Georges Gurdjieff – Das Fallgesetz

Das Fallgesetz

Georges Gurdjieff (1949)

Georges_GurdjieffGeorge Gurdjeff war ein griechisch-armenischer Esoteriker, Schriftsteller und Komponist. Seine Lehre „der vierte Weg“ basiert auf dem Enneagramm. In diesem Text erklärt Beelzebub seinem Enkelsohn Hassein sein Verständnis von ”All und Allem“, über das Leben auf der Erde. Es zeigt die Verwirrungen des Menschen, dessen einzige Lösung es ist, sich mit Dankbarkeit des Gottesfunkens in ihm gewahr zu werden. So kann er bewusst an der Erfüllung seiner wahren Rolle in der kosmischen Ordnung arbeiten.

Der Kapitän fuhr fort: „Dies trug sich objektiver Zeitrechnung nach im Jahre 185 zu. Der heilige Venoma war um seiner Verdienste Willen vom Planeten „Surt“ auf den heiligen Planeten „Fegefeuer“ genommen worden, wo er, nachdem er sich mit seiner neuen Umgebung und seinen neuen Pflichten vertraut gemacht hatte, seine ganze freie Zeit seiner Lieblingsbeschäftigung widmete. Und seine Lieblingsbeschäftigung war, herauszufinden, was für neue Phänomene in den verschiedenen Kombinationen bereits gesetzmäßig existierender Erscheinungen noch gefunden werden könnten. Und während dieser Beschäftigung stellte der heilige Venoma nach einiger Zeit in den kosmischen Gesten zum ersten Mal fest, was später zu einer berühmten Entdeckung wurde und was er selbst zuerst als Fallgesetz bezeichnete.

Dieses von ihm gefundene kosmische Gesetz formulierte der heilige Venoma selbst folgendermaßen:
Alles im Weltall Existierende fällt nach unten. Als „Unten“ gilt für jeden Teil des Weltalls die nächste „Stabilität“ und diese Stabilität ist der Platz oder Punkt, auf den alle Kraftlinien aus alle Richtungen zuströmen. Solche Stabilitätspunkte sind die Zentren aller Sonnen und Planeten unseres Weltalls. Sie gerade bilden das Unten für jene Raumregionen, auf die Kräfte aus allen Richtungen des betreffenden Weltallteiles zuströmen und wo sie sich konzentrieren. In diesen Punkten konzentriert sich das Gleichgewicht, welches Sonnen und Planeten ihre Lage beibehalten lässt. Ferner, sagte der heilige Venoma in seiner Formulierung, dass jeder Gegenstand, wo immer er im Raume freigelassen werde, danach strebe, auf die eine oder andere Sonne oder auf den einen oder anderen Planeten zu fallen, je nachdem zu welcher Sonne oder welchem Planten der betreffende Teil des Raumes gehöre, wo der Gegenstand freigelassen werde, da jede Sonne oder jeder Planet für die betreffende Sphäre die Stabilität oder das Unten sein könnten. Davon ausgehend, erwog der heilige Venoma in seinen weiteren Forschungen Folgendes: Wenn dem so ist, könnte diese kosmische Eigentümlichkeit nicht zu der uns nötigen Fortbewegung zwischen den Räumen des Weltalls verwandt werden?

Und von da an arbeitete er in dieser Richtung. Seine weiteren heiligen Arbeiten ergaben, dass, obgleich dies im Prinzip möglich war, das von ihm zuerst entdeckte „Fallgesetz“ doch nicht zu diesem Zwecke voll angewandt werden konnte. Und dies nur deswegen nicht, weil die Atmosphären, die fast alle kosmischen Verdichtungen umgeben, das Fallen in gerader Linie des im Raume freigelassenen Gegenstandes hindern. Nachdem der heilige Venoma zu dieser Feststellung gekommen war, richtete er seine ganze Aufmerksamkeit darauf, ein Mittel zu finden, um den besagten Widerstand der Atmosphären für die nach dem Fallprinzip konstruierten Schiffe zu überwinden.
Nach drei „Luniass“ fand der heilige Venoma auch eine solche Möglichkeit und nachdem unter seiner Leitung der Bau einer entsprechenden speziellen Konstruktion beendet worden war, begann er seine praktischen Versuche.

Diese spezielle Konstruktion hatte das Aussehen eines großen Gemaches, in dem alle Wände aus einem besonderen glasartigen Material verfertigt waren. Auf allen Seiten dieses großen Gemaches waren Dinge wie Fensterläden angebracht, die aus einem Material bestanden, das die Strahlen des kosmischen Stoffes ‚Elekilpomagtistzon’ nicht durchließ, die aber, obwohl sie ganz fest an den Wänden des besagten Gemaches angebracht waren, sich doch leicht in jeder Richtung verschieben ließen.

In diesem Gemach war eine besondere Batterie aufgestellt, die eben diesen ,Elekilpomagtistzon’-Stoff erzeugte und hergab. Ich war selbst, Hochehrwürden, bei den ersten Versuchen zugegen, die der heilige Venoma nach den von ihm gefundenen Prinzipien machte. Das ganze Geheimnis bestand darin, dass, wenn man die ,Elekilpomagtistzon’-Strahlen durch dieses besondere Glas durchließ, all das innerhalb des Raumes, wohin sie kamen, vernichtet wurde, woraus gewöhnlich die Atmosphären der Planeten bestehen, als da sind: Luft, alle möglichen Gase, Nebel und dergleichen mehr. Dieser Teil des Raumes wurde tatsächlich absolut leer, leistete keinen Widerstand mehr und übte keinen Druck mehr aus, so dass, selbst wenn nur ein erst kürzlich entstandenes Wesen diese gewaltige Konstruktion angestoßen hätte, sie sich leicht wie eine Feder vorwärtsbewegt hätte. An den Außenseiten dieses sonderbaren Gemaches waren flügelartige Vorrichtungen angebracht, die mit demselben ,Elekilpomagtistzon’-Stoff in Bewegung gesetzt wurden und dazu dienten, dieser ganzen enormen Konstruktion den Anstoß zu geben, sich in der gewünschten Richtung zu bewegen.

Die Resultate dieser Experimente wurden von einer Prüfungskommission unter dem Vorsitz des Erzengels Adossius gutgeheißen und gesegnet; danach wurde der Bau eines großen Schiffes nach diesen Prinzipien begonnen. Das Schiff war bald fertig und in Dienst gestellt. Und nach einiger Zeit wurden nur noch Schiffe dieser Art auf allen Linien der Zwischen-System-Verbindung gebraucht. Obwohl, Hochehrwürden, die Unbequemlichkeiten auch dieses Systems später mehr und mehr in Erscheinung traten, verdrängte es doch weiterhin alle Systeme, die zuvor existiert hatten.

Gewiss, die nach diesem System erbauten Schiffe funktionierten ganz tadellos in atmosphärenlosen Räumen und bewegten sich dort fast mit der Geschwindigkeit der von Planeten kommenden ,Etzikolnionachmschen’-Strahlen fort. Sobald sie sich aber einer Sonne oder einem Planeten näherten, wurde es eine wahre Qual für die Wesen, die sie lenkten, da dann viel kompliziertes Manövrieren nötig war, Manövrieren, das seinen Grund nicht in diesem Fallgesetz hatte.

Sobald nämlich das Schiff in den Atmosphärenring einer Sonne oder eines Planeten, wo es vorbei musste, gelangte, begann es sofort auf diese Sonne oder diesen Planeten zu fallen, und es waren, wie ich bereits gesagt habe, viel Aufmerksamkeit und große Kenntnisse nötig, um das Schiff nicht aus seinem Kurs fallen zu lassen. Während die Schiffe an einer Sonne oder einem Planeten vorbeizogen, musste ihre gewöhnliche Fahrgeschwindigkeit manchmal viele hundert Mal verlangsamt werden. Besonders schwer war es, sie durch solche Sphären zu lenken, wo es eine große Anhäufung von Kometen gab. Deshalb wurden auch große Anforderungen an die Wesen gestellt, die diese Schiffe zu lenken hatten und sie wurden auf ihre Pflichten von Wesen mit sehr hoher Vernunft vorbereitet.

Trotz der erwähnten Nachteile verdrängte das System des heiligen Venoma, wie ich bereits berichtet habe, doch allmählich alle früheren Systeme. Und die Schiffe nach dem System des heiligen Venoma hatten schon dreiundzwanzig Jahre existiert, als sich zum ersten Mal das Gerücht verbreitete, dass der Engel Hariton einen neuen Schiffstyp für Zwischen-System- und Zwischen-Planeten-Verbindungen erfunden habe.“