05 Fünfter Dialog

Fünfter Dialog

Personen: TEOFILO, DICSON, GERVASIO, POLIINNIO

TEOFILO. So ist denn also das Universum ein Einiges, Unendliches, unbewegliches. Ein Einiges, sage ich, ist die absolute Möglichkeit, ein Einiges die Wirklichkeit; ein Einiges die Form oder Seele, ein Einiges die Materie oder der Körper; ein Einiges die Ursache; ein Einiges das Wesen, ein Einiges das Größte und Beste, das nicht soll begriffen werden können, und deshalb Unbegrenzbare und Unbeschränkbare und insofern Unbegrenzte und Unbeschränkte, und folglich Unbewegliche. Dies bewegt sich nicht räumlich, weil es nichts außer sich hat, wohin es sich begeben könnte; ist es doch selber alles. Es wird nicht erzeugt, denn es ist kein anderes Sein, welches es ersehnen oder erwarten könnte; hat es doch selber alles Sein. Es vergeht nicht; denn es gibt nichts anderes, worin es sich verwandeln könnte, – ist es doch selber alles. Es kann nicht ab- noch zunehmen, – ist es doch ein Unendliches, zu dem einerseits nichts hinzukommen, von dem andererseits nichts hinweggenommen werden kann, weil das Unendliche keine aliquoten Teile hat. Es ist nicht veränderlich zu anderer Beschaffenheit; denn es hat nichts Äußeres, von dem es leiden und beeinflusst werden könnte. Ferner indem es in seinem Sein alle Gegensätze in Einheit und Harmonie umfasst und keine Hinneigung zu einem andern und neuen Sein oder doch zu einer andern und wieder andern Art des Seins haben kann: so kann es nicht Substrat der Bewegung gemäss irgend einer Eigenschaft sein, noch anderem gegenüber etwas entgegengesetztes oder verschiedenes haben: denn in ihm ist alles in Eintracht. Es ist nicht Materie, denn es ist nicht gestaltet noch gestaltbar, nicht begrenzt noch begrenzbar. Es ist nicht Form, denn es formt und gestaltet nicht anderes – es ist ja alles; es ist das Größte, ist eins und universell. Es ist nicht messbar und misst nicht.

Es umfasst nicht, denn es ist nicht größer als es selbst; es wird nicht umfasst, denn es ist nicht kleiner als es selbst. Es wird nicht verglichen; denn es ist nicht eins und ein anderes, sondern eins und dasselbe. Weil es eins und dasselbe ist, so hat es nicht ein Sein und noch ein Sein, und weil es dies nicht hat, so hat es auch nicht Teile und wieder Teile, und weil es diese nicht hat, so ist es nicht zusammengesetzt. So ist es denn eine Grenze, doch so dass es keine ist; es ist Form, doch so dass es nicht Form ist; es ist so Materie, dass es nicht Materie ist; es ist so Seele, dass es nicht Seele ist; denn es ist alles ununterschieden, und deshalb ist es Eines; das Universum ist Eines. In ihm ist sicherlich die Höhe nicht größer als die Länge und Tiefe; deshalb wird es auf Grund einer gewissen Analogie eine Kugel genannt, es ist aber keine Kugel. In der Kugel ist die Länge dasselbe wie Breite und Tiefe, weil sie dieselbe Begrenzung haben; in dem Universum aber ist Breite, Länge und Tiefe dasselbe, weil sie auf dieselbe Weise keine Begrenzung haben und unendlich sind. Haben sie keine Hälfte, kein Viertel und kein anderes Maß, gibt es also hier überhaupt kein Maß, so ist hier auch kein aliquoter Teil, also überhaupt kein Teil, der von dem Ganzen verschieden wäre. Denn wenn du von einem Teil des Unendlichen sprechen willst, so musst du ihn unendlich nennen; wenn er unendlich ist, so kommt er mit dem Ganzen in einem Sein zusammen: mithin ist das Universum ein Einiges, Unendliches, Unteilbares. Und wenn sich im Unendlichen kein Unterschied wie zwischen dem Ganzen und einem Teil, von Etwas und Anderem findet: so ist sicher das Unendliche ein Einiges. Innerhalb des Unendlichen ist kein größerer und kein kleinerer Teil; denn dem Verhältnis des Unendlichen nähert sich ein noch so viel größerer Teil nicht mehr an, als ein noch so viel kleinerer, und deshalb ist in der unendlichen Dauer die Stunde nicht vom Tage, der Tag nicht vom Jahr, das Jahr vom Jahrhundert, das Jahrhundert vom Moment verschieden; denn die Augenblicke und die Stunden haben nicht mein Sein als die Jahrhunderte, und jene haben zur Ewigkeit kein geringeres Verhältnis als diese. Auf gleiche Weise ist im unermesslichen Raum der Zoll nicht verschieden vom Fuss, der Fuss von der Meile; denn dem Verhältnis der Unermesslichkeit nähert man sich in Meilen nicht mehr an als in Zollen.

Deshalb sind unendlich viele Stunden nicht mehr als unendlich viele Jahrhunderte, und unendlich viele Zolle keine größere Menge als unendlich viele Meilen. Dem Verhältnis, dem Gleichnis, der Vereinigung und Identität mit dem Unendlichen näherst du dich nicht mehr, indem du Mensch bist, als wenn du Ameise, nicht mehr wenn du Stern, als wenn du Mensch bist: denn jenem Sein rückst du nicht näher, wenn da Sonne oder Mond, als wenn du Mensch oder Ameise bist; und deshalb sind diese Dinge im Unendlichen ununterschieden. Was ich nun von diesen sage, meine ich ebenso von allen andern Dingen, die als Einzelwesen existieren. Wenn nun alle diese besonderen Dinge im Unendlichen nicht eins und ein anderes, nicht verschieden, nicht Arten sind, so haben sie in notwendiger Folge auch keine Zahl: also ist das Universum wiederum ein einiges Unbewegliches. Weil es alles umfasst und nicht ein Sein und noch ein anderes Sein erleidet, und weder mit sich noch in sich irgend eine Veränderung erfährt, so ist es demzufolge alles das was es sein kann, und es ist in ihm wie ich neulich sagte die Wirklichkeit nicht vom Vermögen verschieden. Ist dem aber so, so muss notwendig in ihm der Punkt, die Linie, die Fläche und der Körper nichts verschiedenes sein. Denn dann ist jene Linie Fläche, da die Linie, indem sie sich bewegt, Fläche sein kann; dann ist jene Fläche bewegt und ein Körper geworden, da die Fläche sich bewegen und durch ihre Bewegung zum Körper werden kann. Also kann notwendigerweise der Punkt im Unendlichen nicht verschieden sein vom Körper; denn der Punkt wird vom Punktsein sich losreißend zur Linie, vom Liniesein sich losreißend zur Fläche, vom Flächesein sich losreißend zum Körper: da also der Punkt das Vermögen hat, Körper zu sein, so ist er, wo Vermögen und Wirklichkeit eins und dasselbe ist, vom Körper nicht verschieden. Mithin ist das Unteilbare nicht verschieden vom Teil baren, das Einfachste nicht vom Unendlichen, der Mittelpunkt nicht vom Umfang. Weil also das Unendliche alles ist, was es sein kann, so ist es unbeweglich; weil in ihm alles ununterschieden ist, so ist es eins; und weil es alle Größe und Vollkommenheit hat, die etwas überhaupt haben kann, so ist es ein größtes und bestes Unermessliches.

Wenn der Punkt nicht vom Körper, der Mittelpunkt nicht vom Umfang, das Endliche nicht vom Unendlichen, das Größte nicht vom Kleinsten verschieden ist: so können wir mit Sicherheit behaupten, dass das Universum ganz Zentrum oder das Zentrum des Universums überall ist, und dass der Umkreis nicht in irgend einem Teil, sofern derselbe vom Mittelpunkt verschieden ist, sondern vielmehr, dass er überall ist; aber ein Mittelpunkt als etwas von jenem verschiedenes ist nicht vorhanden. So ist es denn nicht nur möglich, sondern sogar notwendig, dass das Beste, Größte, Unbegreifliche alles ist, überall ist, in allem ist; denn als Einfaches und Unteilbares kann es alles, überall und in allem sein. Und also hat man nicht umsonst gesagt, dass Zeus alle Dinge erfülle, allen Teilen des Universums einwohne, der Mittelpunkt von dem sei, was das Sein hat, als eines in allem, und dass durch ihn Eines Alles ist. Da er nun alles ist und alles Sein in sich umfasst, so bewirkt er, dass Jegliches in Jeglichem ist.

Aber ihr werdet mir sagen: warum verändern sich denn die Dinge? warum wird die geordnete Materie in immer andere Formen gezwängt? Ich antworte, dass alle Veränderung nicht ein anderes Sein, sondern nur eine andere Art zu sein anstrebt. Und das ist der Unterschied zwischen dem Universum selber und den Dingen im Universum. Denn jenes fasst alles Sein und alle Arten zu sein; von diesen hat jegliches das ganze Sein, aber nicht alle Arten des Seins, und es kann nicht alle Bestimmungen und Akzidentien in Wirklichkeit haben. Denn viele Formen sind nicht zugleich an demselben Substrat möglich, entweder weil sie entgegengesetzt sind, oder weil sie verschiedene Alten bezeichnen; so kann z.B. dasselbe individuelle Substrat nicht zugleich unter der Akzidenz eines Pferdes und eines Menschen existieren oder die Baumausdehnung einer Pflanze und die eines Tieres haben. Ferner umfasst das Universum alles Sein gänzlich; denn ausserhalb und über dem unendlichen Sein ist überhaupt nichts, da es kein Außen und kein Jenseits für dasselbe gibt; von den Dingen im Universum aber umfasst jedes alles Sein, aber nicht gänzlich, weil jenseits eines jeden unendlich viel anderes ist. So seht ihr ein, dass alles in allem ist, aber in Jeglichem nicht gänzlich und auf jegliche Weise. So seht ihr ein, wie jedes Ding eines ist, aber nicht auf einheitliche Weise. So tauscht sich nicht, wer das Seiende, die Substanz und das Wesen eines nennt; als unendlich und unbegrenzt sowohl der Substanz als der Dauer nach, sowohl der Große als der Kraft nach hat es die Eigenschaft weder eines Prinzips noch eines Abgeleiteten; denn da jedes Ding in die Einheit und Identität einmündet, d.h. eins und dasselbe wird, so erlangt es die Eigenschaft des Absoluten, nicht des Relativen. In dem einen Unendlichen, Unbeweglichen, d.h. der Substanz, dem Wesen, findet sich die Vielheit, die Zahl; diese aber als Modus und als Vielgestaltigkeit des Wesens, welche Ding für Ding besonders bestimmt, macht deshalb doch nicht das Wesen zu mehr als Einem, sondern nur zu einem vielartigen, vielgestaltigen und vielförmigen Wesen. Wenn wir daher mit den Naturphilosophen in die Tiefe gehen und die Logiker mit ihren Einbildungen bei Seite lassen, so finden wir, dass alles, was Unterschied und Zahl bewirkt, bloßes Akzidenz, bloße Gestalt, bloße Komplexion ist. Jede Erzeugung, von welcher Art sie auch sei, ist eine Veränderung, während die Substanz immer dieselbe bleibt, weil es nur eine gibt, ein göttliches, unsterbliches Wesen. Das hat Pythagoras wohl einzusehen vermocht, welcher den Tod nicht fürchtet, sondern nur eine Verwandlung erwartet; alle die Philosophen haben es einzusehen vermocht, die man gewöhnlich Naturphilosophen nennt, und welche lehren, dass nichts seiner Substanz nach entstehe oder vergehe: es sei denn dass wir auf diese Weise die Veränderung bezeichnen wollen. Das hat Salomo eingesehen, welcher lehrt, dass es nichts neues unter der Sonne gebe, sondern das was ist schon vorher war.

Da seht ihr also, wie alle Dinge im Universum sind und das Universum in allen Dingen ist, wir in ihm, es in uns, und so alles in eine vollkommene Einheit einmündet. Da seht ihr, wie wir uns nicht den Geist abquälen, wie wir um keines Dinges willen verzagen sollten. Denn diese Einheit ist einzig und stetig und dauert immer; dieses eine ist ewig; jede Gebärde, jede Gestalt, jedes andere ist Eitelkeit, ist wie nichts; ja, geradezu nichts ist alles was ausser diesem Einen ist. Diejenigen Philosophen haben ihre Freundin, die Weisheit, gefunden, welche diese Einheit gefunden haben. Weisheit, Wahrheit, Einheit sind durchaus eins und dasselbe. Dass das Wahre, das Eine und das Wesen eins und dasselbe sind, haben viele zu sagen gewusst, aber nicht alle haben’s verstanden. Denn manche haben nur den Ausdruck sich angeeignet, aber nicht das Verständnis der wahrhaft Weisen erreicht. Aristoteles unter den anderen, der das Eine nicht fand, fand auch das Wesen nicht und nicht das Wahre. Denn er erkannte das Wesen nicht als Eines; und obgleich er freie Hand hatte, die Bedeutung des der Substanz und dem Akzidenz gemeinsamen Wesens zu erfassen und dann weiterhin seine Kategorien mit Rücksicht auf die Vielheit der Gattungen und Arten durch ebenso viele Unterschiede zu bestimmen, so ist er nichts desto weniger in die Wahrheit deshalb so wenig eingedrungen, weil er nicht bis zur Erkenntnis dieser Einheit und Ununterschiedenheit der bleibenden Natur und des bleibenden Wesens hindurch gedrungen ist, und als ein recht seichter Sophist mit boshaften Auslegungen und wohlfeilen Überredungskünsten die Meinungen der Alten verdreht und sich der Wahrheit widersetzt hat, vielleicht nicht so sehr aus Schwäche der Einsicht, als aus Missgunst und Ehrsucht.

DICSON. Also ist diese Welt, dieses Wesen, das wahre, das universelle, das unendliche, unermessli-che, in jedem seiner Teile ganz, und mithin das Ubique [das Überall], die Allgegenwart selber. Was daher im Universum ist, ist in Bezug auf das Universum nach dem Maße seiner Fähigkeit überall, sei es auch was es wolle in Bezug auf die anderen besonderen Körper. Denn es ist über, unter, innerhalb, rechts, links und nach allen räumlichen Unterschieden; weil in dem ganzen Unendlichen alle diese Unterschiede und keiner von ihnen sind. Jedes Ding, das wir im Universum ergreifen, umfasst, weil es das was alles in allem ist in sich hat, in seiner Art die ganze Weltseele, obschon nicht gänzlich, wie wir oben gesagt haben, welche in jedem Teile desselben ganz ist. Wie daher die Wirklichkeit Eines ist und ein Sein bewirkt, wo es auch sei, so ist nicht zu glauben, dass es in der Welt eine Mehrheit von Substanzen und von dem was wahrhaft Wesen ist gebe. Sodann weiss ich, dass ihr es als ausgemacht anseht, dass jede von allen den unzähligen Welten, die wir im Universum sehen, darin nicht sowohl wie in einem sie umschliessenden Räume und wie in einer Ausdehnung und an einem Orte ist, sondern vielmehr wie in einer umfassenden, erhaltenden, bewegenden, wirkenden Kraft, welche von jeder unter diesen Welten ebenso vollständig umfasst wird, wie die ganze Seele von jedem Teile derselben. Mag daher auch immer eine einzelne Welt sich auf die andere zu und um dieselbe drehen, wie die Erde zur Sonne und um die Sonne: in Bezug auf das Universum bewegt sich doch nichts desto weniger keine auf dasselbe zu, noch um dasselbe, sondern in demselben.

Ferner nehmt ihr an, dass, wie die Seele auch nach der gewöhnlichen Ansicht in der ganzen grossen Masse ist, der sie das Sein gibt, und doch zugleich ein Unteilbares und insofern auf dieselbe Weise im Ganzen und in jeglichem Teile ganz ist, so auch das Wesen des Universums Eines ist im Unendlichen und in jedem beliebigen Ding, dieses als ein Glied von jenem genommen: so dass in der Tat das Ganze und jeder Teil desselben der Substanz nach eines ist. Deshalb habe es Parmenides nicht unpassend Eines, unendlich, unbeweglich genannt, sei es auch mit seiner Ansicht sonst wie es wolle, welche unsicher, weil von einem nicht hinlänglich zuverlässigen Berichterstatter überliefert ist. Ihr lehrt, dass alle die Unterschiede, die man an den Körpern wahrnimmt in Bezug auf Form, Beschaffenheit, Gestalt, Farbe und anderes, was einzelnen eigentümlich oder vielen gemeinsam ist, nichts anderes sind als die verschiedenen Erscheinungsweisen einer und derselben Substanz, die schwankende, bewegliche, vergängliche Erscheinung eines unbeweglichen, verharrenden und ewigen Wesens, in dem alle Formen, Gestalten und Glieder sind, aber in unterschiedenem und gleichsam ineinandergewickeltem Zustande, gerade wie im Samen der Arm noch nicht von der Hand, der Rumpf nicht vom Kopf, die Sehne nicht vom Knochen geschieden ist. Was aber durch die Sonderling und Scheidung erzeugt wird, das ist nicht eine neue und andere Substanz; sondern sie bringt nur gewisse Eigenschaften, unterschiede, Akzidentien und Abstufungen an jener Substanz zur Wirklichkeit und Erfüllung.

Was man nun vom Samen mit Bezug auf die Glieder des Tieres sagt, dasselbe sagt man von der Nahrung mit Rücksicht auf die Daseinsform als Nahrungssaft, Blut, Schleim, Fleisch, Samen; dasselbe von jedem andern Dinge, welches ist, ehe es noch Speise oder etwas anderes wird; dasselbe von allen Dingen, indem wir von der untersten bis zur höchsten Stufe der Natur, von dem physischen Universum, welches von den Philosophen erkannt wird, zu der Hoheit des Urbildes aufsteigen, welches von den Theologen geglaubt wird, wenn du’s gelten lässt, bis man zu der einen ursprünglichen und universellen, allem gemeinsamen Substanz gelangt, die so das Wesen, das Fundament aller verschiedenen Arten und Formen heisst, wie in der Kunst des Zimmermanns es eine Substanz, das Holz, gibt, welche für alle Maße und Gestalten, die selbst nicht Holz, aber von Holz, im Holz, am Holz sind, als Substrat dient. Alles daher, was Verschiedenheit von Gattungen, Arten, was Unterschiede, Eigentümlichkeiten bewirkt; alles was im Entstehen, Vergehen, in Veränderung und Wechsel existiert, ist nicht Wesen, nicht Sein, sondern Unistand und Bestimmung an Wesen und Sein; dieses aber ist ein einiges, unendliches, unbewegliches Substrat, Materie, Leben, Seele, Wahres und Gutes. Weil das Wesen unteilbar und schlechthin einfach ist, – weil es unendlich und ganz Wirklichkeit ist, ganz in allem und ganz in jedem Teile, so dass wir von Teilen im Unendlichen reden, nicht von Teilen des Unendlichen, – deshalb ist es eure Meinung, dass wir in keiner Weise die Erde als einen Teil des Wesens, die Sonne als einen Teil der Substanz ansehen können, da diese unteilbar ist; aber wohl ist es erlaubt, von der Substanz des Teiles oder besser von der Substanz in dem Teile zu sprechen, grade wie man nicht sagen darf, dass ein Teil der Seele im Arme, ein anderer im Kopfe ist, aber ganz wohl, dass die Seele in dem Teil, welcher Kopf ist, dass sie die Substanz des Teiles, oder in dem Teile ist, welcher Arm ist.

Denn Teil, Stück, Glied, Ganzes, so viel als, grösser, kleiner, wie dies, wie jenes, als dies, als jenes, übereinstimmend, verschieden und andere Beziehungen drücken nicht ein Absolutes aus und können sich deshalb nicht auf die Substanz, auf das Eine, Aas Wesen beziehen, sondern nur vermittelst der Substanz an dem Einen und an dem Wesen als Modi, Beziehungen und Formen sein, wie man gemeinhin sagt, dass an einer Substanz die Quantität, Qualität, Relation, das Wirken, Leiden und andere Arten von Umständen sind. Solchergestalt ist das eine höchste Wesen, in welchem Wirklichkeit und Vermögen ungeschieden sind, welches auf absolute Weise alles sein kann und alles das ist, was es sein kann, in unentfalteter Weise ein Einiges, Unermessliches, Unendliches, was alles Sein umfasst; in entfalteter Weise dagegen ist es in den sinnlich wahrnehmbaren Körpern und in der Trennung von Vermögen und Wirklichkeit, wie wir sie in ihnen wahrnehmen. Deshalb ist es eure Ansicht, dass das, was erzeugt ist und erzeugt, sei es nun, um in der Redeweise der herkömmlichen Philosophie zu reden, ein anders benanntes oder ein gleichbenanntes Agens, und das, woraus erzeugt wird, immer von einer und derselben Substanz sind. Deshalb wird die Meinung des Heraklit eurem Ohr nicht übel klingen, welcher behauptete, alle Dinge seien ein Einiges, das vermöge der Veränderlichkeit alle Dinge in sich habe; und weil alle, Formen in ihm seien, so kommen ihm demgemäss alle Bestimmungen zu, und insofern seien die sich widersprechenden Sätze wahr. Das nun, was in den Dingen die Vielheit ausmacht, ist nicht das Wesen, nicht die Sache selber, sondern nur Erscheinung, die sich den Sinnen darstellt, und nur an der Oberfläche der Sache.

TEOFILO. Ganz richtig. Weiter aber möchte ich, dass ihr euch mehrere Hauptpunkte dieser allerwichtigsten Erkenntnis und dieses zuverlässigsten Fundamentes für die Wahrheiten und Geheimnisse der Natur fester einprägt. Zuerst also merkt euch, dass es eine und dieselbe Stufenleiter ist, auf welcher die Natur zur Hervorbringung der Dinge herabsteigt, und auf welcher die Vernunft zur Erkenntnis derselben emporsteigt: beide gehen vor der Einheit aus zur Einheit hin, indem sie durch die Vielheit der Mittelglieder sich hindurchbewegen. Ich bemerke beiläufig, dass in ihrem philosophischen Verfahren die Peripatetiker und viele Platoniker der Vielheit der Dinge als der Mitte die absolute Wirklichkeit von dem einen Extrem und das absolute Vermögen vom andern Extrem aus vorauseilen lassen, während wieder andere mit einer Art von Metapher die Finsternis und das Licht zur Erzeugung unzähliger Stufen von Formen, Bildern, Gestalten und Farben zusammenwirken lassen. Hinter diesen, welche zwei Prinzipien und zwei Herren ins Auge fassen, rücken andere heran, welche der Vielherrschaft feindlich und überdrüssig jene beiden in Einem sich vereinigen lassen, was zugleich Abgrund und Finsternis, Klarheit und Licht, tiefes und undurchdringliches Dunkel, erhabenes und unzugängliches Licht ist. – Zweitens sollt ihr merken, dass die Vernunft, sobald sie sich von der Vorstellungskraft, mit der sie verbunden ist, soweit befreien und ablösen will, dass sie nur noch mathematische und vorstellbare Figuren verwendet, um entweder vermittelst derselben oder nach ihrer Analogie das Sein und die Substanz der Dinge zu begreifen, – dass also die Vernunft in dieser Absicht wiederum die Vielheit und Verschiedenheit der Arten auf eine und dieselbe Wurzel zurückführt. So dachte sich Pythagoras, der die Zahlen zu den spezifischen Prinzipien der Dinge machte, als das Fundament und die Substanz von allen die Einheit; Plato und andere, welche die dauernden Gattungen in die Formen setzten, dachten sich als den einen Stamm und die eine Wurzel von allen, als universelle Substanz und Gattung den Punkt; und vielleicht sind Fläche und Körper das, was Plato schliesslich unter seinem »Großen« verstand, und Punkt und Atom das, was er sich bei seinem »Kleinen« dachte, den beiden artbildenden Prinzipien der Dinge, welche nachher auf eines zurückgehen, wie jedes Teilbare auf das Unteilbare. Diejenigen also, welche als das substantielle Prinzip die Eins bezeichnen, sehen die Substanzen für Zahlen an; die andern, welche das substantielle Prinzip als Punkt fassen, denken sich die Substanzen der Dinge wie Figuren; alle aber kommen darin überein, als Prinzip ein Unteilbares zu setzen. Indes besser und befriedigender ist doch die Auffassung des Pythagoras als die des Plato; denn die Einheit ist Ursache und Grund der Unteilbarkeit und Punktualität und ein absoluteres und dem universellen Wesen angemesseneres Prinzip.

GERVASIO. Wie kommt’s, dass Plato, der doch der Spätere ist, es nicht eben so gut oder besser ge-macht hat als Pythagoras?

TEOFILO. Weil er lieber für einen Meister angesehen werden wollte, wenn er eine weniger gute Lehre auf eine weniger passende und angemessene Weise vortrug, als für einen Schüler, wenn er für die bessere Lehre den besseren Ausdruck gebrauchte; ich will sagen, dass er bei seinem Philosophieren mehr den eignen Ruhm als die Wahrheit im Auge hatte. Kann ich doch nicht zweifeln, dass er recht gut wusste, dass seine Lehrart mehr auf die körperlichen und als körperlich angesehenen Dinge passte, während jene andere auf diese ganz eben so gut und passend anzuwenden war, wie auf alle anderen, welche Verstand, Einbildungskraft, Vernunft, die eine wie die andere Natur, erzeugen könnten. Jeder wird zugestehen, dass es dem Plato nicht verborgen blieb, dass Einheit und Zahl wohl unentbehrlich sind, um Figuren und Punkte zu untersuchen und verständlich zu machen; aber dass nicht umgekehrt Figuren und Punkte unentbehrlich sind, um von der Zahl ein Verständnis zu erlangen. Denn während die ausgedehnte und körperliche Substanz von der unkörperlichen und ungeteilten abhängt, ist diese doch von jener unabhängig, weil der Begriff der Zahl ohne den des Maßes gegeben ist, der Begriff des Maßes aber nicht von jenem abgelöst werden kann. Denn der Begriff des Maßes kommt nicht vor ohne den der Zahl. Deshalb ist die arithmetische Analogie und Proportion geeigneter als die geometrische, uns durch die Mitte der Vielheit zur Betrachtung und Auffassung jenes unteilbaren Prinzips zu führen, für welches es, weil es die einheitliche und wurzelhafte Substanz aller Dinge ist, unmöglich einen festen und bestimmten Namen und einen Ausdruck der Art geben kann, der positiv und nicht bloß negativ das Wesen desselben ausdrückte. Daher haben es einige Punkt, andere Einheit, andere Unendliches und auf verschiedene ähnliche Weisen benannt.

Dazu kommt, dass die Vernunft einen Gegenstand, wenn sie das Wesen desselben begreifen will, soviel wie möglich vereinfacht, d.h. sich aus der Zu-sammensetzung und Vielheit zurückzieht, indem sie die vergänglichen Akzidentien, die Ausdehnun-gen, die Zeichen, die Figuren auf das ihnen zu Grunde Liegende zurückführt. So verstehen wir ein langes Schriftstück, eine weitläufige Rede nur durch Zusammenziehung in einen einfachen Grundgedanken. Die Vernunft beweist darin offenbar, wie die Substanz der Dinge in der Einheit besteht, welche sie in voller Wahrheit oder wenigstens annähernd zu erfassen sucht. Glaube mir, derjenige würde der idealste und vollkommenste Mathematiker sein, der alle in den Elementen des Euklides zerstreuten Sätze in einen einzigen Satz zusammenzuziehen vermöchte; der vollkommenste Logiker derjenige, welcher alle Gedanken auf einen einzigen zurückführte. Daher gibt es eine Stufenleiter der Intelligenzen. Die niederen vermögen eine Vielheit von Dingen nur vermittelst vieler Vorstellungen, Gleichnisse und Formen aufzufassen; die höheren verstellen sie besser vermittelst einer geringen Anzahl; die höchsten verstehen sie vollkommen vermittelst der allergeringsten Anzahl; die Ur-Intelligenz versteht das Ganze aufs vollkommenste in einer Anschauung; der göttliche Verstand und die absolute Einheit ist ohne irgend eine Vorstellung das was versteht und das was verstanden wird in einem zugleich. So lasst uns denn, zu der vollkommenen Erkenntnis emporsteigend, die Vielheit vereinfachen, wie die Einheit, wenn sie zur Hervorbringung der Dinge herabsteigt, sich vervielfacht. Das Herabsteigen geschieht von einem Wesen zu unendlich vielen Individuen und unzähligen Arten, das Emporsteigen umgekehrt von diesen zu jenem.

Zum Beschluss dieser zweiten Betrachtung also bemerke ich Folgendes. Wenn wir emporstreben und uns um das Prinzip und die Substanz der Dinge bemühen, so klimmen wir zur Unterschiedslosigkeit auf, und niemals glauben wir das erste Wesen und die universelle Substanz erreicht zu haben, so lange wir nicht zu jenem einen Unterschiedslosen gelangt sind, in welchem alles enthalten ist; so sehr glauben wir von Substanz und Wesen nicht mehr zu verstehen, als wir von der Unterschiedslosigkeit zu verstehen vermögen. Daher führen die Peripatetiker und die Platoniker unendlich viele Individuen auf einen ungeschiedenen Grund vieler Arten zurück; unzählige Arten befassen sie unter bestimmten Gattungen, wie deren Archytas zuerst zehn aufgestellt hat, die einem Wesen, einem Ding zukämen. Dieses reale Wesen haben jene nur als einen Namen und eine Wortbezeichnung, als einen logischen Begriff und schliesslich als ein Nichtiges gefasst; denn nachher, wenn sie von der Physik handeln, kennen sie ein solches Prinzip der Wirklichkeit und des Seins für alles Seiende nicht, wie sie einen Begriff und einen allem Sagbaren und Begreiflichen gemeinsamen Namen kennen, was ihnen sicher aus Schwäche des Verstandes begegnet ist.

Drittens merke Folgendes. Da Substanz und Sein von der Quantität gesondert und unabhängig und demzufolge Maß und Zahl nicht Substanz, sondern an der Substanz, nicht Wesen, sondern etwas am Wesen ist, so müssen wir notwendigerweise die Substanz als ihrem Wesen nach von Zahl und Maß frei bezeichnen, und deshalb als ein ungeteiltes Einheitliches in allen besonderen Dingen, welche ihre Besonderheit von der Zahl, das heisst von dem haben, was an der Substanz ist. Wer daher den Poliinnio als Poliinnio wahrnimmt, nimmt keine partikuläre Substanz, sondern die Substanz im Partikulären und in den Unterschieden, welche an ihr sind, wahr; die Substanz setzt vermittelst der letzteren diesen Menschen unter einer bestimmten Art in Zahl und Vielheit. Wie hier bestimmte Akzidentien der menschlichen Natur eine Vielfachheit derjenigen bewirken, welche individuelle Exemplare der Menschheit heißen, so bewirken gewisse Akzidentien des tierischen Organismus eine Vielfachheit von Arten tierischer Organismen, bestimmte Akzidentien des lebenden Wesens eine Vielfachheit von Beseeltem und Lebendigem, gewisse Akzidentien der Körperlichkeit eine Vielfachheit der Körperlichkeit, gewisse Akzidentien der Subsistenz eine Vielfachheit der Substanz. Gerade so bewirken gewisse Akzidentien des Seins eine Vielfachheit der Wesenheit, der Wahrheit, der Einheit, des Wesens, des Wahren, des Einen.

Viertens, merke dir die Hindeutungen und die Mittel zur Bekräftigung, vermittelst deren wir schliessen wollen, dass die Gegensätze in Einem zusammentreffen; und daraus wird zuletzt sich unschwer erweisen lassen, dass alle Dinge Eines sind. Denn jede Zahl, ebensowohl die grade wie die ungerade, sowohl die unendliche, wie die endliche, geht auf die Einheit zurück, welche in endlicher Reihe wiederholt die Zahl setzt, in unendlicher die Zahl negiert. Die Hindeutungen werde ich der Mathematik, die Mittel der Bekräftigung den andern ethischen und spekulativen Doktrinen entnehmen. Also zunächst die Hindeutungen. Sagt mir: was ist der geraden Linie unähnlicher als der Kreis? was dem Geraden entgegengesetzter als das Krumme? Dennoch stimmen sie im Prinzip und im kleinsten Teile überein. Denn welcher Unterschied ließe sich – wie Cusanus, der Enthüller der schönsten Geheimnisse der Geometrie so vortrefflich bemerkt hat, – zwischen dem kleinsten Bogen und der kleinsten Sehne entdecken ? Ferner im Größten: welcher Unterschied liesse sich zwischen dem unendlichen Kreise und der graden Linie finden? Seht ihr nicht, wie der Kreis, je größer er ist, sich um so mehr mit seinem Bogen der Gradlinigkeit nähert? Wer ist so blind, dass er nicht sähe, wie der Bogen, je größer er wird, und je größer der Kreis, dessen Teil er ist, um so mehr sich der graden Linie annähert, die durch die Tangente bezeichnet wird? Hier muss man doch sicher sagen und glauben, dass wie die Linie, je mehr ihre Größe zunimmt, um so mehr sich der geraden annähert, so auch die größte von allen im Superlativ mehr als alle anderen gerade sein muss, so dass zuletzt die unendliche Gerade sich als der unendliche Kreis erweist. Da seht ihr, dass nicht nur das Größte und Kleinste in einem Sein zusammentreffen, wie wir öfter ausgeführt haben, sondern auch im Größten und im Kleinsten die Gegensätze eins und ununterschieden werden. Vielleicht möchtest du ferner die endlichen Arten mit dem Dreieck vergleichen, weil alle endlichen Dinge am Begrenzt- und Eingeschlossensein des ersten Begrenzten und des ersten Eingeschlossenen nach einer gewissen Analogie teilnehmend gedacht werden, wie in allen Gattungen alle entsprechenden Prädikate ihren Rang und ihre Stellung vom ersten und größten innerhalb derselben Gattung empfangen.

Das Dreieck nun ist die erste Figur, die sich nicht mehr in eine andere noch einfachere Art von Figur auflösen lässt, während im Gegenteil das Viereck in Dreiecke aufgelöst wird. Es ist, deshalb die Urform jedes endlichen und gestalteten Dinges. Du würdest aber finden, dass das Dreieck, wie es sich nicht in eine andere Figur auflösen lässt, sich auch nicht in solchen Dreiecken darstellen kann, in denen die Summe der drei Winkel größer oder kleiner wäre, mögen sie auch sonst noch so verschieden, von noch so verschiedener Gestalt, dem Rauminhalt nach noch so groß oder noch so klein sein. Setze nun ein unendlich großes Dreieck, – ich meine nicht auf reelle und absolute Weise; denn das Unendliche hat keine Gestalt, sondern unendlich meine ich in bloß hypothetischer Weise und soweit sich an einem Winkel das was wir zeigen wollen überhaupt zeigen lässt; – es wird keine größere Winkelsumme haben, als das kleinste endliche Dreieck, nicht bloß keine größere als die mittelgroßen oder ein anderes größtes. Wenn wir nun den Vergleich von Figuren und Figuren, ich meine von Dreiecken und Dreiecken bei Seite lassen, und Winkel gegen Winkel halten, so sind alle, so groß oder so klein sonst, dennoch gleich. Man sieht dies leicht, wo eine und dieselbe Linie die Diagonale mehrerer Quadrate von ungleicher Größe ist. Nicht nur die rechten Winkel der Quadrate sind einander gleich, sondern auch alle spitzen, welche durch die Teilung vermittelst der Diagonale entstehen, welche doppelt so viele Dreiecke von lauter gleichen Winkeln erzeugt. Dies ist ein sehr fassliches Gleichnis dafür, wie die eine unendliche Substanz in allen Dingen ganz sein kann, obgleich in den einen auf endliche, in den andern auf unendliche Weise, in diesen nach geringerem, in jenen nach größerem Maßstab. Aber lass uns weiter sehen, wie in diesem Einen und Unendlichen die Gegensätze zusammenfallen. Der spitze und stumpfe Winkel sind solche Gegensätze; und doch siehst du sie aus einem unteilbaren und identischen Prinzip entstehen, d.h. aus einer Neigung des Perpendikels, welches sich mit einer andern Linie schneidet, gegen diese. Drehet sich das Perpendikel in der Ebene um den Punkt, in welchem es eine andere Linie schneidet, so bildet es jedes Mal in einer und derselben Richtung in einem und demselben Punkte erst zwei einander durchaus gleiche rechte Winkel, dann einen spitzen und einen stumpfen Winkel von um so größerem Unterschied, je größer die Drehung wird; hat diese eine bestimmte Größe erreicht, so tritt wieder die Indifferenz von Spitz und Stumpf ein, indem beide sich gleicherweise aufheben, weil sie in dem Vermögen einer und derselben Linie Eines sind. Und wie die Linien haben zusammenfallen und den Unterschied aufheben können, so kann sich die drehende Linie von der anderen auch wieder trennen und den Unterschied setzen, indem sie aus demselbigen einen und unteilbaren Prinzip die entgegengesetztesten Winkel erzeugt, nämlich den größten spitzen und den größten stumpfen bis zum kleinsten spitzen und kleinsten stumpfen und weiter bis zur Indifferenz des rechten Winkels und zu der Übereinstimmung, welche in dem Zusammenfallen der Senkrechten mit der Wagerechten besteht.

Ich komme jetzt zu den Mitteln der Bekräftigung. Zunächst von den wirksamen Urqualitäten der körperlichen Natur. Wer wüsste nicht, dass das Prinzip der Wärme etwas unteilbares und darum von aller Wärme geschiedenes ist, weil das Prinzip keines von den abgeleiteten Dingen sein darf? Wenn dem so ist, wer kann etwas gegen die Behauptung einwenden, dass das Prinzip weder warm noch kalt, sondern eine Identität des Warmen und des Kalten ist? So ist denn ein Entgegengesetztes Prinzip des andern, und die Veränderungen bilden deshalb einen Kreislauf nur dadurch, dass es nur ein Substrat, ein Prinzip, ein Ziel, eine Fortentwicklung und eine Wiedervereinigung beider gibt. Das Minimum der Wärme und das Minimum der Kälte sind durchaus eins und dasselbe; von der Grenze, wo das Maximum der Wärme liegt, entspringt das Prinzip der Bewegung zur Kälte hin. Daher ist es offenbar, dass zuweilen nicht nur die beiden Maxima in dem Widerstreit und die beiden Minima in der Übereinstimmung, sondern auch das Maximum und das Minimum im Wechselspiel der Veränderung zusammentreffen. Deshalb pflegen die Ärzte nicht ohne Grund grade bei der vollkommensten Gesundheit besorgt zu sein; im höchsten Grade des Glücks sind vorsichtige Leute am bedenklichsten. Wer sähe nicht, dass das Prinzip des Vorgehens und Entstehens nur eines ist? Ist nicht der letzte Rest des Zerstörten Prinzip des Erzeugten? Sagen wir nicht zugleich, wenn jenes aufgehoben, dies gesetzt ist: jenes war, dieses ist? Gewiss, wenn wir recht erwägen, sehen wir ein, dass Untergang nichts anderes als Entstehung und Entstehung nichts anderes als Untergang ist: Liebe ist eine Art des Hasses, Hass endlich ist eine Art der Liebe. Hass gegen das Widrige ist Liebe zum Zusagenden: die Liebe zu diesem ist der Hass gegen jenes. Der Substanz und Wurzel nach ist also Liebe und Hass, Freundschaft und Streit eins und dasselbe. Woher entnimmt der Arzt das Gegengift sicherer als aus dem Gifte? Was liefert besseren Theriak als die Viper? In den schlimmsten Giften die besten Heilkräfte. Wohnt nicht ein Vermögen zwei entgegengesetzten Gegenständen bei? Nun, woher glaubst du denn kommt dies, wenn nicht davon, dass das Prinzip des Seins ebenso eins ist, wie das Prinzip des Begreifens beider Gegenstände eines ist, und dass die Gegensätze ebenso an einem Substrat sind, wie sie von einem und demselben Sinne wahrgenommen werden? Nicht zu reden davon, dass das Kugelförmige auf dem Ebenen ruht, das Konkave im Konvexen weilt und liegt, das Zornige mit dem Geduldigen verbunden lebt, dem Eingebildeten am allermeisten der Demütige, dem Geizigen der Freigebige gefällt.

Zum Schluss also: wer die tiefsten Geheimnisse der Natur ergründen will, der sehe auf die Minima und Maxima am Entgegengesetzten und Widerstreitenden und fasse diese ins Auge. Es ist eine tiefe Magie, das Entgegengesetzte hervorlocken zu können, nachdem man den Punkt der Vereinigung gefunden hat. Aristoteles bei aller seiner Dürftigkeit hat wohl an etwas derartiges gedacht, als er die Privation, mit welcher eine bestimmte Anlage verbunden ist, als Urheberin, Erzeugerin und Mutter der Form setzte; aber freilich vermag er nicht das Ziel zu erreichen. Er hat es nicht erreichen können, weil er bei der Gattung, dem Unterschiede überhaupt, stehen blieb und wie angefesselt nicht weiter kam bis zur Art, dem konträren Gegensatz. Deshalb hat er das Ziel nicht erreicht, nicht einmal sein Augenmerk darauf gerichtet; deshalb hat er den ganzen Weg mit der einen Behauptung verfehlt, Gegensätze könnten nicht in Wirklichkeit an einem und demselben Substrat zusammentreffen.

POLIINNIO. Sublim, seltsam und vortrefflich habt ihr vom Ganzen, vom Maximo, vom Wesen, vom Principio, von dem Einen dissertiert. Aber ich möchte euch von der Einheit nun auch die Unterschiede aufzeigen sehen; denn ich finde, dass geschrieben steht: Es ist nicht gut, allein sein! Überdies empfinde ich auch große Angst, weil in meinem Geldbeutel und Geldsack nur ein verwitweter Groschen herbergt.

TEOFILO. Diejenige Einheit ist alles, die nicht entfaltet, nicht als etwas Verteiltes und der Zahl nach Unterschiedenes, nicht in solcher Eigentümlichkeit existiert, wie du es vielleicht verstehen würdest, sondern welche ein Umschließendes und Umfangendes ist.

POLIINNIO. Ein Exempel her! Denn die Wahrheit zu sagen, ich höre wohl, aber ich kapiere mitnichten.

TEOFILO. So wie der Zehner auch eine Einheit, aber eine umschließende ist, der Hunderter eben so sehr Einheit, aber eine noch mehr umschließende, der Tausender eben so sehr Einheit ist, wie die andern, aber viel mehr enthaltend. Was ich euch hier in arithmetischem Gleichnis aufzeige, das musst du in höherem und abstrakterem Sinne in allen Dingen verstehen. Das höchste Gut, der höchste Gegenstand des Begehrens, die höchste Vollkommenheit, die höchste Glückseligkeit besteht in der Einheit, welche alles in sich schließt. Wir ergötzen uns an der Farbe, aber nicht so an einer entfalteten, welcher Art sie auch sei, sondern am meisten an einer solchen, welche alle Farben in sich schließt. Wir erfreuen uns an dem Klang, nicht an einem besonderen, sondern, an einem inhaltsvollen, welcher aus der Harmonie vieler Töne sich ergibt. Wir freuen uns an einem sinnlich Wahrnehmbaren, aber zumeist an dem, welches alles sinnlich Wahrnehmbare in sich fasst; an einem Erkennbaren, welches alles Erkennbare, an einem Begreiflichen, welches alles Begreifliche umfasst, an einem Wesen, welches alles umschließt, am meisten an dem einen, welches das All selber ist. So würdest du, Poliinnio, dich auch mehr freuen an der Einheit eines Edelsteines, der so kostbar wäre, dass er alles Gold der Erde aufwöge, als an der Vielheit der Tausende von Tausenden solcher Groschen wie die, von denen du einen in der Börse hast.

POLIINNIO. Exzellent!

GERVASIO. Nun bin ich also ein Gelehrter. Denn wie der, der das Eine nicht versteht, nichts versteht, so versteht der alles, wer wahrhaft das Eine versteht; und wer sich der Erkenntnis des Einen mehr annähert, kommt auch der Erkenntnis von allem näher.

DICSON. So gehe ich, wenn ich’s recht verstanden habe, durch die Auseinandersetzungen des Teofilo, des treuen Berichterstatters über die Lehre des Philosophen von Nola, wesentlich bereichert von dannen.

TEOFILO. Gelobt seien die Götter, und gepriesen von allem was da lebt sei das Unendliche, das Ein-fachste, Einheitlichste, Erhabenste und Absoluteste: Ursache, Prinzip und Eines!