Kapitel 11 – Aurora von Jakob Böhme

Von dem siebenten Quellgeist in der göttlichen Kraft

Das 11. Kapitel
Von dem siebenten Quellgeist in der göttlichen Kraft

Der siebente Geist Gottes in der göttlichen Kraft ist der Corpus, der aus den andern sechs Geistern geboren wird, darinnen alle himmlischen Figuren bestehen und darinnen sich alles bildet und formet, und darinnen alle Schönheit und Freude aufgehet. Das ist der rechte Geist der Natur, ja die Natur selber, darinnen die Begreiflichkeit stehet und darinnen alle Kreaturen formieret sind im Himmel und auf Erden. Ja, der Himmel selber ist darinnen formieret, und alle Natürlichkeit in dem ganzen Gott stehet in diesem Geiste. So dieser Geist nicht wäre, so wäre auch kein Engel noch Mensch, und wäre Gott ein unerforschliches Wesen, welches nur in unerforschlicher Kraft bestünde.

2. Nun fragt sichs: Wie ist diese Gestalt? Bist du nun ein vernünftiger Marcurius-Geist, der durch alle sieben Geister Gottes dringet, und die approbieret, und schauet, wie sie sind, so wirst du bei Erklärung dieses siebten Geistes die Wirkung und das Wesen der ganzen Gottheit verstehen und im Sinne begreifen.

3. Verstehest du aber bei diesem Geiste nichts, so laß dies Buch zufrieden und richte weder vom Kalten noch Warmen darinnen, denn du bist im Saturno zu sehr gefangen und bist kein Pilosophus in dieser Welt. Laß nur dein Richten bleiben oder du wirst bösen Lohn empfahen, davor ich dich treulich will gewarnet haben. Warte bis in jenes Leben, so wird dir die Himmelsporte aufgetan werden, dann wirst du es auch verstehen.

4. Nun merke die Tiefe: Allhie muß ich den ganzen göttlichen Corpus erklären, wie die Natur wird. Da wirst du den höchsten Grund sehen, wie alle sieben Geister Gottes immer einer den andern gebäret, und wie die Gottheit keinen Anfang noch Ende hat. Darum siehe deines Geistes Lust und die ewige, göttliche Freudenreich, die himmlische Wonne und körperlichen Freuden, die in Ewigkeit kein Ende hat.

5. Nun merke: Wenn der Blitz im Centro aufgehet, so stehet die göttliche Geburt in voller Wirkung. In Gott ist es immer und ewig also, aber in uns armen Fleischeskindern nicht. In diesem Leben währet die triumphierende göttliche Geburt in uns Menschen nur solange, als der Blitz wäret. Darum ist unsere Erkenntnis stückweise, in Gott aber stehet der Blitz unveränderlich immer und ewig also.

6. Siehe, es werden alle sieben Geister Gottes zugleich geboren. Keiner ist der erste und keiner ist der letzte. Aber man muß auf den Kern sehen, wie die göttliche Geburt aufgehet, sonst verstehet mans nicht, denn alle sieben ineinander zugleich können die Kreaturen nicht begreifen, sondern sie schauens an. Wenn aber ein Geist geregt wird, so reget er die andern alle, so stehet die Geburt in voller Kraft. Darum hats im Menschen einen Anfang, und in Gott keinen. Darum muß ichs auch nur auf kreatürliche Weise schreiben, sonst verstehest du nichts.

7. Siehe, alle sieben Quellgeister wären außer dem Blitz ein finster Tal. Wenn aber der Blitz zwischen der herben und bittern Qualität in der Hitze aufgehet, so wird er im süßen Wasser scheinend und in der Hitze Flammen bitter und triumphierend und lebendig, und in der herben körperlich, trocken und helle.

8. Nun bewegen sich alle diese vier Geister in dem Blitze, denn sie werden alle vier darinnen lebendig. Nun steiget diese 4. Kraft in dem Blitze auf, als wie das Leben aufginge. Und die aufgestiegene Kraft in dem Blitze ist die Liebe, das ist der fünfte Geist. Dieselbe Kraft wallet so lieblich in dem Blitze, als wenn ein toter Geist lebendig würde und würde urplötzlich in große Klarheit gesetzet.

9. Nun in diesem Wallen reget eine Kraft die andere. Erstlich pocht die Herbe, und die Hitze macht in dem Pochen einen hellen Klang, und die bittere Kraft zerteilet den Klang, und das Wasser macht ihn sanft. Das ist der sechste Geist.

10. Nun gehet der Ton in allen fünf Geistern auf gleich einer lieblichen Musica, und bleibet bestehen, denn die herbe Qualität vertrocknet ihn. Nun ist in demselben ausgegangenen Schalle, der nun trocken besteht, aller sechs Quellgeister Kraft und ist gleich wie der Same der andern sechs Geister, den sie allda zusammenkorporieret haben und einen Geist daraus gemacht. Der hat aller Geister Qualität, und das ist der siebente Geist Gottes in der göttlichen Kraft.

11. Nun dieser Geist besteht in seiner Farbe gleich dem Himmelblau, denn er ist aus allen sechs Geistern geboren. Wenn nun der Blitz, der inmitten in der Hitze bestehet, in die andern Geister leuchtet, daß sie im Blitze aufsteigen und den siebenten Geist gebären, so steiget auch der Blitz in der Geburt der sechs Geister mit auf in den siebenten.

12. Weil aber der siebente keine sonderliche Qualität in sich hat, so kann der Blitz in dem siebten nicht heller werden, sondern er fänget von dem siebenten das körperliche Wesen aller sieben Geister, und der Blitz stehet inmitten zwischen diesen sieben Geistern und wird von allen sieben geboren.

13. Und die sieben Geister sind des Lichtes Vater, und das Licht ist ihr Sohn, den sie von Ewigkeit zu Ewigkeit immer also gebären. Und das Licht erleuchtet und macht immer und ewig die sieben Geister lebendig und freudenreich. Denn sie sehen alle ihr Aufsteigen und Leben in Kraft des Lichtes. Hingegen gebären sie alle das Licht und sind alle zugleich des Lichtes Vater. Und das Licht gebäret keinen Geist, sondern macht sie alle lebendig und freudenreich, daß sie immer in der Geburt stehen.

14. Siehe, ich will dirs noch einmal zeigen, ob du es vielleicht begreifen möchtest, damit diese hohe Arbeit nicht vergebens geschehe, ohne Nutz.

15. Die herbe Qualität ist der erste Geist, die zeucht zusammen und macht alles trocken. Die süße Qualität ist der andere Geist, die sänftiget es. Nun ist der dritte Geist der bittere Geist, der entsteht aus dem vierten und ersten. Wenn sich nun der dritte Geist mit seiner Wüterei in dem herben reibet, so zündet er das Feuer an, so gehet die Grimmigkeit in dem Feuer auf in der herben. In derselben Grimmigkeit wird der bittere Geist selbständig, und in der süßen wird er sanft, und in der harten körperlich. Nun bestehet er und auch der vierte.

16. Nun gehet der Blitz in Kraft dieser vier auf in der Hitze und steiget im süßen Quellwasser auf, und die bittere macht ihn triumphierend, und die herbe macht ihn scheinend und trocken und körperlich, und die süße macht ihn sanft und nimmt seinen ersten Schein in der süßen. Nun da besteht der Blitz oder das Licht in der Mitten als ein Herze. Wenn nun dasselbe Licht, das in der Mitten steht, in die vier Geister scheinet, so steigen der vier Geister Kräfte im Licht auf und werden lebendig und lieben das Licht, das ist: sie fassens in sich und sind des schwanger. Und derselbe angefaßte Geist ist die Liebe des Lebens; das ist der fünfte Geist.

17. Nun wenn sie die Liebe in sich gefasset haben, so qualifizieren sie vor großer Freude. Denn es siehet einer den andern im Licht, und reget einer den andern. Alsdann gehet auf der Ton: der harte Geist pochet, der süße macht das Pochen sanft, der bittere zerscheidet es nach jeder Qualität Art, der vierte macht den Klang, der fünfte macht die Freudenreich, und dies zusammenkorporierte Tönen ist der Ton oder der sechste Geist.

18. In diesem Tönen gehet auf aller sechs Geister Kraft. Und wird ein begreiflicher Corpus nach englischer Art zu reden, und besteht in Kraft der andern sechs Geister und in dem Licht. Und das ist der Corpus der Natur, darinnen alle himmlischen Kreaturen und Figuren und Gewächse gebildet werden.

19. Die heilige Porten: Das Licht aber, das inmitten in allen sieben Geistern bestehet und darinnen aller sieben Geister Leben stehet und dadurch sie alle sieben triumphieren und freudenreich werden, darinnen die himmlische Freudenreich aufgehet, das alle sieben Geister gebären und das aller sieben Geister Sohn ist, und die sieben Geister sind sein Vater, die das Licht gebären. Und das Licht gebäret ihnen das Leben, und das Licht ist der sieben Geister Herze. Und dieses Licht ist der wahrhaftige Sohn Gottes, den wir Christen anbeten und ehren als die andere Person in der hl. Dreifaltigkeit.

20. Und die sieben Geister Gottes sind alle zusammen Gott der Vater, denn es ist kein Geist außer dem andern, sondern sie gebären alle sieben einer den andern. So einer nicht wäre, so wäre der andere auch nicht. Das Licht aber ist eine andere Person, denn es wird aus den sieben Geistern immer geboren, und die sieben Geister steigen immer aus dem Lichte auf, und die Kräfte dieser sieben Geister gehen immer im Glanze des Lichtes aus den sieben Naturgeist und formen und bilden alles in dem siebenten Geiste, und dieser Ausgang im Licht ist der Hl. Geist.

21. Der Blitz oder der Stock oder Herze, das in den Kräften geboren wird, der bleibet inmitten stehen, und das ist der Sohn. Und der Glanz in aller Kraft gehet vom Vater und Sohne aus in alle Kräfte des Vaters und formet und bildet in dem siebenten Naturgeiste alles nach der Kraft und Wirkung der sieben Geister und nach ihrem Unterschied und Trieb. Und das ist der wahrhaftige Hl. Geist, den wir Christen für die dritte Person in der Gottheit ehren und anbeten.

22. Also siehest du blinder Jude, Türke und Heide, daß drei Personen in der Gottheit sind, du kannst es nicht leugnen, denn du lebest und bist in den drei Personen und hast dein Leben von ihnen und in ihnen. Und du wirst am jüngsten Tage von den Toten in Kraft dieser drei Personen aufstehen und ewig leben.

23. Wirst du nun im Gesetze der Natur heilig und wohl in dieser Welt gelebet haben und wirst den heiligen Blitz, der da ist der Sohn, der dich lehret das Gesetze der Natur in deinen sieben Quellgeistern nicht verlöschet haben durch grimme Erhebung, welche läufet wider die Wissenschaft der Natur, so wirst du mit allen Christen in ewiger Freude leben.

24. Denn es liegt nichts an deinem Unglauben. Dein Unglaube hebet Gottes Wahrheit nicht auf. Der Glaube aber bläset den Geist der Hoffnung auf und bezeuget, daß wir Gottes Kinder sind. Der Glaube wird im Blitze geboren und ringet mit Gott so lange, bis er überwindet und sieget.

25. Du richtest uns und richtest dich selber, indem du den Eifergeist im Zorne aufbläsest, der dein Licht verlöschet. Bist du nun auf dem süßen Baume gewachsen und zwingest die bösen Einflüsse und lebest heilig und wohl im Gesetze der Natur, das dir dann gar wohl anzeiget, was Recht ist.

26. Bist du aber nicht aus dem grimmen Zweig gewachsen und bist blind, wer will dich abscheiden von der Liebe Gottes, darinnen du geboren bist und darinnen du lebest, so du darinnen verharrest bis ans Ende? Wer will dich von Gott scheiden, in dem du hie gelebet hast?

27. Was du in den Acker gesäet hast, das wird aufgehen, es sei Weizen, Korn, Gersten, Erbsen, Hülsen oder Dornen. Welches das endliche Feuer nicht wird fähig sein, das wird auch nicht brennen. Gott aber wird seinen guten Samen nicht selber verderben, sondern bauen, daß er Früchte trage ins ewige Leben.

28. Dieweil denn nun alles in Gott lebet und ist, warum rühmet sich dann das Unkraut vor dem Weizen? Meinest du, daß Gott ein Heuchler sei und sehe jemands Person oder Namen an? Wer war unser aller Vater? War es nicht Adam? Da sein Sohn Kain böse vor Gott lebete, warum half ihm nicht sein Vater Adam? Aber es heißt hie: Wer sündiget, soll gestraft werden, Ez 18,20. Hätte Kain nicht sein Licht verlöschet, wer wollte ihn scheiden von der Liebe Gottes?

29. Also auch du, du rühmest dich einen Christen und kennest das Licht. Warum wandelst du nicht drinnen? Meinest du, der Name mache dich heilig? Warte, Fritz, bis dorthin, so wirst du es erfahren. Siehe, es wird dir mancher Jude, Türke und Heide zuvor ins Himmelreich gehen, die ihre Lampen wohl geschmückt haben.

30. Was haben denn die Christen Vorteil? Viel, denn sie wissen den Weg des Lebens und wissen, wie sie vom Falle aufstehen sollen. Will aber einer bleiben liegen, so wirft man ihn in die Gruben, da muß er mit allen gottlosen Heiden verderben. Darum schaue zu, was du tust und wer du bist, du richtest andere und bist selber blind. Der Geist saget aber, du hast keine Ursache dazu, daß du den richtest, der besser ist als du. Haben wir nicht alle ein Fleisch, und unser Leben bestehet in Gott, es sei gleich in Liebe oder in Zorn. Denn was du säest, das wirst du ernten.

31. Gott ist nicht Ursache dran, daß du verloren wirst, denn das Gesetze, recht zu tun, ist in die Natur geschrieben und du hast dasselbe Buch in deinem Herzen. Du weißt wohl, daß du sollst wohl und freundlich handeln gegen deinen Nächsten. So weißt du auch wohl, daß du dein eigen Leben, das ist, dein Leib und Seele nicht sollst schänden und beflecken.

32. Wahrlich in diesem stehet der Kern und die Liebe Gottes: Gott siehet nicht auf jemandes Namen oder Geburt. Wer aber in der Liebe Gottes wallet, der wallet im Lichte. Das Licht aber ist das Herze Gottes. Wer nun Gott im Herzen sitzet, wer will den rausspeien? Niemand, denn er wird Gott geboren.

33. 0 du blinde und halbtote Welt, stehe ab von deinem Richten! 0 du blinder Jude, Türke und Heide, stehe ab von deiner Lästerung und ergib dich dem Gehorsam Gottes und wandele im Licht, so siehest du, wie du in deinem Falle sollst aufstehen und wie du dich in dieser Welt wider die höllische Grimmigkeit wehren sollst und wie du kannst überwinden und mit Gott ewig leben.

34. Wahrlich, es ist nur ein Gott. Wenn aber die Decke von deinen Augen getan wird, daß du ihn siehst und erkennest, so wirst du auch alle deine Brüder sehen und erkennen, es seien gleich Christen, Juden, Türken oder Heiden. Oder meinest du, daß Gott nur der Christen Gott sei? Leben doch die Heiden auch in Gott! Wer recht tut, der ist ihm lieb und angenehm. Act 10,35. Oder was wußtest du, der du ein Christ bist, wie dich Gott wollte von dem Bösen erlösen? Was hattest du für Freundschaft mit ihm oder was hattest du für einen Bund mit ihm, da Gott seinen Sohn ließ einen Mensch werden, zu erlösen das menschliche Geschlechte? Ist er nur dein König? Stehet nicht geschrieben: Er ist aller Heiden Trost? Hagg 2,8.

35. Höre, durch einen Menschen kam die Sünde in die Welt und drang durch den einen auf alle, Röm 5,18. Und durch einen kam die Erlösung in die Welt und drang durch den einen auf alle. Was liegt nun an jemands Wissenschaft? Wußtest du doch auch nicht, wie Gott mit dir fahren wollte, da du in Sünden tot warest.

36. Nun, gleichwie die Sünde ohn Unterscheid herrschet durch Einen über alle, also auch herrschet die Barmherzigkeit und Erlösung durch Einen über alle. Den Heiden, Juden und Türken aber ist Blindheit widerfahren. Sie stehen aber gleichwohl in ängstlicher Geburt und suchen die Ruhe, begehren Gnade und suchens nicht am rechten Ziele. Gott aber ist allenthalben und siehet auf des Herzens Grund. So aber in ihrer ängstlichen Geburt das Licht in ihnen geboren wird, wer bist du, der du sie richtest?

37. Siehe, du blinder Mensch, ich will dirs zeigen: Gehe auf eine Wiese, da siehest du mancherlei Kraut und Blumen. Du siehest bittere, du siehest herbe, süße, saure, weiße, gelbe, rote, blaue, grüne und mancherlei. Wachsen sie nicht alle aus der Erden? Stehen sie nicht nebeneinander? Mißgönnet auch eins dem andern seine schöne Gestalt? Ob sich aber eines unter ihnen zu hoch erhübe mit seinem Gewächse und verdorrete, weil es nicht Saft genug hat, was kann ihm die Erde tun? Gibt sie ihm doch seinen Saft sowohl als dem andern. Wenn aber Dornen drunter wachsen und der Mähder kommt einzuernten, so hauet er dieselben mit ab und wirft sie weg, und sie werden im Feuer verbrannt, aber die mancherlei Blumen sammlet er in seine Scheuern.

38. Also ists auch mit den Menschen. Es sind mancherlei Gaben und Geschicklichkeiten. Es ist einer viel Lichter in Gott als der ander. Weil sie aber nicht im Geiste verdorren, so sind sie nicht verwerflich. Wenn aber der Geist verdorret, so taugt er zu nichts denn zu Feuerholz.

39. Sind aber die Türken der herben Qualität und die Heiden der bittern, was gehet dichs an? So das Licht in der herben und bittern Qualität scheinend wird, so leuchtet es auch. Du aber bist in der Hitze geboren, wo das Licht im süßen Quellwasser aufgehet. Schaue zu, daß dich die Hitze nicht verbrennet, du magst wohl löschen.

40. So sprichst du nun: Ists dann recht, daß die Heiden, Juden und Türken in ihrer Blindheit verharren? Nein, das sage ich aber: Wie kann der sehen, der keine Augen hat? Was weiß der arme Laie drum, was die Pfaffen für einen Tumult haben in ihrer Trunkenheit? Er gehet dahin in seiner Einfalt und gebäret ängstiglich.

41. So sprichst du nun: Hat denn Gott die Türken, Juden und Heiden verblendet? Nein, sondern als ihnen Gott das Licht anzündete, so lebten sie in ihres Herzens Lust und wollten sich den Geist nicht weisen lassen, so verlosch das äußerliche Licht. Es ist darum nicht also gar verloschen, daß es in einem Menschen nicht könnte geboren werden, sintemal der Mensch aus Gott ist und in Gott lebet, es sei gleich in Liebe oder Zorn.

42. So sich nun der Mensch sehnet, sollte er in seinem Sehnen nicht schwanger werden? So er aber schwanger ist, so kann er auch gebären. Dieweil ihm aber das äußerliche Licht nicht scheinet, so kennet er seinen Sohn nicht, den er geboren hat. Wenn aber das Licht aufgehen wird am jüngsten Tage, so wird er ihn sehen.

43. Siehe, ich sage dir ein Geheimnis: Es ist schon die Zeit, daß der Bräutigam seine Braut krönet. Rat, Fritz, wo liegt die Kröne? – Gegen Mitternacht, denn mitten in der herben Qualität wird das Licht helle. Von wannen kommt aber der Bräutigam? Aus der Mitten, wo die Hitze das Licht gebäret, und fähret gegen Mitternacht in die herbe Qualität, da wird das Licht helle. Was tun denn die gegen Mittage? Sie sind in der Hitze entschlafen, aber ein Sturmwetter wird sie aufwecken. Unter diesen werden viele zum Tode erschrecken.

44. Was tun dann die vom Abend? Ihre bittere Qualität will sich mit den andern reiben. Aber wenn sie das süße Wasser kosten, so wird ihr Geist sanft. Was tun dann die im Morgen? Du bist eine stolze Braut von Anfang. Die Krone ist dir von Anfang immer geboten worden, aber du däuchtest dich vorhin zu schöne zu sein, du lebest mit den andern.

Von der göttlichen und himmlischen Natur, Wirkung und Eigenscbaft

45. So du nun willst wissen, was im Himmel für eine Natur sei und was die hl. Engel für eine Natur an sich haben, und was Adam vor dem Fall für eine Natur an sich gehabt hat, und was eigentlich die heilige, himmlische und göttliche Natur sei, so merke die Umstände bei diesem siebenten Quellgeiste Gottes eigentlich wie folget:

46. Der siebte Quellgeist Gottes ist der Quellgeist der Natur, denn die andern sechs gebären den siebenten. Und der siebte, wenn er geboren ist, so ist er gleichwie eine Mutter der andern sechs, der die andern sechse umschleußt und gebäret sie wiederum, denn das körperliche und natürliche Wesen stehet in dem siebenten.

47. Hie merke den Sinn: die sechs steigen auf in voller Geburt nach jedes Kraft und Art, und wenn sie aufgestiegen sind, so ist ihre Kraft ineinander vermenget, und die Härtigkeit vertrocknete und ist gleichwie das ganze Wesen. Diese körperliche Vertrocknung heiße ich in diesem Buche den göttlichen Salitter. Denn es ist darinnen der Same der ganzen Gottheit und ist gleichwie eine Mutter, die den Samen empfähet und immer wieder Frucht gebäret nach aller Qualität des Samens.

48. Nun in diesem Aufsteigen der sechs Geister steiget auch mit auf der Marcurius, Ton oder Schall aller sechs Geister, und in dem siebenten bestehet er als in der Mutter. Alsdann gebäret der siebente allerlei Frucht und Farben nach der sechsten Wirkung.

49. Du mußt aber allhie wissen, daß die Gottheit nicht stille stehet, sondern ohn Unterlaß wirket und aufsteiget als ein liebliches Ringen, Bewegen oder Kämpfen, gleichwie zwei Kreaturen, die in großer Liebe miteinander spielen und sich miteinander hälsen oder würgen. Bald liegt eines oben, bald das andere. Und so eines überwunden hat, so gibts nach und lässet das andere wieder auf die Füße.

50. Du magsts auch im Gleichnis also verstehen, als wenn sieben Personen ein freundliches Freudenspiel anfingen, da je eines dem andern obsieget und das dritte käme dem überwundenen zuhilfe, und wäre eine liebliche freundliche Kurzweil unter ihnen, da sie zwar alle einen Liebewillen untereinander hätten und doch eines gegen den andern in Kurzweil oder Liebe kämpfete.

51. Also ist auch die Wirkung der sechs Geister Gottes in dem siebenten. Bald hat einer ein starkes Aufsteigen, bald der andere, und ringen also in Liebe miteinander. Und wenn das Licht in diesem Kämpfen aufsteiget, so wallet der Hl. Geist in Kraft des Lichtes in der andern sechs Geister Spiele. Alsdann gehet auf in dem siebenten allerlei Frucht des Lebens, dazu allerlei Farben und Gewächse.

52. Wie nun die Qualität am stärksten ist, so bildet sich auch der Corpus der Frucht und auch die Farben. In diesem Kämpfen oder Ringen formieret sich die Gottheit in unendlicher und unerforschlicher vielerlei Art, Weise und Bildung.

53. Denn die sieben Geister sind sieben Hauptquellen. Wenn der Marcurius drinnen aufsteiget, so macht er alles rege und die bittere Qualität beweget es und unterscheidet es, und die herbe vertrocknet es.

54. Nun merke hie, wie da sei die Bildung in der Natur in dem siebenten Geist. Das süße Wasser ist der Natur Anfang oder die herbe Qualität zeucht es zusammen, daß es natürlich und begreiflich wird, auf englische Art zu reden.

55. Nun, wenn es zusammengezogen ist, so siehts gleich dem Himmelblau. Wenn aber das Licht oder der Blitz drinnen aufgehet, so siehets gleich einem edlen Jaspis oder wie ichs in meiner Sprache nennen mag, einem gläsern Meer, darin die Sonne scheinet und ganz lauter und helle ist.

56. Wenn aber die bittere Qualität darinnen aufgehet, so zerteilet sichs und formet sichs, gleich als wenn es lebete oder als wenn das Leben da aufginge, und formet sich in grünliche Gestalt gleich einem grünen Blitz, menschlich zu reden, davon einem das Gesichte vergehet und nicht schauen kann.

57. Wenn aber die Hitze drinnen aufgehet, so formet sich die grüne Gestalt in eine halb rötliche, gleich als wenn ein Karfunkelstein aus dem grünen Blitz leuchtet.

58. Wenn aber das Licht, welches ist der Sohn Gottes, in dieses Naturmeer scheinet, so bekommts seine gelblichte und weißlichte Farbe, welches ich mit nichts vergleichen kann. Mit diesem Anschauen mußt du warten bis in jenes Leben. Denn das ist nun der rechte Naturhimmel, der da ist aus Gott, darinnen die hl. Engel wohnen und daraus sie im Anfang geschaffen sind.

59. Siehe, wenn nun der Marcurius oder Ton in diesem Naturhimmel aufgehet, da gehet auf die göttliche und englische Freudenreich. Denn da gehen auf Formen, Bildungen, Farben und englische Frucht, die da schön blühet, wächst und in seiner Vollkommenheit stehet, von allerlei Obstbäumen, Stauden und Gewächsen, holdselig anzuschauen, mit lieblichem Geruch und Geschmacke.

60. Ich rede aber allhie mit einer Engelszunge. Du mußt es nicht irdisch verstehen gleich dieser Welt.

61. Mit dem Marcurio hat es auch diese Gestalt: Du mußt nicht denken, daß ein hartes Pochen, Tönen oder Schallen oder Pfeifen in der Gottheit sei, als wenn einer eine mächtige Posaune nähme und bliese drein. 0 nein, Mensch, du halbtoter Engel, das ist es nicht, sondern es gehet alles in Kraft zu, denn das göttliche Wesen stehet in Kraft, aber die hl. Engel singen, klingen, posaunen und schallen lautbar, denn zu dem Ende hat sie Gott aus sich gemacht, daß sie sollen die himmlische Freude vermehren.

62. Ein solch Bild war Adam auch, als ihn Gott schuf, ehe daß seine Heva aus ihm gemacht ward. Aber der verderbte Salitter in Adam hat mit dem Baum des Lebens gerungen, bis er überwunden und Adam matt ward, davon er entschlief. Da war es geschehen. So ihm die Barmherzigkeit Gottes nicht wäre zuhilfe kommen und hätte ein Weib gebauet, so sollte er wohl noch schlafen. Nun von diesem seinem Orte.

63. Dieses, wie oben erzählet, ist nun der schöne und heilige Himmel, der in der ganzen Gottheit also ist, der weder Anfang und Ende hat, dahin keine Kreatur mit ihrem Sinne reichet.

64. Doch sollst du dieses wissen, daß sich je an einem Orte bald eine Qualität mächtiger erzeiget als die andere, bald sieget die andere, bald die dritte, bald die vierte, bald die fünfte, bald die sechste, bald die siebente. Und ist also ein ewiges Ringen, Wirken und freundliches Liebe-Aufsteigen, da sich dann in diesem Aufsteigen die Gottheit immer wunderlicher und begreiflicher und unerforschlicher erzeiget, daß also die hl. Engel sich nicht können genug freuen und darinnen genug Liebe-Spazieren und das schöne Te Deum Laudamus genug singen, nach jeder Qualität des großen Gottes nach seiner wunderlichen Offenbarung und Weisheit und Schönheit und Farben und Frucht und Gestalt. Denn die Qualitäten steigen immer und ewig also auf, und ist bei ihnen kein Anfang, weder Mittel noch Ende.

65. Und ob ich gleich allhie habe geschrieben, wie alles wird, und wie sich alles formet und bildet, und wie die Gottheit aufgehet, so darfst du darum nicht denken, daß es etwa eine Ruhe oder Verlöschung habe und hernach wieder also aufgehe.

66. 0 nein, sondern ich muß im Stückwerke schreiben, um des Lesers Unverstand willen, damit er möchte was begreifen und in den Sinn kommen.

67. Du darfst auch nicht denken, daß ich sei in Himmel gestiegen und habe solches mit meinen fleischlichen Augen gesehen. 0 nein. Höre, du halb erstorbener Engel, ich bin wie du und habe kein größer Licht in meinem äußerlichen Wesen als du. Dazu so bin ich sowohl ein sündiger und sterblicher Mensch als du und muß mich alle Tage und Stunden mit dem Teufel kratzen und schlagen, welcher mich in meiner verderbten Natur in der grimmen Qualität, die in meinem Fleische ist wie in allen Menchen, immer anficht. Bald siege ich ihm ob, gar bald er. Er hat mich aber darum nicht überwunden, wenn er gleich vor mir oft sieget, sondern unser Leben ist wie ein steter Krieg mit dem Teufel. Schläget er mich, so muß ich zurückweichen. Aber die göttliche Kraft hilft mir auf, dann bekommt er auch seinen Streich und verlieret oft die Schlacht.

68. Wenn er aber überwunden ist, so gehet die Himmelspforte in meinem Geiste auf. Dann siehet der Geist das göttliche und himmlische Wesen nicht außer dem Leibe, sondern im Quellbrunne des Herzens gehet der Blitz auf in die Sinnlichkeit des Hirns, darinnen spekulieret der Geist.

69. Denn der Mensch ist aus allen Kräften Gottes gemacht, aus allen sieben Geistern Gottes, gleichwie auch die Engel. Weil er aber nun verderbet ist, so quillet nicht allezeit die göttliche Geburt in ihm, auch nicht in allen. Und ob sie gleich in ihm quillet, so scheinet darum nicht das hohe Licht in allen alsbald. Und obs scheinet, so ists doch der verderbten Natur unbegreiflich. Denn der Hl. Geist lässet sich nicht in sündlichem Fleische fassen und halten, sondern er gehet auf wie ein Blitz, gleichwie das Feuer aus dem Steine, wenn man draufschläget.

70. Wenn aber der Blitz im Quellbrunne des Herzens gefangen wird, so gehet er in den sieben Quellgeistern auf ins Hirn wie eine Morgenröte. Und darinnen steckt der Zweck und die Erkenntnis. Denn in demselben Lichte siehet einer den andern und fühlet den andern und reucht den andern und schmeckt den andern und höret den andern, und ist gleich als wenn die ganze Gottheit drinnen aufginge.

71. Hierinnen siehet nun der Geist bis in die Tiefe der Gottheit, denn in Gott ist Nahe und Weit ein Ding. Und derselbe Gott, von dem ich in diesem Buch schreibe, der ist sowohl in seiner Dreiheit im Corpus der heiligen Seelen als im Himmel. Von diesem nehme ich meine Erkenntnis und von keinem andern Dinge. Ich will auch nichts anders wissen als denselben Gott, und der macht auch die Gewißheit meines Geistes, daß ichs beständig glaube und auf ihn traue.

72. Und ob mirs gleich ein Engel vom Himmel sagte, so würde ichs doch nicht können glauben, viel weniger fassen, denn ich würde immer zweifeln, ob sichs auch also verhielte. Aber so gehet mir die Sonne selber in meinem Geiste auf. Darum bin ich des gewiß und sehe selber die Ankunft und Geburt der hl. Engel und aller Dinge im Himmel und in dieser Welt. Denn die heilige Seele ist ein Geist mit Gott. Ob sie gleich eine Kreatur ist, so ist sie doch den Engeln gleich. Auch so siehet des Menschen Seele tiefer als die Engel. Die Engel sehen allein bis in die himmlische Pomp, die Seele aber siehet die himmlische und höllische, denn sie lebet zwischen beiden.

73. Darum muß sie sich wohl quetschen lassen und alle Tage und Stunden mit dem Teufel ringen, das ist mit der höllischen Qualität, und lebet in großer Gefährlichkeit in dieser Welt. Darum heißt dies Leben recht ein Jammertal, voller Angst, stetiges Würgen, Kriegen, Kämpfen, Streiten.

74. Aber der kalte und halbtote Leib verstehet diesen Kampf der Seelen nicht allewege. Er weiß nicht, wie ihm geschieht, sondern er ist schwermütig und ängstlich und gehet von einem Gemache, ja von einem Orte zum andern und suchet Abstinenz oder Ruhe. Und wenn er dahin kommt, so findet er nichts. Da lauft denn Zweifel und Unglauben mitunter. Ihm ist oft als wäre er gar nicht von Gott verstoßen. Aber er verstehet nicht des Geistes Kampf wie derselbe bald oben und bald unten lieget. Was da für ein heftig Kriegen und Kämpfen ist mit der höllischen und himmlischen Qualität, welches Feuer die Teufel aufblasen und die hl. Engel löschen, gebe ich einer jeden heiligen Seele zu bedenken.

75. Du sollst wissen, daß ich allhie nicht schreibe als eine Historia, die mir von andern ist erzählet worden, sondern ich muß stets in derselben Schlacht stehen und befinde die mit großem Streite, da mir dann oft ein Bein untergeschlagen wird wie allen Menschen.

76. Aber um des heftigen Streites und Kampfes willen und um des Eifers willen, den wir miteinander haben, ist mir diese Offenbarung gegeben worden, und der heftige Trieb zu solcher, solches alles aufs Papier zu bringen.

77. Was aber gänzlich hierunter oder hiernach folgen möchte, weiß ich nicht gänzlich, allein daß mir etliche zukünftige Geheimnisse in der Tiefe gezeiget werden.

78. Denn wenn der Blitz im Centro aufgehet, so siehet er hindurch. Aber er kanns nicht wohl fassen, denn ihm geschieht, als wenns wetterleuchtet, da sich der Blitz des Feuers auftut und bald wieder verschwindet.

79. Also gehets in der Seelen auch zu. Wenn sie in ihrem Kampfe durchdringet, so schauet sie die Gottheit wie ein Blitz, aber der Sündenquell deckts bald wieder zu, denn der alte Adam gehöret in die Erde und nicht mit diesem Fleische in die Gottheit.

80. Nicht schreibe ich mir dieses zu Lobe, sondern darum, daß der Leser wisse, worinnen meine Wissenschaft stehet, damit er nicht einen andern bei mir suche, der ich nicht bin, sondern der ich bin, der sind alle Menschen, die in Christo Jesu unserm Könige ringen nach der Krone der ewigen Freuden, und leben in der Hoffnung der Vollkommenheit, welches Anfang ist am Tage der Auferstehung, welcher nun kurz vorhanden ist, welches im Zirkel des Aufganges im Blitze gar wohl zu sehen ist, in welchem sich die Natur erzeiget, als wenn der Tag wollte anbrechen.

81. Darum schaue zu, daß du nicht schlafend erfunden werdest in deinen Sünden. Wahrlich die Klugen werdens merken, aber die Gottlosen bleiben in ihren Sünden. Sie sagen: Was ist dem Narren, wann hat er ausgeträumet? Das macht, sie sind in den fleischlichen Lüsten entschlafen. Wohlauf, siehe zu, was das für ein Traum sein wird!

82. Ich wollte auch wohl in meiner Sanftmut ruhen, so ich dies nicht tun müßte, aber der Gott, der die Welt gemacht hat, ist mir viel zu stark. Ich bin seiner Hände Werk. Er mag mich setzen wohin er will.

83. Und ob ich gleich der Welt und des Teufels Spektakel sein muß, so ist doch meine Hoffnung in Gott auf das zukünftige Leben. In dem will ichs wagen und dem Geist nicht widerstreben. Amen.