Gottfried Wilhelm Leibniz – Die Monadologie

Die Monadologie

Gottfried Wilhelm Leibniz

Gottfried_Wilhelm_LeibnizDas Wort Monadologie stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Eins“ oder „Einheit“. Es stellt die Basis für Gottfried Wilhelm Leibniz’ Monadenlehre dar. Dies ist die Lehre der einfachen Substanzen und der letzten Elemente der Realität. Nach Leibniz ist die Urmonade Gott, die als höchste und vollkommenste Substanz gilt, worauf alles weitere zurück geht, und die über Gedeih und Verderb der Monaden entscheidet. Leibniz nutzte diese Erklärung für seine metaphysische Anschauung.

1. Die Monade, von der hier die Rede sein wird, ist nichts anderes als eine einfache Substanz, die in den zusammengesetzten enthalten ist. Einfach bedeutet ohne Teile.

2. Einfache Substanzen muss es geben, weil es zusammengesetzte gibt. Denn das Zusammengesetzte ist nur eine Anhäufung oder ein Aggregat aus dem Einfachen.

3. Wo nun aber keine Teile vorhanden sind, gibt es auch keine Ausdehnung, keine Gestalt und keine mögliche Teilbarkeit. Diese Monaden sind die wahrhaften Atome der Natur und mit einem Wort: die Elemente der Dinge.

4. Es steht auch keine Auflösung bei ihnen zu fürchten, und es gibt keine begreifliche Weise, in der eine einfache Substanz auf natürlichem Wege untergehen könnte.

5. Aus demselben Grunde gibt es auch keine begreifliche Weise, in der eine einfache Substanz auf natürlichem Wege beginnen könnte, da sie durch Zusammensetzung nicht gebildet werden kann.

6. Man darf daher behaupten, dass die Monaden nur mit einem Schlage beginnen und enden können, d. h., dass sie nur durch Erschaffung beginnen und nur durch Vernichtung enden können, während das Zusammengesetzte aus Teilen entsteht und in Teile vergeht.

7. Auch lässt sich durch kein Mittel erklären, wie eine Monade in ihrem Inneren durch ein anderes erschaffenes Ding beeinflusst oder verändert werden kann, da man weder etwas in sie übertragen noch sich in ihr eine innere Bewegung vorstellen kann, welche da drinnen erweckt, geleitet, vermehrt oder vermindert werden könnte, wie das bei den zusammengesetzten Substanzen möglich ist, wo eine Veränderung zwischen den Teilen stattfindet. Die Monaden haben keine Fenster, durch welche etwas ein- oder austreten könnte. Die Akzidenzen vermögen sich nicht von den Substanzen abzulösen und sich außerhalb derselben zu ergehen, wie das vorzeiten die sinnfälligen Eigenschaften der Scholastiker taten. Daher kann weder eine Substanz noch ein Akzidenz von außen in die Seele eintreten.

8. Indessen müssen die Monaden einige Eigenschaften haben, denn sonst würden sie nicht einmal seiende Dinge sein. Und wenn die einfachen Substanzen sich nicht durch ihre Eigenschaften unterschieden, so wäre kein Mittel vorhanden, eine Veränderung an den Dingen wahrzunehmen, da der Inhalt des Zusammengesetzten nur von den einfachen Bestandteilen kommen kann, die Monaden aber, wenn sie keine Eigenschaften hätten, nicht voneinander unterschieden werden könnten, da sie sich auch in der Größe nicht voneinander unterscheiden: demzufolge würde, wenn man die Angefülltheit des Raumes annimmt, jeder Ort bei der Bewegung der Substanzen nur den Ersatz für das erhalten, was er vorher hatte, und somit würde kein Zustand der Dinge vom andern zu unterscheiden sein.

9. Es muss sogar jede einzelne Monade von jeder andern verschieden sein. Denn nie bestehen in der Natur zwei Dinge, die vollkommen einander gleich sind und bei denen es unmöglich wäre, einen inneren oder einen auf einer inneren Benennung beruhenden Unterschied aufzufinden.

10. Ich nehme auch für zugestanden an, dass jedes geschaffene Ding, und folglich auch die geschaffene Monade, der Veränderung unterliegt, und sogar, dass diese Veränderung bei jeder Monade immerwährend stattfindet

11. Aus dem Gesagten geht hervor, dass die natürlichen Veränderungen der Monade einem inneren Prinzipe entspringen, da eine äußere Ursache nicht auf ihr Inneres einwirken kann.

12. Neben dem Prinzipe der Veränderung muss es aber auch noch ein Einzelnes der Veränderung geben, das sozusagen die Spezifikation und die Verschiedenartigkeit der einfachen Substanzen bewirkt.

13. Dies Einzelne muss eine Menge in der Einheit oder dem Einfachen umschließen. Denn da jede natürliche Veränderung sich allmählich vollzieht, so wechselt einiges, und einiges bleibt, und folglich muss es in der einfachen Substanz eine Mehrheit von Erregungen und Beziehungen geben, wenngleich dieselbe keine Teile hat.

14. Der dem Wechsel unterworfene Zustand, der eine Menge in der Einheit oder einfachen Substanz umschließt und vorstellt, ist nichts anderes als was ich Vorstellung nenne, die, wie sich in der Folge zeigen wird, von der Wahrnehmung und dem Bewusstsein seiner selbst unterschieden werden muss. Die Kartesianer irrten eben darin sehr, dass sie die Vorstellungen, deren man sich nicht bewusst wird, für nichts rechneten. Das brachte sie auch zu der Meinung, dass nur die Geister Monaden seien und dass es keine Tierseelen und andere Entelechien gäbe. Daher haben sie denn auch eine lange Betäubung mit dem eigentlichen Tode verwechselt, was sie dann zur Annahme der irrtümlichen Ansicht der Scholastiker vom Dasein völlig für sich bestehender Seelen verführte und die schlimmen Köpfe in der Ansicht von der Sterblichkeit der Seelen bestärkt hat

15. Die Tätigkeit des inneren Prinzips, das die Veränderung oder den Übergang von einer Vorstellung zur andern bewirkt, kann man Begierde nennen. Allerdings kann der Begierde nicht immer völlig zu der ganzen Vorstellung gelangen, der er zustrebt, aber er erlangt immer einiges davon und gelangt zu neuen Vorstellungen.

16. Wir lernen an uns selbst durch die Erfahrung eine Menge in der einfachen Substanz kennen, wenn wir finden, dass der geringfügigste Gedanke, dessen wir uns bewusst werden, eine Mannigfaltigkeit im Gegenstande einschließt. Wer daher anerkennt, dass die Seele eine einfache Substanz ist, muss auch jene Menge in der Monade anerkennen, und Herr Bayle hätte keine Schwierigkeit darin finden dürfen, wie er in seinem Wörterbuche, Artikel Rorarius, getan hat.

17. Überdies muss eingeräumt werden, dass die Vorstellung und das, was davon abhängt, sich aus mechanischen Gründen, d. h. durch die Gestalten und die Bewegungen, nicht erklären lässt. Angenommen, es gäbe eine Maschine, die vermittelst ihrer Einrichtung ein Denken, Fühlen und Vorstellen bewirkt, so wird man sich dieselbe unter Beibehaltung derselben Verhältnisse so vergrößert denken können, dass man in sie wie in eine Mühle eintreten kann. Dies vorausgesetzt, wird man bei der Besichtigung des Inneren immer nur Teile finden, die einander treiben, nie aber etwas, wodurch eine Vorstellung erklärt werden könnte. Demzufolge muss diese in der einfachen Substanz und nicht im Zusammengesetzten oder in der Maschine gesucht werden. Auch vermag man eben nur dies, nämlich die Vorstellungen und deren Veränderungen, in der einfachen Substanz aufzufinden. Und ebenso können alle inneren Handlungen der einfachen Substanzen nur eben in den Vorstellungen und deren Veränderungen bestehen.

18. Alle erschaffenen einfachen Substanzen oder Monaden könnte man Entelechien nennen, denn sie tragen eine gewisse Vollkommenheit in sich, eine Selbstgenügsamkeit, die sie zu Quellen ihrer inneren Handlungen und gleichsam zu unkörperlichen Automaten macht.

19. Wenn man alles, was in dem dargelegten allgemeinen Sinne Vorstellungen und Begierden hat, Seele nennen will, so könnten alle erschaffenen einfachen Substanzen oder Monaden Seelen genannt werden. Da aber der Gedanke etwas mehr als eine einfache Vorstellung ist, so bin ich einverstanden, dass der Gemeinname Monade oder Entelechie die einfachen Substanzen bezeichne, die nur einfache Vorstellungen haben, und dass man nur die einfachen Substanzen Seelen nenne, deren Vorstellen deutlicher und mit Erinnerung verbunden ist.

20. Denn durch die Erfahrung lernen wir an uns selbst einen Zustand kennen, wo wir uns an nichts erinnern und keine deutliche Vorstellung haben, wie z. B., wenn man in Ohnmacht fällt oder in einen tiefen, traumlosen Schlaf versunken ist. In diesem Zustande unterscheidet sich die Seele nicht merklich von einer einfachen Monade, da derselbe aber nicht von Dauer ist und die Seele sich ihm entzieht, so ist sie etwas mehr.

21. Daraus folgt aber keineswegs, dass die einfache Substanz dann ohne jede Vorstellung sei. Es ist das aus den oben dargelegten Gründen nicht einmal möglich, denn sie kann nicht untergehen und kann auch nicht ohne jede Erregung sein, die eben nichts anderes ist als ihr Vorstellen. Ist aber eine große Menge von kleinen Vorstellungen vorhanden, in denen nichts Deutliches enthalten ist, so ist man betäubt, wie z. B., wenn man sich mehrere Male in derselben Richtung um sich selbst dreht, wo dann ein Schwindel eintritt, der uns ohnmächtig machen kann und uns nichts zu unterscheiden gestattet. Der Tod vermag die Geschöpfe für eine Zeitlang in diesen Zustand zu versetzen.

22. Da nun jeder gegenwärtige Zustand einer einfachen Substanz eine natürliche Folge ihres vorhergehenden Zustandes ist, so dass die Gegenwart darin mit der Zukunft schwanger geht ,

23. so muss, weil man beim Erwachen aus der Betäubung sich seiner Vorstellungen bewusst wird, man auch unmittelbar zuvor Vorstellungen gehabt haben, wenngleich man sich ihrer nicht bewusst ist, denn eine Vorstellung kann auf natürlichem Wege nur aus einer andern Vorstellung entspringen, wie eine Bewegung nur aus einer Bewegung entspringen kann.

24. Daraus erhellt, dass, wenn wir nichts Bestimmtes und sozusagen Hervorgehobenes und stärker Anregendes in unsern Vorstellungen hätten, wir uns immer in der Betäubung befinden würden, wie dies der Zustand der reinen Monaden ist.

25. Dass die Natur den Tieren erhöhte Vorstellungen gegeben hat, ersehen wir auch aus der Sorgfalt, mit der sie ihnen Organe verlieh, die mehrere Lichtstrahlen oder Luftwellen zusammenfassen, um sie durch diese Vereinigung wirksamer zu machen. Etwas Ähnliches findet beim Riechen, Schmecken, Fühlen und vielleicht noch bei vielen andern Sinnen statt, die uns noch unbekannt sind. Ich werde sogleich auseinandersetzen, wie das, was in der Seele vorgeht, das vorstellt, was in den Organen geschieht.

26. Das Gedächtnis versieht die Seelen mit einer Art Verbindung der Vorstellungen, welche eine Nachahmung der Vernunft ist, aber von dieser unterschieden werden muss. Daher sind die Tiere, bei Wahrnehmung einer Sache, die einen lebhaften Eindruck auf sie macht und von der sie schon früher eine gleiche Vorstellung gehabt haben, infolge der Vorstellung ihres Gedächtnisses auf das gefasst, was bei jener früheren Vorstellung damit verbunden war, und neigen zu gleichen Gefühlen wie damals. Zeigt man z. B. den Hunden den Stock, so erinnern sie sich des Schmerzes, den derselbe ihnen verursacht hat, und suchen heulend das Weite.

27. Die starke bildliche Vorstellung aber, die einen lebhaften Eindruck auf sie macht und sie erregt, kommt entweder von der Größe oder von der Menge der früheren Vorstellungen. Denn oft bringt ein starker Eindruck die Wirkung einer langen Gewohnheit oder vieler wiederholter mäßiger Vorstellungen mit einem Schlage hervor.

28. Soweit die Verbindung ihrer Vorstellungen nur durch das Prinzip des Gedächtnisses erfolgt, handeln die Menschen wie die Tiere, gleich den empirischen Ärzten, die eine einfache Praxis ohne Theorie haben, und bei drei Vierteln unserer Handlungen sind wir bloße Empiriker. Wenn man z. B. erwartet, dass es morgen Tag werden wird, so handelt man als Empiriker, weil es bis jetzt immer so gewesen ist. Nur der Astronom folgert es aus Gründen.

29. Die Kenntnis der notwendigen und ewigen Wahrheiten dagegen ist das, was uns von den bloßen Tieren unterscheidet und uns die Vernunft und die Wissenschaften verschafft, indem sie uns zur Erkenntnis unserer selbst und Gottes erhebt. Und eben das nennt man die vernünftige Seele oder den Geist in uns.

30. Auch erheben wir uns vermöge dieser Kenntnis der notwendigen Wahrheiten und ihrer Abstraktionen zu den Akten der Selbstbetrachtung, die uns bewegen, an das zu denken, was das Ich genannt wird, und in Erwägung zu ziehen, dass dies oder jenes in uns ist. Und indem wir auf diese Weise an uns selbst denken, denken wir an das Sein, an die Substanz, an das Einfache oder das Zusammengesetzte, an das Unstoffliche und sogar an Gott, da wir einsehen, dass das, was bei uns in Schranken eingeschlossen ist, bei ihm ohne Schranke ist. Diese Akte der Selbstbetrachtung liefern die Hauptgegenstände für unsere Verstandestätigkeit.

31. Unsere Verstandestätigkeit beruht auf zwei großen Prinzipien, dem Prinzip des Widerspruchs, demzufolge wir das für falsch erachten, was einen Widerspruch enthält, für wahr aber das, was dem Falschen entgegengesetzt ist oder ihm widerstreitet ;

32. und dem Prinzip des zureichenden Grundes, demzufolge wir erwägen, dass keine Begebenheit wirklich oder seiend und keine Aussage wahr sein kann, ohne dass ein zureichender Grund dafür vorhanden wäre, warum es gerade so und nicht anders ist, wenn man auch diese Gründe in den meisten Fällen nicht zu erkennen vermag.

33. Es gibt auch zwei Arten von Wahrheiten: die logischen Wahrheiten und die tatsächlichen Wahrheiten. Die logischen Wahrheiten sind notwendige und ihr Gegenteil ist unmöglich, die tatsächlichen Wahrheiten aber sind zufällige und ihr Gegenteil ist möglich. Wenn eine Wahrheit notwendig ist, so vermag man den Grund dafür durch Analyse aufzufinden, indem man sie so lange in einfachere Ideen und Wahrheiten auflöst, bis man schließlich zu den ursprünglichen gelangt.

34. Auf diese Weise werden bei den Mathematikern die theoretischen Lehrsätze und die praktischen Regeln durch die Analyse auf Definitionen, Axiome und Aufgaben zurückgeführt.

35. Schließlich aber finden sich einfache Ideen, die sich nicht weiter definieren lassen. Auch gibt es Axiome und Forderungen oder, kurz gesagt, ursprüngliche Prinzipien, die nicht bewiesen werden können und dessen auch nicht bedürfen; das sind die identischen Aussagen, deren Gegenteil einen ausdrücklichen Widerspruch enthält.

36. Der zureichende Grund aber muss auch bei den zufälligen oder tatsächlichen Wahrheiten vorhanden sein, d. h. in der Aufeinanderfolge der im Universum der Geschöpfe verbreiteten Dinge, wo die Auflösung in besondere Gründe wegen der unermesslichen Mannigfaltigkeit der Dinge in der Natur und der ins Unendliche gehenden Teilung der Körper zu Einzelheiten ohne Ende führen könnte. Es gibt eine unendliche Anzahl von gegenwärtigen und vergangenen Gestalten und Bewegungen, die an der bewirkenden Ursache dieser meiner Schrift Anteil haben, und ebenso gibt es eine unendliche Anzahl von gegenwärtigen und vergangenen kleinen Neigungen und Trieben in meiner Seele, die zu der Zweckursache derselben gehören.

37. Da aber alle diese Einzelheiten nur wieder andere frühere oder mehr zerteilte Zufälligkeiten einschließen, von denen jede zu ihrer Begründung einer gleichen Analyse bedarf, so ist man mit jener Auflösung noch um keinen Schritt weiter vorgerückt, und der zureichende oder letzte Grund muss daher außerhalb der Folge oder Reihe jener einzelnen Zufälligkeiten liegen, so unendlich dies Einzelne auch sein mag.

38. Daher muss der letzte Grund der Dinge in einer notwendigen Substanz liegen, in der als in der Quelle das Einzelne der Veränderungen nur wesentlich enthalten ist, und eben diese Substanz nennen wir Gott.

39. Da nun diese Substanz ein zureichender Grund für all jenes Einzelne ist, das überall miteinander verknüpft ist, so gibt es nur einen Gott, und dieser Gott reicht zu.

40. Auch darf man schließen, dass diese höchste Substanz, die einzig, allumfassend und notwendig ist, da nichts außer ihr von ihr unabhängig und sie eine einfache Folge des möglichen Seins ist, keine Schranken haben kann und so viel Wirklichkeit wie möglich enthalten muss.

41. Daraus folgt nun, dass Gott unbedingt vollkommen ist, da die Vollkommenheit, indem sie die Schranken oder Grenzen bei den Dingen, welche solche haben, beiseite rückt, in nichts anderem besteht als in der Größe der eigentlichen positiven Wirklichkeit. Dort aber, wo es keine Schranken gibt, d. h. bei Gott, ist die Vollkommenheit unbedingt unendlich.

42. Ferner folgt daraus, dass die Geschöpfe ihre Vollkommenheiten vom Einfluss Gottes, ihre Unvollkommenheiten aber von ihrer eigenen Natur haben, die nicht ohne Schranken sein kann. Denn eben dadurch sind sie von Gott verschieden.

43. Auch ist Gott nicht bloß die Quelle des Seienden, sondern auch die Quelle der Wesentlichkeiten, soweit sie wirklich sind oder soweit Wirkliches in der Möglichkeit enthalten ist, und zwar deshalb, weil der Verstand Gottes die Region der ewigen Wahrheiten oder der Ideen ist, von denen sie abhängen, und weil es ohne ihn nichts Wirkliches in den Möglichkeiten und nicht bloß nichts Seiendes, sondern auch nichts Mögliches geben würde.

44. Indessen muss, wenn in den Wesentlichkeiten oder Möglichkeiten oder vielmehr in den ewigen Wahrheiten eine Wirklichkeit enthalten ist, diese Wirklichkeit auf etwas Seiendem oder Tatsächlichem und folglich auf dem Dasein des notwendigen Wesens beruhen, bei dem die Wesentlichkeit das Dasein einschließt oder bei welchem es genügt, möglich zu sein, um wirklich zu sein.

45. Nur Gott (oder das notwendige Wesen) hat also das Vorrecht, dass er sein muss, wenn er möglich ist. Und da nichts die Möglichkeit einer Sache verhindern kann, die keine Grenzen, keine Verneinung und folglich auch keinen Widerspruch enthält, so genügt schon dies allein, um das Dasein Gottes a priori zu erkennen. Auch durch die Wirklichkeit der ewigen Wahrheiten habe ich es gezeigt, a posteriori aber habe ich es ebenfalls bewiesen, da zufällige Wesen bestehen, die ihren letzten oder zureichenden Grund nur in dem notwendigen Wesen haben können, das den Grund für sein Dasein in sich selbst trägt.

46. Indessen darf man sich nicht mit einigen Philosophen einbilden, dass die ewigen Wahrheiten, weil sie von Gott abhängig sind, willkürlich seien und von seinem Willen abhängen, wie Descartes und später Herr Poiret angenommen zu haben scheinen. Dies ist nur von den zufälligen Wahrheiten richtig, deren Prinzip die Angemessenheit oder die Wahl des Besten ist, während die notwendigen Wahrheiten einzig von seinem Verstande abhängen und den inneren Gegenstand desselben bilden.

47. Daher ist Gott allein die Ureinheit oder die ursprüngliche einfache Substanz. Alle erschaffenen oder abgeleiteten Monaden sind Erzeugnisse derselben und entstehen sozusagen durch beständige Ausblitzungen der Gottheit von Augenblick zu Augenblick, die durch die Empfänglichkeit des Geschöpfes beschränkt wird, zu dessen Wesentlichkeiten das Beschränktsein gehört.

48. In Gott besteht die Macht, die die Quelle von allem ist, dann das Wissen, welches das Einzelne der Ideen enthält, und endlich der Wille, der nach dem Prinzipe des Besten die Veränderungen oder Hervorbringungen bewirkt. Diese Eigenschaften entsprechen dem, was bei den geschaffenen Monaden das Individuum oder die Grundlage ausmacht, nämlich die vorstellende und die begehrende Fähigkeit. Bei Gott aber sind diese Eigenschaften unbedingt unendlich oder vollkommen, bei den geschaffenen Monaden oder den Entelechien (oder perfectihabiis, wie Hermolaus Barbaras das Wort übersetzte) sind sie dagegen nur Nachahmungen je nach dem Maße der Vollkommenheit dieser Substanzen.

49. Von dem Geschöpfe wird gesagt, es handle nach außen, insofern es Vollkommenheit hat, und es leide von einem andern, insofern es unvollkommen ist. Daher schreibt man der Monade ein Handeln zu, soweit sie deutliche Vorstellungen, und ein Leiden, soweit sie verworrene Vorstellungen hat.

50. Ein Geschöpf ist vollkommener als ein anderes, wenn sich in ihm das findet, was zur Begründung a priori dessen dient, was in dem andern geschieht, und das ist der Grund, weshalb man von ihm sagt, es wirke auf das andere ein.

51. Bei den einfachen Substanzen ist dies jedoch nur eine ideale Einwirkung einer Monade auf die andere, die ihre Wirkung nur durch die Vermittlung Gottes haben kann, insoweit nämlich eine Monade in den Vorstellungen Gottes mit Recht fordert, dass Gott bei der Regelung der übrigen zu Anbeginn der Dinge auf sie Rücksicht nehme. Denn da keine geschaffene Monade einen physischen Einfluss auf das Innere der andern haben kann, so kann nur auf diese Weise die eine von der andern abhängig sein.

52. Und eben daher sind die Handlungen und die Erleidungen zwischen den Geschöpfen gegenseitig. Denn wenn Gott zwei einfache Substanzen miteinander vergleicht, so findet er in jeder Gründe, die ihn nötigen, die zweite der ersten anzupassen, und folglich ist das, was in gewisser Hinsicht handelnd ist, einem andern Gesichtspunkte zufolge leidend: handelnd insoweit, als das, was man deutlich in der einen erkennt, zur Begründung dessen dient, was in der andern geschieht, leidend aber insofern, als der Grund für das, was in der einen geschieht, sich in dem findet, was in der andern deutlich erkannt wird.

53. Da es nun aber in den Vorstellungen Gottes eine unendliche Anzahl von möglichen Welten gibt, während nur eine einzige sein kann, so muss es einen zureichenden Grund für die Wahl Gottes geben, der ihn mehr zu dem einen als zum andern bestimmt.

54. Dieser Grund aber kann nur in der Angemessenheit liegen, in den Graden von Vollkommenheit, welche diese Welten enthalten, da jede mögliche das Recht hat, nach Maßgabe der in ihr enthaltenen Vollkommenheit auf das Dasein Anspruch zu machen.

55. Und eben dies ist der Grund für das Dasein des Besten: die Weisheit macht es Gott bekannt, seine Güte treibt ihn, es zu wählen, und seine Macht lässt ihn es hervorbringen.

56. Diese Verknüpfung oder Anpassung aller erschaffenen Dinge an jedes einzelne und jedes einzelnen an alle übrigen hat nun aber zur Folge, dass jede einfache Substanz Beziehungen hat, die alle übrigen ausdrücken, und dass sie folglich ein beständiger lebender Spiegel des Universums ist.

57. Wie nun eine Stadt, von verschiedenen Seiten betrachtet, eine ganz andere und gleichsam perspektivisch vervielfältigt erscheint, so geschieht es auch, dass es infolge der unendlichen Menge der einfachen Substanzen gleichsam ebenso viele verschiedene Universen gibt, die indessen nur die Ansichten des einen einzigen je nach den verschiedenen Gesichtspunkten jeder einzelnen Monade sind.

58. Dies ist das Mittel, um mit der größtmöglichen Ordnung so viel Mannigfaltigkeit zu erlangen, als möglich ist, d. h. das Mittel, so viel Vollkommenheit zu erlangen, als nur erlangt werden kann.

59. Auch hebt nur diese Hypothese (die ich als bewiesen zu erklären wage) die Größe Gottes gehörigermaßen hervor. Herr Bayle anerkannte dies auch, als er in seinem Wörterbuche (Artikel Rorarius) Einwürfe dagegen machte, wobei er sich sogar zu der Ansicht versucht fühlte, ich legte Gott zuviel und mehr als möglich ist bei. Er vermochte jedoch keinen Grund anzuführen, weshalb diese allumfassende Harmonie, welche bewirkt, dass jede Substanz vermöge der Beziehungen, die sie dazu hat, alle andern abspiegelt, unmöglich sein sollte.

60. Überdies ersieht man aus dem vorstehend Angeführten die Gründe a priori, weshalb die Dinge keinen andern Lauf haben können: weil nämlich Gott bei der Regelung des Ganzen jeden einzelnen Teil und besonders jede einzelne Monade berücksichtigt hat, die bei ihrer vorstellenden Beschaffenheit durch nichts darauf beschränkt werden kann, nur einen Teil der Dinge vorzustellen, obgleich diese Vorstellung des ganzen Universums nach den Einzelheiten seines Inhalts allerdings nur eine verworrene ist und deutlich nur bei einer kleinen Anzahl der Dinge sein kann, d. h. bei denen, die in Bezug auf die einzelne Monade entweder die nächsten oder die größten sind; andernfalls würde jede Monade eine Gottheit sein. Die Monaden sind, also nicht in Bezug auf den Gegenstand, sondern in Bezug auf den Grad der Kenntnis des Gegenstandes beschränkt. Sie erstrecken sich sämtlich in verworrener Weise auf das Unendliche, auf das Ganze, sind aber durch die Grade der deutlichen Vorstellungen beschränkt und voneinander verschieden.

61. Die zusammengesetzten Dinge stehen dabei in einem gewissen Zusammenhang mit den einfachen. Denn da alles angefüllt und daher der gesamte Stoff miteinander verknüpft ist und da bei der Angefülltheit jede Bewegung nach Maßgabe der Entfernung einige Wirkung auf die entfernten Körper ausübt, so dass jeder Körper nicht bloß von denen, die ihn berühren, erregt wird und gewissermaßen alles nachempfindet, was ihnen geschieht, sondern vermittelst ihrer auch die Einwirkung derer erfährt, welche an die ihn unmittelbare Berührenden anstoßen – so erhellt, dass diese Mitteilung und Verbindung sich auf alle und jede Entfernung erstreckt. Und demzufolge empfindet jeder Körper die Nachwirkung alles dessen, was im Universum geschieht, so dass jemand, der alles sieht, in jedem einzelnen lesen könnte, was im gesamten Universum geschieht und sogar was geschehen ist oder geschehen wird, indem er im Gegenwärtigen sowohl das der Zeit wie dem Orte nach Entfernte erkennt; σύμπνοια πάντα (das gleichzeitige Sehen des Ganzen) nannte es Hippokrates. Die Seele jedoch kann in sich nur das lesen, was deutlich in ihr vorgestellt ist, und vermag nicht mit einem Schlage seine Regeln zu entwickeln, weil dieselben sich ins Unendliche erstrecken.

62. Obgleich daher jede geschaffene Monade das gesamte Universum vorstellt, stellt sie doch den Körper, der ihr besonders angewiesen ist und dessen Entelechie sie bildet, deutlicher vor; und da dieser Körper infolge des Zusammenhangs des gesamten Stoffes im angefüllten Räume das ganze Universum abspiegelt, so stellt auch die Seele durch die Vorstellung dieses Körpers, der ihr in besonderer Weise zugehört, das ganze Universum vor.

63. Der einer Monade, die seine Entelechie oder Seele ist, angehörende Körper bildet mit der Entelechie das, was man ein Lebendiges nennen kann, und mit der Seele das, was man ein Tier nennt. Dieser Körper eines Lebendigen oder eines Tiers ist aber immer organisch, denn da jede Monade nach ihrer Weise ein Spiegel des Universums und das Universum in vollkommener Ordnung geregelt ist, so muss es auch eine Ordnung in dem Vorstellenden geben, d. h. in den Vorstellungen der Seele und folglich auch im Körper, nach welchem das Universum in der Seele vorgestellt wird.

64. Daher ist jeder organische Körper eines Lebendigen eine Art von göttlicher Maschine oder natürlichem Automaten, der alle künstlichen Automaten unendlich übertrifft, weil eine durch menschliche Kunst hergestellte Maschine nicht in jedem ihrer einzelnen Teile Maschine ist. So hat z. B. der Zahn eines Messingrades Teile oder Stücke, die für uns nichts Künstliches mehr sind und nichts mehr an sich haben, was in Bezug auf den Gebrauch, zu dem das Rad bestimmt war, die Maschine verrät. Die Maschinen der Natur aber, d. h. die lebendigen Körper, sind noch in ihren kleinsten Teilen bis ins Unendliche Maschinen. Eben darin liegt der Unterschied zwischen der Natur und der Kunst, d. h. zwischen der Kunst Gottes und der unsrigen.

65. Der Schöpfer der Natur aber hat dies göttliche und unendlich wunderbare Kunstwerk zustande zu bringen vermocht, weil nicht bloß, wie schon die Alten erkannt haben, jeder Teil des Stoffes ins Unendliche teilbar, sondern auch jeder Teil wirklich ohne Ende in Teile zerlegt ist, von denen jeder eine eigene Bewegung hat: andernfalls wäre es unmöglich, dass jeder Teil des Stoffes das Universum ausdrücken kann.

66. Daraus ersieht man, dass es eine Welt von Geschöpfen, von Lebendigem, von Tieren, Entelechien, Seelen im kleinsten Teile des Stoffes gibt.

67. Jeder Teil des Stoffes kann als ein Garten voller Pflanzen und ein Teich voller Fische angesehen werden. Aber auch jeder Zweig der Pflanze, jedes Glied des Tieres, jeder Tropfen seiner Säfte ist noch ein solcher Garten und ein solcher Teich.

68. Und wenn auch die Erde und die Luft zwischen den Pflanzen des Gartens und das Wasser zwischen den Fischen des Teiches weder Fisch noch Pflanze ist, so enthalten sie doch deren noch, die jedoch meistens von einer Feinheit sind, dass wir sie nicht wahrnehmen können.

69. Daher gibt es nichts Unbewohntes, nichts Unfruchtbares, nichts Totes im Universum und nur dem Anschein nach ein Chaos oder eine Verworrenheit, ungefähr wie wenn man in einem Teiche aus der Entfernung nur eine verworrene Bewegung und sozusagen ein Gewimmel von Fischen sähe, ohne die Fische selbst zu unterscheiden.

70. Daraus erhellt, dass jeder lebende Körper eine herrschende Entelechie besitzt, welche beim Tiere die Seele ist. Die Glieder dieses lebenden Körpers aber sind angefüllt mit anderem Lebendigen, Pflanzen und Tieren, von denen jedes ebenfalls seine Entelechie oder herrschende Seele hat.

71. Indessen darf man, wie einige getan haben, die mich falsch verstanden hatten, sich nicht einbilden, dass jede Seele eine Masse oder einen Teil des Stoffes habe, der ihr zu eigen gehöre oder ihr für immer zugewiesen sei und dass sie folglich andere untergeordnetere lebende Wesen besitze, die immer zu ihrem Dienste bestimmt seien. Denn alle Körper befinden sich wie Ströme in einem beständigen Fließen, und es treten fortwährend Teile hinzu und aus.

72. Daher wechselt die Seele den Körper nur allmählich und stufenweise, so dass sie niemals mit einem Schlage aller ihrer Organe beraubt wird. Demgemäß gibt es häufig eine Umwandlung bei den Tieren, niemals aber eine Metempsychose oder Seelenwanderung und ebenso wenig gänzlich abgesonderte Seelen und Genien ohne Körper. Nur Gott allein ist völlig davon frei.

73. Daher gibt es auch nie eine völlige Erzeugung noch einen vollkommenen Tod im eigentlichen Sinne, der in der Trennung des Körpers von der Seele besteht. Das, was wir Erzeugung nennen, sind nur Entwicklungen und Vergrößerungen, wie das, was wir Tod nennen, nur Einfaltungen und Verkleinerungen sind.

74. Die Philosophen sind über den Ursprung der Formen, Entelechien oder Seelen sehr in Verlegenheit gewesen. Heute aber, wo man infolge genauer Untersuchungen an den Pflanzen, Insekten und Tieren innegeworden ist, dass die natürlichen organischen Körper nie aus einem Chaos oder einer Fäulnis hervorgehen, sondern immer aus Samen entstehen, in welchem ohne Zweifel irgendwelche Vorherbildung bestand, ist man zu dem Schlüsse gekommen, dass nicht bloß der organische Körper, sondern auch eine Seele in diesem Körper, kurzum das Tier, selbst schon vor der Empfängnis im Samen bestanden hat, und dass dies Tier vermittelst der Empfängnis nur zu einer großen Umgestaltung veranlasst worden ist, um ein Geschöpf anderer Art zu werden. Etwas Ähnliches sieht man sogar außerhalb der Erzeugung, wie wenn z. B. die Maden zu Fliegen und die Raupen zu Schmetterlingen werden.

75. Die Tiere, von denen einige vermittelst der Empfängnis zur Stufe der größten Tiere erhoben werden, kann man Samentiere nennen. Diejenigen von ihnen aber, die in ihrer Art verbleiben, d. h. die meisten von ihnen, werden geboren, vermehren sich und gehen unter wie die großen Tiere, und nur eine kleine Anzahl von Auserwählten geht auf einen größeren Schauplatz über.

76. Dies war jedoch nur die Hälfte der Wahrheit: ich folgerte daher, dass, wenn das Tier niemals auf natürlichem Wege beginnt, es auch niemals auf natürlichem Wege endet und dass es nicht nur keine Erzeugung, sondern auch keine völlige Zerstörung, keinen eigentlichen Tod geben wird. Diese a posteriori gemachten und der Erfahrung entnommenen Schlussfolgerungen stimmen aber vollkommen mit meinen oben a priori abgeleiteten Prinzipien überein.

77. Man darf also behaupten, dass nicht bloß die Seele (der Spiegel eines unzerstörbaren Universums), sondern auch das Tier selbst unzerstörbar ist, wenngleich seine Maschine oftmals teilweise untergeht und organische Stücke annimmt oder abstößt.

78. Diese Prinzipien haben mir das Mittel zur natürlichen Erklärung der Verbindung oder vielmehr der Übereinstimmung der Seele und des organischen Körpers geboten. Die Seele folgt ihren eigenen Gesetzen und ebenso der Körper den seinen, sie begegnen sich aber vermöge der zwischen allen Substanzen vorherbestimmten Harmonie, da sie sämtlich Darstellungen des nämlichen Universums sind.

79. Die Seelen handeln nach den Gesetzen der Zweckursachen durch Begierden, Zwecke und Mittel. Die Körper handeln nach den Gesetzen der bewirkenden Ursachen oder der Bewegungen. Und diese beiden Reiche, das der bewirkenden Ursachen und das der Zweckursachen, stehen in Harmonie miteinander.

80. Descartes hat anerkannt, dass die Seelen dem Körper keine Kraft mitzuteilen vermögen, weil im Stoffe immer die nämliche Menge von Kraft enthalten ist. Indessen meinte er, die Seele vermöge die Richtung der Bewegung der Körper zu ändern. Das war aber nur eine Folge davon, dass man zu seiner Zeit noch nicht jenes Naturgesetz kannte, wonach im Stoffe auch die Erhaltung der nämlichen Gesamtrichtung stattfindet. Hätte Descartes dies erkannt, so würde er auch auf mein System der vorherbestimmten Harmonie gekommen sein.

81. Dies System bewirkt, dass die Körper so handeln, als ob es – das Unmögliche angenommen – keine Seelen gebe, und dass die Seelen so handeln, als ob es keine Körper gebe, beide aber in der Weise handeln, als ob eins auf das andere einwirkte.

82. Was die Geister oder vernünftigen Seelen angeht, so finde ich zwar, dass es sich im Grunde genommen bei allem Lebendigen und allen Tieren ganz ebenso verhält, wie eben dargelegt worden ist (dass nämlich das Tier und die Seele nur mit der Welt beginnen und ebenso nur mit der Welt enden) – indessen besteht doch bei den vernünftigen Geschöpfen das Besondere, dass ihre kleinen Samentiere, solange sie nur eben dies sind, nur gewöhnliche oder empfindende Seelen haben; sobald aber diejenigen, welche sozusagen auserwählt sind, durch eine wirkliche Empfängnis zur menschlichen Natur gelangen, werden auch ihre empfindenden Seelen zur Stufe der Vernunft und zum Vorrecht der Geister erhoben.

83. Neben andern Unterschieden zwischen den gewöhnlichen Seelen und den Geistern, die ich zum Teil bereits angegeben habe, findet sich auch noch der, dass die Seelen im allgemeinen lebende Spiegel oder Bilder des Universums der geschaffenen Dinge, die Geister aber Bilder der Gottheit oder des Urhebers der Natur selbst und fähig sind, das System des Universums zu erkennen und einen Teil davon durch aufbauende Proben nachzuahmen, da jeder Geist in seinem Bereiche gleichsam eine kleine Gottheit ist.

84. Dies hat zur Folge, dass die Geister imstande sind, in eine gewisse Gemeinschaft mit Gott zu treten, und dass Gott zu ihnen nicht bloß in dem Verhältnis eines Erfinders zu seiner Maschine (wie das bei den übrigen geschaffenen Dingen der Fall ist), sondern auch im Verhältnis eines Fürsten zu seinen Untertanen und sogar eines Vaters zu seinen Kindern steht.

85. Daraus ist nun leicht zu schließen, dass die Vereinigung aller Geister den Gottesstaat bilden muss, d. h. den vollkommensten Staat, der unter dem vollkommensten aller Monarchen möglich ist.

86. Dieser Gottesstaat, diese wahrhaft allumfassende Monarchie ist eine moralische Welt in der natürlichen und das erhabenste und göttlichste unter den Werken Gottes. In ihm besteht der wahrhafte Ruhm Gottes, denn es würde keinen solchen geben, wenn seine Größe und Güte nicht von den Geistern erkannt und bewundert würden. Auch zeigt Gott seine Güte eigentlich nur in Bezug auf diesen göttlichen Staat, während seine Weisheit und seine Macht sich allenthalben zeigen.

87. Wie wir nun oben eine vollkommene Harmonie zwischen zwei natürlichen Reichen, dem der bewirkenden und dem der Zweckursachen, festgestellt haben, so müssen wir hier noch eine zweite Harmonie zwischen dem physischen Reiche der Natur und dem moralischen Reiche der Gnade hervorheben, d. h. zwischen Gott, dem Erbauer der Maschine des Universums, und Gott, dem Monarchen des göttlichen Staates der Geister.

88. Diese Harmonie hat zur Folge, dass die Dinge durch die eigenen Wege der Natur zur Gnade führen und dass z. B. der Erdball auf natürlichem Wege genau zu den Zeitpunkten zerstört und wiederhergestellt werden muss, wo die Regierung der Geister es der Züchtigung der einen und der Belohnung der andern wegen erheischt.

89. Man darf auch behaupten, dass Gott der Baumeister Gott den Gesetzgeber in allem befriedigt und dass daher die Sünden vermöge der Ordnung der Natur und sogar infolge der mechanischen Einrichtung der Dinge ihre Strafe mit sich führen müssen und dass ebenso die guten Handlungen in Bezug auf die Körper ihren Lohn auf mechanischem Wege herbeiführen werden, obgleich dies nicht immer auf der Stelle geschehen kann und darf.

90. Kurzum, unter dieser Regierung wird es keine gute Handlung ohne Belohnung, keine böse ohne Strafe geben und muss alles zum Besten der Guten ausschlagen, d. h. derer, die nicht zu den Unzufriedenen in diesem großen Staate gehören, die, nachdem sie ihre Pflicht getan haben, der Vorsehung vertrauen und die den Urheber alles Guten gebührendermaßen lieben und ihm nachahmen, indem sie sich an der Betrachtung seiner Vollkommenheiten erfreuen gemäß der Natur der wahrhaften reinen Liebe, die sich an der Glückseligkeit des Geliebten ergötzt. Eben dies veranlasst die weisen und tugendhaften Menschen, sich für alles zu bemühen, was mit dem mutmaßlichen oder vorhergehenden Willen Gottes übereinzustimmen scheint, und dennoch mit dem zufrieden zu sein, was Gott vermöge seines geheimen, nachfolgenden oder entscheidenden Willens wirklich eintreten lässt, denn sie erkennen, dass wir, wenn wir die Ordnung des Universums hinlänglich zu begreifen vermöchten, finden würden, dass sie alle Wünsche der Weisesten übertrifft und unmöglich besser gemacht werden kann, als sie ist, nicht bloß für das Ganze im allgemeinen, sondern auch für uns selbst im besondern, wenn wir nur dem Urheber von allem gebührendermaßen ergeben sind, nicht bloß als dem Baumeister und der bewirkenden Ursache unseres Seins, sondern auch als unserm Gebieter und der Zweckursache, die das ganze Ziel unseres Wollens bilden soll und allein unser Glück bewirken kann.