habt? Die Philosophen haben aber schon nachdrücklich gesagt, dass die Wahrheit nur durch Irrtum erkannt wird, und nichts mehr dem Herzen Schmerz bereitet, als der Irrtum in dieser Kunst, wenn der, welcher glaubt, er besitze beinahe die ganze Welt, nichts in seinen Händen findet. Wehe euch, versteht die Worte des Philosophen, und wie er das Werk (in Teile) geteilt hat, wenn er sagte: “Zerreibe, koche, wiederhole, und lass dich nicht davon abbringen!”. In dies aber teilte er das Werk: Nämlich in das Mischen, Kochen, Ähnlichmachen, Rösten, Erhitzen, Weißen, Zerreiben, Kochen (mit) der Ethelia, Rost bereiten und Färben. Dies also sind viele Namen, deren Verfahren ein einziges ist. Und wenn die Philosophen wüßten, daß eine einzige Kochung und Zerreibung dafür genügte, so würden sie nicht so sehr ihre Aussprüche wiederholen. Das haben sie darum getan, damit das Zusammengesetzte zerrieben und zugleich gekocht werde; und sie haben gemahnt, “dass euch jenes (wiederholte Verfahren) nicht missmutig mache”, mit welchen Worten sie euch (die Sache) verdunkelt haben; mir aber würde es genügen, ‘und einmal’ zu, sagen. Wenn ihr aber die Wahrheit des ‘Giftes’ wollt, wie es sein muss so macht die Verbindung passend, dann kocht mehrfach; dass euch die Kochung nicht missmutig machen möge! Tränkt und kocht, bis das entsteht, was er euch zu behandeln empfohlen hat, ein unfühlbarer Geist, und ihr das ‘Elixir’ mit dem königlichen Gewand bekleidet seht. Denn wenn ihr seht, dass das Elixir in ‘Purpurfarbe’ verwandelt ist, so werdet ihr finden, was die Philosophen vor euch gefunden haben, wenn ihr meine Worte versteht; und wenn auch meine Rede tot ist, so wohnt ihr doch Leben inne für diejenigen, die sie verstehen, und gegenüber der Zweideutigkeit standhalten, die ihnen dabei zustößt. Lest also immer wieder häufig, denn das Lesen ist tote Rede, der Vortrag mit den Lippen aber ist lebendige Rede. Darum haben wir euch empfohlen, häufig zu lesen und über das, was wir gesagt haben, möglichst viel nachzudenken.