07 Anhang – Teil 79 bis 91

Immanuel Kant – Kritik der Urteilskraft (1790)

Anhang.
Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft

79. Ob die Teleologie, als zur Naturlehre gehörend, abgehandelt werden müsse

Eine jede Wissenschaft muss in der Enzyklopädie aller Wissenschaften ihre bestimmte Stelle haben. Ist es eine philosophische Wissenschaft, so muss ihr ihre Stelle in dem theoretischen oder praktischen Teil derselben, und, hat sie ihren Platz im ersteren, entweder in der Naturlehre, so fern sie das, was Gegenstand der Erfahrung sein kann, erwägt (folglich der Körperlehre, der Seelenlehre, und allgemeinen Weltwissenschaft), oder in der Gotteslehre (von dem Urgrunde der Welt als Inbegriff aller Gegenstände der Erfahrung) angewiesen werden.

Nun fragt sich: welche Stelle gebührt der Teleologie? Gehört sie zur (eigentlich sogenannten) Naturwissenschaft, oder zur Theologie? Eins von beiden muss sein; denn zum Übergange aus einer in die andere kann gar keine Wissenschaft gehören, weil dieser nur die Artikulation oder Organisation des Systems und keinen Platz in demselben bedeutet.

Dass sie in die Theologie als ein Teil derselben nicht gehöre, obgleich in derselben von Ihr der wichtigste Gebrauch gemacht werden kann, ist für sich selbst klar. Denn sie hat Naturerzeugungen und die Ursache derselben zu ihrem Gegenstande; und, ob sie gleich auf die letztere, als einen außer und über die Natur belegenen Grund (göttlichen Urheber), hinausweiset, so tut sie dieses doch nicht für die bestimmende, sondern nur (um die Beurteilung der Dinge in der Welt durch eine solche Idee, dem menschlichen Verstande angemessen, als regulatives Prinzip zu leiten) bloß für die reflektierende Urteilskraft in der Naturbetrachtung.

Ebenso wenig scheint sie aber auch in die Naturwissenschaft zu gehören, welche bestimmender und nicht bloß reflektierender Prinzipien bedarf, um von Naturwirkungen objektive Gründe anzugeben. In der Tat ist auch für die Theorie der Natur, oder die mechanische Erklärung der Phänomene derselben, durch ihre wirkenden Ursachen, dadurch nichts gewonnen, dass man sie nach dem Verhältnisse der Zwecke zu einander betrachtet. Die Aufstellung der Zwecke der Natur an ihren Produkten, so fern sie ein System nach teleologischen Begriffen ausmachen, ist eigentlich nur zur Naturbeschreibung gehörig, welche nach einem besonderen Leitfaden abgefasset ist: wo die Vernunft zwar ein herrliches unterrichtendes und praktisch in mancherlei Absicht zweckmäßiges Geschäft verrichtet, aber über das Entstehen und die innere Möglichkeit dieser Formen gar keinen Aufschluß gibt, worum es doch der theoretischen Naturwissenschaft eigentlich zu tun ist.

Die Teleologie, als Wissenschaft, gehört also zu gar keiner Doktrin, sondern nur zur Kritik, und zwar eines besonderen Erkenntnisvermögens, nämlich der Urteilskraft. Aber, so fern sie Prinzipien a priori enthält, kann und muss sie die Methode, wie über die Natur nach dem Prinzip der Endursachen geurteilt werden müsse, angeben; und so hat ihre Methodenlehre wenigstens negativen Einfluss auf das Verfahren in der theoretischen Naturwissenschaft, und auch auf das Verhältnis, welches diese in der Metaphysik zur Theologie, als Propädeutik derselben, haben kann.

80. Von der notwendigen Unterordnung des Prinzips des Mechanismus unter dem Teleologischen in Erklärung eines Dinges als Naturzwecks

Die Befugnis, auf eine bloß mechanische Erklärungsart aller Naturprodukte auszugehen, ist an sich ganz unbeschränkt; aber das Vermögen, damit allein auszulangen, ist, nach der Beschaffenheit unseres Verstandes, sofern er es mit Dingen als Naturzwecken zu tun hat, nicht allein sehr beschränkt, sondern auch deutlich begrenzt: nämlich so, dass, nach einem Prinzip der Urteilskraft, durch das erstere Verfahren allein zur Erklärung der letzteren gar nichts ausgerichtet werden könne, mithin die Beurteilung solcher Produkte jederzeit von uns zugleich einem teleologischen Prinzip untergeordnet werden müsse.

Es ist daher vernünftig, ja verdienstlich, dem Naturmechanismus, zum Behuf einer Erklärung der Naturprodukte, soweit nachzugehen, als es mit Wahrscheinlichkeit geschehen kann, ja diesen Versuch nicht darum aufzugeben, weil es an sich unmöglich sei, auf seinem Wege mit der Zweckmäßigkeit der Natur zusammenzutreffen, sondern nur darum, weil es für uns als Menschen unmöglich ist; indem dazu eine andere als sinnliche Anschauung und ein bestimmtes Erkenntnis des intelligibelen Substrats der Natur, woraus selbst von dem Mechanismus der Erscheinungen nach besonderen Gesetzen Grund angegeben werden könne, erforderlich sein würde, welches alles unser Vermögen gänzlich übersteigt.

Damit also der Naturforscher nicht auf reinen Verlust arbeite, so muss er in Beurteilung der Dinge, deren Begriff als Naturzwecke unbezweifelt gegründet ist (organisierter Wesen), immer irgendeine ursprüngliche Organisation zum Grunde legen, welche jenen Mechanismus selbst benutzt, um andere organisierte Formen hervorzubringen, oder die seinige zu neuen Gestalten (die doch aber immer aus jenem Zwecke und ihm gemäß erfolgen) zu entwickeln. Es ist rühmlich, vermittelst einer komparativen Anatomie die große Schöpfung organisierter Naturen durchzugehen, um zu sehen: ob sich daran nicht etwas einem System Ähnliches, und zwar dem Erzeugungsprinzip nach, vorfinde; ohne dass wir nötig haben, beim bloßen Beurteilungsprinzip (welches für die Einsicht ihrer Erzeugung keinen Aufschluß gibt) stehen zu bleiben, und mutlos allen Anspruch auf Natureinsicht in diesem Felde aufzugeben. Die Übereinkunft so vieler Tiergattungen in einem gewissen gemeinsamen Schema, das nicht allein in ihrem Knochenbau, sondern auch in der Anordnung der übrigen Teile zum Grunde zu liegen scheint, wo bewunderungswürdige Einfalt des Grundrisses durch Verkürzung einer und Verlängerung anderer, durch Einwickelung dieser und Auswickelung jener Teile, eine so große Mannigfaltigkeit von Spezies hat hervorbringen können, lässt einen obgleich schwachen Strahl von Hoffnung in das Gemüt fallen, dass hier wohl etwas mit dem Prinzip des Mechanismus der Natur, ohne welches es überhaupt keine Naturwissenschaft geben kann, auszurichten sein möchte. Diese Analogie der Formen, sofern sie bei aller Verschiedenheit einem gemeinschaftlichen Urbilde gemäß erzeugt zu sein scheinen, verstärkt die Vermutung einer wirklichen Verwandtschaft derselben in der Erzeugung von einer gemeinschaftlichen Urmutter, durch die stufenartige Annäherung einer Tiergattung zur anderen, von derjenigen an, in welcher das Prinzip der Zwecke am meisten bewährt zu sein scheint, nämlich dem Menschen, bis zum Polyp, von diesem so gar bis zu Moosen und Flechten, und endlich zu der niedrigsten uns merklichen Stufe der Natur, zur rohen Materie: aus welcher und ihren Kräften, nach mechanischen Gesetzen (gleich denen, wonach sie in Kristallerzeugungen wirkt), die ganze Technik der Natur, die uns in organisierten Wesen so unbegreiflich ist, dass wir uns dazu ein anderes Prinzip zu denken genötigt glauben, abzustammen scheint.

Hier steht es nun dem Archäologen der Natur frei, aus den übriggebliebenen Spuren ihrer ältesten Revolutionen, nach allem ihm bekannten oder gemutmaßten Mechanismus derselben, jene große Familie von Geschöpfen (denn so müsste man sie sich vorstellen, wenn die genannte durchgängig zusammenhangende Verwandtschaft einen Grund haben soll) entspringen zu lassen. Er kann den Mutterschoß der Erde, die eben aus ihrem chaotischen Zustande herausging (gleichsam als ein großes Tier), anfänglich Geschöpfe von minder-zweckmäßiger Form, diese wiederum andere, welche angemessener ihrem Zeugungsplatze und ihrem Verhältnisse untereinander sich ausbildeten, gebären lassen; bis diese Gebärmutter selbst, erstarrt, sich verknöchert, ihre Geburten auf bestimmte fernerhin nicht ausartende Spezies eingeschränkt hätte, und die Mannigfaltigkeit so bliebe, wie sie am Ende der Operation jener fruchtbaren Bildungskraft ausgefallen war. Allein er muss gleichwohl zu dem Ende dieser allgemeinen Mutter eine auf alle diese Geschöpfe zweckmäßig gestellte Organisation beilegen, widrigenfalls die Zweckform der Produkte des Tier- und Pflanzenreichs ihrer Möglichkeit nach gar nicht zu denken ist. Alsdann aber hat er den Erklärungsgrund nur weiter aufgeschoben, und kann sich nicht anmaßen, die Erzeugung jener zweien Reiche von der Bedingung der Endursachen unabhängig gemacht zu haben.

Selbst, was die Veränderung betrifft, welcher gewisse Individuen der organisierten Gattungen zufälligerweise unterworfen werden, wenn man findet, dass ihr so abgeänderter Charakter erblich und in die Zeugungskraft aufgenommen wird, so kann sie nicht füglich anders als gelegentliche Entwicklung einer in der Spezies ursprünglich vorhandenen zweckmäßigen Anlage, zur Selbsterhaltung der Art, beurteilt werden; weil das Zeugen seines gleichen, bei der durchgängigen inneren Zweckmäßigkeit eines organisierten Wesens, mit der Bedingung, nichts in die Zeugungskraft aufzunehmen, was nicht auch in einem solchen System von Zwecken zu einer der unentwickelten ursprünglichen Anlagen gehört, so nahe verbunden ist. Denn, wenn man von diesem Prinzip abgeht, so kann man mit Sicherheit nicht wissen, ob nicht mehrere Stücke der jetzt an einer Spezies anzutreffenden Form ebenso zufälligen zwecklosen Ursprungs sein mögen; und das Prinzip der Teleologie: in einem organisierten Wesen nichts von dem, was sich in der Fortpflanzung desselben erhält, als unzweckmäßig zu beurteilen, müsste dadurch in der Anwendung sehr unzuverlässig werden, und lediglich für den Urstamm (den wir aber nicht mehr kennen) gültig sein.

Hume macht wider diejenigen, welche für alle solche Naturzwecke ein teleologisches Prinzip der Beurteilung, d.h. einen architektonischen Verstand anzunehmen nötig finden, die Einwendung: dass man mit eben dem Rechte fragen könnte, wie denn ein solcher Verstand möglich sei, d.h. wie die mancherlei Vermögen und Eigenschaften, welche die Möglichkeit eines Verstandes, der zugleich ausführende Macht hat, ausmachen, sich so zweckmäßig in einem Wesen haben zusammen finden können. Allein dieser Einwurf ist nichtig. Denn die ganze Schwierigkeit, welche die Frage wegen der ersten Erzeugung eines in sich selbst Zwecke enthaltenden und durch sie allein begreiflichen Dinges umgibt, beruht auf der Nachfrage nach Einheit des Grundes der Verbindung des Mannigfaltigen außer einander in diesem Produkte; da denn, wenn dieser Grund in dem Verstande einer hervorbringenden Ursache als einfacher Substanz gesetzt wird, jene Frage, sofern sie teleologisch ist, hinreichend beantwortet wird, wenn aber die Ursache bloß in der Materie, als einem Aggregat vieler Substanzen auseinander, gesucht wird, die Einheit des Prinzips für die innerlich zweckmäßige Form ihrer Bildung gänzlich ermangelt; und die Autokratie der Materie in Erzeugungen, welche von unserm Verstande nur als Zwecke begriffen werden können, ist ein Wort ohne Bedeutung.

Daher kommt es, dass diejenigen, welche für die objektiv-zweckmäßigen Formen der Materie einen obersten Grund der Möglichkeit derselben suchen, ohne Ihm eben einen Verstand zuzugestehen, das Weltganze doch gern zu einer einigen allbefassenden Substanz (Pantheismus), oder (welches nur eine bestimmtere Erklärung des Vorigen ist) zu einem Inbegriffe vieler einer einigen einfachen Substanz inhärierenden Bestimmungen (Spinozismus), machen, bloß um jene Bedingung aller Zweckmäßigkeit, die Einheit des Grundes, heraus zu bekommen; wobei sie zwar einer Bedingung der Aufgabe, nämlich der Einheit in der Zweckbeziehung, vermittelst des bloß ontologischen Begriffs einer einfachen Substanz, ein Genüge tun, aber für die andere Bedingung, nämlich das Verhältnis derselben zu ihrer Folge als Zweck, wodurch jener ontologische Grund für die Frage näher bestimmt werden soll, nichts anführen, mithin die ganze Frage keinesweges beantworten. Auch bleibt sie schlechterdings unbeantwortlich (für unsere Vernunft), wenn wir jenen Urgrund der Dinge nicht als einfache Substanz und dieser ihre Eigenschaft zu der spezifischen Beschaffenheit der auf sie sich gründenden Naturformen, nämlich der Zweckeinheit, nicht als einer intelligenten Substanz das Verhältnis aber derselben zu den letzteren (wegen der Zufälligkeit, die wir an allem was wir uns nur als Zweck möglich denken) nicht als das Verhältnis einer Kausalität uns vorstellen.

81. Von der Beigesellung des Mechanismus, zum teleologischen Prinzip in der Erklärung eines Naturzwecks als Naturprodukts

Gleich wie der Mechanismus der Natur nach dem vorhergehenden § allein nicht zulangen kann, um sich die Möglichkeit eines organisierten Wesens danach zu denken, sondern (wenigstens nach der Beschaffenheit unsers Erkenntnisvermögens) einer absichtlich wirkenden Ursache ursprünglich untergeordnet werden muss: so langt ebenso wenig der bloße teleologische Grund eines solchen Wesens hin, es zugleich als ein Produkt der Natur zu betrachten und zu beurteilen, wenn nicht der Mechanismus des letzteren dem ersteren beigesellt wird, gleichsam als das Werkzeug einer absichtlich wirkenden Ursache, deren Zwecke die Natur in ihren mechanischen Gesetzen gleichwohl untergeordnet ist. Die Möglichkeit einer solchen Vereinigung zweier ganz verschiedener Arten von Kausalität, der Natur in ihrer allgemeinen Gesetzmäßigkeit, mit einer Idee, welche jene auf eine besondere Form einschränkt, wozu sie für sich gar keinen Grund enthält, begreift unsere Vernunft nicht; sie liegt im übersinnlichen Substrat der Natur, wovon wir nichts bejahend bestimmen können, als dass es das Wesen an sich sei, von welchem wir bloß die Erscheinung kennen. Aber das Prinzip: alles, was wir als zu dieser Natur (phaenomenon) gehörig und als Produkt derselben annehmen, auch nach mechanischen Gesetzen mit ihr verknüpft denken zu müssen, bleibt nichts desto weniger in seiner Kraft; weil, ohne diese Art von Kausalität, organisierte Wesen, als Zwecke der Natur, doch keine Naturprodukte sein würden.

Wenn nun das teleologische Prinzip der Erzeugung dieser Wesen angenommen wird (wie es denn nicht anders sein kann): so kann man entweder den Okkasionalismus, oder den Prästabilismus der Ursache ihrer innerlich zweckmäßigen Form zum Grunde legen. Nach dem ersteren würde die oberste Weltursache, ihrer Idee gemäß, bei Gelegenheit einer jeden Begattung der in derselben sich mischenden Materie unmittelbar die organische Bildung geben; nach dem zweiten würde sie in die anfänglichen Produkte dieser ihrer Weisheit nur die Anlage gebracht haben, vermittelst deren ein organisches Wesen seinesgleichen hervorbringt und die Spezies sich selbst beständig erhält, imgleichen der Abgang der Individuen durch ihre zugleich an ihrer Zerstörung arbeitende Natur kontinuierlich ersetzt wird. Wenn man den Okkasionalismus der Hervorbringung organisierter Wesen annimmt, so geht alle Natur hierbei gänzlich verloren, mit ihr auch aller Vernunftgebrauch, über die Möglichkeit einer solchen Art Produkte zu urteilen; daher man voraussetzen kann, dass niemand dieses System annehmen wird, dem es irgend um Philosophie zu tun ist.

Der Prästabilismus kann nun wiederum auf zwiefache Art verfahren. Er betrachtet nämlich ein jedes von seinesgleichen gezeugte organische Wesen entweder als das Edukt, oder als das Produkt des ersteren. Das System der Zeugungen als bloßer Edukte heißt das der individuellen Präformation, oder auch die Evolutionstheorie; das der Zeugungen als Produkte wird das System der Epigenesis genannt. Dieses letztere kann auch System der generischen Präformation genannt werden; weil das produktive Vermögen der Zeugenden doch nach den inneren zweckmäßigen Anlagen, die ihrem Stamme zu Teil wurden, also die spezifische Form virtualiter präformiert war. Diesem gemäß würde man die entgegenstehende Theorie der individuellen Präformation auch besser Involutionstheorie (oder die der Einschachtelung) nennen können.

Die Verfechter der Evolutionstheorie, welche jedes Individuum von der bildenden Kraft der Natur ausnehmen, um es unmittelbar aus der Hand des Schöpfers kommen zu lassen, wollten es also doch nicht wagen, dieses nach der Hypothese des Okkasionalismus geschehen zu lassen, so dass die Begattung eine bloße Formalität wäre, unter der eine oberste verständige Weltursache beschlossen hätte, jedesmal eine Frucht mit unmittelbarer Hand zu bilden und der Mutter nur die Auswickelung und Ernährung derselben zu überlassen. Sie erklärten sich für die Präformation; gleich als wenn es nicht einerlei wäre, übernatürlicher Weise, im Anfange, oder im Fortlaufe der Welt, dergleichen Formen entstehen zu lassen, und nicht vielmehr eine große Menge übernatürlicher Anstalten durch gelegentliche Schöpfung erspart würde, welche erforderlich wären, damit der im Anfange der Welt gebildete Embryo die lange Zeit hindurch, bis zu seiner Entwickelung, nicht von den zerstörenden Kräften der Natur litte und sich unverletzt erhielte, imgleichen eine unermeßlich größere Zahl solcher vorgebildeten Wesen, als jemals entwickelt werden sollten, und mit ihnen ebenso viel Schöpfungen dadurch unnötig und zwecklos gemacht würden. Allein sie wollten doch wenigstens etwas hierin der Natur überlassen, um nicht gar in völlige Hyperphysik zu geraten, die aller Naturerklärung entbehren kann. Sie hielten zwar noch fest an ihrer Hyperphysik, selbst da sie an Missgeburten (die man doch unmöglich für Zwecke der Natur halten kann) eine bewunderungswürdige Zweckmäßigkeit finden, sollte sie auch nur darauf abgezielt sein, dass ein Anatomiker einmal daran, als einer zwecklosen Zweckmäßigkeit, Anstoß nehmen und niederschlagende Bewunderung fühlen sollte. Aber die Erzeugung der Bastarde konnten sie schlechterdings nicht in das System der Präformation hineinpassen, sondern mussten dem Samen der männlichen Geschöpfe, dem sie übrigens nichts als die mechanische Eigenschaft, zum ersten Nahrungsmittel des Embryo zu dienen, zugestanden hatten, doch noch obenein eine zweckmäßig bildende Kraft zugestehen: welche sie doch in Ansehung des ganzen Produkts einer Erzeugung von zweien Geschöpfen derselben Gattung keinem von beiden einräumen wollten.

Wenn man dagegen an dem Verteidiger der Epigenesis den großen Vorzug, den er in Ansehung der Erfahrungsgründe zum Beweise seiner Theorie vor dem ersteren hat, gleich nicht kennete: so würde die Vernunft doch schon zum voraus für seine Erklärungsart mit vorzüglicher Gunst eingenommen sein, weil sie die Natur in Ansehung der Dinge, welche man ursprünglich nur nach der Kausalität der Zwecke sich als möglich vorstellen kann, doch wenigstens, was die Fortpflanzung betrifft, als selbst hervorbringend, nicht bloß als entwickelnd, betrachtet, und so doch mit dem kleinst-möglichen Aufwande des Übernatürlichen alles Folgende vom ersten Anfange an der Natur überlässt (ohne aber über diesen ersten Anfang, an dem die Physik überhaupt scheitert, sie mag es mit einer Kette der Ursachen versuchen, mit welcher sie wolle, etwas zu bestimmen).

In Ansehung dieser Theorie der Epigenesis hat niemand mehr, sowohl zum Beweise derselben, als auch zur Gründung der echten Prinzipien ihrer Anwendung, zum Teil durch die Beschränkung eines zu vermessenen Gebrauchs derselben, geleistet, als Herr Hofr. Blumenbach. Von organisierter Materie hebt er alle physische Erklärungsart dieser Bildungen an. Denn, dass rohe Materie sich nach mechanischen Gesetzen ursprünglich selbst gebildet habe, dass aus der Natur des leblosen Lebens habe entspringen, und Materie in die Form einer sich selbst erhaltenden Zweckmäßigkeit sich von selbst habe fügen können, erklärt er mit Recht für vernunftwidrig; lässt aber zugleich dem Naturmechanismus unter diesem uns unerforschlichen Prinzip einer ursprünglichen Organisation einen unbestimmbaren, zugleich doch auch unverkennbaren Anteil, wozu das Vermögen der Materie (zum Unterschiede von der, ihr allgemein beiwohnenden, bloß mechanischen Bildungskraft) von ihm in einem organisierten Körper ein (gleichsam unter der höheren Leitung und Anweisung der ersteren stehender) Bildungstrieb genannt wird.

82. Von dem teleologischen System in den äußern Verhältnissen organisierter Wesen

Unter der äußern Zweckmäßigkeit verstehe ich diejenige, da ein Ding der Natur einem anderen als Mittel zum Zwecke dient. Nun können Dinge, die keine innere Zweckmäßigkeit haben, oder zu ihrer Möglichkeit voraussetzen, z.B. Erden, Luft, Wasser, u.s.w. gleichwohl äußerlich, d.h. im Verhältnis auf andere Wesen, sehr zweckmäßig sein; aber diese müssen jederzeit organisierte Wesen, d.h. Naturzwecke sein, denn sonst könnten jene auch nicht als Mittel beurteilt werden. So können Wasser, Luft und Erden nicht als Mittel zu Anhäufung von Gebirgen angesehen werden, weil diese an sich gar nichts enthalten, was einen Grund ihrer Möglichkeit nach Zwecken erforderte, worauf in Beziehung also ihre Ursache niemals unter dem Prädikate eines Mittels (das dazu nützte) vorgestellt werden kann.
Die äußere Zweckmäßigkeit ist ein ganz anderer Begriff, als der Begriff der inneren, welche mit der Möglichkeit eines Gegenstandes, unangesehen ob seine Wirklichkeit selbst Zweck sei oder nicht, verbunden ist. Man kann von einem organisierten Wesen noch fragen: wozu ist es da? aber nicht leicht von Dingen, an denen man bloß die Wirkung vom Mechanismus der Natur erkennt. Denn in jenen stellen wir uns schon eine Kausalität nach Zwecken zu ihrer inneren Möglichkeit, einen schaffenden Verstand vor, und beziehen dieses tätige Vermögen auf den Bestimmungsgrund desselben, die Absicht. Es gibt nur eine einzige äußere Zweckmäßigkeit, die mit der inneren der Organisation zusammenhängt, und, ohne dass die Frage sein darf, zu welchem Ende dieses so organisierte Wesen eben habe existieren müssen, dennoch im äußeren Verhältnis eines Mittels zum Zwecke dient. Dieses ist die Organisation beiderlei Geschlechts in Beziehung auf einander zur Fortpflanzung ihrer Art; denn hier kann man immer noch, ebenso wie bei einem Individuum, fragen: warum musste ein solches Paar existieren? Die Antwort ist: Dieses hier macht allererst ein organisierendes Ganze aus, ob zwar nicht ein organisiertes in einem einzigen Körper.

Wenn man nun fragt, wozu ein Ding da ist: so ist die Antwort entweder: sein Dasein und seine Erzeugung hat gar keine Beziehung auf eine nach Absichten wirkende Ursache, und alsdann versteht man immer einen Ursprung derselben aus dem Mechanismus der Natur; oder es ist irgendein absichtlicher Grund seines Daseins (als eines zufälligen Naturwesens), und diesen Gedanken kann man schwerlich von dem Begriffe eines organisierten Dinges trennen: weil, da wir einmal seiner inneren Möglichkeit eine Kausalität der Endursachen und eine Idee, die dieser zum Grunde liegt, unterlegen müssen, wir auch die Existenz dieses Produktes nicht anders als Zweck denken können. Denn, die vorgestellte Wirkung, deren Vorstellung zugleich der Bestimmungsgrund der verständigen wirkenden Ursache zu ihrer Hervorbringung ist, heißt Zweck. In diesem Falle also kann man entweder sagen: der Zweck der Existenz eines solchen Naturwesens ist in ihm selbst, d.h. es ist nicht bloß Zweck, sondern auch Endzweck; oder dieser ist außer ihm in anderen Naturwesen, d.h. es existiert zweckmäßig nicht als Endzweck, sondern notwendig zugleich als Mittel.

Wenn wir aber die ganze Natur durchgehen, so finden wir in ihr, als Natur, kein Wesen, welches auf den Vorzug, Endzweck der Schöpfung zu sein, Anspruch machen könnte; und man kann sogar a priori beweisen: dass dasjenige, was etwa noch für die Natur ein letzter Zweck sein könnte, nach allen erdenklichen Bestimmungen und Eigenschaften, womit man es ausrüsten möchte, doch als Naturding niemals ein Endzweck sein könne.

Wenn man das Gewächsreich ansieht, so könnte man anfänglich durch die unermeßliche Fruchtbarkeit, durch welche es sich beinahe über jeden Boden verbreitet, auf den Gedanken gebracht werden, es für ein bloßes Produkt des Mechanismus der Natur, welches sie in den Bildungen des Mineralreichs zeigt, zu halten. Eine nähere Kenntnis aber der unbeschreiblich weisen Organisation in demselben lässt uns an diesem Gedanken nicht haften, sondern veranlasst die Frage: Wozu sind diese Geschöpfe da? Wenn man sich antwortet: Für das Tierreich, welches dadurch genährt wird, damit es sich in so mannigfaltige Gattungen über die Erde habe verbreiten können: so kommt die Frage wieder: Wozu sind denn diese Pflanzen-verzehrenden Tiere da? Die Antwort würde etwa sein: für die Raubtiere, die sich nur von dem nähren können, was Leben hat. Endlich ist die Frage: Wozu sind diese samt den vorigen Naturreichen gut? Für den Menschen, zu dem mannigfaltigen Gebrauche, den ihn sein Verstand von allen jenen Geschöpfen machen lehrt; und er ist der letzte Zweck der Schöpfung hier auf Erden, weil er das einzige Wesen auf derselben ist, welches sich einen Begriff von Zwecken machen und aus einem Aggregat von zweckmäßig gebildeten Dingen durch seine Vernunft ein System der Zwecke machen kann.

Man könnte auch, mit dem Ritter Linné, den dem Scheine nach umgekehrten Weg gehen, und sagen: Die gewächsfressenden Tiere sind da, um den üppigen Wuchs des Pflanzenreichs, wodurch viele Spezies derselben erstickt werden würden, zu mäßigen; die Raubtiere, um der Gefräßigkeit jener Grenzen zu setzen; endlich der Mensch, damit, indem er diese verfolgt und vermindert, ein gewisses Gleichgewicht unter den hervorbringenden und den zerstörenden Kräften der Natur gestiftet werde. Und so würde der Mensch, so sehr er auch in gewisser Beziehung als Zweck gewürdigt sein möchte, doch in anderer wiederum nur den Rang eines Mittels haben.

Wenn man sich eine objektive Zweckmäßigkeit in der Mannigfaltigkeit der Gattungen der Erdgeschöpfe und ihrem äußern Verhältnisse zu einander, als zweckmäßig konstruierter Wesen, zum Prinzip macht, so ist es der Vernunft gemäß, sich in diesem Verhältnisse wiederum eine gewisse Organisation und ein System aller Naturreiche nach Endursachen zu denken. Allein hier scheint die Erfahrung der Vernunftmaxime laut zu widersprechen, vornehmlich was einen letzten Zweck der Natur betrifft, der doch zu der Möglichkeit eines solchen Systems erforderlich ist, und den wir nirgend anders als im Menschen setzen können: da vielmehr in Ansehung dieses, als einer der vielen Tiergattungen, die Natur so wenig von den zerstörenden als erzeugenden Kräften die mindeste Ausnahme gemacht hat, alles einem Mechanismus derselben, ohne einen Zweck, zu unterwerfen.

Das erste, was in einer Anordnung zu einem zweckmäßigen Ganzen der Naturwesen auf der Erde absichtlich eingerichtet sein müsste, würde wohl ihr Wohnplatz, der Boden und das Element sein, auf und in welchem sie ihr Fortkommen haben sollten. Allein eine genauere Kenntnis der Beschaffenheit dieser Grundlage aller organischen Erzeugung gibt auf keine anderen als ganz unabsichtlich wirkende, ja eher noch verwüstende, als Erzeugung, Ordnung und Zwecke begünstigende Ursachen Anzeige. Land und Meer enthalten nicht allein Denkmäler von alten mächtigen Verwüstungen, die sie und alle Geschöpfe, auf und in demselben betroffen haben, in sich; sondern ihr ganzes Bauwerk, die Erdlager des einen und die Grenzen des anderen, haben gänzlich das Ansehen des Produkts wilder allgewaltiger Kräfte einer im chaotischen Zustande arbeitenden Natur. So zweckmäßig auch jetzt die Gestalt, das Bauwerk und der Abhang der Länder für die Aufnahme der Gewässer aus der Luft, für die Quelladern zwischen Erdschichten von mannigfaltiger Art (für mancherlei Produkte), und den Lauf der Ströme angeordnet zu sein scheinen mögen: so beweiset doch eine nähere Untersuchung derselben, dass sie bloß als die Wirkung teils feuriger, teils wässeriger Eruptionen, oder auch Empörungen des Ozeans, zu Stande gekommen sind: so wohl was die erste Erzeugung dieser Gestalt, als vornehmlich die nachmalige Umbildung derselben, zugleich mit dem Untergange ihrer ersten organischen Erzeugungen, betrifft. Wenn nun der Wohnplatz, der Mutterboden (des Landes) und der Mutterschoß (des Meeres) für alle diese Geschöpfe auf keinen anderen als gänzlich unabsichtlichen Mechanismus seiner Erzeugung Anzeige gibt, wie und mit welchem Recht können wir für diese letzteren Produkte einen anderen Ursprung verlangen und behaupten? Wenngleich der Mensch, wie die genaueste Prüfung der Überreste jener Naturverwüstungen (nach Campers Urteile) zu beweisen scheint, in diesen Revolutionen nicht mit begriffen war: so ist er doch von den übrigen Erdgeschöpfen so abhängig, dass, wenn ein über die anderen allgemeinwaltender Mechanismus der Natur eingeräumt wird, er als darunter mit begriffen angesehen werden muss: wenn ihn gleich sein Verstand (großenteils wenigstens) unter ihren Verwüstungen hat retten können.

Dieses Argument scheint aber mehr zu beweisen, als die Absicht enthielt, wozu es aufgestellt war: nämlich, nicht bloß, dass der Mensch kein letzter Zweck der Natur, und, aus dem nämlichen Grunde, das Aggregat der organisierten Naturdinge auf der Erde nicht ein System von Zwecken sein könne; sondern, dass gar die vorher für Naturzwecke gehaltenen Naturprodukte keinen anderen Ursprung haben, als den Mechanismus der Natur.

Allein in der obigen Auflösung der Antinomie der Prinzipien, der mechanischen und der teleologischen Erzeugungsart der organischen Naturwesen, haben wir gesehen: dass, da sie, in Ansehung der nach ihren besonderen Gesetzen (zu deren systematischem Zusammenhange uns aber der Schlüssel fehlt) bildenden Natur, bloß Prinzipien der reflektierenden Urteilskraft sind, die nämlich ihren Ursprung nicht an sich bestimmen, sondern nur sagen, dass wir, nach der Beschaffenheit unseres Verstandes und unsrer Vernunft, ihn in dieser Art Wesen nicht anders als nach Endursachen denken können, die größtmögliche Bestrebung, ja Kühnheit in Versuchen, sie mechanisch zu erklären, nicht allein erlaubt ist, sondern wir auch durch Vernunft dazu aufgerufen sind, ungeachtet wir wissen, dass wir damit aus subjektiven Gründen der besonderen Art und Beschränkung unseres Verstandes (und nicht etwa, weil der Mechanismus der Erzeugung einem Ursprunge nach Zwecken an sich widerspräche) niemals auslangen können; und dass endlich in dem übersinnlichen Prinzip der Natur (so wohl außer uns als in uns) gar wohl die Vereinbarkeit beider Arten, sich die Möglichkeit der Natur vorzustellen, liegen könne, indem die Vorstellungsart nach Endursachen nur eine subjektive Bedingung unseres Vernunftgebrauchs sei, wenn sie die Beurteilung der Gegenstände nicht bloß als Erscheinungen angestellt wissen will, sondern diese Erscheinungen selbst, samt ihren Prinzipien, auf das übersinnliche Substrat zu beziehen verlangt, um gewisse Gesetze der Einheit derselben möglich zu finden, die sie sich nicht anders als durch Zwecke (wovon die Vernunft auch solche hat, die übersinnlich sind) vorstellig machen kann.

83. Von dem letzten Zwecke der Natur als eines teleologischen Systems

Wir haben im Vorigen gezeigt, dass wir den Menschen nicht bloß, wie alle organisierte Wesen, als Naturzweck, sondern auch hier auf Erden als den letzten Zweck der Natur, in Beziehung auf welchen alle übrige Naturdinge ein System von Zwecken ausmachen, nach Grundsätzen der Vernunft, zwar nicht für die bestimmende, doch für die reflektierende Urteilskraft, zu beurteilen hinreichende Ursache haben. Wenn nun dasjenige im Menschen selbst angetroffen werden muss, was als Zweck durch seine Verknüpfung mit der Natur befördert werden soll: so muss entweder der Zweck von der Art sein, dass er selbst durch die Natur in ihrer Wohltätigkeit befriedigt werden kann; oder es ist die Tauglichkeit und Geschicklichkeit zu allerlei Zwecken, wozu die Natur (äußerlich und innerlich) von ihm gebraucht werden könne. Der erste Zweck der Natur würde die Glückseligkeit, der zweite die Kultur des Menschen sein.

Der Begriff der Glückseligkeit ist nicht ein solcher, den der Mensch etwa von seinen Instinkten abstrahiert, und so aus der Tierheit in ihm selbst hernimmt; sondern ist eine bloße Idee eines Zustandes, welcher er den letzteren unter bloß empirischen Bedingungen (welches unmöglich ist) adäquat machen will. Er entwirft sie sich selbst, und zwar auf so verschiedene Art, durch seinen mit der Einbildungskraft und den Sinnen verwickelten Verstand; er ändert sogar diesen so oft, dass die Natur, wenn sie auch seiner Willkür gänzlich unterworfen wäre, doch schlechterdings kein bestimmtes allgemeines und festes Gesetz annehmen könnte, um mit diesem schwankenden Begriff, und so mit dem Zweck, den jeder sich willkürlicher Weise vorsetzt, übereinzustimmen. Aber, selbst wenn wir entweder diesen auf das wahrhafte Naturbedürfnis, worin unsere Gattung durchgängig mit sich übereinstimmt, herabsetzen, oder, andererseits, die Geschicklichkeit, sich eingebildete Zwecke zu verschaffen, noch so hoch steigern wollten: so würde doch, was der Mensch unter Glückseligkeit versteht, und was in der Tat sein eigener letzter Naturzweck (nicht Zweck der Freiheit) ist, von ihm nie erreicht werden; denn seine Natur ist nicht von der Art, irgendwo im Besitze und Genusse aufzuhören und befriedigt zu werden. Andrerseits ist so weit gefehlt: dass die Natur ihn zu ihrem besonderen Liebling aufgenommen und vor allen Tieren mit Wohltun begünstigt habe, dass sie ihn vielmehr in ihren verderblichen Wirkungen, in Pest, Hunger, Wassergefahr, Frost, Anfall von anderen großen und kleinen Tieren u.d.gl. ebenso wenig verschont, wie jedes andere Tier; noch mehr aber, dass das Widersinnische der Naturanlagen in ihm ihn noch in selbstersonnene Plagen und noch andere von seiner eigenen Gattung, durch den Druck der Herrschaft, die Barbarei der Kriege u.s.w. in solche Not versetzt und er selbst, so viel an ihm ist, an der Zerstörung seiner eigenen Gattung arbeitet, dass, selbst bei der wohltätigsten Natur außer uns, der Zweck derselben, wenn er auf die Glückseligkeit unserer Spezies gestellet wäre, in einem System derselben auf Erden nicht erreicht werden würde, weil die Natur in uns derselben nicht empfänglich ist. Er ist also immer nur Glied in der Kette der Naturzwecke: zwar Prinzip in Ansehung manches Zwecks, wozu die Natur ihn in ihrer Anlage bestimmt zu haben scheint, indem er sich selbst dazu macht; aber doch auch Mittel zur Erhaltung der Zweckmäßigkeit im Mechanismus der übrigen Glieder. Als das einzige Wesen auf Erden, welches Verstand, mithin ein Vermögen hat, sich selbst willkürlich Zwecke zu setzen, ist er zwar betitelter Herr der Natur, und, wenn man diese als ein teleologisches System ansieht, seiner Bestimmung nach der letzte Zweck der Natur; aber immer nur bedingt, nämlich dass er es verstehe und den Willen habe, dieser und ihm selbst eine solche Zweckbeziehung zu geben, die unabhängig von der Natur sich selbst genug, mithin Endzweck, sein könne, der aber in der Natur gar nicht gesucht werden muss.

Um aber auszufinden, worein wir am Menschen wenigstens jenen letzten Zweck der Natur zu setzen haben, müssen wir dasjenige, was die Natur zu leisten vermag, um ihn zu dem vorzubereiten, was er selbst tun muss, um Endzweck zu sein, heraussuchen, und es von allen den Zwecken absondern, deren Möglichkeit auf Dingen beruht, die man allein von der Natur erwarten darf. Von der letzteren Art ist die Glückseligkeit auf Erden, worunter der Inbegriff aller durch die Natur außer und in dem Menschen möglichen Zwecke desselben verstanden wird; das ist die Materie aller seiner Zwecke auf Erden, die, wenn er sie zu seinem ganzen Zwecke macht, ihn unfähig macht, seiner eigenen Existenz einen Endzweck zu setzen und dazu zusammen zu stimmen. Es bleibt also von allen seinen Zwecken in der Natur nur die formale, subjektive Bedingung, nämlich der Tauglichkeit: sich selbst überhaupt Zwecke zu setzen, und (unabhängig von der Natur in seiner Zweckbestimmung) die Natur den Maximen seiner freien Zwecke überhaupt angemessen, als Mittel, zu gebrauchen, übrig, was die Natur, in Absicht auf den Endzweck, der außer ihr liegt, ausrichten, und welches also als ihr letzter Zweck angesehen werden kann. Die Hervorbringung der Tauglichkeit eines vernünftigen Wesens zu beliebigen Zwecken überhaupt (folglich in seiner Freiheit) ist die Kultur. Also kann nur die Kultur der letzte Zweck sein, den man der Natur in Ansehung der Menschengattung beizulegen Ursache hat (nicht seine eigene Glückseligkeit auf Erden, oder wohl gar bloß das vornehmste Werkzeug zu sein, Ordnung und Einhelligkeit in der vernunftlosen Natur außer ihm zu stiften).

Aber nicht jede Kultur ist zu diesem letzten Zwecke der Natur hinlänglich. Die der Geschicklichkeit ist freilich die vornehmste subjektive Bedingung der Tauglichkeit zur Beförderung der Zwecke überhaupt; aber doch nicht hinreichend, den Willen, in der Bestimmung und Wahl seiner Zwecke, zu befördern, welche doch zum ganzen Umfange einer Tauglichkeit zu Zwecken wesentlich gehört. Die letztere Bedingung der Tauglichkeit, welche man die Kultur der Zucht (Disziplin) nennen könnte, ist negativ, und besteht in der Befreiung des Willens von dem Despotismus der Begierden, wodurch wir, an gewisse Naturdinge geheftet, unfähig gemacht werden, selbst zu wählen, indem wir uns die Triebe zu Fesseln dienen lassen, die uns die Natur nur statt Leitfäden beigegeben hat, um die Bestimmung der Tierheit in uns nicht zu vernachlässigen, oder gar zu verletzen, indes wir doch frei genug sind, sie anzuziehen oder nachzulassen, zu verlängern oder zu verkürzen, nachdem es die Zwecke der Vernunft erfordern.

Die Geschicklichkeit kann in der Menschengattung nicht wohl entwickelt werden, als vermittelst der Ungleichheit unter Menschen; da die größte Zahl die Notwendigkeiten des Lebens gleichsam mechanisch, ohne dazu besonders Kunst zu bedürfen, zur Gemächlichkeit und Muße anderer, besorget, welche die minder notwendigen Stücke der Kultur, Wissenschaft und Kunst, bearbeiten, und von diesen in einem Stande des Drucks, saurer Arbeit und wenig Genusses gehalten wird, auf welche Klasse sich denn doch manches von der Kultur der höheren nach und nach auch verbreitet. Die Plagen aber wachsen im Fortschritte derselben (dessen Höhe, wenn der Hang zum Entbehrlichen schon dem Unentbehrlichen Abbruch zu tun anfängt, Luxus heißt) auf beiden Seiten gleich mächtig, auf der einen durch fremde Gewalttätigkeit, auf der anderen durch innere Ungenügsamkeit; aber das glänzende Elend ist doch mit der Entwickelung der Naturanlagen in der Menschengattung verbunden, und der Zweck der Natur selbst, wenn es gleich nicht unser Zweck ist, wird doch hierbei erreicht. Die formale Bedingung, unter welcher die Natur diese ihre Endabsicht allein erreichen kann, ist diejenige Verfassung im Verhältnisse der Menschen untereinander, wo dem Abbruche der einander wechselseitig widerstreitenden Freiheit gesetzmäßige Gewalt in einem Ganzen, welches bürgerliche Gesellschaft heißt, entgegengesetzt wird; denn nur in ihr kann die größte Entwickelung der Naturanlagen geschehen. Zu derselben wäre aber doch, wenn gleich Menschen sie auszufinden klug und sich ihrem Zwange willig zu unterwerfen weise genug wären, noch ein weltbürgerliches Ganze, d.h. ein System aller Staaten, die auf einander nachteilig zu wirken in Gefahr sind, erforderlich. In dessen Ermangelung, und bei dem Hindernis, welches Ehrsucht, Herrschsucht und Habsucht, vornehmlich bei denen, die Gewalt in Händen haben, selbst der Möglichkeit eines solchen Entwurfs entgegen setzen, ist der Krieg (teils in welchem sich Staaten zerspalten und in kleinere auflösen, teils ein Staat andere kleinere mit sich vereinigt und ein größeres Ganze zu bilden strebt) unvermeidlich: der, so wie er ein unabsichtlicher (durch zügellose Leidenschaften angeregter) Versuch der Menschen, doch tief verborgener vielleicht absichtlicher der obersten Weisheit ist, Gesetzmäßigkeit mit der Freiheit der Staaten und dadurch Einheit eines moralisch begründeten Systems derselben, wo nicht zu stiften, dennoch vorzubereiten, und ungeachtet der schrecklichsten Drangsale, womit er das menschliche Geschlecht belegt, und der vielleicht noch großem, womit die beständige Bereitschaft dazu im Frieden drückt, dennoch eine Triebfeder mehr ist (indessen die Hoffnung zu dem Ruhestande einer Volksglückseligkeit sich immer weiter entfernt), alle Talente, die zur Kultur dienen, bis zum höchsten Grade zu entwickeln.

Was die Disziplin der Neigungen betrifft, zu denen die Naturanlage in Absicht auf unsere Bestimmung, als einer Tiergattung, ganz zweckmäßig ist, die aber die Entwickelung der Menschheit sehr erschweren: so zeigt sich doch auch in Ansehung dieses zweiten Erfordernisses zur Kultur ein zweckmäßiges Streben der Natur zu einer Ausbildung, welche uns höherer Zwecke, als die Natur selbst liefern kann, empfänglich macht. Das Übergewicht der Übel, welche die Verfeinerung des Geschmacks bis zur Idealisierung desselben, und selbst der Luxus in Wissenschaften, als einer Nahrung für die Eitelkeit, durch die unzubefriedigende Menge der dadurch erzeugten Neigungen über uns ausschüttet, ist nicht zu bestreiten: dagegen aber der Zweck der Natur auch nicht zu verkennen, der Rohigkeit und dem Ungestüm derjenigen Neigungen, welche mehr der Tierheit in uns angehören und der Ausbildung zu unserer höheren Bestimmung am meisten entgegen sind (der Neigungen des Genusses), immer mehr abzugewinnen und der Entwickelung der Menschheit Platz zu machen. Schöne Kunst und Wissenschaften, die durch eine Lust, die sich allgemein mitteilen lässt, und durch Geschliffenheit und Verfeinerung für die Gesellschaft, wenn gleich den Menschen nicht sittlich besser, doch gesittet machen, gewinnen der Tyrannei des Sinnenhanges sehr viel ab, und bereiten dadurch den Menschen zu einer Herrschaft vor, in welcher die Vernunft allein Gewalt haben soll: indes die Übel, womit uns teils die Natur, teils die unvertragsame Selbstsucht der Menschen heimsucht, zugleich die Kräfte der Seele aufbieten, steigern und stählen, um jenen nicht unterzuliegen, und uns so eine Tauglichkeit zu höheren Zwecken, die in uns verborgen liegt, fühlen lassen.

84. Von dem Endzwecke des Daseins einer Welt, d.h. der Schöpfung selbst Endzweck ist derjenige Zweck, der keines anderen als Bedingung seiner Möglichkeit bedarf.

Wenn für die Zweckmäßigkeit der Natur der bloße Mechanismus derselben zum Erklärungsgrunde angenommen wird, so kann man nicht fragen: wozu die Dinge in der Welt da sind; denn es ist alsdann, nach einem solchen idealistischen System, nur von der physischen Möglichkeit der Dinge (welche uns als Zwecke zu denken bloße Vernünftelei, ohne Objekt, sein würde) die Rede: man mag nun diese Form der Dinge auf den Zufall, oder blinde Notwendigkeit deuten, in beiden Fällen wäre jene Frage leer. Nehmen wir aber die Zweckverbindung in der Welt für real und für sie eine besondere Art der Kausalität, nämlich einer absichtlich wirkenden Ursache an, so können wir bei der Frage nicht stehen bleiben: wozu Dinge der Welt (organisierte Wesen) diese oder jene Form haben, in diese oder jene Verhältnisse gegen andere von der Natur gesetzt sind; sondern, da einmal ein Verstand gedacht wird, der als die Ursache der Möglichkeit solcher Formen angesehen werden muss, wie sie wirklich an Dingen gefunden werden, so muss auch in eben demselben nach dem objektiven Grunde gefragt werden, der diesen produktiven Verstand zu einer Wirkung dieser Art bestimmt haben könne, welcher dann der Endzweck ist, wozu dergleichen Dinge da sind.

Ich habe oben gesagt: dass der Endzweck kein Zweck sei, welchen zu bewirken und der Idee desselben gemäß hervorzubringen die Natur hinreichend wäre, weil er unbedingt ist. Denn es ist nichts in der Natur (als einem Sinnenwesen), wozu der in ihr selbst befindliche Bestimmungsgrund nicht immer wiederum bedingt wäre; und dieses gilt nicht bloß von der Natur außer uns (der materiellen), sondern auch in uns (der denkenden): wohl zu verstehen, dass ich in mir nur das betrachte was Natur ist. Ein Ding aber, was notwendig, seiner objektiven Beschaffenheit wegen, als Endzweck einer verständigen Ursache existieren soll, muss von der Art sein, dass es in der Ordnung der Zwecke von keiner anderweitigen Bedingung, als bloß seiner Idee, abhängig ist.

Nun haben wir nur eine einzige Art Wesen in der Welt, deren Kausalität teleologisch, d.h. auf Zwecke gerichtet und doch zugleich so beschaffen ist, dass das Gesetz, nach welchem sie sich Zwecke zu bestimmen haben, von ihnen selbst als unbedingt und von Naturbedingungen unabhängig, an sich aber als notwendig, vorgestellt wird. Das Wesen dieser Art ist der Mensch, aber als Noumenon betrachtet; das einzige Naturwesen, an welchem wir doch ein übersinnliches Vermögen (die Freiheit) und sogar das Gesetz der Kausalität, samt dem Objekte derselben, welches es sich als höchsten Zweck vorsetzen kann (das höchste Gut in der Welt), von Seiten seiner eigenen Beschaffenheit erkennen können.

Von dem Menschen nun (und so jedem vernünftigen Wesen in der Welt), als einem moralischen Wesen, kann nicht weiter gefragt werden: wozu (quem in finem) er existiere. Sein Dasein hat den höchsten Zweck selbst in sich, dem, so viel er vermag, er die ganze Natur unterwerfen kann, wenigstens welchem zuwider er sich keinem Einflusse der Natur unterworfen halten darf. Wenn nun Dinge der Welt, als ihrer Existenz nach abhängige Wesen, einer nach Zwecken handelnden obersten Ursache bedürfen, so ist der Mensch der Schöpfung Endzweck; denn ohne diesen wäre die Kette der einander untergeordneten Zwecke nicht vollständig gegründet; und nur im Menschen, aber auch in diesem nur als Subjekte der Moralität, ist die unbedingte Gesetzgebung in Ansehung der Zwecke anzutreffen, welche ihn also allein fähig macht, ein Endzweck zu sein, dem die ganze Natur teleologisch untergeordnet ist.

85. Von der Physikotheologie

Die Physikotheologie ist der Versuch der Vernunft, aus den Zwecken der Natur (die nur empirisch erkannt werden können) auf die oberste Ursache der Natur und ihre Eigenschaften zu schließen. Eine Moraltheologie (Ethikotheologie) wäre der Versuch, aus dem moralischen Zwecke vernünftiger Wesen in der Natur (der a priori erkannt werden kann) auf jene Ursache und ihre Eigenschaften zu schließen.

Die erstere geht natürlicher Weise vor der zweiten vorher. Denn, wenn wir von den Dingen in der Welt auf eine Weltursache teleologisch schließen wollen: so müssen Zwecke der Natur zuerst gegeben sein, für die wir nachher einen Endzweck und für diesen dann das Prinzip der Kausalität dieser obersten Ursache zu suchen haben.

Nach dem teleologischen Prinzip können und müssen viele Nachforschungen der Natur geschehen, ohne dass man nach dem Grunde der Möglichkeit, zweckmäßig zu wirken, welche wir an verschiedenen der Produkte der Natur antreffen, zu fragen Ursache hat. Will man nun aber auch hiervon einen Begriff haben, so haben wir dazu schlechterdings keine weitergehende Einsicht, als bloß die Maxime der reflektierenden Urteilskraft: dass nämlich, wenn uns auch nur ein einziges organisches Produkt der Natur gegeben wäre, wir, nach der Beschaffenheit unseres Erkenntnisvermögens, dafür keinen anderen Grund denken können, als den einer Ursache der Natur selbst (es sei der ganzen Natur oder auch nur dieses Stücks derselben), die durch Verstand die Kausalität zu demselben enthält; ein Beurteilungsprinzip, wodurch wir in der Erklärung der Naturdinge und ihres Ursprungs zwar um nichts weiter gebracht werden, das uns aber doch über die Natur hinaus einige Aussicht eröffnet, um den sonst so unfruchtbaren Begriff eines Urwesens vielleicht näher bestimmen zu können.

Nun sage ich: die Physikotheologie, so weit sie auch getrieben werden mag, kann uns doch nichts von einem Endzwecke der Schöpfung eröffnen; denn sie reicht nicht einmal bis zur Frage nach demselben. Sie kann also zwar den Begriff einer verständigen Weltursache, als einen subjektiv für die Beschaffenheit unseres Erkenntnisvermögens allein tauglichen Begriff von der Möglichkeit der Dinge, die wir uns nach Zwecken verständlich machen können, rechtfertigen, aber diesen Begriff weder in theoretischer noch praktischer Absicht weiter bestimmen; und ihr Versuch erreicht seine Absicht nicht, eine Theologie zu gründen, sondern sie bleibt immer nur eine physische Teleologie: weil die Zweckbeziehung in ihr immer nur als in der Natur bedingt betrachtet wird und werden muss; mithin den Zweck, wozu die Natur selbst existiert (wozu der Grund außer der Natur gesucht werden muss), gar nicht einmal in Anfrage bringen kann, auf dessen bestimmte Idee gleichwohl der bestimmte Begriff jener oberen verständigen Weltursache, mithin die Möglichkeit einer Theologie, ankommt.

Wozu die Dinge in der Welt einander nützen; wozu das Mannigfaltige in einem Dinge für dieses Ding selbst gut ist; wie man sogar Grund habe anzunehmen, dass nichts in der Welt umsonst, sondern alles irgend wozu in der Natur, unter der Bedingung, dass gewisse Dinge (als Zwecke) existieren sollten, gut sei, wobei mithin unsere Vernunft für die Urteilskraft kein anderes Prinzip der Möglichkeit des Objekts ihrer unvermeidlichen teleologischen Beurteilung in ihrem Vermögen hat, als das, den Mechanismus der Natur der Architektonik eines verständigen Welturhebers unterzuordnen: das alles leistet die teleologische Weltbetrachtung sehr herrlich und zur äußersten Bewunderung. Weil aber die Data, mithin die Prinzipien, jenen Begriff einer intelligenten Weltursache (als höchsten Künstlers) zu bestimmen, bloß empirisch sind: so lassen sie auf keine Eigenschaften weiter schließen, als uns die Erfahrung an den Wirkungen derselben offenbart: welche, da sie nie die gesamte Natur als System befassen kann, oft auf (dem Anscheine nach) jenem Begriffe und untereinander widerstreitende Beweisgründe stoßen muss, niemals aber, wenn wir gleich vermögend wären, auch das ganze System, sofern es bloße Natur betrifft, empirisch zu überschauen, uns, über die Natur, zu dem Zwecke ihrer Existenz selber, und dadurch zum bestimmten Begriffe jener obern Intelligenz, erheben können.

Wenn man sich die Aufgabe, um deren Auflösung es einer Physikotheologie zu tun ist, klein macht, so scheint ihre Auflösung leicht. Verschwendet man nämlich den Begriff von einer Gottheit an jedes von uns gedachte verständige Wesen, deren es eines oder mehrere geben mag, welches viel und sehr große, aber eben nicht alle Eigenschaften habe, die zu Gründung einer mit dem größtmöglichen Zwecke übereinstimmenden Natur überhaupt erforderlich sind: oder hält man es für nichts, in einer Theorie den Mangel dessen, was die Beweisgründe leisten, durch willkürliche Zusätze zu ergänzen, und, wo man nur Grund hat, viel Vollkommenheit anzunehmen (und was ist viel für uns?), sich da befugt hält, alle mögliche vorauszusetzen: so macht die physische Teleologie wichtige Ansprüche auf den Ruhm, eine Theologie zu begründen. Wenn aber verlangt wird anzuzeigen: was uns denn antreibe und überdem berechtige, jene Ergänzungen zu machen: so werden wir in den Prinzipien des theoretischen Gebrauchs der Vernunft, welcher durchaus verlangt, zur Erklärung eines Objekts der Erfahrung diesem nicht mehr Eigenschaften beizulegen, als empirische Data zu ihrer Möglichkeit anzutreffen sind, vergeblich Grund zu unserer Rechtfertigung suchen. Bei näherer Prüfung würden wir sehen, dass eigentlich eine Idee von einem höchsten Wesen, die auf ganz verschiedenem Vernunftgebrauch (dem praktischen) beruht, in uns a priori zum Grunde liege, welche uns antreibt, die mangelhafte Vorstellung einer physischen Teleologie, von dem Urgrunde der Zwecke in der Natur, bis zum Begriffe einer Gottheit zu ergänzen; und wir würden uns nicht fälschlich einbilden, diese Idee, mit ihr aber eine Theologie, durch den theoretischen Vernunftgebrauch der physischen Weltkenntnis zu Stande gebracht, viel weniger, ihre Realität bewiesen zu haben.

Man kann es den Alten nicht so hoch zum Tadel anrechnen, wenn sie sich ihre Götter als, teils ihrem Vermögen, teils den Absichten und Willensmeinungen nach, sehr mannigfaltig verschieden, alle aber, selbst ihr Oberhaupt nicht ausgenommen, noch immer auf menschliche Weise eingeschränkt dachten. Denn, wenn sie die Einrichtung und den Gang der Dinge in der Natur betrachteten: so fanden sie zwar Grund genug, etwas mehr als Mechanisches zur Ursache derselben anzunehmen, und Absichten gewisser oberer Ursachen, die sie nicht anders als übermenschlich denken konnten, hinter dem Maschinenwerk dieser Welt zu vermuten. Weil sie aber das Gute und Böse, das Zweckmäßige und Zweckwidrige in ihr, wenigstens für unsere Einsicht, sehr gemischt antrafen, und sich nicht erlauben konnten, insgeheim dennoch zum Grunde liegende weise und wohltätige Zwecke, von denen sie doch den Beweis nicht sahen, zum Behuf der willkürlichen Idee eines höchstvollkommenen Urhebers anzunehmen: so konnte ihr Urteil von der obersten Weltursache schwerlich anders ausfallen, so fern sie nämlich nach Maximen des bloß theoretischen Gebrauchs der Vernunft ganz konsequent verfuhren. Andere, die als Physiker zugleich Theologen sein wollten, dachten Befriedigung für die Vernunft darin zu finden, dass sie für die absolute Einheit des Prinzips der Naturdinge, welche die Vernunft fordert, vermittelst der Idee von einem Wesen sorgten, in welchem, als alleiniger Substanz, jene insgesamt nur inhärierende Bestimmungen wären: welche Substanz zwar nicht, durch Verstand, Ursache der Welt, in welcher aber doch, als Subjekt, aller Verstand der Weltwesen anzutreffen wäre; ein Wesen folglich, das zwar nicht nach Zwecken etwas hervorbrächte, in welchem aber doch alle Dinge, wegen der Einheit des Subjekts, von dem sie bloß Bestimmungen sind, auch ohne Zweck und Absicht notwendig sich auf einander zweckmäßig beziehen mussten. So führten sie den Idealismus der Endursachen ein: indem sie die so schwer herauszubringende Einheit einer Menge zweckmäßig verbundener Substanzen, statt der Kausalabhängigkeit von einer, in die der Inhärenz in einer verwandelten; welches System in der Folge, von Seiten der inhärierenden Weltwesen betrachtet, als Pantheismus, von Seiten des allein subsistierenden Subjekts, als Urwesens, (späterhin) als Spinozismus, nicht sowohl die Frage vom ersten Grunde der Zweckmäßigkeit der Natur auflösete, als sie vielmehr für nichtig erklärte, indem der letztere Begriff, aller seiner Realität beraubt, zur bloßen Missdeutung eines allgemeinen ontologischen Begriffs von einem Dinge überhaupt gemacht wurde.

Nach bloß theoretischen Prinzipien des Vernunftgebrauchs (worauf die Physikotheologie sich allein gründet) kann also niemals der Begriff einer Gottheit, der für unsere teleologische Beurteilung der Natur zureichte, herausgebracht werden. Denn wir erklären entweder alle Teleologie für bloße Täuschung der Urteilskraft in der Beurteilung der Kausalverbindung der Dinge, und flüchten uns zu dem alleinigen Prinzip eines bloßen Mechanismus der Natur, welche, wegen der Einheit der Substanz, von der sie nichts als das Mannigfaltige der Bestimmungen derselben sei, uns eine allgemeine Beziehung auf Zwecke zu enthalten bloß scheine; oder, wenn wir, statt dieses Idealismus der Endursachen, dem Grundsatze des Realismus dieser besonderen Art der Kausalität anhänglich bleiben wollen, so mögen wir viele verständige Urwesen, oder nur ein einiges, den Naturzwecken unterlegen: sobald wir zu Begründung des Begriffs von demselben nichts als Erfahrungsprinzipien, von der wirklichen Zweckverbindung in der Welt hergenommen, zur Hand haben, so können wir einerseits wider die Misshelligkeit, die die Natur in Ansehung der Zweckeinheit in vielen Beispielen aufstellt, keinen Rat finden, andrerseits den Begriff einer einigen intelligenten Ursache, so wie wir ihn, durch bloße Erfahrung berechtigt, herausbringen, niemals für irgendeine, auf welche Art es auch sei (theoretisch oder praktisch), brauchbare Theologie bestimmt genug daraus ziehen.

Die physische Teleologie treibt uns zwar an, eine Theologie zu suchen; aber kann keine hervorbringen, so weit wir auch der Natur durch Erfahrung nachspüren, und der in ihr entdeckten Zweckverbindung, durch Vernunftideen (die zu physischen Aufgaben theoretisch sein müssen), zu Hülfe kommen mögen. Was hilft’s, wird man mit Recht klagen: dass wir allen diesen Einrichtungen einen großen, einen für uns unermeßlichen Verstand zum Grunde legen, und ihn diese Welt nach Absichten anordnen lassen? Wenn uns die Natur von der Endabsicht nichts sagt, noch jemals sagen kann, ohne welche wir uns doch keinen gemeinschaftlichen Beziehungspunkt aller dieser Naturzwecke, kein hinreichendes teleologisches Prinzip machen können, teils die Zwecke insgesamt in einem System zu erkennen, teils uns von dem obersten Verstande, als Ursache einer solchen Natur, einen Begriff zu machen, der unserer über sie teleologisch reflektierenden Urteilskraft zum Richtmaße dienen könnte. Ich hätte als dann zwar einen Kunstverstand, für zerstreute Zwecke; aber keine Weisheit, für einen Endzweck, der doch eigentlich den Bestimmungsgrund von jenem enthalten muss. In Ermangelung aber eines Endzwecks, den nur die reine Vernunft a priori an die Hand geben kann (weil alle Zwecke in der Welt empirisch bedingt sind, und nichts, als was hierzu oder dazu, als zufälliger Absicht, nicht was schlechthin gut ist, enthalten können), und der mich allein lehren würde: welche Eigenschaften, welchen Grad und welches Verhältnis der obersten Ursache der Natur ich mir zu denken habe, um diese als teleologisches System zu beurteilen: wie und mit welchem Rechte darf ich da meinen sehr eingeschränkten Begriff von jenem ursprünglichen Verstande, den ich auf meine geringe Weltkenntnis gründen kann, von der Macht dieses Urwesens, seine Ideen zur Wirklichkeit zu bringen, von seinem Willen, es zu tun u.s.w., nach Belieben erweitern, und bis zur Idee eines allweisen unendlichen Wesens ergänzen? Dies würde, wenn es theoretisch geschehen sollte, in mir selbst Allwissenheit voraussetzen, um die Zwecke der Natur in ihrem ganzen Zusammenhange einzusehen, und noch oben ein alle andere mögliche Plane denken zu können, mit denen in Vergleichung der gegenwärtige als der beste mit Grunde beurteilt werden müsste. Denn, ohne diese vollendete Kenntnis der Wirkung, kann ich auf keinen bestimmten Begriff von der obersten Ursache, der nur in dem von einer in allem Betracht unendlichen Intelligenz, d.h. dem Begriffe einer Gottheit, angetroffen werden kann, schließen, und eine Grundlage zur Theologie zu Stande bringen.

Wir können also, bei aller möglichen Erweiterung der physischen Teleologie, nach dem oben angeführten Grundsatze, wohl sagen: dass wir, nach der Beschaffenheit und den Prinzipien unseres Erkenntnisvermögens, die Natur, in ihren uns bekannt gewordenen zweckmäßigen Anordnungen, nicht anders als das Produkt eines Verstandes, dem diese unterworfen ist, denken können. Ob aber dieser Verstand mit dem Ganzen derselben und dessen Hervorbringung noch eine Endabsicht gehabt haben möge (die alsdann nicht in der Natur der Sinnenwelt liegen würde): das kann uns die theoretische Naturforschung nie eröffnen; sondern es bleibt, bei aller Kenntnis derselben, unausgemacht, ob jene oberste Ursache überall nach einem Endzwecke, und nicht vielmehr durch einen von der bloßen Notwendigkeit seiner Natur zur Hervorbringung gewisser Formen bestimmten Verstand (nach der Analogie mit dem, was wir bei den Tieren den Kunstinstinkt nennen), Urgrund derselben sei: ohne dass es nötig sei, ihr darum auch nur Weisheit, viel weniger höchste und mit allen anderen zur Vollkommenheit ihres Produkts erforderlichen Eigenschaften verbundene Weisheit, beizulegen.

Also ist Physikotheologie, eine missverstandene physische Teleologie, nur als Vorbereitung (Propädeutik) zur Theologie brauchbar, und nur durch Hinzukunft eines anderweitigen Prinzips, auf das sie sich stützen kann, nicht aber an sich selbst, wie ihr Name es anzeigen will, zu dieser Absicht zureichend.

86. Von der Ethikotheologie

Es ist ein Urteil, dessen sich selbst der gemeinste Verstand nicht entschlagen kann, wenn er über das Dasein der Dinge in der Welt und die Existenz der Welt selbst nachdenkt: dass nämlich alle die mannigfaltigen Geschöpfe, von wie großer Kunsteinrichtung und wie mannigfaltigem, zweckmäßig auf einander bezogenen Zusammenhange sie auch sein mögen, ja selbst das Ganze so vieler Systeme derselben, die wir unrichtiger Weise Welten nennen, zu nichts da sein würden, wenn es in ihnen nicht Menschen (vernünftige Wesen überhaupt) gäbe; d.h. dass, ohne den Menschen, die ganze Schöpfung eine bloße Wüste, umsonst und ohne Endzweck sein würde. Es ist aber auch nicht das Erkenntnisvermögen desselben (theoretische Vernunft), in Beziehung auf welches das Dasein alles übrigen in der Welt allererst seinen Wert bekommt, etwa damit irgend jemand da sei, welcher die Welt betrachten könne. Denn, wenn diese Betrachtung der Welt ihm doch nichts als Dinge ohne Endzweck vorstellig machte, so kann daraus, dass sie erkannt wird, dem Dasein derselben kein Wert erwachsen; und man muss schon einen Endzweck derselben voraussetzen, in Beziehung auf welchen die Weltbetrachtung selbst einen Wert habe. Auch ist es nicht das Gefühl der Lust und der Summe derselben, in Beziehung auf welches wir einen Endzweck der Schöpfung als gegeben denken, d.h. nicht das Wohlsein, der Genuß (er sei körperlich oder geistig), mit einem Worte die Glückseligkeit, wonach wir jenen absoluten Wert schätzen. Denn: dass, wenn der Mensch da ist, er diese ihm selbst zur Endabsicht macht, gibt keinen Begriff, wozu er dann überhaupt da sei, und welchen Wert er dann selbst habe, um ihm seine Existenz angenehm zu machen. Er muss also schon als Endzweck der Schöpfung vorausgesetzt werden, um einen Vernunftgrund zu haben, warum die Natur zu seiner Glückseligkeit zusammen stimmen müsse, wenn sie als ein absolutes Ganze nach Prinzipien der Zwecke betrachtet wird. Also ist es nur das Begehrungsvermögen: aber nicht dasjenige, was ihn von der Natur (durch sinnliche Antriebe) abhängig macht, nicht das, in Ansehung dessen der Wert seines Daseins auf dem, was er empfängt und genießt, beruht; sondern der Wert, welchen er allein sich selbst geben kann, und welcher in dem besteht was er tut, wie und nach welchen Prinzipien er, nicht als Naturglied, sondern in der Freiheit seines Begehrungsvermögens, handelt; d.h. ein guter Wille ist dasjenige, wodurch sein Dasein allein einen absoluten Wert und in Beziehung auf welches das Dasein der Welt einen Endzweck haben kann.

Auch stimmt damit das gemeinste Urteil der gesunden Menschenvernunft vollkommen zusammen: nämlich dass der Mensch nur als moralisches Wesen ein Endzweck der Schöpfung sein könne, wenn man die Beurteilung nur auf diese Frage leitet und veranlasst, sie zu versuchen. Was hilft’s, wird man sagen, dass dieser Mensch so viel Talent hat, dass er damit sogar sehr tätig ist, und dadurch einen nützlichen Einfluss auf das gemeine Wesen ausübt, und also in Verhältnis, so wohl auf seine Glücksumstände, als auch auf anderer Nutzen, einen großen Wert hat, wenn er keinen guten Willen besitzt? Er ist ein verachtungswürdiges Objekt, wenn man ihn nach seinem Inneren betrachtet; und, wenn die Schöpfung nicht überall ohne Endzweck sein soll, so muss er, der, als Mensch, auch dazu gehört, doch, als böser Mensch, in einer Welt unter moralischen Gesetzen, diesen gemäß, seines subjektiven Zwecks (der Glückseligkeit) verlustig gehen, als der einzigen Bedingung, unter der seine Existenz mit dem Endzwecke zusammen bestehen kann.

Wenn wir nun in der Welt Zweckanordnungen antreffen, und, wie es die Vernunft unvermeidlich fordert, die Zwecke, die es nur bedingt sind, einem unbedingten obersten, d.h. einem Endzwecke, unterordnen: so sieht man erstlich leicht, dass alsdann nicht von einem Zwecke der Natur (innerhalb derselben), sofern sie existiert, sondern dem Zwecke ihrer Existenz mit allen ihren Einrichtungen, mithin von dem letzten Zwecke der Schöpfung die Rede ist, und in diesem auch eigentlich von der obersten Bedingung, unter der allein ein Endzweck (d.h. der Bestimmungsgrund eines höchsten Verstandes zu Hervorbringung der Weltwesen) stattfinden kann.

Da wir nun den Menschen, nur als moralisches Wesen, für den Zweck der Schöpfung anerkennen: so haben wir erstlich einen Grund, wenigstens die Hauptbedingung, die Welt, als ein nach Zwecken zusammenhängendes Ganzes und als System von Endursachen anzusehen; vornehmlich aber, für die, nach Beschaffenheit unserer Vernunft, uns notwendige Beziehung der Naturzwecke auf eine verständige Weltursache, ein Prinzip, die Natur und Eigenschaften dieser ersten Ursache, als obersten Grundes im Reiche der Zwecke, zu denken, und so den Begriff derselben zu bestimmen: welches die physische Teleologie nicht vermochte, die nur unbestimmte und eben darum, zum theoretischen so wohl als praktischen Gebrauche, untaugliche Begriffe von demselben veranlassen konnte.

Aus diesem so bestimmten Prinzip der Kausalität des Urwesens werden wir es nicht bloß als Intelligenz und gesetzgebend für die Natur, sondern auch als gesetzgebendes Oberhaupt in einem moralischen Reiche der Zwecke, denken müssen. In Beziehung auf das höchste unter seiner Herrschaft allein mögliche Gut, nämlich die Existenz vernünftiger Wesen unter moralischen Gesetzen, werden wir uns dieses Urwesen als allwissend denken: damit selbst das Innerste der Gesinnungen (welches den eigentlichen moralischen Wert der Handlungen vernünftiger Weltwesen ausmacht) ihm nicht verborgen sei; als allmächtig: damit er die ganze Natur diesem höchsten Zwecke angemessen machen könne; als allgütig, und zugleich gerecht: weil diese beiden Eigenschaften (vereinigt, die Weisheit) die Bedingungen der Kausalität einer obersten Ursache der Welt als höchsten Guts, unter moralischen Gesetzen, ausmachen; und so auch alle noch übrigen transzendentalen Eigenschaften, als Ewigkeit, Allgegenwart, u.s.w. (denn Güte und Gerechtigkeit sind moralische Eigenschaften), die in Beziehung auf einen solchen Endzweck vorausgesetzt werden, an demselben denken müssen. Auf solche Weise ergänzt die moralische Teleologie den Mangel der physischen, und gründet allererst eine Theologie; da die letztere, wenn sie nicht unbemerkt aus der ersteren borgte, sondern konsequent verfahren sollte, für sich allein nichts als eine Dämonologie, welche keines bestimmten Begriffs fähig ist, begründen könnte.

Aber das Prinzip der Beziehung der Welt, wegen der moralischen Zweckbestimmung gewisser Wesen in derselben, auf eine oberste Ursache, als Gottheit, tut dieses nicht bloß dadurch, dass es den physisch-teleologischen Beweisgrund ergänzt, und also diesen notwendig zum Grunde legt; sondern es ist dazu auch für sich hinreichend, und treibt die Aufmerksamkeit auf die Zwecke der Natur, und die Nachforschung der hinter ihren Formen verborgen liegenden unbegreiflich großen Kunst, um den Ideen, die die reine praktische Vernunft herbeischafft, an den Naturzwecken beiläufige Bestätigung zu geben. Denn der Begriff von Weltwesen unter moralischen Gesetzen ist ein Prinzip a priori, wonach sich der Mensch notwendig beurteilen muss. Dass ferner, wenn es überall eine absichtlich wirkende und auf einen Zweck gerichtete Weltursache gibt, jenes moralische Verhältnis ebenso notwendig die Bedingung der Möglichkeit einer Schöpfung sein müsse, als das nach physischen Gesetzen (wenn nämlich jene verständige Ursache auch einen Endzweck hat): sieht die Vernunft, auch a priori, als einen für sie zur teleologischen Beurteilung der Existenz der Dinge notwendigen Grundsatz an. Nun kommt es nur darauf an: ob wir irgendeinen für die Vernunft (es sei die spekulative oder praktische) hinreichenden Grund haben, der nach Zwecken handelnden obersten Ursache einen Endzweck beizulegen. Denn, dass alsdann dieser, nach der subjektiven Beschaffenheit unserer Vernunft, und selbst wie wir uns auch die Vernunft anderer Wesen nur immer denken mögen, kein anderer als der Mensch unter moralischen Gesetzen sein könne: kann a priori für uns als gewiss gelten; da hingegen die Zwecke der Natur in der physischen Ordnung a priori gar nicht können erkannt, vornehmlich, dass eine Natur ohne solche nicht existieren könne, auf keine Weise kann eingesehen werden.

Anmerkung

Setzet einen Menschen in den Augenblicken der Stimmung seines Gemüts zur moralischen Empfindung. Wenn er sich, umgeben von einer schönen Natur, in einem ruhigen heiteren Genusse seines Daseins befindet, so fühlt er in sich ein Bedürfnis, irgendjemand dafür dankbar zu sein. Oder er sehe sich einandermal in derselben Gemütsverfassung im Gedränge von Pflichten, denen er nur durch freiwillige Aufopferung Genüge leisten kann und will: so fühlt er in sich ein Bedürfnis, hiermit zugleich etwas Befohlnes ausgerichtet und einem Oberherren gehorcht zu haben. Oder er habe sich etwa unbedachtsamer Weise wider seine Pflicht vergangen, wodurch er doch eben nicht Menschen verantwortlich geworden ist: so werden die strengen Selbstverweise dennoch eine Sprache in ihm führen, als ob sie die Stimme eines Richters wären, dem er darüber Rechenschaft abzulegen hatte. Mit einem Worte: er bedarf einer moralischen Intelligenz, um für den Zweck, wozu er existiert, ein Wesen zu haben, welches diesem gemäß von ihm und der Welt die Ursache sei. Triebfedern hinter diesen Gefühlen herauszukünsteln ist vergeblich; denn sie hängen unmittelbar mit der reinsten moralischen Gesinnung zusammen, weil Dankbarkeit, Gehorsam, und Demütigung (Unterwerfung unter verdiente Züchtigung) besondere Gemütsstimmungen zur Pflicht sind, und das zu Erweiterung seiner moralischen Gesinnung geneigte Gemüt hier sich nur einen Gegenstand freiwillig denkt, der nicht in der Welt ist, um, wo möglich, auch gegen einen solchen seine Pflicht zu beweisen. Es ist also wenigstens möglich und auch der Grund dazu in moralischer Denkungsart gelegen, ein reines moralisches Bedürfnis der Existenz eines Wesens sich vorzustellen, unter welchem entweder unsere Sittlichkeit mehr Stärke oder auch (wenigstens unserer Vorstellung nach) mehr Umfang, nämlich einen neuen Gegenstand für ihre Ausübung gewinnt; d.h. ein moralisch-gesetzgebendes Wesen außer der Welt, ohne alle Rücksicht auf theoretischen Beweis, noch weniger auf selbstsüchtiges Interesse, aus reinem moralischen, von allem fremden Einflusse freien (dabei freilich nur subjektiven) Grunde, anzunehmen, auf bloße Anpreisung einer für sich allein gesetzgebenden reinen praktischen Vernunft. Und, ob gleich eine solche Stimmung des Gemüts selten vorkäme, oder auch nicht lange haftete, sondern flüchtig und ohne dauernde Wirkung, oder auch ohne einiges Nachdenken über den in einem solchen Schattenbilde vorgestellten Gegenstand, und ohne Bemühung, ihn unter deutliche Begriffe zu bringen, vorüberginge: so ist doch der Grund dazu, die moralische Anlage in uns, als subjektives Prinzip, sich in der Weltbetrachtung mit ihrer Zweckmäßigkeit durch Naturursachen nicht zu begnügen, sondern ihr eine oberste nach moralischen Prinzipien die Natur beherrschende Ursache unterzulegen, unverkennbar. Wozu noch kommt, dass wir, nach einem allgemeinen höchsten Zwecke zu streben, uns durch das moralische Gesetz gedrungen, uns aber doch und die gesamte Natur ihn zu erreichen unvermögend fühlen; dass wir, nur so fern wir danach streben, dem Endzwecke einer verständigen Weltursache (wenn es eine solche gäbe) gemäß zu sein urteilen dürfen; und so ist ein reiner moralischer Grund der praktischen Vernunft vorhanden, diese Ursache (da es ohne Widerspruch geschehen kann) anzunehmen, wo nicht mehr, doch damit wir jene Bestrebung, in ihren Wirkungen, nicht für ganz eitel anzusehen und dadurch sie ermatten zu lassen Gefahr laufen.

Mit diesem allen soll hier nur so viel gesagt werden: dass die Furcht zwar zuerst Götter (Dämonen), aber die Vernunft, vermittelst ihrer moralischen Prinzipien, zuerst den Begriff von Gott habe hervorbringen können (auch selbst, wenn man in der Teleologie der Natur, wie gemeiniglich, sehr unwissend, oder auch, wegen der Schwierigkeit, die einander hierin widersprechenden Erscheinungen durch ein genügsam bewährtes Prinzip auszugleichen, sehr zweifelhaft war); und dass die innere moralische Zweckbestimmung seines Daseins das ergänzte, was der Naturkenntnis abging, indem sie nämlich anwies, zu dem Endzwecke vom Dasein aller Dinge, wozu das Prinzip nicht anders, als ethisch, der Vernunft genugtuend ist, die oberste Ursache mit Eigenschaften, womit sie die ganze Natur jener einzigen Absicht (zu der diese bloß Werkzeug ist) zu unterwerfen vermögend ist (d.h. als eine Gottheit), zu denken.

87. Von dem moralischen Beweise des Daseins Gottes

Es gibt eine physische Teleologie, welche einen für unsere theoretisch reflektierende Urteilskraft hinreichenden Beweisgrund an die Hand gibt, das Dasein einer verständigen Weltursache anzunehmen. Wir finden aber in uns selbst, und noch mehr in dem Begriffe eines vernünftigen mit Freiheit (seiner Kausalität) begabten Wesens überhaupt, auch eine moralische Teleologie, die aber, weil die Zweckbeziehung in uns selbst a priori, samt dem Gesetze derselben, bestimmt, mithin als notwendig erkannt werden kann, zu diesem Behuf keiner verständigen Ursache außer uns für diese innere Gesetzmäßigkeit bedarf: so wenig, als wir bei dem, was wir in den geometrischen Eigenschaften der Figuren (für allerlei mögliche Kunstausübung) Zweckmäßiges finden, auf einen ihnen dieses erteilenden höchsten Verstand hinaus sehen dürfen. Aber diese moralische Teleologie betrifft doch uns, als Weltwesen, und also mit anderen Dingen in der Welt verbundene Wesen: auf welche letzteren, entweder als Zwecke oder als Gegenstände, in Ansehung deren wir selbst Endzweck sind, unsere Beurteilung zu richten eben dieselben moralischen Gesetze uns zur Vorschrift machen. Von dieser moralischen Teleologie nun, welche die Beziehung unserer eigenen Kausalität auf Zwecke und sogar auf einen Endzweck, der von uns in der Welt beabsichtigt werden muss, imgleichen die wechselseitige Beziehung der Welt auf jenen sittlichen Zweck und die äußere Möglichkeit seiner Ausführung (wozu keine physische Teleologie uns Anleitung geben kann) betrifft, geht nun die notwendige Frage aus: ob sie unsere vernünftige Beurteilung nötige, über die Welt hinaus zu gehen, und, zu jener Beziehung der Natur auf das Sittliche in uns, ein verständiges oberstes Prinzip zu suchen, um die Natur, auch in Beziehung auf die moralische innere Gesetzgebung und deren mögliche Ausführung, uns als zweckmäßig vorzustellen. Folglich gibt es allerdings eine moralische Teleologie; und diese hängt mit der Nomothetik der Freiheit einerseits, und der der Natur andererseits, ebenso notwendig zusammen, als bürgerliche Gesetzgebung mit der Frage, wo man die exekutive Gewalt suchen soll, und überhaupt in allem, worin die Vernunft ein Prinzip der Wirklichkeit einer gewissen gesetzmäßigen, nur nach Ideen möglichen, Ordnung der Dinge angeben soll, Zusammenhang ist. Wir wollen den Fortschritt der Vernunft von jener moralischen Teleologie, und ihrer Beziehung auf die physische, zur Theologie allererst vortragen, und nachher über die Möglichkeit und Bündigkeit dieser Schlußart Betrachtungen anstellen.

Wenn man das Dasein gewisser Dinge (oder auch nur gewisser Formen der Dinge) als zufällig, mithin nur durch etwas anderes, als Ursache, möglich annimmt: so kann man zu dieser Kausalität der obersten und also zu dem Bedingten den unbedingten Grund entweder in der physischen, oder teleologischen Ordnung suchen (nach dem nexu effectivo, oder finali), d.h. man kann fragen: welches ist die oberste hervorbringende Ursache? Oder was ist der oberste (schlechthin unbedingte) Zweck derselben, d.h. der Endzweck ihrer Hervorbringung dieser oder aller ihrer Produkte überhaupt? Wobei dann freilich vorausgesetzt wird, dass diese Ursache einer Vorstellung der Zwecke fähig, mithin ein verständiges Wesen sei, oder wenigstens von uns als nach den Gesetzen eines solchen Wesens handelnd gedacht werden müsse.

Nun ist, wenn man der letzteren Ordnung nachgeht, es ein Grundsatz, dem selbst die gemeinste Menschenvernunft unmittelbar Beifall zu geben genötigt ist: dass, wenn überall ein Endzweck, den die Vernunft a priori angeben muss, stattfinden soll, dieser kein anderer, als der Mensch (ein jedes vernünftige Weltwesen) unter moralischen Gesetzen sein könne. Denn: (so urteilt ein jeder) bestände die Welt aus lauter leblosen, oder zwar zum Teil aus lebenden aber vernunftlosen Wesen, so würde das Dasein einer solchen Welt gar keinen Wert haben, weil in ihr kein Wesen existierte, das von einem Werte den mindesten Begriff hat. Wären dagegen auch vernünftige Wesen, deren Vernunft aber den Wert des Daseins der Dinge nur im Verhältnisse der Natur zu ihnen (ihrem Wohlbefinden) zu setzen, nicht aber sich einen solchen ursprünglich (in der Freiheit) selbst zu verschaffen im Stande wäre: so wären zwar (relative) Zwecke in der Welt, aber kein (absoluter) Endzweck, weil das Dasein solcher vernünftigen Wesen doch immer zwecklos sein würde. Die moralischen Gesetze aber sind von der eigentümlichen Beschaffenheit, dass sie etwas als Zweck ohne Bedingung, mithin gerade so, wie der Begriff eines Endzwecks es bedarf, für die Vernunft vorschreiben: und die Existenz einer solchen Vernunft, die in der Zweckbeziehung ihr selbst das oberste Gesetz sein kann, mit anderen Worten die Existenz vernünftiger Wesen unter moralischen Gesetzen, kann also allein als Endzweck vom Dasein einer Welt gedacht werden. Ist dagegen dieses nicht so bewandt, so liegt dem Dasein derselben entweder gar kein Zweck in der Ursache, oder es liegen ihm Zwecke ohne Endzweck zum Grunde.

Das moralische Gesetz, als formale Vernunftbedingung des Gebrauchs unserer Freiheit, verbindet uns für sich allein, ohne von irgendeinem Zwecke, als materialer Bedingung, abzuhängen; aber es bestimmt uns doch auch, und zwar a priori, einen Endzweck, welchem nachzustreben es uns verbindlich macht: und dieser ist das höchste durch Freiheit mögliche Gut in der Welt.

Die subjektive Bedingung, unter welcher der Mensch (und nach allen unseren Begriffen auch jedes vernünftige endliche Wesen) sich, unter dem obigen Gesetze, einen Endzweck setzen kann, ist die Glückseligkeit. Folglich das höchste in der Welt mögliche, und, so viel an uns ist, als Endzweck zu befördernde, physische Gut ist Glückseligkeit: unter der objektiven Bedingung der Einstimmung des Menschen mit dem Gesetze der Sittlichkeit, als der Würdigkeit glücklich zu sein.

Diese zwei Erfordernisse des uns durch das moralische Gesetz aufgegebenen Endzwecks können wir aber, nach allen unseren Vernunftvermögen, als durch bloße Naturursachen verknüpft, und der Idee des gedachten Endzwecks angemessen, unmöglich uns vorstellen. Also stimmt der Begriff von der praktischen Notwendigkeit eines solchen Zwecks, durch die Anwendung unserer Kräfte, nicht mit dem theoretischen Begriffe von der physischen Möglichkeit der Bewirkung desselben zusammen, wenn wir mit unserer Freiheit keine andere Kausalität (eines Mittels), als die der Natur, verknüpfen.

Folglich müssen wir eine moralische Weltursache (einen Welturheber) annehmen, um uns, gemäß dem moralischen Gesetze, einen Endzweck vorzusetzen; und, so weit als das letztere notwendig ist, so weit (d.h. in demselben Grade und aus demselben Grunde) ist auch das erstere notwendig anzunehmen: nämlich es sei ein Gott.

Dieser Beweis, dem man leicht die Form der logischen Präzision anpassen kann, will nicht sagen: es ist ebenso notwendig, das Dasein Gottes anzunehmen, als die Gültigkeit des moralischen Gesetzes anzuerkennen; mithin, wer sich vom letzteren nicht überzeugen kann, könne sich von den Verbindlichkeiten nach dem ersteren los zu sein urteilen. Nein! Nur die Beabsichtigung des durch die Befolgung des ersteren zu bewirkenden Endzwecks in der Welt (einer mit der Befolgung moralischer Gesetze harmonisch zusammentreffenden Glückseligkeit vernünftiger Wesen, als das höchste Weltbeste) müsste alsdann aufgegeben werden. Ein jeder Vernünftige würde sich an der Vorschrift der Sitten immer noch als strenge gebunden erkennen müssen; denn die Gesetze derselben sind formal und gebieten unbedingt, ohne Rücksicht auf Zwecke (als die Materie des Wollens). Aber das eine Erfordernis des Endzwecks, wie ihn die praktische Vernunft den Weltwesen vorschreibt, ist ein in sie durch ihre Natur (als endlicher Wesen) gelegter unwiderstehlicher Zweck, den die Vernunft nur dem moralischen Gesetze als unverletzlicher Bedingung unterworfen, oder auch nach demselben allgemein gemacht wissen will, und so die Beförderung der Glückseligkeit, in Einstimmung mit der Sittlichkeit, zum Endzwecke macht. Diesen nun, so viel (was die ersteren betrifft) in unserem Vermögen ist, zu befördern, wird uns durch das moralische Gesetz geboten; der Ausschlag, den diese Bemühung hat, mag sein welcher er wolle. Die Erfüllung der Pflicht besteht in der Form des ernstlichen Willens, nicht in den Mittelursachen des Gelingens.

Gesetzt also: ein Mensch überredete sich, teils durch die Schwäche aller so sehr gepriesenen spekulativen Argumente, teils durch manche in der Natur und Sittenwelt ihm vorkommende Unregelmäßigkeiten bewogen, von dem Satze: es sei kein Gott: so würde er doch in seinen eigenen Augen ein Nichtswürdiger sein, wenn er darum die Gesetze der Pflicht für bloß eingebildet, ungültig, unverbindlich halten, und ungescheut zu übertreten beschließen wollte. Ein solcher würde auch alsdann noch, wenn er sich in der Folge von dem, was er anfangs bezweifelt hatte, überzeugen könnte, mit jener Denkungsart doch immer ein Nichtswürdiger bleiben: ob er gleich seine Pflicht, aber aus Furcht, oder aus lohnsüchtiger Absicht, ohne pflichtverehrende Gesinnung, der Wirkung nach so pünktlich, wie es immer verlangt werden mag, erfüllte. Umgekehrt, wenn er sie als Gläubiger seinem Bewusstsein nach aufrichtig und uneigennützig befolgt, und gleichwohl, so oft er zum Versuche den Fall setzt, er könnte einmal überzeuget werden, es sei kein Gott, sich sogleich von aller sittlichen Verbindlichkeit frei glaubte: müsste es doch mit der inneren moralischen Gesinnung in ihm nur schlecht bestellt sein.

Wir können also einen rechtschaffenen Mann (wie etwa den Spinoza) annehmen, der sich fest überredet hält: es sei kein Gott, und (weil es in Ansehung des Objekts der Moralität auf einerlei Folge hinausläuft) auch kein künftiges Leben; wie wird er seine eigene innere Zweckbestimmung durch das moralische Gesetz, welches er tätig verehrt, beurteilen? Er verlangt von Befolgung desselben für sich keinen Vorteil, weder in dieser noch in einer anderen Welt; uneigennützig will er vielmehr nur das Gute stiften, wozu jenes heilige Gesetz allen seinen Kräften die Richtung gibt. Aber sein Bestreben ist begrenzt; und von der Natur kann er zwar hin und wieder einen zufälligen Beitritt, niemals aber eine gesetzmäßige und nach beständigen Regeln (so wie innerlich seine Maximen sind und sein müssen) eintreffende Zusammenstimmung zu dem Zwecke erwarten, welchen zu bewirken er sich doch verbunden und angetrieben fühlt. Betrug, Gewalttätigkeit und Neid werden immer um ihn im Schwange gehen, ob er gleich selbst redlich, friedfertig und wohlwollend ist; und die Rechtschaffenen, die er außer sich noch antrifft, werden, unangesehen aller ihrer Würdigkeit glücklich zu sein, dennoch durch die Natur, die darauf nicht achtet, allen Übeln des Mangels, der Krankheiten und des unzeitigen Todes, gleich den übrigen Tieren der Erde, unterworfen sein und es auch immer bleiben, bis ein weites Grab sie insgesamt (redlich oder unredlich, das gilt hier gleichviel) verschlingt, und sie, die da glauben konnten, Endzweck der Schöpfung zu sein, in den Schlund des zwecklosen Chaos der Materie zurück wirft, aus dem sie gezogen waren. Den Zweck also, den dieser Wohlgesinnte in Befolgung der moralischen Gesetze vor Augen hatte und haben sollte, müsste er allerdings, als unmöglich, aufgeben; oder will er auch hierin dem Rufe seiner sittlichen inneren Bestimmung anhänglich bleiben, und die Achtung, welche das sittliche Gesetz ihm unmittelbar zum Gehorchen einflößt, nicht durch die Nichtigkeit des einzigen ihrer hohen Forderung angemessenen idealischen Endzwecks schwächen (welches ohne einen der moralischen Gesinnung widerfahrenden Abbruch nicht geschehen kann): so muss er, welches er auch gar wohl tun kann, indem es an sich wenigstens nicht widersprechend ist, in praktischer Absicht, d.h. um sich wenigstens von der Möglichkeit des ihm moralisch vorgeschriebenen Endzwecks einen Begriff zu machen, das Dasein eines moralischen Welturhebers, d.h. Gottes, annehmen.

88. Beschränkung der Gültigkeit des moralischen Beweises

Die reine Vernunft, als praktisches Vermögen, d.h. als Vermögen, den freien Gebrauch unserer Kausalität durch Ideen (reine Vernunftbegriffe) zu bestimmen, enthält nicht allein im moralischen Gesetze ein regulatives Prinzip unserer Handlungen, sondern gibt auch dadurch zugleich ein subjektiv-konstitutives, in dem Begriffe eines Objekts an die Hand, welches nur Vernunft denken kann, und welches durch unsere Handlungen in der Welt nach jenem Gesetze wirklich gemacht werden soll. Die Idee eines Endzwecks im Gebrauche der Freiheit nach moralischen Gesetzen hat also subjektiv-praktische Realität. Wir sind a priori durch die Vernunft bestimmt, das Weltbeste, welches in der Verbindung des größten Wohls der vernünftigen Weltwesen mit der höchsten Bedingung des Guten an demselben, d.h. der allgemeinen Glückseligkeit mit der gesetzmäßigsten Sittlichkeit, besteht, nach allen Kräften zu befördern. In diesem Endzwecke ist die Möglichkeit des einen Teils, nämlich der Glückseligkeit, empirisch bedingt, d.h. von der Beschaffenheit der Natur (ob sie zu diesem Zwecke übereinstimme oder nicht) abhängig, und in theoretischer Rücksicht problematisch; indes der andere Teil, nämlich die Sittlichkeit, in Ansehung deren wir von der Naturmitwirkung frei sind, seiner Möglichkeit nach a priori fest steht und dogmatisch gewiss ist. Zur objektiven theoretischen Realität also des Begriffs von dem Endzwecke vernünftiger Weltwesen wird erfordert, dass nicht allein wir einen uns a priori vorgesetzten Endzweck haben, sondern dass auch die Schöpfung, d.h. die Welt selbst, ihrer Existenz nach einen Endzweck habe: welches, wenn es a priori bewiesen werden könnte, zur subjektiven Realität des Endzwecks die objektive hinzutun würde. Denn, hat die Schöpfung überall einen Endzweck, so können wir ihn nicht anders denken, als so, dass er mit dem moralischen (der allein den Begriff von einem Zwecke möglich macht) übereinstimmen müsse. Nun finden wir aber in der Welt zwar Zwecke: und die physische Teleologie stellt sie in solchem Maße dar, dass, wenn wir der Vernunft gemäß urteilen, wir zum Prinzip der Nachforschung der Natur zuletzt anzunehmen Grund haben, dass in der Natur gar nichts ohne Zweck sei; allein den Endzweck der Natur suchen wir in ihr selbst vergeblich. Dieser kann und muss daher, so wie die Idee davon nur in der Vernunft liegt, selbst seiner objektiven Möglichkeit nach, nur in vernünftigen Wesen gesucht werden. Die praktische Vernunft der letzteren aber gibt diesen Endzweck nicht allein an, sondern bestimmt auch diesen Begriff in Ansehung der Bedingungen, unter welchen ein Endzweck der Schöpfung allein von uns gedacht werden kann.

Es ist nun die Frage: ob die objektive Realität des Begriffs von einem Endzweck der Schöpfung nicht auch für die theoretischen Forderungen der reinen Vernunft hinreichend, wenn gleich nicht apodiktisch, für die bestimmende, doch hinreichend für die Maximen der theoretisch-reflektierenden Urteilskraft könne dargetan werden. Dieses ist das mindeste, was man der spekulativen Philosophie ansinnen kann, die den sittlichen Zweck mit den Naturzwecken vermittelst der Idee eines einzigen Zwecks zu verbinden sich anheischig macht; aber auch dieses wenige ist doch weit mehr, als sie je zu leisten vermag. Nach dem Prinzip der theoretisch-reflektierenden Urteilskraft würden wir sagen: Wenn wir Grund haben, zu den zweckmäßigen Produkten der Natur eine oberste Ursache der Natur anzunehmen, deren Kausalität in Ansehung der Wirklichkeit der letzteren (die Schöpfung) von anderer Art, als zum Mechanismus der Natur erforderlich ist, nämlich als die eines Verstandes, gedacht werden musste: so werden wir auch an diesem Urwesen nicht bloß allenthalben in der Natur Zwecke, sondern auch einen Endzweck zu denken hinreichenden Grund haben, wenn gleich nicht, um das Dasein eines solchen Wesens darzutun, doch wenigstens (so wie es in der physischen Teleologie geschah) uns zu überzeugen, dass wir die Möglichkeit einer solchen Welt nicht bloß nach Zwecken, sondern auch nur dadurch, dass wir ihrer Existenz einen Endzweck unterlegen, uns begreiflich machen können.

Allein Endzweck ist bloß ein Begriff unserer praktischen Vernunft, und kann aus keinen Datis der Erfahrung zu theoretischer Beurteilung der Natur gefolgert, noch auf Erkenntnis derselben bezogen werden. Es ist kein Gebrauch von diesem Begriffe möglich, als lediglich für die praktische Vernunft nach moralischen Gesetzen; und der Endzweck der Schöpfung ist diejenige Beschaffenheit der Welt, die zu dem, was wir allein nach Gesetzen bestimmt angeben können, nämlich dem Endzwecke unserer reinen praktischen Vernunft, und zwar so fern sie praktisch sein soll, übereinstimmt. Nun haben wir durch das moralische Gesetz, welches uns diesen letzteren auferlegt, in praktischer Absicht, nämlich um unsere Kräfte zur Bewirkung desselben anzuwenden, einen Grund, die Möglichkeit, Ausführbarkeit desselben, mithin auch (weil, ohne Beitritt der Natur zu einer in unserer Gewalt nicht stehenden Bedingung derselben, die Bewirkung desselben unmöglich sein würde) eine Natur der Dinge, die dazu übereinstimmt, anzunehmen. Also haben wir einen moralischen Grund, uns an einer Welt auch einen Endzweck der Schöpfung zu denken.

Dieses ist nun noch nicht der Schluß von der moralischen Teleologie auf eine Theologie, d.h. auf das Dasein eines moralischen Welturhebers, sondern nur auf einen Endzweck der Schöpfung, der auf diese Art bestimmt wird. Dass nun zu dieser Schöpfung, d.h. der Existenz der Dinge, gemäß einem Endzwecke, erstlich ein verständiges, aber zweitens nicht bloß (wie zu der Möglichkeit der Dinge der Natur, die wir als Zwecke zu beurteilen genötiget waren) ein verständiges, sondern ein zugleich moralisches Wesen, als Welturheber, mithin ein Gott angenommen werden musste: ist ein zweiter Schluß, welcher so beschaffen ist, dass man sieht, er sei bloß für die Urteilskraft, nach Begriffen der praktischen Vernunft, und, als ein solcher, für die reflektierende, nicht die bestimmende, Urteilskraft gefället. Denn wir können uns nicht anmaßen einzusehen: dass, obzwar in uns die moralisch-praktische Vernunft von der technisch-praktischen ihren Prinzipien nach wesentlich unterschieden ist, in der obersten Weltursache, wenn sie als Intelligenz angenommen wird, es auch so sein musste, und eine besondere und verschiedene Art der Kausalität derselben zum Endzwecke, als bloß zu Zwecken der Natur, erforderlich sei; dass wir mithin an unserm Endzweck nicht bloß einen moralischen Grund haben, einen Endzweck der Schöpfung (als Wirkung), sondern auch ein moralisches Wesen, als Urgrund der Schöpfung, anzunehmen. Wohl aber können wir sagen: dass, nach der Beschaffenheit unseres Vernunftvermögens, wir uns die Möglichkeit einer solchen auf das moralische Gesetz und dessen Objekt bezogenen Zweckmäßigkeit, als in diesem Endzwecke ist, ohne einen Welturheber und Regierer, der zugleich moralischer Gesetzgeber ist, gar nicht begreiflich machen können.

Die Wirklichkeit eines höchsten moralisch-gesetzgebenden Urhebers ist also bloß für den praktischen Gebrauch unserer Vernunft hinreichend dargetan, ohne in Ansehung des Daseins desselben etwas theoretisch zu bestimmen. Denn diese bedarf zur Möglichkeit ihres Zwecks, der uns auch ohne das durch ihre eigene Gesetzgebung aufgegeben ist, einer Idee, wodurch das Hindernis, aus dem Unvermögen ihrer Befolgung nach dem bloßen Naturbegriffe von der Welt (für die reflektierende Urteilskraft hinreichend) weggeräumt wird; und diese Idee bekommt dadurch praktische Realität, wenn ihr gleich alle Mittel, ihr eine solche in theoretischer Absicht, zur Erklärung der Natur und Bestimmung der obersten Ursache zu verschaffen, für das spekulative Erkenntnis gänzlich abgehen. Für die theoretisch reflektierende Urteilskraft bewies die physische Teleologie aus den Zwecken der Natur hinreichend eine verständige Weltursache; für die praktische bewirkt dieses die moralische durch den Begriff eines Endzwecks, den sie in praktischer Absicht der Schöpfung beizulegen genötiget ist. Die objektive Realität der Idee von Gott, als moralischen Welturhebers, kann nun zwar nicht durch physische Zwecke allein dargetan werden; gleichwohl aber, wenn ihr Erkenntnis mit dem des moralischen verbunden wird, sind jene, vermöge der Maxime der reinen Vernunft, Einheit der Prinzipien, so viel sich tun lässt, zu befolgen, von großer Bedeutung, um der praktischen Realität jener Idee, durch die, welche sie in theoretischer Absicht für die Urteilskraft bereit hat, zu Hülfe zu kommen.

Hierbei ist nun, zu Verhütung eines leicht eintretenden Missverständnisses, höchst nötig anzumerken, dass wir erstlich diese Eigenschaften des höchsten Wesens nur nach der Analogie denken können. Denn wie wollten wir seine Natur, wovon uns die Erfahrung nichts Ähnliches zeigen kann, erforschen? Zweitens, dass wir es durch dasselbe auch nur denken, nicht darnach erkennen, und sie ihm etwa theoretisch beilegen können; denn das wäre für die bestimmende Urteilskraft in spekulativer Absicht unserer Vernunft, um, was die oberste Weltursache an sich sei, einzusehen. Hier aber ist es nur darum zu tun, welchen Begriff wir uns, nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermögen, von demselben zu machen, und ob wir seine Existenz anzunehmen haben, um einem Zwecke, den uns reine praktische Vernunft, ohne alle solche Voraussetzung, a priori nach allen Kräften zu bewirken auferlegt, gleichfalls nur praktische Realität zu verschaffen, d.h. nur eine beabsichtete Wirkung als möglich denken zu können. Immerhin mag jener Begriff für die spekulative Vernunft überschwenglich sein; auch mögen die Eigenschaften, die wir dem dadurch gedachten Wesen beilegen, objektiv gebraucht, einen Anthropomorphismus in sich verbergen: die Absicht ihres Gebrauchs ist auch nicht, seine für uns unerreichbare Natur, sondern uns selbst und unseren Willen, darnach bestimmen zu wollen. So wie wir eine Ursache nach dem Begriffe, den wir von der Wirkung haben (aber nur in Ansehung ihrer Relation dieser), benennen, ohne darum die innere Beschaffenheit derselben durch die Eigenschaften, die uns von dergleichen Ursachen einzig und allein bekannt und durch Erfahrung gegeben werden müssen, innerlich bestimmen zu wollen; so wie wir z.B. der Seele unter anderen auch eine vim locomotivam beilegen, weil wirklich Bewegungen des Körpers entspringen, deren Ursache in ihren Vorstellungen liegt, ohne ihr darum die einzige Art, wie wir bewegende Kräfte kennen (nämlich durch Anziehung, Druck, Stoß, mithin Bewegung, welche jederzeit ein ausgedehntes Wesen voraussetzen), beilegen zu wollen: ebenso werden wir etwas, das den Grund der Möglichkeit und der praktischen Realität, d.h. der Ausführbarkeit, eines notwendigen moralischen Endzwecks enthält, annehmen müssen; dieses aber, nach Beschaffenheit der von ihm erwarteten Wirkung, uns als ein weises nach moralischen Gesetzen die Welt beherrschenden Wesen denken können, und der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermögen gemäß, als von der Natur unterschiedene Ursache der Dinge denken müssen, um nur das Verhältnis dieses alle unsere Erkenntnisvermögen übersteigenden Wesens zum Objekte unserer praktischen Vernunft auszudrücken: ohne doch dadurch die einzige uns bekannte Kausalität dieser Art, nämlich einen Verstand und Willen, ihm darum theoretisch beilegen, ja selbst auch nur die an ihm gedachte Kausalität in Ansehung dessen, was für uns Endzweck ist, als in diesem Wesen selbst von der Kausalität in Ansehung der Natur (und deren Zweckbestimmungen überhaupt) objektiv unterscheiden zu wollen, sondern diesen Unterschied nur als subjektiv notwendig, für die Beschaffenheit unseres Erkenntnisvermögens, und gültig für die reflektierende, nicht für die objektiv bestimmende Urteilskraft, annehmen können. Wenn es aber auf das Praktische ankommt, so ist ein solches regulatives Prinzip (für die Klugheit oder Weisheit): dem, was nach Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermögen von uns auf gewisse Weise allein als möglich gedacht werden kann, als Zwecke gemäß zu handeln, zugleich konstitutiv, d.h. praktisch bestimmend; indes eben dasselbe, als Prinzip, die objektive Möglichkeit der Dinge zu beurteilen, keinesweges theoretisch-bestimmend (dass nämlich auch dem Objekte die einzige Art der Möglichkeit zukomme, die unserm Vermögen zu denken zukommt), sondern ein bloß regulatives Prinzip für die reflektierende Urteilskraft ist.

Anmerkung

Dieser moralische Beweis ist nicht etwa ein neu erfundener, sondern allenfalls nur ein neuerörterter Beweisgrund; denn er hat vor der frühesten Aufkeimung des menschlichen Vernunftvermögens schon in demselben gelegen, und wird mit der fortgehenden Kultur desselben nur immer mehr entwickelt. Sobald die Menschen über Recht und Unrecht zu reflektieren anfingen, in einer Zeit, wo sie über die Zweckmäßigkeit der Natur noch gleichgültig wegsahen, sie nützten, ohne sich dabei etwas anderes als den gewohnten Lauf der Natur zu denken, musste sich das Urteil unvermeidlich einfinden: dass es im Ausgange nimmermehr einerlei sein könne, ob ein Mensch sich redlich oder falsch, billig oder gewalttätig verhalten habe, wenn er gleich bis an sein Lebensende, wenigstens sichtbarlich, für seine Tugenden kein Glück, oder für seine Verbrechen keine Strafe angetroffen habe. Es ist: als ob sie in sich eine Stimme wahrnähmen, es müsse anders zugehen; mithin musste auch die, obgleich dunkle, Vorstellung von etwas, dem sie nachzustreben sich verbunden fühlten, verborgen liegen, womit ein solcher Ausschlag sich gar nicht zusammenreimen lasse, oder womit, wenn sie den Weltlauf einmal als die einzige Ordnung der Dinge ansahen, sie wiederum jene innere Zweckbestimmung ihres Gemüts nicht zu vereinigen wußten. Nun mochten sie die Art, wie eine solche Unregelmäßigkeit (welche dem menschlichen Gemüte weit empörender sein muss, als der blinde Zufall, den man etwa der Naturbeurteilung zum Prinzip unterlegen wollte) ausgeglichen werden könne, sich auf mancherlei noch so grobe Weise vorstellen: so konnten sie sich doch niemals ein anderes Prinzip der Möglichkeit der Vereinigung der Natur mit ihrem inneren Sittengesetze erdenken, als eine nach moralischen Gesetzen die Welt beherrschende oberste Ursache: weil ein als Pflicht aufgegebener Endzweck in ihnen, und eine Natur ohne allen Endzweck, außer ihnen, in welcher gleichwohl jener Zweck wirklich werden soll, im Widerspruche stehen. Über die innere Beschaffenheit jener Weltursache konnten sie nun manchen Unsinn ausbrüten; jenes moralische Verhältnis in der Weltregierung blieb immer dasselbe, welches für die unangebauteste Vernunft, sofern sie sich als praktisch betrachtet, allgemein fasslich ist, mit welcher hingegen die spekulative bei weitem nicht gleichen Schritt halten kann. Auch wurde, aller Wahrscheinlichkeit nach, durch dieses moralische Interesse allererst die Aufmerksamkeit auf die Schönheit und Zwecke in der Natur rege gemacht, die alsdenn jene Idee zu bestärken vortrefflich diente, sie aber doch nicht begründen, noch weniger jenes entbehren konnte, weil selbst die Nachforschung der Zwecke der Natur nur in Beziehung auf den Endzweck dasjenige unmittelbare Interesse bekommt, welches sich in der Bewunderung derselben, ohne Rücksicht auf irgend daraus zu ziehenden Vorteil, in so großem Maße zeigt.

89. Von dem Nutzen des moralischen Arguments

Die Einschränkung der Vernunft, in Ansehung aller unserer Ideen vom Übersinnlichen, auf die Bedingungen ihres praktischen Gebrauchs, hat, was die Idee von Gott betrifft, den unverkennbaren Nutzen: dass sie verhütet, dass Theologie sich nicht in Theosophie (in vernunftverwirrende überschwengliche Begriffe) versteige, oder zur Dämonologie (einer anthropomorphistischen Vorstellungsart des höchsten Wesens) herabsinke; dass Religion nicht in Theurgie (ein schwärmerischer Wahn, von anderen übersinnlichen Wesen Gefühl und auf sie wiederum Einfluss haben zu können), oder in Idololatrie (ein abergläubischer Wahn, dem höchsten Wesen sich durch andere Mittel, als durch eine moralische Gesinnung, wohlgefällig machen zu können) gerate.

Denn, wenn man der Eitelkeit oder Vermessenheit des Vernünftelns in Ansehung dessen, was über die Sinnenwelt hinausliegt, auch nur das mindeste theoretisch (und Erkenntnis-erweiternd) zu bestimmen einräumt; wenn man mit Einsichten vom Dasein und von der Beschaffenheit der göttlichen Natur, von seinem Verstande und Willen, den Gesetzen beider und den daraus auf die Welt abfließenden Eigenschaften groß zu tun verstattet: so möchte ich wohl wissen, wo und an welcher Stelle man die Anmaßungen der Vernunft begrenzen wolle; denn, wo jene Einsichten hergenommen sind, eben daher können ja noch mehrere (wenn man nur, wie man meint, sein Nachdenken anstrengte) erwartet werden. Die Begrenzung solcher Ansprüche müsste doch nach einem gewissen Prinzip geschehen, nicht etwa bloß aus dem Grunde, weil wir finden, dass alle Versuche mit denselben bisher fehlgeschlagen sind; denn das beweiset nichts wider die Möglichkeit eines besseren Ausschlags. Hier aber ist kein Prinzip möglich, als entweder anzunehmen: dass in Ansehung des Übersinnlichen schlechterdings gar nichts theoretisch (als lediglich nur negativ) bestimmt werden könne, oder dass unsere Vernunft eine noch unbenutzte Fundgrube, zu wer weiß wie großen, für uns und unsere Nachkommen aufbewahrten erweiternden Kenntnissen, in sich enthalte. Was aber Religion betrifft, d.h. die Moral in Beziehung auf Gott als Gesetzgeber: so muss, wenn die theoretische Erkenntnis desselben vorhergehen müsste, die Moral sich nach der Theologie richten, und, nicht allein, statt einer inneren notwendigen Gesetzgebung der Vernunft, eine äußere willkürliche eines obersten Wesens eingeführt, sondern auch in dieser alles, was unsere Einsicht in die Natur desselben Mangelhaftes hat, sich auf die sittliche Vorsicht erstrecken, und so die Religion unmoralisch machen und verkehren.

In Ansehung der Hoffnung eines künftigen Lebens, wenn wir, statt des Endzwecks, den wir, der Vorschrift des moralischen Gesetzes gemäß, selbst zu vollführen haben, zum Leitfaden des Vernunfturteils für unsere Bestimmung (welches also nur in praktischer Beziehung als notwendig, oder annehmungswürdig, betrachtet wird) unser theoretisches Erkenntnisvermögen befragen, gibt die Seelenlehre in dieser Absicht, so wie oben die Theologie, nichts mehr als einen negativen Begriff von unserm denkenden Wesen: dass nämlich keines seiner Handlungen und Erscheinungen des inneren Sinnes materialistisch erklärt werden könne; dass also von ihrer abgesonderten Natur, und der Dauer oder Nichtdauer ihrer Persönlichkeit nach dem Tode, uns schlechterdings kein erweiterndes bestimmendes Urteil aus spekulativen Gründen durch unser gesamtes theoretisches Erkenntnisvermögen möglich sei. Da also alles hier der teleologischen Beurteilung unseres Daseins in praktischer notwendiger Rücksicht und der Annehmung unserer Fortdauer, als der zu dem uns von der Vernunft schlechterdings aufgegebenen Endzweck erforderlichen Bedingung, überlassen bleibt, so zeigt sich hier zugleich der Nutzen (der zwar beim ersten Anblick Verlust zu sein scheint): dass, so wie die Theologie für uns nie Theosophie werden kann, die rationale Psychologie niemals Pneumatologie als erweiternde Wissenschaft werden könne, so wie sie andrerseits auch gesichert ist, in keinen Materialismus zu verfallen; sondern dass sie vielmehr bloß Anthropologie des inneren Sinnes, d.h. Kenntnis unseres denkenden Selbst im Leben sei, und als theoretisches Erkenntnis auch bloß empirisch bleibe; dagegen die rationale Psychologie, was die Frage über unsere ewige Existenz betrifft, gar keine theoretische Wissenschaft ist, sondern auf einem einzigen Schlüsse der moralischen Teleologie beruht, wie denn auch ihr ganzer Gebrauch, bloß der letzteren als unserer praktischen Bestimmung wegen, notwendig ist.

90. Von der Art des Fürwahrhaltens in einem moralischen Beweise des Daseins Gottes

Zuerst wird zu jedem Beweise, er mag (wie bei dem Beweise durch Beobachtung des Gegenstandes oder Experiment) durch unmittelbare empirische Darstellung dessen, was bewiesen werden soll, oder durch Vernunft a priori aus Prinzipien geführt werden, erfordert: dass er nicht überrede, sondern überzeuge, oder wenigstens auf Überzeugung wirke; d.h. dass der Beweisgrund, oder der Schluß, nicht bloß ein subjektiver (ästhetischer) Bestimmungsgrund des Beifalls (bloßer Schein), sondern objektivgültig und ein logischer Grund der Erkenntnis sei: denn sonst wird der Verstand berückt, aber nicht überführt. Von jener Art eines Scheinbeweises ist derjenige, welcher vielleicht in guter Absicht, aber doch mit vorsätzlicher Verhehlung seiner Schwäche, in der natürlichen Theologie geführt wird: wenn man die große Menge der Beweistümer eines Ursprungs der Naturdinge nach dem Prinzip der Zwecke herbeizieht, und sich den bloß subjektiven Grund der menschlichen Vernunft zu Nutze macht, nämlich den ihr eigenen Hang, wo es nur ohne Widerspruch geschehen kann, statt vieler Prinzipien ein einziges, und, wo in diesem Prinzip nur einige oder auch viele Erfordernisse zur Bestimmung eines Begriffs angetroffen werden, die übrigen hinzuzudenken, um den Begriff des Dinges durch willkürliche Ergänzung zu vollenden. Denn freilich, wenn wir so viele Produkte in der Natur antreffen, die für uns Anzeigen einer verständigen Ursache sind: warum sollen wir, statt vieler solcher Ursachen, nicht lieber eine einzige, und zwar an dieser nicht etwa bloß großen Verstand, Macht u.s.w., sondern nicht vielmehr Allweisheit, Allmacht, mit einem Worte sie als eine solche, die den für alle mögliche Dinge zureichenden Grund solcher Eigenschaften enthalte, denken? Und über das diesem einigen alles vermögenden Urwesen nicht bloß für die Naturgesetze und Produkte Verstand, sondern auch, als einer moralischen Weltursache, höchste sittliche praktische Vernunft beilegen; da durch diese Vollendung des Begriffs ein für Natureinsicht so wohl als moralische Weisheit zusammen hinreichendes Prinzip angegeben wird, und kein nur einigermaßen gegründeter Einwurf wider die Möglichkeit einer solchen Idee gemacht werden kann? Werden hierbei nun zugleich die moralischen Triebfedern des Gemüts in Bewegung gesetzt, und ein lebhaftes Interesse der letzteren mit rednerischer Stärke (deren sie auch wohl würdig sind) hinzugefügt: so entspringt daraus eine Überredung von der objektiven Zulänglichkeit des Beweises, und ein (in den meisten Fällen seines Gebrauchs) auch heilsamer Schein, der aller Prüfung der logischen Schärfe desselben sich ganz überhebt, und sogar dawider, als ob ihr ein frevelhafter Zweifel zum Grunde läge, Abscheu und Widerwillen trägt. Nun ist hierwider wohl nichts zu sagen, sofern man auf populäre Brauchbarkeit eigentlich Rücksicht nimmt. Allein, da doch die Zerfällung desselben in die zwei ungleichartigen Stücke, die dieses Argument enthält, nämlich in das, was zur physischen, und das, was zur moralischen Teleologie gehört, nicht abgehalten werden kann und darf, indem die Zusammenschmelzung beider es unkenntlich macht, wo der eigentliche Nerve des Beweises liege, und an welchem Teile und wie er müsste bearbeitet werden, um für die Gültigkeit desselben vor der schärfsten Prüfung Stand halten zu können (selbst wenn man an einem Teile die Schwäche unserer Vernunfteinsicht einzugestehen genötigt sein sollte): so ist es für den Philosophen Pflicht (gesetzt dass er auch die Anforderung der Aufrichtigkeit an ihn für nichts rechnete), den obgleich noch so heilsamen Schein, welchen eine solche Vermengung hervorbringen kann, aufzudecken, und, was bloß zur Überredung gehört, von dem, was auf Überzeugung führt (die beide nicht bloß dem Grade, sondern selbst der Art nach, unterschiedene Bestimmungen des Beifalls sind), abzusondern, um die Gemütsfassung in diesem Beweise in ihrer ganzen Lauterkeit offen darzustellen, und diesen der strengsten Prüfung freimütig unterwerfen zu können.

Ein Beweis aber, der auf Überzeugung angelegt ist, kann wiederum zwiefacher Art sein, entweder ein solcher, der, was der Gegenstand an sich sei, oder was er für uns (Menschen überhaupt), nach den uns notwendigen Vernunftprinzipien seiner Beurteilung, sei (ein Beweis kat’ alêtheian oder kat’ anthrôpon, das letztere Wort in allgemeiner Bedeutung für Menschen überhaupt genommen), ausmachen soll. Im ersteren Falle ist er auf hinreichende Prinzipien für die bestimmende, im zweiten bloß für die reflektierende Urteilskraft gegründet. Im letzteren Falle kann er, auf bloß theoretischen Prinzipien beruhend, niemals auf Überzeugung wirken; legt er aber ein praktisches Vernunftprinzip zum Grunde (welches mithin allgemein und notwendig gilt), so darf er wohl auf eine, in reiner praktischer Absicht hinreichende, d.h. moralische, Überzeugung Anspruch machen. Ein Beweis aber wirkt auf Überzeugung, ohne noch zu überzeugen, wenn er bloß auf dem Wege dahin geführt wird, d.h. nur objektive Gründe dazu in sich enthält, die, ob sie gleich noch nicht zur Gewissheit hinreichend, dennoch von der Art sind, dass sie nicht bloß als subjektive Gründe des Urteils zur Überredung dienen.

Alle theoretischen Beweisgründe reichen nun entweder zu: 1) zum Beweise durch logisch-strenge Vernunftschlüsse; oder, wo dieses nicht ist, 2) zum Schlusse nach der Analogie; oder, findet auch dieses etwa nicht statt, doch noch 3) zur wahrscheinlichen Meinung; oder endlich, was das mindeste ist, 4) zur Annehmung eines bloß möglichen Erklärungsgrundes, als Hypothese. Nun sage ich: dass alle Beweisgründe überhaupt, die auf theoretische Überzeugung wirken, kein Fürwahrhalten dieser Art, von dem höchsten bis zum niedrigsten Grade desselben, bewirken können, wenn der Satz von der Existenz eines Urwesens, als eines Gottes, in der dem ganzen Inhalte dieses Begriffs angemessenen Bedeutung, nämlich als eines moralischen Welturhebers, mithin so, dass durch ihn zugleich der Endzweck der Schöpfung angegeben wird, bewiesen werden soll.

1) Was den logisch-gerechten, vom Allgemeinen zum Besonderen fortgehenden, Beweis betrifft, so ist in der Kritik hinreichend dargetan worden: dass, da dem Begriffe von einem Wesen, welches über die Natur hinaus zu suchen ist, keine uns mögliche Anschauung korrespondiert, dessen Begriff also selbst, sofern er durch synthetische Prädikate theoretisch bestimmt werden soll, für uns jederzeit problematisch bleibt, schlechterdings kein Erkenntnis desselben (wodurch der Umfang unseres theoretischen Wissens im mindesten erweitert würde) statt finde, und unter die allgemeinen Prinzipien der Natur der Dinge der besondere Begriff eines übersinnlichen Wesens gar nicht subsumiert werden könne, um von jenen auf dieses zu schließen; weil jene Prinzipien lediglich für die Natur, als Gegenstand der Sinne, gelten.

2) Man kann sich zwar von zwei ungleichartigen Dingen, eben in dem Punkte ihrer Ungleichartigkeit, eines derselben doch nach einer Analogie mit dem anderen denken; aber aus dem, worin sie ungleichartig sind, nicht von einem nach der Analogie auf das andere schließen, d.h. dieses Merkmal des spezifischen Unterschiedes auf das andere übertragen. So kann ich mir, nach der Analogie mit dem Gesetze der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung, in der wechselseitigen Anziehung und Abstoßung der Körper untereinander, auch die Gemeinschaft der Glieder eines gemeinen Wesens nach Regeln des Rechts denken; aber jene spezifischen Bestimmungen (die materielle Anziehung oder Abstoßung) nicht auf diese übertragen, und sie den Bürgern beilegen, um ein System, welches Staat heißt, auszumachen. Ebenso dürfen wir wohl die Kausalität des Urwesens in Ansehung der Dinge der Welt, als Naturzwecke, nach der Analogie eines Verstandes, als Grundes der Formen gewisser Produkte, die wir Kunstwerke nennen, denken (denn dieses geschieht nur zum Behuf des theoretischen oder praktischen Gebrauchs unseres Erkenntnisvermögens, den wir von diesem Begriffe in Ansehung der Naturdinge in der Welt, nach einem gewissen Prinzip, zu machen haben); aber wir können daraus, dass unter Weltwesen der Ursache einer Wirkung, die als künstlich beurteilt wird, Verstand beigelegt werden muss, keinesweges nach einer Analogie schließen, dass auch dem Wesen, welches von der Natur gänzlich unterschieden ist, in Ansehung der Natur selbst eben dieselbe Kausalität, die wir am Menschen wahrnehmen, zukomme: weil dieses eben den Punkt der Ungleichartigkeit betrifft, der zwischen einer in Ansehung ihrer Wirkungen sinnlich-bedingten Ursache und dem übersinnlichen Urwesen selbst im Begriffe desselben gedacht wird, und also auf diesen nicht übergetragen werden kann. Eben darin, dass ich mir die göttliche Kausalität nur nach der Analogie mit einem Verstande (welches Vermögen wir an keinem anderen Wesen als dem sinnlich-bedingten Menschen kennen) denken soll, liegt das Verbot, ihm diesen nicht in der eigentlichen Bedeutung beizulegen.

3) Meinen findet in Urteilen a priori gar nicht statt; sondern man erkennt durch sie entweder etwas als ganz gewiß, oder gar nichts. Wenn aber auch die gegebenen Beweisgründe, von denen wir ausgehen (wie hier von den Zwecken in der Welt), empirisch sind, so kann man mit diesen doch über die Sinnenwelt hinaus nichts meinen, und solchen gewagten Urteilen den mindesten Anspruch auf Wahrscheinlichkeit zugestehen. Denn Wahrscheinlichkeit ist ein Teil einer in einer gewissen Reihe der Gründe möglichen Gewissheit (die Gründe derselben werden darin mit dem Zureichenden, als Teile mit einem Ganzen, verglichen), zu welchen jener unzureichende Grund muss ergänzt werden können. Weil sie aber als Bestimmungsgründe der Gewissheit eines und desselben Urteils gleichartig sein müssen, indem sie sonst nicht zusammen eine Größe (dergleichen die Gewissheit ist) ausmachen würden: so kann nicht ein Teil derselben innerhalb den Grenzen möglicher Erfahrung, ein anderer außerhalb aller möglichen Erfahrung liegen. Mithin, da bloß-empirische Beweisgründe auf nichts Übersinnliches führen, der Mangel in der Reihe derselben auch durch nichts ergänzt werden kann: so findet in dem Versuche, durch sie zum Übersinnlichen und einer Erkenntnis desselben zu gelangen, nicht die mindeste Annäherung, folglich in einem Urteile über das letztere, durch von der Erfahrung hergenommene Argumente, auch keine Wahrscheinlichkeit statt.

4) Was als Hypothese zu Erklärung der Möglichkeit einer gegebenen Erscheinung dienen soll, davon muss wenigstens die Möglichkeit völlig gewiss sein. Es ist genug, dass ich bei einer Hypothese auf die Erkenntnis der Wirklichkeit (die in einer für wahrscheinlich ausgegebenen Meinung noch behauptet wird) Verzicht tue: mehr kann ich nicht Preis geben; die Möglichkeit dessen, was ich einer Erklärung zum Grunde lege, muss wenigstens keinem Zweifel ausgesetzt sein, weil sonst der leeren Hirngespinste kein Ende sein würde. Die Möglichkeit aber eines nach gewissen Begriffen bestimmten übersinnlichen Wesens anzunehmen, da hierzu keine von den erforderlichen Bedingungen einer Erkenntnis, nach dem was in ihr auf Anschauung beruht, gegeben ist, und also der bloße Satz des Widerspruchs (der nichts als die Möglichkeit des Denkens und nicht des gedachten Gegenstandes selbst beweisen kann) als Kriterium dieser Möglichkeit übrig bleibt, würde eine völlig grundlose Voraussetzung sein.

Das Resultat hiervon ist: dass für das Dasein des Urwesens, als einer Gottheit, oder der Seele, als eines unsterblichen Geistes, schlechterdings kein Beweis in theoretischer Absicht, um auch nur den mindesten Grad des Fürwahrhaltens zu wirken, für die menschliche Vernunft möglich sei; und dieses aus dem ganz begreiflichen Grunde: weil zur Bestimmung der Ideen des Übersinnlichen für uns gar kein Stoff da ist, indem wir diesen letzteren von Dingen in der Sinnenwelt hernehmen müssten, ein solcher aber jenem Objekte schlechterdings nicht angemessen ist, aber, ohne alle Bestimmung derselben, nichts mehr, als der Begriff von einem nichtsinnlichen Etwas übrig bleibt, welches den letzten Grund der Sinnenwelt enthalte, der noch kein Erkenntnis (als Erweiterung des Begriffs) von seiner inneren Beschaffenheit ausmacht.

91. Von der Art des Fürwahrhaltens durch einen praktischen Glauben

Wenn wir bloß auf die Art sehen, wie etwas für uns (nach der subjektiven Beschaffenheit unserer Vorstellungskräfte) Objekt der Erkenntnis (res cognoscibilis) sein kann: so werden alsdann die Begriffe nicht mit den Objekten, sondern bloß mit unseren Erkenntnisvermögen und dem Gebrauche, den diese von der gegebenen Vorstellung (in theoretischer oder praktischer Absicht) machen können, zusammengehalten; und die Frage, ob etwas ein erkennbares Wesen sei oder nicht ist keine Frage, die die Möglichkeit der Dinge selbst, sondern unserer Erkenntnis derselben angeht.

Erkennbare Dinge sind nun von dreifacher Art: Sachen der Meinung (opinabile), Tatsachen (scibile), und Glaubenssachen (mere credibile).

1) Gegenstände der bloßen Vernunftideen, die für das theoretische Erkenntnis gar nicht in irgendeiner möglichen Erfahrung dargestellt werden können, sind sofern auch gar nicht erkennbare Dinge, mithin kann man in Ansehung ihrer nicht einmal meinen; wie denn a priori zu meinen schon an sich ungereimt und der gerade Weg zu lauter Hirngespenstern ist. Entweder unser Satz a priori ist also gewiß, oder er enthält gar nichts zum Fürwahrhalten. Also sind Meinungssachen jederzeit Objekte einer wenigstens an sich möglichen Erfahrungserkenntnis (Gegenstände der Sinnenwelt), die aber, nach dem bloßen Grade dieses Vermögens, den wir besitzen, für uns unmöglich ist. So ist der Äther der neuen Physiker, eine elastische alle andere Materien durchdringende (mit ihnen innigst vermischte) Flüssigkeit, eine bloße Meinungssache, immer doch noch von der Art, dass, wenn die äußeren Sinne im höchsten Grade geschärft wären, er wahrgenommen werden könnte; der aber nie in irgendeiner Beobachtung, oder Experimente, dargestellt werden kann. Vernünftige Bewohner anderer Planeten anzunehmen, ist eine Sache der Meinung; denn, wenn wir diesen näher kommen könnten, welches an sich möglich ist, würden wir, ob sie sind, oder nicht sind, durch Erfahrung ausmachen; aber wir werden ihnen niemals so nahe kommen, und so bleibt es beim Meinen. Allein meinen: dass es reine, ohne Körper denkende, Geister im materiellen Universum gebe (wenn man nämlich gewisse dafür ausgegebene wirkliche Erscheinungen, wie billig, von der Hand weiset), heißt dichten, und ist gar keine Sache der Meinung, sondern eine bloße Idee, welche übrig bleibt, wenn man von einem denkenden Wesen alles Materielle wegnimmt, und ihm doch das Denken übrig lässt. Ob aber alsdann das letztere (welches wir nur am Menschen, d.h. in Verbindung mit einem Körper, kennen) übrig bleibe, können wir nicht ausmachen. Ein solches Ding ist ein vernünfteltes Wesen (ens rationis ratiocinantis), kein Vernunftwesen (ens rationis ratiocinatae); von welchem letzteren es doch möglich ist, die objektive Realität seines Begriffs, wenigstens für den praktischen Gebrauch der Vernunft, hinreichend darzutun, weil dieser, der seine eigentümlichen und apodiktisch gewissen Prinzipien a priori hat, ihn sogar erheischt (postuliert).

2) Gegenstände für Begriffe, deren objektive Realität (es sei durch reine Vernunft, oder durch Erfahrung, und, im ersteren Falle, aus theoretischen oder praktischen Datis derselben, in allen Fällen aber vermittelst einer ihnen korrespondierenden Anschauung) bewiesen werden kann, sind (res facti) Tatsachen. Dergleichen sind die mathematischen Eigenschaften der Größen (in der Geometrie), weil sie einer Darstellung a priori für den theoretischen Vernunftgebrauch fähig sind. Ferner sind Dinge, oder Beschaffenheiten derselben, die durch Erfahrung (eigene oder fremde Erfahrung, vermittelst der Zeugnisse) dargetan werden können, gleichfalls Tatsachen. Was aber sehr merkwürdig ist, so findet sich sogar eine Vernunftidee (die auch keines theoretischen Beweises ihrer Möglichkeit, fähig ist) unter den Tatsachen; und das ist die Idee der Freiheit, deren Realität, als einer besonderen Art von Kausalität (von welcher der Begriff in theoretischem Betracht überschwenglich sein würde), sich durch praktische Gesetze der reinen Vernunft, und, diesen gemäß, in wirklichen Handlungen, mithin in der Erfahrung, dartun lässt. Die einzige unter allen Ideen der reinen Vernunft, deren Gegenstand Tatsache ist, und unter die Scibilia mit gerechnet werden muss.

3) Gegenstände, die in Beziehung auf den pflichtmäßigen Gebrauch der reinen praktischen Vernunft (es sei als Folgen, oder als Gründe) a priori gedacht werden müssen, aber für den theoretischen Gebrauch derselben überschwenglich sind, sind bloße Glaubenssachen. Dergleichen ist das höchste durch Freiheit zu bewirkende Gut in der Welt; dessen Begriff in keiner für uns möglichen Erfahrung, mithin für den theoretischen Vernunftgebrauch hinreichend, seiner objektiven Realität nach bewiesen werden kann, dessen Gebrauch aber zur bestmöglichen Bewirkung jenes Zwecks doch durch praktische reine Vernunft geboten ist, und mithin als möglich angenommen werden muss. Diese gebotene Wirkung, zusamt den einzigen für uns denkbaren Bedingungen ihrer Möglichkeit, nämlich dem Dasein Gottes und der Seelen-Unsterblichkeit, sind Glaubenssachen (res fidei), und zwar die einzigen unter allen Gegenständen, die so genannt werden können. Denn, ob von uns gleich, was wir nur von der Erfahrung anderer durch Zeugnis lernen können, geglaubt werden muss, so ist es darum doch noch nicht an sich Glaubenssache; denn bei jener Zeugen einem war es doch eigene Erfahrung und Tatsache, oder wird als solche vorausgesetzt. Zudem muss es möglich sein, durch diesen Weg (des historischen Glaubens) zum Wissen zu gelangen; und die Objekte der Geschichte und Geographie, wie alles überhaupt, was zu wissen nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermögen wenigstens möglich ist, gehören nicht zu Glaubenssachen, sondern zu Tatsachen. Nur Gegenstände der reinen Vernunft können allenfalls Glaubenssachen sein, aber nicht als Gegenstände der bloßen reinen spekulativen Vernunft; denn da können sie gar nicht einmal mit Sicherheit zu den Sachen, d.h. Objekten jenes für uns möglichen Erkenntnisses, gezählt werden. Es sind Ideen, d.h. Begriffe, denen man die objektive Realität theoretisch nicht sichern kann. Dagegen ist der von uns zu bewirkende höchste Endzweck, das wodurch wir allein würdig werden können, selbst Endzweck einer Schöpfung zu sein, eine Idee, die für uns in praktischer Beziehung objektive Realität hat, und Sache; aber darum, weil wir diesem Begriffe in theoretischer Absicht diese Realität nicht verschaffen können, bloße Glaubenssache der reinen Vernunft, mit ihm aber zugleich Gott und Unsterblichkeit, als die Bedingungen, unter denen allein wir, nach der Beschaffenheit unserer (der menschlichen) Vernunft, uns die Möglichkeit jenes Effekts des gesetzmäßigen Gebrauchs unserer Freiheit denken können. Das Fürwahrhalten aber in Glaubenssachen ist ein Fürwahrhalten in reiner praktischer Absicht, d.h. ein moralischer Glaube, der nichts für das theoretische, sondern bloß für das praktische, auf Befolgung seiner Pflichten gerichtete, reine Vernunfterkenntnis, beweiset, und die Spekulation, oder die praktischen Klugheitsregeln nach dem Prinzip der Selbstliebe, gar nicht erweitert. Wenn das oberste Prinzip aller Sittengesetze ein Postulat ist, so wird zugleich die Möglichkeit ihres höchsten Objekts, mithin auch die Bedingung, unter der wir diese Möglichkeit denken können, dadurch zugleich mit postuliert. Dadurch wird nun das Erkenntnis der letzteren weder Wissen noch Meinung von dem Dasein und der Beschaffenheit dieser Bedingungen, als theoretische Erkenntnisart, sondern bloß Annahme, in praktischer und dazu gebotener Beziehung für den moralischen Gebrauch unserer Vernunft.

Würden wir auch auf die Zwecke der Natur, die uns die physische Teleologie in so reichem Maße vorlegt, einen bestimmten Begriff von einer verständigen Weltursache scheinbar gründen können, so wäre das Dasein dieses Wesens doch nicht Glaubenssache. Denn da dieses nicht zum Behuf der Erfüllung meiner Pflicht, sondern nur zur Erklärung der Natur angenommen wird, so würde es bloß die unserer Vernunft angemessenste Meinung und Hypothese sein. Nun führt jene Teleologie keinesweges auf einen bestimmten Begriff von Gott, der hingegen allein in dem von einem moralischen Welturheber angetroffen wird, weil dieser allein den Endzweck angibt, zu welchem wir uns nur sofern zählen können, als wir dem, was uns das moralische Gesetz als Endzweck auferlegt, mithin uns verpflichtet, uns gemäß verhalten. Folglich bekommt der Begriff von Gott nur durch die Beziehung auf das Objekt unserer Pflicht, als Bedingung der Möglichkeit, den Endzweck derselben zu erreichen, den Vorzug, in unserm Fürwahrhalten als Glaubenssache zu gelten; dagegen eben derselbe Begriff doch sein Objekt nicht als Tatsache geltend machen kann: weil, obzwar die Notwendigkeit der Pflicht für die praktische Vernunft wohl klar ist, doch die Erreichung des Endzwecks derselben, sofern er nicht ganz in unserer Gewalt ist, nur zum Behuf des praktischen Gebrauchs der Vernunft angenommen, also nicht so, wie die Pflicht selbst, praktisch notwendig ist.

Glaube (als Habitus, nicht als Actus) ist die moralische Denkungsart der Vernunft im Fürwahrhalten desjenigen, was für das theoretische Erkenntnis unzugänglich ist. Er ist also der beharrliche Grundsatz des Gemüts, das, was zur Möglichkeit des höchsten moralischen Endzwecks als Bedingung vorauszusetzen notwendig ist, wegen der Verbindlichkeit zu demselben als wahr anzunehmen; ob zwar die Möglichkeit desselben, aber ebenso wohl auch die Unmöglichkeit, von uns nicht eingesehen werden kann. Der Glaube (schlechthin so genannt) ist ein Vertrauen zu der Erreichung einer Absicht, deren Beförderung Pflicht, die Möglichkeit der Ausführung derselben aber für uns nicht einzusehen ist (folglich auch nicht die der einzigen für uns denkbaren Bedingungen). Der Glaube also, der sich auf besondere Gegenstände, die nicht Gegenstände des möglichen Wissens oder Meinens sind, bezieht (in welchem letzteren Falle er, vornehmlich im Historischen, Leichtgläubigkeit und nicht Glaube heißen müsste), ist ganz moralisch. Er ist ein freies Fürwahrhalten, nicht dessen, wozu dogmatische Beweise für die theoretisch bestimmende Urteilskraft anzutreffen sind, noch wozu wir uns verbunden halten, sondem dessen, was wir, zum Behuf einer Absicht nach Gesetzen der Freiheit, annehmen; aber doch nicht, wie etwa eine Meinung, ohne hinreichenden Grund, sondern als in der Vernunft (obwohl nur in Ansehung ihres praktischen Gebrauchs), für die Absicht derselben hinreichend, gegründet: denn ohne ihn hat die moralische Denkungsart bei dem Verstoß gegen die Aufforderung der theoretischen Vernunft zum Beweise (der Möglichkeit des Objekts der Moralität) keine feste Beharrlichkeit, sondern schwankt zwischen praktischen Geboten und theoretischen Zweifeln. Ungläubisch sein heißt der Maxime nachhängen, Zeugnissen überhaupt nicht zu glauben; ungläubig aber ist der, welcher jenen Vernunftideen, weil es ihnen an theoretischer Begründung ihrer Realität fehlt, darum alle Gültigkeit abspricht. Er urteilt also dogmatisch. Ein dogmatischer Unglaube kann aber mit einer in der Denkungsart herrschenden sittlichen Maxime nicht zusammen bestehen (denn einem Zwecke, der für nichts als Hirngespinst erkannt wird, nachzugehen, kann die Vernunft nicht gebieten); wohl aber ein Zweifelglaube, dem der Mangel der Überzeugung durch Gründe der spekulativen Vernunft nur Hindernis ist, welchem eine kritische Einsicht in die Schranken der letzteren den Einfluss auf das Verhalten benehmen und ihm ein überwiegendes praktisches Fürwahrhalten zum Ersatz hinstellen kann.

Wenn man an die Stelle gewisser verfehlter Versuche in der Philosophie ein anderes Prinzip aufführen und ihm Einfluss verschaffen will, so gereicht es zu großer Befriedigung, einzusehen, wie jene und warum sie fehlschlagen mussten.

Gott, Freiheit und Seelenunsterblichkeit sind diejenigen Aufgaben, zu deren Auflösung alle Zurüstungen der Metaphysik, als ihrem letzten und alleinigen Zwecke, abzielen. Nun glaubte man, dass die Lehre von der Freiheit nur als negative Bedingung für die praktische Philosophie nötig sei, die Lehre von Gott und der Seelenbeschaffenheit hingegen, zur theoretischen gehörig, für sich und abgesondert dargetan werden müsse, um beide nachher mit dem, was das moralische Gesetz (das nur unter der Bedingung der Freiheit möglich ist) gebietet, zu verknüpfen und so eine Religion zu Stande zu bringen. Man kann aber bald einsehen, dass diese Versuche fehlschlagen mussten. Denn aus bloßen ontologischen Begriffen von Dingen überhaupt, oder der Existenz eines notwendigen Wesens lässt sich schlechterdings kein, durch Prädikate, die sich in der Erfahrung geben lassen und also zum Erkenntnisse dienen könnten, bestimmter, Begriff von einem Urwesen machen; der aber, welcher auf Erfahrung von der physischen Zweckmäßigkeit der Natur gegründet wurde, konnte wiederum keinen für die Moral, mithin zur Erkenntnis eines Gottes, hinreichenden Beweis abgeben. Ebenso wenig konnte auch die Seelenkenntnis durch Erfahrung (die wir nur in diesem Leben anstellen) einen Begriff von der geistigen, unsterblichen Natur derselben, mithin für die Moral zureichend, verschaffen. Theologie und Pneumatologie, als Aufgaben zum Behuf der Wissenschaften einer spekulativen Vernunft, weil deren Begriff für alle unsere Erkenntnisvermögen überschwenglich ist, können durch keine empirische Data und Prädikate zu Stande kommen. Die Bestimmung beider Begriffe, Gottes sowohl als der Seele (in Ansehung ihrer Unsterblichkeit), kann nur durch Prädikate geschehen, die, ob sie gleich selbst nur aus einem übersinnlichen Grunde möglich sind, dennoch in der Erfahrung ihre Realität beweisen müssen: denn so allein können sie von ganz übersinnlichen Wesen ein Erkenntnis möglich machen. Dergleichen ist nun der einzige in der menschlichen Vernunft anzutreffende Begriff der Freiheit des Menschen unter moralischen Gesetzen, zusamt dem Endzwecke, den jene durch diese vorschreibt, wovon die ersteren dem Urheber der Natur, der zweite dem Menschen diejenigen Eigenschaften beizulegen tauglich sind, welche zu der Möglichkeit beider die notwendige Bedingung enthalten; so dass eben aus dieser Idee auf die Existenz und die Beschaffenheit jener sonst gänzlich für uns verborgenen Wesen geschlossen werden kann.

Also liegt der Grund der auf dem bloß theoretischen Wege verfehlten Absicht, Gott und Unsterblichkeit zu beweisen, darin: dass von dem Übersinnlichen auf diesem Wege (der Naturbegriffe) gar kein Erkenntnis möglich ist. Dass es dagegen auf dem moralischen (des Freiheitsbegriffs) gelingt, hat diesen Grund: dass hier das Übersinnliche, welches dabei zum Grunde liegt (die Freiheit), durch ein bestimmtes Gesetz der Kausalität, welches aus ihm entspringt, nicht allein Stoff zum Erkenntnis des anderen Übersinnlichen (des moralischen Endzwecks und der Bedingungen seiner Ausführbarkeit) verschafft, sondern auch als Tatsache seine Realität in Handlungen dartut, aber eben darum auch keinen anderen, als nur in praktischer Absicht (welche auch die einzige ist, deren die Religion bedarf) gültigen, Beweisgrund abgeben kann.

Es bleibt hierbei immer sehr merkwürdig: dass unter den drei reinen Vernunftideen, Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, die der Freiheit der einzige Begriff des Übersinnlichen ist, welcher seine objektive Realität (vermittelst der Kausalität, die in ihm gedacht wird) an der Natur, durch ihre in derselben mögliche Wirkung, beweiset, und eben dadurch die Verknüpfung der beiden anderen mit der Natur, aller dreien aber untereinander zu einer Religion möglich macht; und dass wir also in uns ein Prinzip haben, welches die Idee des Übersinnlichen in uns, dadurch aber auch die desselben außer uns, zu einer, ob gleich nur in praktischer Absicht möglichen, Erkenntnis zu bestimmen vermögend ist, woran die bloß spekulative Philosophie (die auch von der Freiheit einen bloß negativen Begriff geben konnte) verzweifeln musste: mithin der Freiheitsbegriff (als Grundbegriff aller unbedingt-praktischen Gesetze) die Vernunft über diejenigen Grenzen erweitern kann, innerhalb deren jeder Naturbegriff (theoretischer) ohne Hoffnung eingeschränkt bleiben müsste.

Allgemeine Anmerkung zur Teleologie

Wenn die Frage ist: welchen Rang das moralische Argument, welches das Dasein Gottes nur als Glaubenssache für die praktisch reine Vernunft beweiset, unter den übrigen in der Philosophie behaupte: so lässt sich der ganze Besitz dieser letzteren leicht überschlagen, wo es sich dann ausweiset, dass hier nicht zu wählen sei, sondern ihr theoretisches Vermögen, vor einer unparteiischen Kritik, alle seine Ansprüche von selbst aufgeben müsse.

Auf Tatsache muss sie alles Fürwahrhalten zuvörderst gründen, wenn es nicht völlig grundlos sein soll; und es kann also nur der einzige Unterschied im Beweisen stattfinden, ob auf diese Tatsache ein Fürwahrhalten der daraus gezogenen Folgerung, als Wissen, für das theoretische, oder, bloß als Glauben, für das praktische Erkenntnis könne gegründet werden. Alle Tatsachen gehören entweder zum Naturbegriff, der seine Realität an den vor allen Naturbegriffen gegebenen (oder zu geben möglichen) Gegenständen der Sinne beweiset; oder zum Freiheitsbegriffe, der seine Realität durch die Kausalität der Vernunft, in Ansehung gewisser durch sie möglichen Wirkungen in der Sinnenwelt, die sie im moralischen Gesetze unwiderleglich postuliert, hinreichend dartut. Der Naturbegriff (bloß zur theoretischen Erkenntnis gehörige) ist nun entweder metaphysisch, und völlig a priori; oder physisch, d.h. a posteriori und notwendig nur durch bestimmte Erfahrung denkbar. Der metaphysische Naturbegriff (der keine bestimmte Erfahrung voraussetzt) ist also ontologisch.

Der ontologische Beweis vom Dasein Gottes aus dem Begriffe eines Urwesens ist nun entweder der, welcher aus ontologischen Prädikaten, wodurch es allein durchgängig bestimmt gedacht werden kann, auf das absolut-notwendige Dasein, oder aus der absoluten Notwendigkeit des Daseins irgendeines Dinges, welches es auch sei, auf die Prädikate des Urwesens schließt: denn zum Begriffe eines Urwesens gehört, damit es nicht abgeleitet sei, die unbedingte Notwendigkeit seines Daseins, und (um diese sich vorzustellen) die durchgängige Bestimmung durch den Begriff desselben. Beide Erfordernisse glaubte man nun im Begriffe der ontologischen Idee eines allerrealsten Wesens zu finden: und so entsprangen zwei metaphysische Beweise.

Der einen bloß metaphysischen Naturbegriff zum Grunde legende (eigentlich-ontologisch genannte) Beweis schloß aus dem Begriffe des allerrealsten Wesens auf seine schlechthin notwendige Existenz; denn (heißt es) wenn es nicht existierte, so würde ihm eine Realität, nämlich die Existenz, mangeln. Der andere (den man auch den metaphysisch-kosmologischen Beweis nennt) schloß aus der Notwendigkeit der Existenz irgendeines Dinges (dergleichen, da wir im Selbstbewusstsein ein Dasein gegeben ist, durchaus eingeräumt werden muss) auf die durchgängige Bestimmung desselben, als allerrealsten Wesens: weil alles Existierende durchgängig bestimmt, das schlechterdings Notwendige aber (nämlich was wir als ein solches, mithin a priori, erkennen sollen) durch seinen Begriff durchgängig bestimmt sein müsse; welches sich aber nur im Begriffe eines allerrealsten Dinges antreffen lasse. Es ist hier nicht nötig, die Sophisterei in beiden Schlüssen aufzudecken, welches schon anderwärts geschehen ist; sondern nur zu bemerken, dass solche Beweise, wenn sie sich auch durch allerlei dialektische Subtilität verfechten ließen, doch niemals über die Schule hinaus in das gemeine Wesen hinüberkommen, und auf den bloßen gesunden Verstand den mindesten Einfluss haben könnten.

Der Beweis, welcher einen Naturbegriff, der nur empirisch sein kann, dennoch aber über die Grenzen der Natur, als Inbegriffs der Gegenstände der Sinne, hinausführen soll, zum Grunde legt, kann kein anderer, als der von den Zwecken der Natur sein: deren Begriff sich zwar nicht a priori, sondern nur durch die Erfahrung geben lässt, aber doch einen solchen Begriff von dem Urgrunde der Natur verheißt, welcher unter allen, die wir denken können, allein sich zum Übersinnlichen schickt, nämlich der von einem höchsten Verstande, als Weltursache; welches er auch in der Tat nach Prinzipien der reflektierenden Urteilskraft, d.h. nach der Beschaffenheit unseres (menschlichen) Erkenntnisvermögens, vollkommen ausrichtet. Ob er nun aber aus denselben Datis diesen Begriff eines obersten, d.h. unabhängigen verständigen Wesens auch als eines Gottes, d.h. Urhebers einer Welt unter moralischen Gesetzen, mithin hinreichend bestimmt für die Idee von einem Endzwecke des Daseins der Welt, zu liefern im Stande sei, das ist eine Frage, worauf alles ankommt; wir mögen nun einen theoretisch hinlänglichen Begriff von dem Urwesen zum Behuf der gesamten Naturkenntnis, oder einen praktischen für die Religion verlangen.

Dieses aus der physischen Teleologie genommene Argument ist verehrungswert. Es tut gleiche Wirkung zur Überzeugung auf den gemeinen Verstand, als auf den subtilsten Denker; und ein Reimarus in seinem noch nicht übertroffenen Werke, worin er diesen Beweisgrund mit der ihm eigenen Gründlichkeit und Klarheit weitläuftig ausführt, hat sich dadurch ein unsterbliches Verdienst erworben. Allein, wodurch gewinnt dieser Beweis so gewaltigen Einfluss auf das Gemüt, vornehmlich in der Beurteilung durch kalte Vernunft (denn die Rührung und Erhebung desselben durch die Wunder der Natur könnte man zur Überredung rechnen), auf eine ruhige, sich gänzlich dahin gebende Beistimmung? Es sind nicht die physischen Zwecke, die alle auf einen unergründlichen Verstand in der Weltursache hindeuten; denn diese sind dazu unzureichend, weil sie das Bedürfnis der fragenden Vernunft nicht befriedigen. Denn wozu sind (fragt diese) alle jene künstliche Naturdinge; wozu der Mensch selbst, bei dem wir, als dem letzten für uns denkbaren Zwecke der Natur stehen bleiben müssen; wozu ist diese gesamte Natur da, und was ist der Endzweck so großer und mannigfaltiger Kunst? Zum Genießen, oder zum Anschauen, Betrachten und Bewundern (welches, wenn es dabei bleibt, auch nichts weiter als Genuß von besonderer Art ist), als dem letzten Endzweck, warum die Welt und der Mensch selbst da ist, geschaffen zu sein, kann die Vernunft nicht befriedigen: denn diese setzt einen persönlichen Wert, den der Mensch sich allein geben kann, als Bedingung, unter welcher allein er und sein Dasein Endzweck sein kann, voraus. In Ermangelung desselben (der allein eines bestimmten Begriffs fähig ist) tun die Zwecke der Natur seiner Nachfrage nicht Genüge, vornehmlich, weil sie keinen bestimmten Begriff von dem höchsten Wesen als einem allgenügsamen (und eben darum einigen, eigentlich so zu nennenden höchsten) Wesen und den Gesetzen, nach denen ein Verstand Ursache der Welt ist, an die Hand geben können.

Dass also der physisch-teleologische Beweis, gleich als ob er zugleich ein theologischer wäre, überzeugt, rührt nicht von der Bemühung der Ideen von Zwecken der Natur, als so viel empirischen Beweisgründen eines höchsten Verstandes her; sondern es mischt sich unvermerkt der jedem Menschen beiwohnende und ihn so innigst bewegende moralische Beweisgrund in den Schluß mit ein, nach welchem man dem Wesen, welches sich so unbegreiflich künstlich in den Zwecken der Natur offenbart, auch einen Endzweck, mithin Weisheit (obzwar ohne dazu durch die Wahrnehmung der ersteren berechtigt zu sein), beilegt, und also jenes Argument, in Ansehung des Mangelhaften, welches ihm noch anhängt, willkürlich ergänzt. In der Tat bringt also nur der moralische Beweisgrund die Überzeugung, und auch diese nur in moralischer Rücksicht, wozu jedermann seine Beistimmung innigst fühlt, hervor; der physisch-teleologische aber hat nur das Verdienst, das Gemüt in der Weltbetrachtung auf den Weg der Zwecke, dadurch aber auf einen verständigen Welturheber zu leiten: da denn die moralische Beziehung auf Zwecke und die Idee eines eben solchen Gesetzgebers und Welturhebers, als theoretischer Begriff, ob er zwar reine Zugabe ist, sich dennoch aus jenem Beweisgrunde von selbst zu entwickeln scheint.

Hierbei kann man es in dem gewöhnlichen Vortrage fernerhin auch bewenden lassen. Denn dem gemeinen und gesunden Verstande wird es gemeiniglich schwer, die verschiedenen Prinzipien, die er vermischt, und aus deren einem er wirklich allein und richtig folgert, wenn die Absonderung viel Nachdenken bedarf, als ungleichartig von einander zu scheiden. Der moralische Beweisgrund vom Dasein Gottes ergänzt aber eigentlich auch nicht etwa bloß den physisch-teleologischen zu einem vollständigen Beweise; sondern er ist ein besonderer Beweis, der den Mangel der Überzeugung aus dem letzteren ersetzt: indem dieser in der Tat nichts leisten kann, als die Vernunft in der Beurteilung des Grundes der Natur und der zufälligen, aber bewunderungswürdigen, Ordnung derselben, welche uns nur durch Erfahrung bekannt wird, auf die Kausalität einer Ursache, die nach Zwecken den Grund derselben enthält (die wir nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermögen als verständige Ursache denken müssen), zu lenken und aufmerksam, so aber des moralischen Beweises empfänglicher, zu machen. Denn das, was zu dem letzteren Begriffe erforderlich ist, ist von allem, was Naturbegriffe enthalten und lehren können, so wesentlich unterschieden, dass es eines besonderen von den vorigen ganz unabhängigen Beweisgrundes und Beweises bedarf, um den Begriff vom Urwesen für eine Theologie hinreichend anzugeben, und auf seine Existenz zu schließen. Der moralische Beweis (der aber freilich nur das Dasein Gottes in praktischer, doch auch unnachlasslicher, Rücksicht der Vernunft beweiset) würde daher noch immer in seiner Kraft bleiben, wenn wir in der Welt gar keinen, oder nur zweideutigen Stoff zur physischen Teleologie anträfen. Es lässt sich denken, dass sich vernünftige Wesen von einer solchen Natur, welche keine deutliche Spur von Organisation, sondern nur Wirkungen von einem bloßen Mechanismus der rohen Materie zeigte, umgeben sähen, um derentwillen, und bei der Veränderlichkeit einiger bloß zufällig zweckmäßigen Formen und Verhältnisse, kein Grund zu sein schiene, auf einen verständigen Urheber zu schließen; wo alsdann auch zu einer physischen Teleologie keine Veranlassung sein würde: und dennoch würde die Vernunft, die durch Naturbegriffe hier keine Anleitung bekommt, im Freiheitsbegriffe und in den sich darauf gründenden sittlichen Ideen einen praktisch-hinreichenden Grund finden, den Begriff des Urwesens diesen angemessen, d.h. als einer Gottheit, und die Natur (selbst unser eigenes Dasein) als einen jener und ihren Gesetzen gemäßen Endzweck zu postulieren, und zwar in Rücksicht auf das unnachlaßliche Gebot der praktischen Vernunft. Dass nun aber in der wirklichen Welt für die vernünftigen Wesen in ihr reichlicher Stoff zur physischen Teleologie ist (welches eben nicht notwendig wäre), dient dem moralischen Argument zu erwünschter Bestätigung, soweit Natur etwas den Vernunftideen (den moralischen) Analoges aufzustellen vermag. Denn der Begriff einer obersten Ursache, die Verstand hat, (welches aber für eine Theologie lange nicht hinreichend ist) bekommt dadurch die, für die reflektierende Urteilskraft hinreichende, Realität; aber er ist nicht erforderlich, um den moralischen Beweis darauf zu gründen: noch dient dieser, um jenen, der für sich allein gar nicht auf Moralität hinweiset, durch fortgesetzten Schluß nach einem einzigen Prinzip, zu einem Beweise zu ergänzen. Zwei so ungleichartige Prinzipien, als Natur und Freiheit, können nur zwei verschiedene Beweisarten abgeben, da denn der Versuch, denselben aus der ersteren zu führen, für das was bewiesen werden soll, unzulänglich befunden wird.

Wenn der physisch-teleologische Beweisgrund zu dem gesuchten Beweise zureichte, so wäre es für die spekulative Vernunft sehr befriedigend; denn er würde Hoffnung geben, eine Theosophie hervorzubringen (so würde man nämlich die theoretische Erkenntnis der göttlichen Natur und seiner Existenz, welche zur Erklärung der Weltbeschaffenheit und zugleich der Bestimmung der sittlichen Gesetze zureichte, nennen müssen). Ebenso, wenn Psychologie zureichte, um dadurch zur Erkenntnis der Unsterblichkeit der Seele zu gelangen, so würde sie eine Pneumatologie, welche der spekulativen Vernunft ebenso willkommen wäre, möglich machen. Beide aber, so lieb es auch dem Dünkel der Wißbegierde sein mag, erfüllen nicht den Wunsch der Vernunft in Absicht auf die Theorie, die auf Kenntnis der Natur der Dinge gegründet sein müsste. Ob aber nicht die erstere, als Theologie, die zweite, als Anthropologie, beide auf das sittliche, d.h. das Freiheitsprinzip gegründet, mithin dem praktischen Gebrauche der Vernunft angemessen, ihre objektive Endabsicht besser erfüllen, ist eine andere Frage, die wir hier nicht nötig haben weiter zu verfolgen.

Der physisch-teleologische Beweisgrund reicht aber darum nicht zur Theologie zu, weil er keinen für diese Absicht hinreichend bestimmten Begriff von dem Urwesen gibt, noch geben kann, sondern man diesen gänzlich anderwärts hernehmen, oder seinen Mangel dadurch, als durch einen willkürlichen Zusatz, ersetzen muss. Ihr schließt aus der großen Zweckmäßigkeit der Naturformen und ihrer Verhältnisse auf eine verständige Weltursache; aber auf welchen Grad dieses Verstandes? Ohne Zweifel könnt ihr euch nicht anmaßen, auf den höchst-möglichen Verstand; denn dazu würde erfordert werden, dass ihr einsähet, ein größerer Verstand, als wovon ihr Beweistümer in der Welt wahrnehmet, sei nicht denkbar: welches euch selber Allwissenheit beilegen hieße. Ebenso schließt ihr aus der Größe der Welt auf eine sehr große Macht des Urhebers; aber ihr werdet euch bescheiden, dass dieses nur komparativ für eure Fassungskraft Bedeutung hat, und, da ihr nicht alles Mögliche erkennt, um es mit der Weltgröße, so weit ihr sie kennt, zu vergleichen, ihr nach einem so kleinen Maßstabe keine Allmacht des Urhebers folgern könnet, u.s.w. Nun gelangt ihr dadurch zu keinem bestimmten, für eine Theologie tauglichen, Begriffe eines Urwesens; denn dieser kann nur in dem der Allheit der mit einem Verstande vereinbarten Vollkommenheiten gefunden werden, wozu auch bloß empirische Data gar nicht verhelfen können: ohne einen solchen bestimmten Begriff aber könnt ihr auch nicht auf ein einiges verständiges Urwesen schließen, sondern (es sei zu welchem Behuf) ein solches nur annehmen. Nun kann man es zwar ganz wohl einräumen, dass ihr (da die Vernunft nichts Gegründetes dawider zu sagen hat) willkürlich hinzusetzt: wo so viel Vollkommenheit angetroffen wird, möge man wohl alle Vollkommenheit in einer einzigen Weltursache vereinigt annehmen; weil die Vernunft mit einem so bestimmten Prinzip, theoretisch und praktisch, besser zurecht kommt. Aber ihr könnt denn doch diesen Begriff des Urwesens nicht als von euch bewiesen anpreisen, da ihr ihn nur zum Behuf eines bessern Vernunftgebrauchs angenommen habt. Alles Jammern also oder ohnmächtiges Zürnen über den vorgeblichen Frevel, die Bündigkeit eurer Schlußkette in Zweifel zu ziehen, ist eitle Großtuerei, die gern haben möchte, dass man den Zweifel, welchen man gegen euer Argument frei heraussagt, für Bezweifelung heiliger Wahrheit halten möchte, um nur hinter dieser Decke die Seichtigkeit desselben durchschlüpfen zu lassen.

Die moralische Teleologie hingegen, welche nicht minder fest gegründet ist, wie die physische, vielmehr dadurch, dass sie a priori auf von unserer Vernunft untrennbaren Prinzipien beruht, Vorzug verdient, führt auf das, was zur Möglichkeit einer Theologie erfordert wird, nämlich auf einen bestimmten Begriff der obersten Ursache, als Weltursache nach moralischen Gesetzen, mithin einer solchen, die unserm moralischen Endzwecke Genüge tut: wozu nichts weniger als Allwissenheit, Allmacht, Allgegenwart u.s.w. als dazu gehörige Natureigenschaften erforderlich sind, die mit dem moralischen Endzwecke, der unendlich ist, als verbunden, mithin ihm adäquat gedacht werden müssen, und kann so den Begriff eines einzigen Welturhebers, der zu einer Theologie tauglich ist, ganz allein verschaffen.

Auf solche Weise führt eine Theologie auch unmittelbar zur Religion, d.h. der Erkenntnis unserer Pflichten, als göttlicher Gebote; weil die Erkenntnis unserer Pflicht, und des darin uns durch Vernunft auferlegten Endzwecks, den Begriff von Gott zuerst bestimmt hervorbringen konnte, der also schon in seinem Ursprunge von der Verbindlichkeit gegen dieses Wesen unzertrennlich ist: anstatt dass, wenn der Begriff vom Urwesen auf dem bloß theoretischen Wege (nämlich desselben als bloßer Ursache der Natur) auch bestimmt gefunden werden könnte, es nachher noch mit großer Schwierigkeit, vielleicht gar Unmöglichkeit, es ohne willkürliche Einschiebung zu leisten, verbunden sein würde, diesem Wesen eine Kausalität nach moralischen Gesetzen durch gründliche Beweise beizulegen; ohne die doch jener angeblich theologische Begriff keine Grundlage zur Religion ausmachen kann. Selbst wenn eine Religion auf diesem theoretischen Wege gegründet werden könnte, würde sie in Ansehung der Gesinnung (worin doch ihr Wesentliches besteht) wirklich von derjenigen unterschieden sein, in welcher der Begriff von Gott und die (praktische) Überzeugung von seinem Dasein aus Grundideen der Sittlichkeit entspringt. Denn wenn wir Allgewalt, Allwissenheit u.s.w. eines Welturhebers, als anderwärts her uns gegebene Begriffe voraussetzen müssten, um nachher unsere Begriffe von Pflichten auf unser Verhältnis zu ihm nur anzuwenden, so müssten diese sehr stark den Anstrich von Zwang und abgenötigter Unterwerfung bei sich führen; statt dessen, wenn die Hochachtung für das sittliche Gesetz uns ganz frei, laut Vorschrift unserer eigenen Vernunft, den Endzweck unserer Bestimmung vorstellt, wir eine damit und zu dessen Ausführung zusammenstimmende Ursache mit der wahrhaftesten Ehrfurcht, die gänzlich von pathologischer Furcht unterschieden ist, in unsere moralischen Aussichten mit aufnehmen und uns derselben willig unterwerfen.

Wenn man fragt: warum uns denn etwas daran gelegen sei, überhaupt eine Theologie zu haben: so leuchtet klar ein, dass sie nicht zur Erweiterung oder Berichtigung unserer Naturkenntnis und überhaupt irgendeiner Theorie, sondern lediglich zur Religion, d.h. dem praktischen, namentlich dem moralischen Gebrauche der Vernunft in subjektiver Absicht nötig sei. Findet sich nun: dass das einzige Argument, welches zu einem bestimmten Begriffe des Gegenstandes der Theologie führt, selbst moralisch ist: so wird es nicht allein nicht befremden, sondern man wird auch in Ansehung der Zulänglichkeit des Fürwahrhaltens aus diesem Beweisgründe zur Endabsicht derselben nichts vermissen, wenn gestanden wird, dass ein solches Argument das Dasein Gottes nur für unsere moralische Bestimmung, d.h. in praktischer Absicht hinreichend dartue, und die Spekulation in demselben ihre Stärke keinesweges beweise, oder den Umfang ihres Gebiets dadurch erweitere. Auch wird die Befremdung, oder der vorgebliche Widerspruch einer hier behaupteten Möglichkeit einer Theologie, mit dem was die Kritik der spekulativen Vernunft von den Kategorien sagte: dass diese nämlich nur in Anwendung auf Gegenstände der Sinne, keinesweges aber auf das Übersinnliche angewandt, Erkenntnis hervorbringen können, verschwinden, wenn man sie hier zu einem Erkenntnis Gottes, aber nicht in theoretischer (nach dem was seine uns unerforschliche Natur an sich sei), sondern lediglich in praktischer Absicht gebraucht sieht. Um bei dieser Gelegenheit der Missdeutung jener sehr notwendigen, aber auch, zum Verdruß des blinden Dogmatikers, die Vernunft in ihre Grenzen zurückweisenden, Lehre der Kritik ein Ende zu machen, füge ich hier nachstehende Erläuterung derselben bei.

Wenn ich einem Körper bewegende Kraft beilege, mithin ihn durch die Kategorie der Kausalität denke: so erkenne ich ihn dadurch zugleich, d.h. ich bestimme den Begriff desselben, als Objekts überhaupt, durch das, was ihm, als Gegenstande der Sinne, für sich (als Bedingung der Möglichkeit jener Relation) zukommt. Denn, ist die bewegende Kraft, die ich ihm beilege, eine abstoßende: so kommt ihm (wenn ich gleich noch nicht einen anderen, gegen den er sie ausübt, neben ihm setze) ein Ort im Raume, ferner eine Ausdehnung, d.h. Raum in ihm selbst, überdem Erfüllung desselben durch die abstoßenden Kräfte seiner Teile zu, endlich auch das Gesetz dieser Erfüllung (dass der Grund der Abstoßung der letzteren in derselben Proportion abnehmen müsse, als die Ausdehnung des Körpers wächst, und der Raum, den er mit denselben Teilen durch diese Kraft erfüllt, zunimmt). Dagegen, wenn ich mir ein übersinnliches Wesen als den ersten Beweger, mithin durch die Kategorie der Kausalität in Ansehung derselben Weltbestimmung (der Bewegung der Materie), denke: so muss ich es nicht in irgendeinem Orte im Raume, ebenso wenig als ausgedehnt, ja ich darf es nicht einmal als in der Zeit und mit anderen zugleich existierend denken. Also habe ich gar keine Bestimmungen, welche mir die Bedingung der Möglichkeit der Bewegung durch dieses Wesen als Grund verständlich machen könnten. Folglich erkenne ich dasselbe durch das Prädikat der Ursache (als ersteren Beweger) für sich nicht im mindesten: sondern ich habe nur die Vorstellung von einem Etwas, welches den Grund der Bewegungen in der Welt enthält; und die Relation derselben zu diesen, als deren Ursache, da sie mir sonst nichts zur Beschaffenheit des Dinges, welches Ursache ist, Gehöriges an die Hand gibt, lässt den Begriff von dieser ganz leer. Der Grund davon ist: weil ich mit Prädikaten, die nur in der Sinnenwelt ihr Objekt finden, zwar zu dem Dasein von etwas, was den Grund der letzteren enthalten muss, aber nicht zu der Bestimmung seines Begriffs als übersinnlichen Wesens, welcher alle jene Prädikate ausstößt, fortschreiten kann. Durch die Kategorie der Kausalität also, wenn ich sie durch den Begriff eines ersten Bewegers bestimme, erkenne ich, was Gott sei, nicht im mindesten; vielleicht aber wird es besser gelingen, wenn ich aus der Weltordnung Anlaß nehme, seine Kausalität, als die eines obersten Verstandes nicht bloß zu denken, sondern ihn auch durch diese Bestimmung des genannten Begriffs zu erkennen: weil da die lästige Bedingung des Raumes und der Ausdehnung wegfällt. Allerdings nötigt uns die große Zweckmäßigkeit in der Welt, eine oberste Ursache zu derselben und deren Kausalität als durch einen Verstand zu denken; aber dadurch sind wir gar nicht befugt, ihr diesen beizulegen (wie z.B. die Ewigkeit Gottes als Dasein zu aller Zeit zu denken, weil wir sonst gar uns keinen Begriff vom bloßen Dasein als einer Größe, d.h. als Dauer, machen können; oder die göttliche Allgegenwart als Dasein in allen Orten zu denken, um die unmittelbare Gegenwart für Dinge außer einander uns fasslich zu machen, ohne gleichwohl eine dieser Bestimmungen Gott, als etwas an ihm Erkanntes, beilegen zu dürfen). Wenn ich die Kausalität des Menschen in Ansehung gewisser Produkte, welche nur durch absichtliche Zweckmäßigkeit erklärlich sind, dadurch bestimme, dass ich sie als einen Verstand desselben denke: so brauche ich nicht dabei stehen zu bleiben, sondern kann ihm dieses Prädikat als wohlbekannte Eigenschaft desselben beilegen und ihn dadurch erkennen. Denn ich weiß, dass Anschauungen den Sinnen des Menschen gegeben, und durch den Verstand unter einen Begriff und hiermit unter eine Regel gebracht werden; dass dieser Begriff nur das gemeinsame Merkmal (mit Weglassung des Besondern) enthalte, und also diskursiv sei; dass die Regeln, um gegebene Vorstellungen unter ein Bewusstsein überhaupt zu bringen, von ihm noch vor jenen Anschauungen gegeben werden, u.s.w.: ich lege also diese Eigenschaft dem Menschen bei, als eine solche, wodurch ich ihn erkenne. Will ich nun aber ein übersinnliches Wesen (Gott) als Intelligenz denken, so ist dieses in gewisser Rücksicht meines Vernunftgebrauchs nicht allein erlaubt, sondern auch unvermeidlich; aber ihm Verstand beizulegen, und es dadurch als durch eine Eigenschaft desselben erkennen zu können sich schmeicheln, ist keinesweges erlaubt: weil ich alsdann alle jene Bedingungen, unter denen ich allein einen Verstand kenne, weglassen muss, mithin das Prädikat, das nur mir Bestimmung des Menschen dient, auf ein übersinnliches Objekt gar nicht bezogen werden kann, und also durch eine so bestimmte Kausalität, was Gott sei, gar nicht erkannt werden kann. Und so geht es mit allen Kategorien, die gar keine Bedeutung zum Erkenntnis in theoretischer Rücksicht halben können, wenn sie nicht auf Gegenstände möglicher Erfahrung angewandt werden. Aber nach der Analogie mit einem Verstande kann ich, ja muss ich, mir wohl in gewisser anderer Rücksicht selbst ein übersinnliches Wesen denken, ohne es gleichwohl dadurch theoretisch erkennen zu wollen; wenn nämlich diese Bestimmung seiner Kausalität eine Wirkung in der Welt betrifft, die eine moralisch-notwendige, aber für Sinnenwesen unausführbare Absicht enthält: da alsdann ein Erkenntnis Gottes und seines Daseins (Theologie) durch bloß nach der Analogie an ihm gedachte Eigenschaften und Bestimmungen seiner Kausalität möglich ist, welches in praktischer Beziehung, aber auch nur in Rücksicht auf diese (als moralische), alle erforderliche Realität hat. Es ist also wohl eine Ethikotheologie möglich; denn die Moral kann zwar mit ihrer Regel, aber nicht mit der Endabsicht, welche eben dieselbe auferlegt, ohne Theologie bestehen, ohne die Vernunft in Ansehung der letzteren im Bloßen zu lassen. Aber eine theologische Ethik (der reinen Vernunft) ist unmöglich; weil Gesetze, die nicht die Vernunft ursprünglich selbst gibt, und deren Befolgung sie als reines praktisches Vermögen auch bewirkt, nicht moralisch sein können. Ebenso würde eine theologische Physik ein Unding sein, weil sie keine Naturgesetze sondern Anordnungen eines höchsten Willens vortragen würde; wogegen eine physische (eigentlich physisch-teleologische) Theologie doch wenigstens als Propädeutik zur eigentlichen Theologie dienen kann: indem sie durch die Betrachtung der Naturzwecke, von denen sie reichen Stoff darbietet, zur Idee eines Endzweckes, den die Natur nicht aufstellen kann, Anlaß gibt; mithin das Bedürfnis einer Theologie, die den Begriff von Gott für den höchsten praktischen Gebrauch der Vernunft zureichend bestimmte, zwar fühlbar machen, aber sie nicht hervorbringen und auf ihre Beweistümer zulänglich gründen kann.