04 Buch 2 – Teil 23 bis 40

Immanuel Kant – Kritik der Urteilskraft (1790)

Zweites Buch. Analytik des Erhabenen

23. Übergang von dem Beurteilungsvermögen des Schönen zu dem des Erhabenen

Das Schöne kommt darin mit dem Erhabenen überein, dass beides für sich selbst gefällt. Ferner darin, dass beides kein Sinnesnoch ein logisch-bestimmendes, sondern ein Reflexionsurteil voraussetzt: folglich das Wohlgefallen nicht an einer Empfindung, wie die des Angenehmen, noch an einem bestimmten Begriffe, wie das Wohlgefallen am Guten, hängt; gleichwohl aber doch auf Begriffe, obzwar unbestimmt welche, bezogen wird, mithin das Wohlgefallen an der bloßen Darstellung oder dem Vermögen derselben geknüpft ist, wodurch das Vermögen der Darstellung, oder die Einbildungskraft, bei einer gegebenen Anschauung mit dem Vermögen der Begriffe des Verstandes oder der Vernunft, als Beförderung der letzteren, in Einstimmung betrachtet wird. Daher sind auch beiderlei Urteile einzelne, und doch sich für allgemeingültig in Ansehung jedes Subjekts ankündigende Urteile, ob sie zwar bloß auf das Gefühl der Lust und auf kein Erkenntnis des Gegenstandes Anspruch machen.

Allein es sind auch namhafte Unterschiede zwischen beiden in die Augen fallend. Das Schöne
der Natur betrifft die Form des Gegenstandes, die in der Begrenzung besteht; das Erhabene ist dagegen auch an einem formlosen Gegenstande zu finden, sofern Unbegrenztheit an ihm, oder durch dessen Veranlassung, vorgestellt und doch Totalität derselben hinzugedacht wird: so dass das Schöne für die Darstellung eines unbestimmten Verstandesbegriffs, das Erhabene aber eines dergleichen Vernunftbegriffs genommen zu werden scheint. Also ist das Wohlgefallen dort mit der Vorstellung der Qualität, hier aber der Quantität verbunden. Auch ist das letztere der Art nach von dem ersteren Wohlgefallen gar sehr unterschieden: indem dieses (das Schöne) direkte ein Gefühl der Beförderung des Lebens bei sich führt, und daher mit Reizen und einer spielenden Einbildungskraft vereinbar ist; jenes aber (das Gefühl des Erhabenen) eine Lust ist, welche nur indirekte entspringt, nämlich so, dass sie durch das Gefühl einer augenblicklichen Hemmung der Lebenskräfte und darauf sogleich folgenden desto starkem Ergießung derselben erzeugt wird, mithin als Rührung kein Spiel, sondern Ernst in der Beschäftigung der Einbildungskraft zu sein scheint. Daher es auch mit Reizen unvereinbar ist; und, indem das Gemüt von dem Gegenstande nicht bloß angezogen, sondern wechselsweise auch immer wieder abgestoßen wird, das Wohlgefallen am Erhabenen nicht sowohl positive Lust als vielmehr Bewunderung oder Achtung enthält, d.h. negative Lust genannt zu werden verdient.

Der wichtigste und innere Unterschied aber des Erhabenen vom Schönen ist wohl dieser: dass, wenn wir, wie billig, hier zuvörderst nur das Erhabene an Naturobjekten in Betrachtung ziehen (das der Kunst wird nämlich immer auf die Bedingungen der Übereinstimmung mit der Natur eingeschränkt), die Naturschönheit (die selbständige) eine Zweckmäßigkeit in ihrer Form, wodurch der Gegenstand für unsere Urteilskraft gleichsam vorherbestimmt zu sein scheint, bei sich führe, und so an sich einen Gegenstand des Wohlgefallens ausmacht; statt dessen das, was in uns, ohne zu vernünfteln, bloß in der Auffassung, das Gefühl des Erhabenen erregt, der Form nach zwar zweckwidrig für unsere Urteilskraft, unangemessen unserm Darstellungsvermögen, und gleichsam gewalttätig für die Einbildungskraft erscheinen mag, aber dennoch nur um desto erhabener zu sein geurteilt wird.

Man sieht aber hieraus sofort, dass wir uns überhaupt unrichtig ausdrücken, wenn wir irgendeinen Gegenstand der Natur erhaben nennen, ob wir zwar ganz richtig sehr viele derselben schön nennen können; denn wie kann das mit einem Ausdrucke des Beifalls bezeichnet werden, was an sich als zweckwidrig aufgefasst wird? Wir können nicht mehr sagen, als dass der Gegenstand zur Darstellung einer Erhabenheit tauglich sei, die im Gemüte angetroffen werden kann; denn das eigentliche Erhabene kann in keiner sinnlichen Form enthalten sein, sondern trifft nur Ideen der Vernunft: welche, obgleich keine ihnen angemessene Darstellung möglich ist, eben durch diese Unangemessenheit, welche sich sinnlich darstellen lässt, rege gemacht und ins Gemüt gerufen werden. So kann der weite, durch Stürme empörte Ozean nicht erhaben genannt werden. Sein Anblick ist gräßlich; und man muss das Gemüt schon mit mancherlei Ideen angefüllt haben, wenn es durch eine solche Anschauung zu einem Gefühl gestimmt werden soll, welches selbst erhaben ist, indem das Gemüt die Sinnlichkeit zu verlassen und sich mit Ideen, die höhere Zweckmäßigkeit enthalten, zu beschäftigen angereizt wird.

Die selbständige Naturschönheit entdeckt uns eine Technik der Natur, welche sie als ein System nach Gesetzen, deren Prinzip wir in unserm ganzen Verstandesvermögen nicht antreffen, vorstellig macht, nämlich dem einer Zweckmäßigkeit, respektiv auf den Gebrauch der Urteilskraft in Ansehung der Erscheinungen, so dass diese nicht bloß als zur Natur in ihrem zwecklosen Mechanismus, sondern auch als zur Analogie mit der Kunst gehörig, beurteilt werden müssen. Sie erweitert also wirklich zwar nicht unsere Erkenntnis der Naturobjekte, aber doch unseren Begriff von der Natur, nämlich als bloßem Mechanismus, zu dem Begriff von eben derselben als Kunst: welches zu tiefen Untersuchungen über die Möglichkeit einer solchen Form einladet. Aber in dem, was wir an ihr erhaben zu nennen pflegen, ist sogar nichts, was auf besondere objektive Prinzipien und diesen gemäße Formen der Natur führte, dass diese vielmehr in ihrem Chaos oder in ihrer wildesten regellosesten Unordnung und Verwüstung, wenn sich nur Größe und Macht blicken lässt, die Ideen des Erhabenen am meisten erregt. Daraus sehen wir, dass der Begriff des Erhabenen der Natur bei weitem nicht so wichtig und an Folgerungen reichhaltig sei, als der des Schönen in derselben; und dass er überhaupt nichts Zweckmäßiges in der Natur selbst, sondern nur in dem möglichen Gebrauche ihrer Anschauungen, um eine von der Natur ganz unabhängige Zweckmäßigkeit in uns selbst fühlbar zu machen, anzeige. Zum Schönen der Natur müssen wir einen Grund außer uns suchen, zum Erhabenen aber bloß in uns und der Denkungsart, die in die Vorstellung der ersteren Erhabenheit hineinbringt; eine sehr nötige vorläufige Bemerkung, welche die Ideen des Erhabenen von der einer Zweckmäßigkeit der Natur ganz abtrennt, und aus der Theorie desselben einen bloßen Anhang zur ästhetischen Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Natur macht, weil dadurch keine besondere Form in dieser vorgestellt, sondern nur ein zweckmäßiger Gebrauch, den die Einbildungskraft von ihrer Vorstellung macht, entwickelt wird.

24. Von der Einteilung einer Untersuchung des Gefühls des Erhabenen

Was die Einteilung der Momente der ästhetischen Beurteilung der Gegenstände, in Beziehung auf das Gefühl des Erhabenen, betrifft, so wird die Analytik nach demselben Prinzip fortlaufen können, wie in der Zergliederung der Geschmacksurteile geschehen ist. Denn, als Urteil der ästhetischen reflektierenden Urteilskraft, muss das Wohlgefallen am Erhabenen eben sowohl, als am Schönen, der Quantität nach allgemeingültig, der Qualität nach ohne Interesse, der Relation nach subjektive Zweckmäßigkeit, und der Modalität nach die letztere als notwendig, vorstellig machen. Hierin wird also die Methode von der im vorigen Abschnitte nicht abweichen: man müsste denn das für etwas rechnen, dass wir dort, wo das ästhetische Urteil die Form des Objekts betraf, von der Untersuchung der Qualität anfingen, hier aber, bei der Formlosigkeit, welche dem, was wir erhaben nennen, zukommen kann, von der Quantität, als dem ersten Moment des ästhetischen Urteils über das Erhabene, anfangen werden: wozu aber der Grund aus dem vorhergehenden § zu ersehen ist.

Aber eine Einteilung hat die Analysis des Erhabenen nötig, welche die des Schönen nicht bedarf, nämlich die in das mathematisch und in das dynamisch-Erhabene.

Denn da das Gefühl des Erhabenen eine mit der Beurteilung des Gegenstandes verbundene Bewegung des Gemüts, als seinen Charakter bei sich führt, anstatt dass der Geschmack am Schönen das Gemüt in ruhiger Kontemplation voraussetzt und erhält; diese Bewegung aber als subjektiv zweckmäßig beurteilt werden soll (weil das Erhabene gefällt): so wird sie durch die Einbildungskraft entweder auf das Erkenntnisoder auf das Begehrungsvermögen bezogen; in beiderlei Beziehung aber die Zweckmäßigkeit der gegebenen Vorstellung nur in Ansehung dieser Vermögen (ohne Zweck oder Interesse) beurteilt werden: da dann die erste, als eine mathematische, zweite als dynamische Stimmung der Einbildungskraft dem Objekte beigelegt, und daher dieses auf gedachte zwiefache Art als erhaben vorgestellt wird.

Vom Mathematisch-Erhabenen

25. Namenerklärung des Erhabenen

Erhaben nennen wir das, was schlechthin groß ist. Groß-sein aber, und eine Größe sein, sind ganz verschiedene Begriffe (magnitudo und quantitas). Imgleichen schlechtweg (simpliciter) sagen, dass etwas groß sei, ist auch ganz was anderes als zu sagen, dass es schlechthin groß (absolute non comparative magnum) sei. Das letztere ist das, was über alle Vergleichung groß ist. Was will nun aber der Ausdruck, dass etwas groß, oder klein, oder mittelmäßig sei, sagen? Ein reiner Verstandesbegriff ist es nicht, was dadurch bezeichnet wird, noch weniger eine Sinnenanschauung; und ebenso wenig ein Vernunftbegriff, weil er gar kein Prinzip der Erkenntnis bei sich führt. Es muss also ein Begriff der Urteilskraft sein, oder von einem solchen abstammen, und eine subjektive Zweckmäßigkeit der Vorstellung in Beziehung auf die Urteilskraft zum Grunde legen. Dass etwas eine Größe (quantum) sei, lässt sich aus dem Dinge selbst, ohne alle Vergleichung mit anderen, erkennen, wenn nämlich Vielheit des Gleichartigen zusammen Eines ausmacht. Wie groß es aber sei, erfordert jederzeit etwas anderes, welches auch Größe ist, zu seinem Maße.

Weil es aber in der Beurteilung der Größe nicht bloß auf die Vielheit (Zahl), sondern auch auf die Größe der Einheit (des Maßes) ankommt, und die Größe dieser letzteren immer wiederum etwas anderes als Maß bedarf, womit sie verglichen werden könne: so sehen wir: dass alle Größenbestimmung der Erscheinungen schlechterdings keinen absoluten Begriff von einer Größe, sondern allemal nur einen Vergleichungsbegriff liefern könne.

Wenn ich nun schlechtweg sage, dass etwas groß sei, so scheint es, dass ich gar keine Vergleichung im Sinne habe, wenigstens mit keinem objektiven Maße, weil dadurch gar nicht bestimmt wird, wie groß der Gegenstand sei. Ob aber gleich der Maßstab der Vergleichung bloß subjektiv ist, so macht das Urteil nichts desto weniger auf allgemeine Bestimmung Anspruch; die Urteile: der Mann ist schön und er ist groß, schränken sich nicht bloß auf das urteilende Subjekt ein, sondern verlangen, gleich theoretischen Urteilen, jedermanns Beistimmung.

Weil aber in einem Urteile, wodurch etwas schlechtweg als groß bezeichnet wird, nicht bloß gesagt werden will, dass der Gegenstand eine Größe habe, sondern diese ihm zugleich vorzugsweise vor vielen anderen gleicher Art beigelegt wird, ohne doch diesen Vorzug bestimmt anzugeben: so wird demselben allerdings ein Maßstab zum Grunde gelegt, den man für jedermann, als eben denselben, annehmen zu können voraussetzt, der aber zu keiner logischen (mathematisch-bestimmten), sondern nur ästhetischen Beurteilung der Größe brauchbar ist, weil er ein bloß subjektiv dem über Größe reflektierenden Urteile zum Grunde liegender Maßstab ist. Er mag übrigens empirisch sein, wie etwa die mittlere Größe der uns bekannten Menschen, Tiere von gewisser Art, Bäume, Häuser, Berge, u.d.gl.; oder ein a priori gegebener Maßstab, der durch die Mängel des beurteilenden Subjekts auf subjektive Bedingungen der Darstellung in concreto eingeschränkt ist, als im Praktischen: die Größe einer gewissen Tugend, oder der öffentlichen Freiheit und Gerechtigkeit in einem Lande; oder im Theoretischen: die Größe der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer gemachten Observation oder Messung u.d.gl.

Hier ist nun merkwürdig: dass, wenn wir gleich am Objekte gar kein Interesse haben, d.h. die Existenz desselben uns gleichgültig ist, doch die bloße Größe desselben, selbst wenn es als formlos betrachtet wird, ein Wohlgefallen bei sich führen könne, das allgemein mitteilbar ist, mithin Bewusstsein einer subjektiven Zweckmäßigkeit im Gebrauche unsrer Erkenntnisvermögen enthalte; aber nicht etwa ein Wohlgefallen am Objekte, wie beim Schönen (weil es formlos sein kann), wo die reflektierende Urteilskraft sich in Beziehung auf das Erkenntnis überhaupt zweckmäßig gestimmt findet: sondern an der Erweiterung der Einbildungskraft an sich selbst.

Wenn wir (unter der obgenannten Einschränkung) von einem Gegenstande schlechtweg sagen, er sei groß: so ist dies kein mathematisch-bestimmendes, sondern ein bloßes Reflexionsurteil über die Vorstellung desselben, die für einen gewissen Gebrauch unserer Erkenntniskräfte in der Größenschätzung subjektiv zweckmäßig ist; und wir verbinden alsdenn mit der Vorstellung jederzeit eine Art von Achtung, so wie mit dem, was wir schlechtweg klein nennen, eine Verachtung. Übrigens geht die Beurteilung der Dinge als groß oder klein auf alles, selbst auf alle Beschaffenheiten derselben; daher wir selbst die Schönheit groß oder klein nennen: wovon der Grund darin zu suchen ist, dass, was wir nach Vorschrift der Urteilskraft in der Anschauung nur immer darstellen (mithin ästhetisch vorstellen) mögen, insgesamt Erscheinung, mithin auch ein Quantum ist.

Wenn wir aber etwas nicht allein groß, sondern schlechthin-, absolut-, in aller Absicht (über alle Vergleichung) groß, d.h. erhaben, nennen, so sieht man bald ein: dass wir für dasselbe keinen ihm angemessenen Maßstab außer ihm, sondern bloß in ihm zu suchen verstatten. Es ist eine Größe, die bloß sich selber gleich ist. Dass das Erhabene also nicht in den Dingen der Natur, sondern allein in unseren Ideen zu suchen sei, folgt hieraus; in welchen es aber liege, muss für die Deduktion aufbehalten werden.

Die obige Erklärung kann auch so ausgedrückt werden: Erhaben ist das, mit welchem in Vergleichung alles andere klein ist. Hier sieht man leicht: dass nichts in der Natur gegeben werden könne, so groß als es auch von uns beurteilt werde, was nicht in einem anderen Verhältnisse betrachtet bis zum Unendlichkleinen abgewürdigt werden könnte; und umgekehrt, nichts so klein, was sich nicht in Vergleichung mit noch kleinem Maßstäben für unsere Einbildungskraft bis zu einer Weltgröße erweitern ließe. Die Teleskope haben uns die erstere, die Mikroskope die letztere Bemerkung zu machen reichlichen Stoff an die Hand gegeben. Nichts also, was Gegenstand der Sinnen sein kann, ist, auf diesen Fuß betrachtet, erhaben zu nennen. Aber eben darum, dass in unserer Einbildungskraft ein Bestreben zum Fortschritte ins Unendliche, in unserer Vernunft aber ein Anspruch auf absolute Totalität, als auf eine reelle Idee liegt: ist selbst jene Unangemessenheit unseres Vermögens der Größenschätzung der Dinge der Sinnenwelt für diese Idee die Erweckung des Gefühls eines übersinnlichen Vermögens in uns; und der Gebrauch, den die Urteilskraft von gewissen Gegenständen zum Behuf des letzteren (Gefühls) natürlicher Weise macht, nicht aber der Gegenstand der Sinne, ist schlechthin groß, gegen ihn aber jeder andere Gebrauch klein. Mithin ist die Geistesstimmung durch eine gewisse die reflektierende Urteilskraft beschäftigende Vorstellung, nicht aber das Objekt erhaben zu nennen.

Wir können also zu den vorigen Formeln der Erklärung des Erhabenen noch diese hinzutun: Erhaben ist, was auch nur denken zu können ein Vermögen des Gemüts beweiset, das jeden Maßstab der Sinne übertrifft.

26. Von der Größenschätzung der Naturdinge, die zur Idee des Erhabenen erforderlich ist

Die Größenschätzung durch Zahlbegriffe (oder deren Zeichen in der Algebra) ist mathematisch, die aber in der bloßen Anschauung (nach dem Augenmaße) ist ästhetisch. Nun können wir zwar bestimmte Begriffe davon, wie groß etwas sei, nur durch Zahlen (allenfalls Annäherungen durch ins Unendliche fortgehende Zahlreihen) bekommen, deren Einheit das Maß ist; und sofern ist alle logische Größenschätzung mathematisch. Allein da die Größe des Maßes doch als bekannt angenommen werden muss, so würden, wenn diese nun wiederum nur durch Zahlen, deren Einheit ein anderes Maß sein müsste, mithin mathematisch geschätzt werden sollte, wir niemals ein erstes oder Grundmaß, mithin auch keinen bestimmten Begriff von einer gegebenen Größe haben können. Also muss die Schätzung der Größe des Grundmaßes bloß darin bestehen, dass man sie in einer Anschauung unmittelbar fassen und durch Einbildungskraft zur Darstellung der Zahlbegriffe brauchen kann: d.h. alle Größenschätzung der Gegenstände der Natur ist zuletzt ästhetisch (d.h. subjektiv und nicht objektiv bestimmt).

Nun gibt es zwar für die mathematische Größenschätzung kein Größtes (denn die Macht der Zahlen geht ins Unendliche); aber für die ästhetische Größenschätzung gibt es allerdings ein Größtes; und von diesem sage ich: dass, wenn es als absolutes Maß, über das kein größeres subjektiv (dem beurteilenden Subjekt) möglich sei, beurteilt wird, es die Idee des Erhabenen bei sich führe, und diejenige Rührung, welche keine mathematische Schätzung der Größen durch Zahlen (es sei denn, so weit jenes ästhetische Grundmaß dabei in der Einbildungskraft lebendig erhalten wird) bewirken kann, hervorbringe: weil die letztere immer nur die relative Größe durch Vergleichung mit anderen gleicher Art, die erstere aber die Größe schlechthin, so weit das Gemüt sie in einer Anschauung fassen kann, darstellt.

Anschaulich ein Quantum in die Einbildungskraft aufzunehmen, um es zum Maße, oder, als Einheit, zur Größenschätzung durch Zahlen brauchen zu können, dazu gehören zwei Handlungen dieses Vermögens: Auffassung (apprehensio) und Zusammenfassung (comprehensio aesthetica). Mit der Auffassung hat es keine Not: denn damit kann es ins Unendliche gehen; aber die Zusammenfassung wird immer schwerer, je weiter die Auffassung fortrückt, und gelangt bald zu ihrem Maximum, nämlich dem ästhetisch größten Grundmaße der Größenschätzung. Denn, wenn die Auffassung so weit gelanget ist, dass die zuerst aufgefassten Teilvorstellungen der Sinnenanschauung in der Einbildungskraft schon zu erlöschen anheben, indes dass diese zu Auffassung mehrerer fortrückt: so verliert sie auf einer Seite ebenso viel, als sie auf der anderen gewinnt, und in der Zusammenfassung ist ein Größtes, über welches sie nicht hinauskommen kann.

Daraus lässt sich erklären, was Savary in seinen Nachrichten von Ägypten anmerkt: dass man den Pyramiden nicht sehr nahe kommen, ebenso wenig als zu weit davon entfernt sein müsse, um die ganze Rührung von ihrer Größe zu bekommen. Denn ist das letztere, so sind die Teile, die aufgefasst werden (die Steine derselben übereinander), nur dunkel vorgestellt, und ihre Vorstellung tut keine Wirkung auf das ästhetische Urteil des Subjekts. Ist aber das erstere, so bedarf das Auge einige Zeit, um die Auffassung von der Grundfläche bis zur Spitze zu vollenden; in dieser aber erlöschen immer zum Teil die ersteren, ehe die Einbildungskraft die letzteren aufgenommen hat, und die Zusammenfassung ist nie vollständig. Eben dasselbe kann auch hinreichen, die Bestürzung, oder Art von Verlegenheit, die, wie man erzählt, den Zuschauer in der St. Peterskirche in Rom beim ersten Eintritt anwandelt, zu erklären. Denn es ist hier ein Gefühl der Unangemessenheit seiner Einbildungskraft für die Ideen eines Ganzen, um sie darzustellen, worin die Einbildungskraft ihr Maximum erreicht, und, bei der Bestrebung, es zu erweitern, in sich selbst zurück sinkt, dadurch aber in ein rührendes Wohlgefallen versetzt wird.

Ich will jetzt noch nichts von dem Grunde dieses Wohlgefallens anführen, welches mit einer Vorstellung, wovon man es am wenigsten erwarten sollte, die nämlich uns die Unangemessenheit, folglich auch subjektive Unzweckmäßigkeit der Vorstellung für die Urteilskraft in der Größenschätzung merken lässt, verbunden ist; sondern bemerke nur, dass, wenn das ästhetische Urteil rein (mit keinem teleologischen als Vernunfturteile vermischt) und daran ein der Kritik der ästhetischen Urteilskraft völlig anpassendes Beispiel gegeben werden soll, man nicht das Erhabene an Kunstprodukten (z.B. Gebäuden, Säulen u.s.w.), wo ein menschlicher Zweck die Form sowohl als die Größe bestimmt, noch an Naturdingen, deren Begriff schon einen bestimmten Zweck bei sich führt (z.B. Tieren von bekannter Naturbestimmung), sondern an der rohen Natur (und an dieser sogar nur, sofern sie für sich keinen Reiz, oder Rührung aus wirklicher Gefahr, bei sich führt), bloß sofern sie Größe enthält, aufzeigen müsse. Denn in dieser Art der Vorstellung enthält die Natur nichts, was ungeheuer (noch was prächtig oder gräßlich) wäre; die Größe, die aufgefasst wird, mag so weit angewachsen sein als man will, wenn sie nur durch Einbildungskraft in ein Ganzes zusammengefasst werden kann. Ungeheuer ist ein Gegenstand, wenn er durch seine Größe den Zweck, der den Begriff desselben ausmacht, vernichtet. Kolossalisch aber wird die bloße Darstellung eines Begriffs genannt, die für alle Darstellung beinahe zu groß ist (an das relativ Ungeheure grenzt); weil der Zweck der Darstellung eines Begriffs dadurch, dass die Anschauung des Gegenstandes für unser Auffassungsvermögen beinahe zu groß ist, erschwert wird. Ein reines Urteil über das Erhabene aber muss gar keinen Zweck des Objekts zum Bestimmungsgrunde haben, wenn es ästhetisch und nicht mit irgendeinem Verstandesoder Vernunfturteile vermengt sein soll.

Weil alles, was der bloß reflektierenden Urteilskraft ohne Interesse gefallen soll, in seiner Vorstellung subjektive, und, als solche, allgemeingültige Zweckmäßigkeit bei sich führen muss, gleichwohl aber hier keine Zweckmäßigkeit der Form des Gegenstandes (wie beim Schönen) der Beurteilung zum Grunde liegt; so fragt sich: Welches ist diese subjektive Zweckmäßigkeit, und wodurch wird sie als Norm vorgeschrieben, um in der bloßen Größenschätzung, und zwar der, welche gar bis zur Unangemessenheit unseres Vermögens der Einbildungskraft in Darstellung des Begriffs von einer Größe getrieben worden, einen Grund zum allgemeingültigen Wohlgefallen abzugeben?

Die Einbildungskraft schreitet in der Zusammensetzung, die zur Größenvorstellung erforderlich ist, von selbst, ohne dass ihr etwas hinderlich wäre, ins Unendliche fort; der Verstand aber leitet sie durch Zahlbegriffe, wozu jene das Schema hergeben muss; und in diesem Verfahren, als zur logischen Größenschätzung gehörig, ist zwar etwas objektiv Zweckmäßiges, nach dem Begriffe von einem Zwecke (dergleichen jede Ausmessung ist), aber nichts für die ästhetische Urteilskraft Zweckmäßiges und Gefallendes. Es ist auch in dieser absichtlichen Zweckmäßigkeit nichts, was die Größe des Maßes, mithin der Zusammenfassung des Vielen in eine Anschauung, bis zur Grenze des Vermögens der Einbildungskraft, und so weit, wie diese in Darstellungen nur immer reichen mag, zu treiben nötigte. Denn in der Verstandesschätzung der Größen (der Arithmetik) kommt man ebenso weit, ob man die Zusammenfassung der Einheiten bis zur Zahl 10 (in der Dekadik), oder nur bis 4 (in der Tetraktik) treibt, die weitere Größenerzeugung aber im Zusammensetzen, oder, wenn das Quantum in der Anschauung gegeben ist, im Auffassen, bloß progressiv (nicht komprehensiv) nach einem angenommenen Progressionsprinzip verrichtet. Der Verstand wird in dieser mathematischen Größenschätzung ebenso gut bedient und befriedigt, ob die Einbildungskraft zur Einheit eine Größe, die man in einem Blick fassen kann, z.B. einen Fuß oder Rute, oder ob sie eine deutsche Meile, oder gar einen Erddurchmesser, deren Auffassung zwar, aber nicht die Zusammenfassung in eine Anschauung der Einbildungskraft (nicht durch die comprehensio aesthetica, obzwar gar wohl durch comprehensio logica in einen Zahlbegriff) möglich ist, wähle. In beiden Fällen geht die logische Größenschätzung ungehindert ins Unendliche.

Nun aber hört das Gemüt in sich auf die Stimme der Vernunft, welche zu allen gegebenen Größen, selbst denen, die zwar niemals ganz aufgefasst werden können, gleichwohl aber (in der sinnlichen Vorstellung) als ganz gegeben beurteilt werden, Totalität fordert, mithin Zusammenfassung in eine Anschauung, und für alle jene Glieder einer fortschreitend-wachsenden Zahlreihe Darstellung verlangt, und selbst das Unendliche (Raum und verflossene Zeit) von dieser Forderung nicht ausnimmt, vielmehr es unvermeidlich macht, sich dasselbe (in dem Urteile der gemeinen Vernunft) als ganz (seiner Totalität nach) gegeben zu denken.

Das Unendliche aber ist schlechthin (nicht bloß komparativ) groß. Mit diesem verglichen ist alles andere (von derselben Art Größen) klein. Aber, was das Vornehmste Ist, es als ein Ganzes auch nur denken zu können, zeigt ein Vermögen des Gemüts an, welches allen Maßstab der Sinne übertrifft. Denn dazu würde eine Zusammenfassung erfordert werden, welche einen Maßstab als Einheit lieferte, der zum Unendlichen ein bestimmtes, in Zahlen angebliches Verhältnis hätte: welches unmöglich ist. Das gegebene Unendliche aber dennoch ohne Widerspruch auch nur denken zu können, dazu wird ein Vermögen, das selbst übersinnlich ist, im menschlichen Gemüte erfordert. Denn nur durch dieses und dessen Idee eines Noumenons, welches selbst keine Anschauung verstattet, aber doch der Weltanschauung, als bloßer Erscheinung, zum Substrat untergelegt wird, wird das Unendliche der Sinnenwelt, in der reinen intellektuellen Größenschätzung, unter einem Begriffe ganz zusammengefasst, obzwar es in der mathematischen durch Zahlenbegriffe nie ganz gedacht werden kann. Selbst ein Vermögen, sich das Unendliche der übersinnlichen Anschauung, als (in seinem intelligibelen Substrat) gegeben, denken zu können, übertrifft allen Maßstab der Sinnlichkeit, und ist über alle Vergleichung selbst mit dem Vermögen der mathematischen Schätzung groß; freilich wohl nicht in theoretischer Absicht zum Behuf des Erkenntnisvermögens, aber doch als Erweiterung des Gemüts, welches die Schranken der Sinnlichkeit in anderer (der praktischen) Absicht zu überschreiten sich vermögend fühlt.

Erhaben ist also die Natur in derjenigen ihrer Erscheinungen, deren Anschauung die Idee ihrer Unendlichkeit bei sich führt. Dieses letztere kann nun nicht anders geschehen, als durch die Unangemessenheit selbst der größten Bestrebung unserer Einbildungskraft in der Größenschätzung eines Gegenstandes. Nun ist aber für die mathematische Größenschätzung die Einbildungskraft jedem Gegenstande gewachsen, um für dieselbe ein hinlängliches Maß zu geben, weil die Zahlbegriffe des Verstandes, durch Progression, jedes Maß einer jeden gegebenen Größe angemessen machen können. Also muss es die ästhetische Größenschätzung sein, in welcher die Bestrebung zur Zusammenfassung das Vermögen der Einbildungskraft überschreitet, die progressive Auffassung in ein Ganzes der Anschauung zu begreifen gefühlt, und dabei zugleich die Unangemessenheit dieses im Fortschreiten unbegrenzten Vermögens wahrgenommen wird, ein mit dem mindesten Aufwande des Verstandes zur Größenschätzung taugliches Grundmaß zu fassen und zur Größenschätzung zu gebrauchen. Nun ist das eigentliche unveränderliche Grundmaß der Natur das absolute Ganze derselben, welches, bei ihr als Erscheinung, zusammengefasste Unendlichkeit ist. Da aber dieses Grundmaß ein sich selbst widersprechender Begriff ist (wegen der Unmöglichkeit der absoluten Totalität eines Progressus ohne Ende), so muss diejenige Größe eines Naturobjekts, an welcher die Einbildungskraft ihr ganzes Vermögen der Zusammenfassung fruchtlos verwendet, den Begriff der Natur auf ein übersinnliches Substrat (welches ihr und zugleich unserm Vermögen zu denken zum Grunde liegt) führen, welches über allen Maßstab der Sinne groß ist, und daher nicht sowohl den Gegenstand, als vielmehr die Gemütsstimmung in Schätzung desselben, als erhaben beurteilen lässt.

Also, gleichwie die ästhetische Urteilskraft in Beurteilung des Schönen die Einbildungskraft in ihrem freien Spiele auf den Verstand bezieht, um mit dessen Begriffen überhaupt (ohne Bestimmung derselben) zusammenzustimmen: so bezieht sich dasselbe Vermögen in Beurteilung eines Dinges als erhabenen auf die Vernunft, um zu deren Ideen (unbestimmt welchen) subjektiv übereinzustimmen, d.h. eine Gemütsstimmung hervorzubringen, welche derjenigen gemäß und mit ihr verträglich ist, die der Einfluss bestimmter Ideen (praktischer) auf das Gefühl bewirken würde.

Man sieht hieraus auch, dass die wahre Erhabenheit nur im Gemüte des Urteilenden, nicht in dem Naturobjekte, dessen Beurteilung diese Stimmung desselben veranlasst, müsse gesucht werden. Wer wollte auch ungestalte Gebirgsmassen, in wilder Unordnung über einander getürmt, mit ihren Eispyramiden, oder die düstere tobende See, u.s.w. erhaben nennen? Aber das Gemüt fühlt sich in seiner eigenen Beurteilung gehoben, wenn, indem es sich in der Betrachtung derselben, ohne Rücksicht auf ihre Form, der Einbildungskraft, und einer, obschon ganz ohne bestimmten Zweck damit in Verbindung gesetzten, jene bloß erweiternden Vernunft, überlässt, die ganze Macht der Einbildungskraft dennoch ihren Ideen unangemessen findet.

Beispiele vom Mathematisch-Erhabenen der Natur in der bloßen Anschauung liefern uns alle die Fälle, wo uns nicht sowohl ein größerer Zahlbegriff, als vielmehr große Einheit als Maß (zu Verkürzung der Zahlreihen) für die Einbildungskraft gegeben wird. Ein Baum, den wir nach Mannshöhe schätzen, gibt allenfalls einen Maßstab für einen Berg; und, wenn dieser etwa eine Meile hoch wäre, kann er zur Einheit für die Zahl, welche den Erddurchmesser ausdrückt, dienen, um den letzteren anschaulich zu machen; der Erddurchmesser für das uns bekannte Planetensystem; dieses für das der Milchstraße, und der unermeßlichen Menge solcher Milchstraßensysteme unter dem Namen der Nebelsterne, welche vermutlich wiederum ein dergleichen System unter sich ausmachen, lassen uns hier keine Grenzen erwarten. Nun liegt das Erhabene, bei der ästhetischen Beurteilung eines so unermeßlichen Ganzen, nicht sowohl in der Größe der Zahl, als darin, dass wir im Fortschritte immer auf desto größere Einheiten gelangen; wozu die systematische Abteilung des Weltgebäudes beiträgt, die uns alles Große in der Natur immer wiederum als klein, eigentlich aber unsere Einbildungskraft in ihrer ganzen Grenzlosigkeit, und mit ihr die Natur als gegen die Ideen der Vernunft, wenn sie eine ihnen angemessene Darstellung verschaffen soll, verschwindend vorstellt.

27. Von der Qualität des Wohlgefallens in der Beurteilung des Erhabenen

Das Gefühl der Unangemessenheit unseres Vermögens zur Erreichung einer Idee, die für uns Gesetz ist, ist Achtung. Nun ist die Idee der Zusammenfassung einer jeden Erscheinung, die uns gegeben werden mag, in die Anschauung eines Ganzen, eine solche, welche uns durch ein Gesetz der Vernunft auferlegt ist, die kein anderes bestimmtes für jedermann gültiges und unveränderliches Maß erkennt, als das absolut-Ganze. Unsere Einbildungskraft aber beweiset, selbst in ihrer größten Anstrengung, in Ansehung der von ihr verlangten Zusammenfassung eines gegebenen Gegenstandes in ein Ganzes der Anschauung (mithin zur Darstellung der Idee der Vernunft) ihre Schranken und Unangemessenheit, doch aber zugleich ihre Bestimmung zur Bewirkung der Angemessenheit mit derselben als einem Gesetze. Also ist das Gefühl des Erhabenen in der Natur Achtung für unsere eigene Bestimmung, die wir einem Objekte der Natur durch eine gewisse Subreption (Verwechselung einer Achtung für das Objekt statt der für die Idee der Menschheit in unserm Subjekte) beweisen, welches uns die Überlegenheit der Vernunftbestimmung unserer Erkenntnisvermögen über das größte Vermögen der Sinnlichkeit gleichsam anschaulich macht. Das Gefühl des Erhabenen ist also ein Gefühl der Unlust, aus der Unangemessenheit der Einbildungskraft in der ästhetischen Größenschätzung, zu der Schätzung durch die Vernunft, und eine dabei zugleich erweckte Lust, aus der Übereinstimmung eben dieses Urteils der Unangemessenheit des größten sinnlichen Vermögens mit Vernunftideen, sofern die Bestrebung zu denselben doch für uns Gesetz ist. Es ist nämlich für uns Gesetz (der Vernunft) und gehört zu unserer Bestimmung, alles, was die Natur als Gegenstand der Sinne für uns Großes enthält, in Vergleichung mit Ideen der Vernunft für klein zu schätzen; und, was das Gefühl dieser übersinnlichen Bestimmung in uns rege macht, stimmt zu jenem Gesetze zusammen. Nun ist die größte Bestrebung der Einbildungskraft in Darstellung der Einheit für die Größenschätzung eine Beziehung auf etwas Absolut-großes, folglich auch eine Beziehung auf das Gesetz der Vernunft, dieses allein zum obersten Maße der Größen anzunehmen. Also ist die innere Wahrnehmung der Unangemessenheit alles sinnlichen Maßstabes zur Größenschätzung der Vernunft eine Übereinstimmung mit Gesetzen derselben, und eine Unlust, welche das Gefühl unserer übersinnlichen Bestimmung in uns rege macht, nach welcher es zweckmäßig, mithin Lust ist, jeden Maßstab der Sinnlichkeit den Ideen des Verstandes unangemessen zu finden.
Das Gemüt fühlt sich in der Vorstellung des Erhabenen in der Natur bewegt: da es in dem ästhetischen Urteile über das Schöne derselben in ruhiger Kontemplation ist. Diese Bewegung kann (vornehmlich in ihrem Anfange) mit einer Erschütterung verglichen werden, d.h. mit einem schnellwechselnden Abstoßen und Anziehen eben desselben Objekts. Das Überschwengliche für die Einbildungskraft (bis zu welchem sie in der Auffassung der Anschauung getrieben wird) ist gleichsam ein Abgrund, worin sie sich selbst zu verlieren fürchtet; aber doch auch für die Idee der Vernunft vom Übersinnlichen nicht überschwenglich, sondern gesetzmäßig, eine solche Bestrebung der Einbildungskraft hervorzubringen: mithin in eben dem Maße wiederum anziehend, als es für die bloße Sinnlichkeit abstoßend war. Das Urteil selber bleibt aber hierbei immer nur ästhetisch, weil es, ohne einen bestimmten Begriff vom Objekte zum Grunde zu haben, bloß das subjektive Spiel der Gemütskräfte (Einbildungskraft und Vernunft) selbst durch ihren Kontrast als harmonisch vorstellt. Denn, so wie Einbildungskraft und Verstand in der Beurteilung des Schönen durch ihre Einhelligkeit, so bringen Einbildungskraft und Vernunft hier, durch ihren Widerstreit, subjektive Zweckmäßigkeit der Gemütskräfte hervor: nämlich ein Gefühl, dass wir reine selbständige Vernunft haben, oder ein Vermögen der Größenschätzung, dessen Vorzüglichkeit durch nichts anschaulich gemacht werden kann, als durch die Unzulänglichkeit desjenigen Vermögens, welches in Darstellung der Großen (sinnlicher Gegenstände) selbst unbegrenzt ist.

Messung eines Raums (als Auffassung) ist zugleich Beschreibung desselben, mithin objektive Bewegung in der Einbildung und ein Progressus; die Zusammenfassung der Vielheit in die Einheit, nicht des Gedankens, sondern der Anschauung, mithin des Sukzessiv-aufgefassten in einen Augenblick, ist dagegen ein Regressus, der die Zeitbedingung im Progressus der Einbildungskraft wieder aufhebt, und das Zugleichsein anschaulich macht. Sie ist also (da die Zeitfolge eine Bedingung des inneren Sinnes und einer Anschauung ist) eine subjektive Bewegung der Einbildungskraft, wodurch sie dem inneren Sinne Gewalt antut, die desto merklicher sein muss, je größer das Quantum ist, welches die Einbildungskraft in eine Anschauung zusammenfasst. Die Bestrebung also, ein Maß für Größen in eine einzelne Anschauung aufzunehmen, welches aufzufassen merkliche Zeit erfordert, ist eine Vorstellungsart, welche, subjektiv betrachtet, zweckwidrig, objektiv aber, als zur Größenschätzung erforderlich, mithin zweckmäßig ist: wobei aber doch eben dieselbe Gewalt, die dem Subjekte durch die Einbildungskraft widerfährt, für die ganze Bestimmung des Gemüts als zweckmäßig beurteilt wird.

Die Qualität des Gefühls des Erhabenen ist: dass sie ein Gefühl der Unlust über das ästhetische Beurteilungsvermögen an einem Gegenstande ist, die darin doch zugleich als zweckmäßig vorgestellt wird; welches dadurch möglich ist, dass das eigne Unvermögen das Bewusstsein eines unbeschränkten Vermögens desselben Subjekts entdeckt, und das Gemüt das letztere nur durch das erstere ästhetisch beurteilen kann.

In der logischen Größenschätzung ward die Umöglichkeit, durch den Progressus der Messung der Dinge der Sinnenwelt in Zeit und Raum jemals zur absoluten Totalität zu gelangen, für objektiv, d.h. eine Unmöglichkeit, das Unendliche als bloß gegeben zu denken, und nicht als bloß subjektiv, d.h. als Unvermögen, es zu fassen, erkannt: weil da auf den Grad der Zusammenfassung in eine Anschauung, als Maß, gar nicht gesehen wird, sondern alles auf einen Zahlbegriff ankommt. Allein in einer ästhetischen Größenschätzung muss der Zahlbegriff wegfallen oder verändert werden, und die Komprehension der Einbildungskraft zur Einheit des Maßes (mithin mit Vermeidung der Begriffe von einem Gesetze der sukzessiven Erzeugung der Größenbegriffe) ist allein für sie zweckmäßig. Wenn nun eine Größe beinahe das Äußerste unseres Vermögens der Zusammenfassung in eine Anschauung erreicht, und die Einbildungskraft doch durch Zahlgrößen (für die wir uns unseres Vermögens als unbegrenzt bewusst sind) zur ästhetischen Zusammenfassung in eine größere. Einheit aufgefordert wird, so fühlen wir uns im Gemüt als ästhetisch in Grenzen eingeschlossen; aber die Unlust wird doch,
in Hinsicht auf die notwendige Erweiterung der Einbildungskraft zur Angemessenheit mit dem, was in unserm Vermögen der Vernunft unbegrenzt ist, nämlich der Idee des absoluten Ganzen, mithin die Unzweckmäßigkeit des Vermögens der Einbildungskraft doch für Vernunftideen und deren Erweckung als zweckmäßig vorgestellt. Eben dadurch wird aber das ästhetische Urteil selbst subjektiv-zweckmäßig für die Vernunft, als Quell der Ideen, d.h. einer solchen intellektuellen Zusammenfassung, für die alle ästhetische klein ist; und der Gegenstand wird als erhaben mit einer Lust aufgenommen, die nur vermittelst einer Unlust möglich ist.

Vom Dynamisch-Erhabenen der Natur

28. Von der Natur als einer Macht

Macht ist ein Vermögen, welches großen Hindernissen überlegen ist. Eben dieselbe heißt eine Gewalt, wenn sie auch dem Widerstande dessen, was selbst Macht besitzt, überlegen ist. Die Natur, im ästhetischen Urteile als Macht, die über uns keine Gewalt hat, betrachtet, ist dynamisch-erhaben.

Wenn von uns die Natur dynamisch als erhaben beurteilt werden soll, so muss sie als Furcht erregend vorgestellt werden (obgleich nicht, umgekehrt jeder Furcht erregende Gegenstand in unserm ästhetischen Urteile erhaben gefunden wird). Denn in der ästhetischen Beurteilung (ohne Begriff) kann die Überlegenheit über Hindernisse nur nach der Größe des Widerstandes beurteilt werden. Nun ist aber das, dem wir zu widerstehen bestrebt sind, ein Übel, und, wenn wir unser Vermögen demselben nicht gewachsen finden, ein Gegenstand der Furcht. Also kann für die ästhetische Urteilskraft die Natur nur sofern als Macht, mithin dynamisch-erhaben, gelten, sofern sie als Gegenstand der Furcht betrachtet wird.

Man kann aber einen Gegenstand als furchtbar betrachten, ohne sich vor ihm zu fürchten, wenn wir ihn nämlich so beurteilen, dass wir uns bloß den Fall denken, da wir ihm etwa Widerstand tun wollten, und dass alsdann aller Widerstand bei weitem vergeblich sein würde. So fürchtet der Tugendhafte Gott, ohne sich vor ihm zu fürchten, weil er ihm und seinen Geboten widerstehen zu wollen sich als keinen von ihm besorglichen Fall denkt. Aber auf jeden solchen Fall, den er als an sich nicht unmöglich denkt, erkennt er ihn als furchtbar.

Wer sich fürchtet, kann über das Erhabene der Natur gar nicht urteilen, so wenig als der, welcher durch Neigung und Appetit eingenommen ist, über das Schöne. Jener fliehet den Anblick eines Gegenstandes, der ihm Scheu einjagt; und es ist unmöglich, an einem Schrecken, der ernstlich gemeint wäre, Wohlgefallen zu finden. Daher ist die Annehmlichkeit aus dem Aufhören einer Beschwerde das Frohsein. Dieses aber, wegen der Befreiung von einer Gefahr, ist ein Frohsein mit dem Vorsatze, sich derselben nie mehr auszusetzen; ja man mag an jene Empfindung nicht einmal gerne zurückdenken, weit gefehlt, dass man die Gelegenheit dazu selbst aufsuchen sollte.

Kühne überhangende gleichsam drohende Felsen, am Himmel sich auftürmende Donnerwolken, mit Blitzen und Krachen einherziehend, Vulkane in ihrer ganzen zerstörenden Gewalt, Orkane mit ihrer zurückgelassenen Verwüstung, der grenzenlose Ozean, in Empörung gesetzt, ein hoher Wasserfall eines mächtigen Flusses u.d.gl. machen unser Vermögen zu widerstehen in Vergleichung mit ihrer Macht, zur unbedeutenden Kleinigkeit. Aber ihr Anblick wird nur um desto anziehender, je furchtbarer er ist, wenn wir uns nur in Sicherheit befinden; und wir nennen diese Gegenstände gern erhaben, weil sie die Seelenstärke über ihr gewöhnliches Mittelmaß erhöhen, und ein Vermögen zu widerstehen von ganz anderer Art in uns entdecken lassen, welches uns Mut macht, uns mit der scheinbaren Allgewalt der Natur messen zu können.

Denn, so wie wir zwar an der Unermesslichkeit der Natur, und der Unzulänglichkeit unseres Vermögens, einen der ästhetischen Größenschätzung ihres Gebiets proportionierten Maßstab zu nehmen, unsere eigene Einschränkung, gleichwohl aber doch auch an unserm Vernunftvermögen zugleich einen anderen nicht-sinnlichen Maßstab, welcher jene Unendlichkeit selbst als Einheit unter sich hat, gegen den alles in der Natur klein ist, mithin in unserm Gemüte eine Überlegenheit über die Natur selbst in ihrer Unermeßlichkeit fanden: so gibt auch die Unwiderstehlichkeit ihrer Macht uns, als Naturwesen betrachtet, zwar unsere physische Ohnmacht zu erkennen, aber entdeckt zugleich ein Vermögen, uns als von ihr unabhängig zu beurteilen, und eine Überlegenheit über die Natur, worauf sich eine Selbsterhaltung von ganz andrer Art gründet, als diejenige ist, die von der Natur außer uns angefochten und in Gefahr gebracht werden kann, wobei die Menschheit in unserer Person unerniedrigt bleibt, obgleich der Mensch jener Gewalt unterliegen müsste. Auf solche Weise wird die Natur in unserm ästhetischen Urteile nicht, sofern sie furchterregend ist, als erhaben beurteilt, sondern weil sie unsere Kraft (die nicht Natur ist) in uns aufruft, um das, wofür wir besorgt sind (Güter, Gesundheit und Leben), als klein, und daher ihre Macht (der wir in Ansehung dieser Stücke allerdings unterworfen sind) für uns und unsere Persönlichkeit demungeachtet doch für keine solche Gewalt ansehen, unter die wir uns zu beugen hätten, wenn es auf unsere höchste Grundsätze und deren Behauptung oder Verfassung ankäme. Also heißt die Natur hier erhaben, bloß weil sie die Einbildungskraft zu Darstellung derjenigen Fälle erhebt, in welchen das Gemüt die eigene Erhabenheit seiner Bestimmung, selbst über die Natur, sich fühlbar machen kann.

Diese Selbstschätzung verliert dadurch nichts, dass wir uns sicher sehen müssen, um dieses begeisternde Wohlgefallen zu empfinden; mithin, weil es mit der Gefahr nicht Ernst ist, es auch (wie es scheinen möchte) mit der Erhabenheit unseres Geistesvermögens ebenso wenig Ernst sein möchte. Denn das Wohlgefallen betrifft hier nur die sich in solchem Falle entdeckende Bestimmung unseres Vermögens, so wie die Anlage zu demselben in unserer Natur ist; indessen dass die Entwickelung und Übung desselben uns überlassen und obliegend bleibt. Und hierin ist Wahrheit; so sehr sich auch der Mensch, wenn er seine Reflexion bis dahin erstreckt, seiner gegenwärtigen wirklichen Ohnmacht bewusst sein mag.

Dieses Prinzip scheint zwar zu weit hergeholt und vernünftelt, mithin für ein ästhetisches Urteil überschwenglich zu sein: allein die Beobachtung des Menschen beweiset das Gegenteil, und dass es den gemeinsten Beurteilungen zum Grunde liegen kann, ob man sich gleich desselben nicht immer bewusst ist. Denn was ist das, was selbst dem Wilden ein Gegenstand der größten Bewunderung ist? Ein Mensch der nicht erschrickt, der sich nicht fürchtet, also der Gefahr nicht weicht, zugleich aber mit völliger Überlegung rüstig zu Werke geht. Auch im allergesittetsten Zustande bleibt diese vorzügliche Hochachtung für den Krieger; nur dass man noch dazu verlangt, dass er zugleich alle Tugenden des Friedens, Sanftmut, Mitleid, und selbst geziemende Sorgfalt für seine eigne Person beweise: eben darum, weil daran die Unbezwinglichkeit seines Gemüts durch Gefahr erkannt wird. Daher mag man noch so viel in der Vergleichung des Staatsmanns mit dem Feldherrn über die Vorzüglichkeit der Achtung, die einer vor dem anderen verdient, streiten: das ästhetische Urteil entscheidet für den letzteren. Selbst der Krieg, wenn er mit Ordnung und Heiligachtung der bürgerlichen Rechte geführt wird, hat etwas Erhabenes an sich, und macht zugleich die Denkungsart des Volks, welches ihn auf diese Art führt, nur um desto erhabener, je mehreren Gefahren es ausgesetzt war, und sich mutig darunter hat behaupten können: da hingegen ein langer Frieden den bloßen Handlungsgeist, mit ihm aber den niedrigen Eigennutz, Feigheit und Weichlichkeit herrschend zu machen, und die Denkungsart des Volks zu erniedrigen pflegt.

Wider diese Auflösung des Begriffs des Erhabenen, sofern dieses der Macht beigelegt wird, scheint zu streiten: dass wir Gott im Ungewitter, im Sturm, im Erdbeben u.d.gl. als im Zorn, zugleich aber auch in seiner Erhabenheit sich darstellend vorstellig zu machen pflegen, wobei doch die Einbildung einer Überlegenheit unseres Gemüts über die Wirkungen, und, wie es scheint, gar über die Absichten einer solchen Macht, Torheit und Frevel zugleich sein würde. Hier scheint kein Gefühl der Erhabenheit unserer eigenen Natur, sondern vielmehr Unterwerfung, Niedergeschlagenheit und Gefühl der gänzlichen Ohnmacht die Gemütsstimmung zu sein, die sich für die Erscheinung eines solchen Gegenstandes schickt, und auch gewöhnlichermaßen mit der Idee desselben bei dergleichen Naturbegebenheit verbunden zu sein pflegt. In der Religion überhaupt scheint Niederwerfen, Anbetung mit niederhängendem Haupte, mit zerknirschten angstvollen Gebärden und Stimmen, das einzig schickliche Benehmen in Gegenwart der Gottheit zu sein, welches daher auch die meisten Völker angenommen haben und noch beobachten. Allein diese Gemütsstimmung ist auch bei weitem nicht mit der Idee der Erhabenheit einer Religion und ihres Gegenstandes an sich und notwendig verbunden. Der Mensch, der sich wirklich fürchtet, weil er dazu in sich Ursache findet, indem er sich bewusst ist, mit seiner verwerflichen Gesinnung wider eine Macht zu verstoßen, deren Wille unwiderstehlich und zugleich gerecht ist, befindet sich gar nicht in der Gemütsfassung, um die göttliche Größe zu bewundern, wozu eine Stimmung zur ruhigen Kontemplation und ganz freies Urteil erforderlich ist. Nur alsdann, wenn er sich seiner aufrichtigen gottgefälligen Gesinnung bewusst ist, dienen jene Wirkungen der Macht, in ihm die Idee der Erhabenheit dieses Wesens zu erwecken, sofern er eine dessen Willen gemäße Erhabenheit der Gesinnung bei sich selbst erkennt, und dadurch über die Furcht vor solchen Wirkungen der Natur, die er nicht als Ausbrüche seines Zorns ansieht, erhoben wird. Selbst die Demut, als unnachsichtliche Beurteilung seiner Mängel, die sonst, beim Bewusstsein guter Gesinnungen, leicht mit der Gebrechlichkeit der menschlichen Natur bemäntelt werden könnte, ist eine erhabene Gemütsstimmung, sich willkürlich dem Schmerze der Selbstverweise zu unterwerfen, um die Ursache dazu nach und nach zu vertilgen. Auf solche Weise allein unterscheidet sich innerlich Religion von Superstition; welche letztere nicht Ehrfurcht für das Erhabene, sondern Furcht und Angst vor dem übermächtigen Wesen, dessen Willen der erschreckte Mensch sich unterworfen sieht ohne ihn doch hochzuschätzen, im Gemüte gründet: woraus denn freilich nichts als Gunstbewerbung und Einschmeichelung, statt einer Religion des guten Lebenswandels, entspringen kann.

Also ist die Erhabenheit in keinem Dinge der Natur, sondern nur in unserm Gemüte enthalten, sofern wir der Natur in uns, und dadurch auch der Natur (sofern sie auf uns einfließt) außer uns, überlegen zu sein uns bewusst werden können. Alles, was dieses Gefühl in uns erregt, wozu die Macht der Natur gehört, welche unsere Kräfte auffordert, heißt alsdenn (obzwar uneigentlich) erhaben; und nur unter der Voraussetzung dieser Idee in uns, und in Beziehung auf sie, sind wir fähig, zur Idee der Erhabenheit desjenigen Wesens zu gelangen, welches nicht bloß durch seine Macht, die es in der Natur beweiset, innige Achtung in uns wirkt, sondern noch mehr durch das Vermögen, welches in uns gelegt ist, jene ohne Furcht zu beurteilen, und unsere Bestimmung als über dieselbe erhaben zu denken.

29. Von der Modalität des Urteils über das Erhabene der Natur

Es gibt unzählige Dinge der schönen Natur, worüber wir Einstimmigkeit des Urteils mit dem unsrigen jedermann geradezu ansinnen, und auch, ohne sonderlich zu fehlen, erwarten können; aber mit unserm Urteile über das Erhabene in der Natur können wir uns nicht so leicht Eingang bei anderen versprechen. Denn es scheint eine bei weitem größere Kultur, nicht bloß der ästhetischen Urteilskraft, sondern auch der Erkenntnisvermögen, die ihr zum Grunde liegen, erforderlich zu sein, um über diese Vorzüglichkeit der Naturgegenstände ein Urteil fällen zu können.

Die Stimmung des Gemüts zum Gefühl des Erhabenen erfordert eine Empfänglichkeit desselben für Ideen; denn eben in der Unangemessenheit der Natur zu den letzteren, mithin nur unter der Voraussetzung derselben, und der Anspannung der Einbildungskraft, die Natur als ein Schema für die letzteren zu behandeln, besteht das Abschreckende für die Sinnlichkeit, welches doch zugleich anziehend ist: weil es eine Gewalt ist, welche die Vernunft auf jene ausübt, nur um sie ihrem eigentlichen Gebiete (dem praktischen) angemessen zu erweitern, und sie auf das Unendliche hinaussehen zu lassen, welches für jene ein Abgrund ist. In der Tat wird ohne Entwickelung sittlicher Ideen das, was wir, durch Kultur vorbereitet, erhaben nennen, dem rohen Menschen bloß abschreckend vorkommen. Er wird an den Beweistümern der Gewalt der Natur in ihrer Zerstörung und dem großen Maßstabe ihrer Macht, wogegen die seinige in nichts verschwindet, lauter Mühseligkeit, Gefahr und Not sehen, die den Menschen umgeben würden, der dahin gebannt wäre. So nannte der gute, übrigens verständige savoyische Bauer (wie Hr. v. Saussure erzählt) alle Liebhaber der Eisgebirge ohne Bedenken Narren.
Wer weiß auch, ob er so ganz Unrecht gehabt hätte, wenn jener Beobachter die Gefahren, denen er sich hier aussetzte, bloß, wie die meisten Reisenden pflegen, aus Liebhaberei, oder um dereinst pathetische Beschreibungen davon geben zu können, übernommen hätte? So aber war seine Absicht Belehrung des Menschen; und die seelenerhebende Empfindung hatte und gab der vortreffliche Mann den Lesern seiner Reisen in ihren Kauf oben ein.

Darum aber, weil das Urteil über das Erhabene der Natur Kultur bedarf (mehr als das über das Schöne), ist es doch dadurch nicht eben von der Kultur zuerst erzeugt, und etwa bloß konventionsmäßig in der Gesellschaft eingeführt; sondern es hat seine Grundlage in der menschlichen Natur, und zwar demjenigen, was man mit dem gesunden Verstande zugleich jedermann ansinnen und von ihm fordern kann, nämlich in der Anlage zum Gefühl für (praktische) Ideen, d.h. zu dem moralischen.

Hierauf gründet sich nun die Notwendigkeit der Beistimmung des Urteils anderer vom Erhabenen zu dem unsrigen, welche wir in diesem zugleich mit einschließen. Denn, so wie wir dem, der in der Beurteilung eines Gegenstandes der Natur, welchen wir schön finden, gleichgültig ist, Mangel des Geschmacks vorwerfen: so sagen wir von dem, der bei dem, was wir erhaben zu sein urteilen, unbewegt bleibt, er habe kein Gefühl. Beides aber fordern wir von jedem Menschen, und setzen es auch, wenn er einige Kultur hat, an ihm voraus: nur mit dem Unterschiede, dass wir das erstere, weil die Urteilskraft darin die Einbildung bloß auf den Verstand, als Vermögen der Begriffe, bezieht, geradezu von jedermann, das zweite aber, weil sie darin die Einbildungskraft auf Vernunft, als Vermögen der Ideen, bezieht, nur unter einer subjektiven Voraussetzung (die wir aber jedermann ansinnen zu dürfen uns berechtigt glauben) fordern, nämlich der des moralischen Gefühls im Menschen, und hiermit auch diesem ästhetischen Urteile Notwendigkeit beilegen.

In dieser Modalität der ästhetischen Urteile, nämlich der angemassten Notwendigkeit derselben, liegt ein Hauptmoment für die Kritik der Urteilskraft. Denn die macht eben an ihnen ein Prinzip a priori kenntlich, und hebt sie aus der empirischen Psychologie, in welcher sie sonst unter den Gefühlen des Vergnügens und Schmerzens (nur mit dem nichtssagenden Beiwort eines feinern Gefühls) begraben bleiben würden, um sie, und vermittelst ihrer die Urteilskraft, in die Klasse derer zu stellen, welche Prinzipien a priori zum Grunde haben, als solche aber sie in die Transzendentalphilosophie hinüberzuziehen.

Allgemeine Anmerkung zur Exposition der ästhetischen reflektierenden Urteile

In Beziehung auf das Gefühl der Lust ist ein Gegenstand entweder zum Angenehmen, oder Schönen, oder Erhabenen, oder Guten (schlechthin) zu zählen (iucundum, pulchrum, sublime, honestum).

Das Angenehme ist, als Triebfeder der Begierden, durchgängig von einerlei Art, woher es auch kommen, und wie spezifisch-verschieden auch die Vorstellung (des Sinnes und der Empfindung, objektiv betrachtet) sein mag. Daher kommt es bei der Beurteilung des Einflusses desselben auf das Gemüt nur auf die Menge der Reize (zugleich und nach einander), und gleichsam nur auf die Masse der angenehmen Empfindung an; und diese lässt sich also durch nichts als die Quantität verständlich machen. Es kultiviert auch nicht, sondern gehört zum bloßen Genüsse. Das Schöne erfordert dagegen die Vorstellung einer gewissen Qualität des Objekts, die sich auch verständlich machen, und auf Begriffe bringen lässt (wiewohl es im ästhetischen Urteile darauf nicht gebracht wird); und kultiviert, indem es zugleich auf Zweckmäßigkeit im Gefühle der Lust Acht zu haben lehrt. Das Erhabene besteht bloß in der Relation, worin das Sinnliche in der Vorstellung der Natur für einen möglichen übersinnlichen Gebrauch desselben als tauglich beurteilt wird. Das Schlechthin-Gute, subjektiv nach dem Gefühle, welches es einflößt, beurteilt, (das Objekt des moralischen Gefühls) als die Bestimmbarkeit der Kräfte des Subjekts durch die Vorstellung eines schlechthin-nötigenden Gesetzes, unterscheidet sich vornehmlich durch die Modalität einer auf Begriffen a priori beruhenden Notwendigkeit, die nicht bloß Anspruch, sondern auch Gebot des Beifalls für jedermann in sich enthält, und gehört an sich zwar nicht für die ästhetische, sondern die reine intellektuelle Urteilskraft; wird auch nicht in einem bloß reflektierenden, sondern bestimmenden Urteile, nicht der Natur, sondern der Freiheit beigelegt. Aber die Bestimmbarkeit des Subjekts durch diese Idee, und zwar eines Subjekts, welches in sich an der Sinnlichkeit Hindernisse, zugleich aber Überlegenheit über dieselbe durch die Überwindung derselben als Modifikation seines Zustandes empfinden kann, d.h. das moralische Gefühl, ist doch mit der ästhetischen Urteilskraft und deren formalen Bedingungen sofern verwandt, dass es dazu dienen kann, die Gesetzmäßigkeit der Handlung aus Pflicht zugleich als ästhetisch, d.h. als erhaben, oder auch als schön vorstellig zu machen, ohne an seiner Reinigkeit einzubüßen: welches nicht statt findet, wenn man es mit dem Gefühl des Angenehmen in natürliche Verbindung setzen wollte.

Wenn man das Resultat aus der bisherigen Exposition beiderlei Arten ästhetischer Urteile zieht, so würden sich daraus folgende kurze Erklärungen ergeben:

Schön ist das, was in der bloßen Beurteilung (also nicht vermittelst der Empfindung des Sinnes nach einem Begriffe des Verstandes) gefällt. Hieraus folgt von selbst, dass es ohne alles Interesse gefallen müsse.

Erhaben ist das, was durch seinen Widerstand gegen das Interesse der Sinne unmittelbar gefällt.

Beide, als Erklärungen ästhetischer allgemeingültiger Beurteilung, beziehen sich auf subjektive Gründe, nämlich einerseits der Sinnlichkeit, so wie sie zugunsten des kontemplativen Verstandes, andererseits, wie sie wider dieselbe, dagegen für die Zwecke der praktischen Vernunft, und doch beide in demselben Subjekte vereinigt, in Beziehung auf das moralische Gefühl zweckmäßig sind. Das Schöne bereitet uns vor, etwas, selbst die Natur, ohne Interesse zu lieben; das Erhabene, es, selbst wider unser (sinnliches) Interesse, hochzuschätzen.

Man kann das Erhabene so beschreiben: es ist ein Gegenstand (der Natur), dessen Vorstellung das Gemüt bestimmt, sich die Unerreichbarkeit der Natur als Darstellung von Ideen zu denken.

Buchstäblich genommen, und logisch betrachtet, können Ideen nicht dargestellt werden. Aber, wenn wir unser empirisches Vorstellungsvermögen (mathematisch, oder dynamisch) für die Anschauung der Natur erweitern; so tritt unausbleiblich die Vernunft hinzu, als Vermögen der Independenz der absoluten Totalität, und bringt die, obzwar vergebliche, Bestrebung des Gemüts hervor, die Vorstellung der Sinne diesen angemessen zu machen. Diese Bestrebung, und das Gefühl der Unerreichbarkeit der Idee durch die Einbildungskraft, ist selbst eine Darstellung der subjektiven Zweckmäßigkeit unseres Gemüts im Gebrauche der Einbildungskraft für dessen übersinnliche Bestimmung, und nötigt uns, subjektiv die Natur selbst in ihrer Totalität, als Darstellung von etwas Übersinnlichem, zu denken, ohne diese Darstellung objektiv zu Stande bringen zu können.

Denn das werden wir bald inne, dass der Natur im Raume und der Zeit das Unbedingte, mithin auch die absolute Größe, ganz abgehe, die doch von der gemeinsten Vernunft verlangt wird. Eben dadurch werden wir auch erinnert, dass wir es nur mit einer Natur als Erscheinung zu tun haben, und diese selbst noch als bloße Darstellung einer Natur an sich (welche die Vernunft in der Idee hat) müsse angesehen werden. Diese Idee des Übersinnlichen aber, die wir zwar nicht weiter bestimmen, mithin die Natur als Darstellung derselben nicht erkennen, sondern nur denken können, wird in uns durch einen Gegenstand erweckt, dessen ästhetische Beurteilung die Einbildungskraft bis zu ihrer Grenze, es sei der Erweiterung (mathematisch), oder ihrer Macht über das Gemüt (dynamisch), anspannt, indem sie sich auf dem Gefühle einer Bestimmung desselben gründet, welche das Gebiet der ersteren gänzlich überschreitet (dem moralischen Gefühl), in Ansehung dessen die Vorstellung des Gegenstandes als subjektiv-zweckmäßig beurteilt wird.

In der Tat lässt sich ein Gefühl für das Erhabene der Natur nicht wohl denken, ohne eine Stimmung des Gemüts, die der zum Moralischen ähnlich ist, damit zu verbinden; und, obgleich die unmittelbare Lust am Schönen der Natur gleichfalls eine gewisse Liberalität der Denkungsart, d.h. Unabhängigkeit des Wohlgefallens vom bloßen Sinnengenusse, voraussetzt und kultiviert, so wird dadurch doch mehr die Freiheit im Spiele, als unter einem gesetzlichen Geschäfte vorgestellt: welches die echte Beschaffenheit der Sittlichkeit des Menschen ist, wo die Vernunft der Sinnlichkeit Gewalt antun muss, nur dass im ästhetischen Urteile über das Erhabene diese Gewalt durch die Einbildungskraft selbst, als einem Werkzeuge der Vernunft, ausgeübt vorgestellt wird.

Das Wohlgefallen am Erhabenen der Natur ist daher auch nur negativ (statt dessen das am Schönen positiv ist), nämlich ein Gefühl der Beraubung der Freiheit der Einbildungskraft durch sie selbst, indem sie nach einem anderen Gesetze, als dem des empirischen Gebrauchs, zweckmäßig bestimmt wird. Dadurch bekommt sie eine Erweiterung und Macht, welche größer ist, als die, welche sie aufopfert, deren Grund aber ihr selbst verborgen ist, statt dessen sie die Aufopferung oder die Beraubung, und zugleich die Ursache fühlt, der sie unterworfen wird. Die Verwunderung, die an Schreck grenzt, das Grausen und der heilige Schauer, welcher den Zuschauer bei dem Anblicke himmelansteigender Gebirgsmassen, tiefer Schlünde und darin tobender Gewässer, tiefbeschatteter, zum schwermütigen Nachdenken einladender Einöden u.s.w. ergreift, ist, bei der Sicherheit, worin er sich weiß, nicht wirkliche Furcht, sondern nur ein Versuch, uns mit der Einbildungskraft darauf einzulassen, um die Macht ebendesselben Vermögens zu fühlen, die dadurch erregte Bewegung des Gemüts mit dem Ruhestande desselben zu verbinden, und so der Natur in uns selbst, mithin auch der außer uns, sofern sie auf das Gefühl unseres Wohlbefindens Einfluss haben kann, überlegen zu sein. Denn die Einbildungskraft nach dem Assoziationsgesetze macht unseren Zustand der Zufriedenheit physisch abhängig; aber eben dieselbe nach Prinzipien des Schematismus der Urteilskraft (folglich sofern der Freiheit untergeordnet) ist Werkzeug der Vernunft und ihrer Ideen, als solches aber eine Macht, unsere Unabhängigkeit gegen die Natureinflüsse zu behaupten, das, was nach der ersteren groß ist, als klein abzuwürdigen, und so das Schlechthin-Große nur in seiner (des Subjekts) eigenen Bestimmung zu setzen. Diese Reflexion der ästhetischen Urteilskraft, zur Angemessenheit mit der Vernunft (doch ohne einen bestimmten Begriff derselben) zu erheben, stellt den Gegenstand, selbst durch die objektive Unangemessenheit der Einbildungskraft, in ihrer größten Erweiterung für die Vernunft (als Vermögen der Ideen), doch als subjektiv-zweckmäßig vor.

Man muss hier überhaupt darauf Acht haben, was oben schon erinnert worden ist, dass in der transzendentalen Ästhetik der Urteilskraft lediglich von reinen ästhetischen Urteilen die Rede sein müsse, folglich die Beispiele nicht von solchen schönen oder erhabenen Gegenständen der Natur hergenommen werden dürfen, die den Begriff von einem Zwecke voraussetzen; denn alsdann würde es entweder teleologische, oder sich auf bloßen Empfindungen eines Gegenstandes (Vergnügen oder Schmerz) gründende, mithin im ersteren Falle nicht ästhetische, im zweiten nicht bloße formale Zweckmäßigkeit sein. Wenn man also den Anblick des bestirnten Himmels erhaben nennt, so muss man der Beurteilung desselben nicht Begriffe von Welten, von vernünftigen Wesen bewohnt, und nun die hellen Punkte, womit wir den Raum über uns erfüllt sehen, als ihre Sonnen, in sehr zweckmäßig für sie gestellten Kreisen bewegt, zum Grunde legen, sondern bloß, wie man ihn sieht, als ein weites Gewölbe, was alles befasst; und bloß unter dieser Vorstellung müssen wir die Erhabenheit setzen, die ein reines ästhetisches Urteil diesem Gegenstande beilegt. Ebenso den Anblick des Ozeans nicht so, wie wir, mit allerlei Kenntnissen (die aber nicht in der unmittelbaren Anschauung enthalten sind) bereichert ihn denken; etwa als ein weites Reich von Wassergeschöpfen, den großen Wasserschatz für die Ausdünstungen, welche die Luft mit Wolken zum Behuf der Länder beschwängern, oder auch als ein Element, das zwar Weltteile von einander trennt, gleichwohl aber die größte Gemeinschaft unter ihnen möglich macht: denn das gibt lauter teleologische Urteile; sondern man muss den Ozean bloß, wie die Dichter es tun, nach dem, was der Augenschein zeigt, etwa, wenn er in Ruhe betrachtet wird, als einen klaren Wasserspiegel, der bloß vom Himmel begrenzt ist, aber ist er unruhig, wie einen alles zu verschlingen drohenden Abgrund, dennoch erhaben finden können. Eben das ist von dem Erhabenen und Schönen in der Menschengestalt zu sagen, wo wir nicht auf Begriffe der Zwecke, wozu alle seine Gliedmaßen da sind, als Bestimmungsgründe des Urteils zurücksehen, und die Zusammenstimmung mit ihnen auf unser (alsdann nicht mehr reines) ästhetisches Urteil nicht einfließen lassen müssen, obgleich, dass sie jenen nicht widerstreiten, freilich eine notwendige Bedingung auch des ästhetischen Wohlgefallens ist. Die ästhetische Zweckmäßigkeit ist die Gesetzmäßigkeit der Urteilskraft in ihrer Freiheit. Das Wohlgefallen an dem Gegenstande hängt von der Beziehung ab, in welcher wir die Einbildungskraft setzen wollen: nur dass sie für sich selbst das Gemüt in freier Beschäftigung unterhalte. Wenn dagegen etwas anderes, es sei Sinnenempfindung, oder Verstandesbegriff, das Urteil bestimmt: so ist es zwar gesetzmäßig, aber nicht das Urteil einer freien Urteilskraft.

Wenn man also von intellektueller Schönheit oder Erhabenheit spricht, so sind erstlich diese Ausdrücke nicht ganz richtig, weil es ästhetische Vorstellungsarten sind, die, wenn wir bloße reine Intelligenzen wären (oder uns auch in Gedanken in diese Qualität versetzen), in uns gar nicht anzutreffen sein würden; zweitens, obgleich beide, als Gegenstände eines intellektuellen (moralischen) Wohlgefallens, zwar sofern mit dem ästhetischen vereinbar sind, als sie auf keinem Interesse beruhen: so sind sie doch darin wiederum mit diesem schwer zu vereinigen, weil sie ein Interesse bewirken sollen, welches, wenn die Darstellung zum Wohlgefallen in der ästhetischen Beurteilung zusammenstimmen soll, in dieser niemals anders als durch ein Sinneninteresse, welches man damit in der Darstellung verbindet, geschehen würde, wodurch aber der intellektuellen Zweckmäßigkeit Abbruch geschieht, und sie verunreinigt wird.

Der Gegenstand eines reinen und unbedingten intellektuellen Wohlgefallens ist das moralische Gesetz in seiner Macht, die es in uns über alle und jede vor ihm vorhergehende Triebfedern des Gemüts ausübt; und, da diese Macht sich eigentlich nur durch Aufopferungen ästhetisch-kenntlich macht (welches eine Beraubung, obgleich zum Behuf der inneren Freiheit, ist, dagegen eine unergründliche Tiefe dieses übersinnlichen Vermögens, mit ihren ins Unabsehliche sich erstreckenden Folgen, in uns aufdeckt): so ist das Wohlgefallen von der ästhetischen Seite (in Beziehung auf Sinnlichkeit) negativ, d.h. wider dieses Interesse, von der intellektuellen aber betrachtet positiv, und mit einem Interesse verbunden. Hieraus folgt: dass das intellektuelle, an sich selbst zweckmäßige (das Moralisch-) Gute, ästhetisch beurteilt, nicht sowohl schön, als vielmehr erhaben vorgestellt werden müsse, so dass es mehr das Gefühl der Achtung (welches den Reiz verschmäht), als der Liebe und vertraulichen Zuneigung erwecke; weil die menschliche Natur nicht so von selbst, sondern nur durch Gewalt, welche die Vernunft der Sinnlichkeit antut, zu jenem Guten zusammenstimmt. Umgekehrt wird auch das, was wir in der Natur außer uns, oder auch in uns (z.B. gewisse Affekten), erhaben nennen, nur als eine Macht des Gemüts, sich über gewisse Hindernisse der Sinnlichkeit durch menschliche Grundsätze zu schwingen, vorgestellt, und dadurch interessant werden.

Ich will bei dem letzteren etwas verweilen. Die Idee des Guten mit Affekt heißt der Enthusiasmusus. Dieser Gemütszustand scheint erhaben zu sein, dermaßen, dass man gemeiniglich vorgibt: ohne ihn könne nichts Großes ausgerichtet werden. Nun ist aber jeder Affekt blind, entweder in der Wahl seines Zwecks, oder, wenn dieser auch durch Vernunft gegeben worden, in der Ausführung desselben; denn er ist diejenige Bewegung des Gemüts, welche es unvermögend macht, freie Überlegung der Grundsätze anzustellen, um sich darnach zu bestimmen. Also kann er auf keinerlei Weise ein Wohlgefallen der Vernunft verdienen. Ästhetisch gleichwohl ist der Enthusiasmus erhaben, weil er eine Anspannung der Kräfte durch Ideen ist, welche dem Gemüte einen Schwung geben, der weit mächtiger und dauerhafter wirkt, als der Antrieb durch Sinnenvorstellungen. Aber (welches befremdlich scheint) selbst Affektlosigkeit (apatheia, phlegma in significatu bono) eines seinen unwandelbaren Grundsätzen nachdrücklich nachgehenden Gemüts ist, und zwar auf weit vorzüglichere Art, erhaben, weil sie zugleich das Wohlgefallen der reinen Vernunft auf ihrer Seite hat. Eine dergleichen Gemütsart heißt allein edel: welcher Ausdruck nachher auch auf Sachen, z.B. Gebäude, ein Kleid, Schreibart, körperlichen Anstand u.d.gl. angewandt wird, wenn diese nicht sowohl Verwunderung (Affekt in der Vorstellung der Neuigkeit, welche die Erwartung übersteigt), als Bewunderung (eine Verwunderung, die beim Verlust der Neuigkeit nicht aufhört) erregt, welches geschieht, wenn Ideen in ihrer Darstellung unabsichtlich und ohne Kunst zum ästhetischen Wohlgefallen zusammenstimmen.

Ein jeder Affekt von der wackern Art (der nämlich das Bewusstsein unserer Kräfte, jeden Widerstand zu überwinden, (animi strenui) rege macht) ist ästhetisch-erhaben, z.B. der Zorn, sogar die Verzweiflung (nämlich die entrüstete, nicht aber die verzagte). Der Affekt von der schmelzenden Art aber (welcher die Bestrebung zu widerstehen selbst zum Gegenstande der Unlust (animum languidum) macht) hat nichts Edeles an sich, kann aber zum Schönen der Sinnesart gezählt werden. Daher sind die Rührungen, welche bis zum Affekt stark werden können, auch sehr verschieden. Man hat mutige, man hat zärtliche Rührungen. Die letzteren, wenn sie bis zum Affekt steigen, taugen gar nichts; der Hang dazu heißt die Empfindelei. Ein teilnehmender Schmerz, der sich nicht will trösten lassen, oder auf den wir uns, wenn er erdichtete Übel betrifft, bis zur Täuschung durch die Phantasie, als ob es wirkliche wären, vorsätzlich einlassen, beweiset und macht eine weiche aber zugleich schwache Seele, die eine schöne Seite zeigt, und zwar phantastisch, aber nicht einmal enthusiastisch genannt werden kann. Romane, weinerliche Schauspiele, schale Sittenvorschriften, die mit (obzwar fälschlich) sogenannten edlen Gesinnungen tändeln, in der Tat aber das Herz welk, und für die strenge Vorschrift der Pflicht unempfindlich, aller Achtung für die Würde der Menschheit in unserer Person und das Recht der Menschen (welches ganz etwas anderes als ihre Glückseligkeit ist), und überhaupt aller festen Grundsätze unfähig machen; selbst ein Religionsvortrag, welcher kriechende, niedrige Gunstbewerbung und Einschmeichelung empfiehlt, die alles Vertrauen auf eigenes Vermögen zum Widerstande gegen das Böse in uns aufgibt, statt der rüstigen Entschlossenheit, die Kräfte, die uns bei aller unserer Gebrechlichkeit doch noch übrig bleiben, zu Überwindung der Neigungen zu versuchen; die falsche Demut, welche in der Selbstverachtung, in der winselnden erheuchelten Reue, und einer bloß leidenden Gemütsfassung die Art setzt, wie man allein dem höchsten Wesen gefällig werden könne: vertragen sich nicht einmal mit dem, was zur Schönheit, weit weniger aber noch mit dem, was zur Erhabenheit der Gemütsart gezählt werden könnte.

Aber auch stürmische Gemütsbewegungen, sie mögen nun, unter dem Namen der Erbauung, mit Ideen der Religion, oder, als bloß zur Kultur gehörig, mit Ideen, die ein gesellschaftliches Interesse enthalten, verbunden werden, können, so sehr sie auch die Einbildungskraft spannen, keinesweges auf die Ehre einer erhabenen Darstellung Anspruch machen, wenn sie nicht eine Gemütsstimmung zurücklassen, die, wenn gleich nur indirekt, auf das Bewusstsein seiner Stärke und Entschlossenheit zu dem, was reine intellektuelle Zweckmäßigkeit bei sich führt (dem Übersinnlichen), Einfluss hat. Denn sonst gehören alle diese Rührungen nur zur Motion, welche man der Gesundheit wegen gerne hat. Die angenehme Mattigkeit, welche auf eine solche Rüttelung durch das Spiel der Affekten folgt, ist ein Genuß des Wohlbefindens aus dem hergestellten Gleichgewichte der mancherlei Lebenskräfte in uns: welcher am Ende auf dasselbe hinausläuft, als derjenige, den die Wollüstlinge des Orients so behaglich finden, wenn sie ihren Körper gleichsam durchkneten, und alle ihre Muskeln und Gelenke sanft drücken und biegen lassen; nur dass dort das bewegende Prinzip größtenteils in uns, hier hingegen gänzlich außer uns ist. Da glaubt sich nun mancher durch eine Predigt erbaut, indem doch nichts aufgebauet (kein System guter Maximen) ist; oder durch ein Trauerspiel gebessert, der bloß über glücklich vertriebne Langeweile froh ist. Also muss das Erhabene jederzeit Beziehung auf die Denkungsart haben, d.h. auf Maximen, dem Intellektuellen und den Vernunftideen über die Sinnlichkeit Obermacht zu verschaffen.

Man darf nicht besorgen, dass das Gefühl des Erhabenen durch eine dergleichen abgezogene Darstellungsart, die in Ansehung des Sinnlichen gänzlich negativ wird, verlieren werde, denn die Einbildungskraft, ob sie zwar über das Sinnliche hinaus nichts findet, woran sie sich halten kann, fühlt sich doch auch eben durch diese Wegschaffung der Schranken derselben unbegrenzt: und jene Absonderung ist also eine Darstellung des Unendlichen, welche zwar eben darum niemals anders als bloß negative Darstellung sein kann, die aber doch die Seele erweitert. Vielleicht gibt es keine erhabenere Stelle im Gesetzbuche der Juden, als das Gebot: Du sollst dir kein Bildnis machen, noch irgendein Gleichnis, weder dessen was im Himmel, noch auf der Erden, noch unter der Erden ist u.s.w. Dieses Gebot allein kann den Enthusiasmus erklären, den das jüdische Volk in seiner gesitteten Epoche für seine Religion fühlte, wenn es sich mit anderen Völkern verglich, oder denjenigen Stolz, den der Mohammedanismus einflößt. Eben dasselbe gilt auch von der Vorstellung des moralischen Gesetzes und der Anlage zur Moralität in uns. Es ist eine ganz irrige Besorgnis, dass, wenn man sie alles dessen beraubt, was sie den Sinnen empfehlen kann, sie alsdann keine andere, als kalte leblose Billigung, und keine bewegende Kraft oder Rührung bei sich führen würde. Es ist gerade umgekehrt; denn da, wo nun die Sinne nichts mehr vor sich sehen, und die unverkennliche und unauslöschliche Idee der Sittlichkeit dennoch übrig bleibt, würde es eher nötig sein, den Schwung einer unbegrenzten Einbildungskraft zu mäßigen, um ihn nicht bis zum Enthusiasmus steigen zu lassen, als, aus Furcht vor Kraftlosigkeit dieser Ideen, für sie in Bildern und kindischem Apparat Hülfe zu suchen. Daher haben auch Regierungen gerne erlaubt, die Religion mit dem letzteren Zubehör reichlich versorgen zu lassen, und so dem Untertan die Mühe, zugleich aber auch das Vermögen zu benehmen gesucht, seine Seelenkräfte über die Schranken auszudehnen, die man ihm willkürlich setzen, und wodurch man ihn, als bloß passiv, leichter behandeln kann.

Diese reine, seelenerhebende, bloß negative Darstellung der Sittlichkeit bringt dagegen keine Gefahr der Schwärmerei, welche ein Wahn ist, über alle Grenzen der Sinnlichkeit hinaus etwas sehen, d.h. nach Grundsätzen träumen (mit Vernunft rasen) zu wollen; eben darum, weil die Darstellung bei jener bloß negativ ist. Denn die Unerforschlichkeit der Idee der Freiheit schneidet aller positiven Darstellung gänzlich den Weg ab: das moralische Gesetz aber ist an sich selbst in uns hinreichend und ursprünglich bestimmend, so dass es nicht einmal erlaubt, uns nach einem Bestimmungsgrunde außer demselben umzusehen. Wenn der Enthusiasmus mit dem Wahnsinn, so ist die Schwärmerei mit dem Wahnwitz zu vergleichen, wovon der letztere sich unter allen am wenigsten mit dem Erhabenen verträgt, weil er grüblerisch lächerlich ist. Im Enthusiasmus, als Affekt, ist die Einbildungskraft zügellos; in der Schwärmerei, als eingewurzelter brütender Leidenschaft, regellos. Der erstere ist vorübergehender Zufall, der den gesundesten Verstand bisweilen wohl betrifft; der zweite eine Krankheit, die ihn zerrüttet.

Einfalt (kunstlose Zweckmäßigkeit) ist gleichsam der Stil der Natur im Erhabenen, und so auch der Sittlichkeit, welche eine zweite (übersinnliche) Natur ist, wovon wir nur die Gesetze kennen, ohne das übersinnliche Vermögen in uns, selbst was den Grund dieser Gesetzgebung enthält, durch Anschauen erreichen zu können.

Noch ist anzumerken, dass, obgleich das Wohlgefallen am Schönen eben sowohl, als das am Erhabenen, nicht allein durch allgemeine Mitteilbarkeit unter den anderen ästhetischen Beurteilungen kenntlich unterschieden ist, und durch diese Eigenschaft, in Beziehung auf Gesellschaft (in der es sich mitteilen lässt), ein Interesse bekommt, gleichwohl doch auch die Absonderung von aller Gesellschaft als etwas Erhabenes angesehen werde, wenn sie auf Ideen beruht, alles sinnliche Interesse hinweg sehen. Sich selbst genug zu sein, mithin Gesellschaft nicht bedürfen, ohne doch ungesellig zu sein, d.h. sie zu fliehen, ist etwas dem Erhabenen sich Näherndes, so wie jede Überhebung von Bedürfnissen. Dagegen ist Menschen zu fliehen, aus Misanthropie, weil man sie anfeindet, oder aus Anthropophobie (Menschenscheu), weil man sie als seine Feinde fürchtet, teils hässlich, teils verächtlich. Gleichwohl gibt es eine (sehr uneigentlich sogenannte) Misanthropie, wozu die Anlage sich mit dem Alter in vieler wohldenkenden Menschen Gemüt einzufinden pflegt, welche zwar, was das Wohlwollen betrifft, philanthropisch genug ist, aber vom Wohlgefallen an Menschen durch eine lange traurige Erfahrung weit abgebracht ist: wovon der Hang zur Eingezogenheit, der phantastische Wunsch, auf einem entlegenen Landsitze, oder auch (bei jungen Personen) die erträumte Glückseligkeit, auf einem der übrigen Welt unbekannten Eilande, mit einer kleinen Familie, seine Lebenszeit zubringen zu können, welche die Romanschreiber, oder Dichter der Robinsonaden, so gut zu nutzen wissen, Zeugnis gibt. Falschheit, Undankbarkeit, Ungerechtigkeit, das Kindische in den von uns selbst für wichtig und groß gehaltenen Zwecken, in deren Verfolgung sich Menschen selbst untereinander alle erdenkliche Übel antun, stehen mit der Idee dessen, was sie sein könnten, wenn sie wollten, so im Widerspruch, und sind dem lebhaften Wunsche, sie besser zu sehen, so sehr entgegen: dass, um sie nicht zu hassen, da man sie nicht lieben kann, die Verzichtung auf alle gesellschaftliche Freuden nur ein kleines Opfer zu sein scheint. Diese Traurigkeit, nicht über die Übel, welche das Schicksal über andere Menschen verhängt (wovon die Sympathie Ursache ist), sondern die sie sich selbst antun (welche auf der Antipathie in Grundsätzen beruht), ist, weil sie auf Ideen beruht, erhaben, indessen dass die erstere allenfalls nur für schön gelten kann. Der ebenso geistreiche als gründliche Saussure sagt in der Beschreibung seiner Alpenreisen von Bonhomme, einem der savoyischen Gebirge: »Es herrscht daselbst eine gewisse abgeschmackte Traurigkeit«. Er kannte daher doch auch eine interessante Traurigkeit, welche der Anblick einer Einöde einflößt, in die sich Menschen wohl versetzen möchten, um von der Welt nichts weiter zu hören, noch zu erfahren, die denn doch nicht so ganz unwirtbar sein muss, dass sie nur einen höchst mühseligen Aufenthalt für Menschen darböte. Ich mache diese Anmerkung nur in der Absicht, um zu erinnern, dass auch Betrübnis (nicht niedergeschlagene Traurigkeit) zu den rüstigen Affekten gezählt werden könne, wenn sie in moralischen Ideen ihren Grund hat; wenn sie aber auf Sympathie gegründet, und, als solche, auch liebenswürdig ist, sie bloß zu den schmelzenden Affekten gehöre: um dadurch auf die Gemütsstimmung, die nur im ersteren Falle erhaben ist, aufmerksam zu machen.

Man kann mit der jetzt durchgeführten transzendentalen Exposition der ästhetischen Urteile nun auch die physiologische, wie sie ein Burke und viele scharfsinnige Männer unter uns bearbeitet haben, vergleichen, um zu sehen, wohin eine bloß empirische Exposition des Erhabenen und Schönen führe. Burke, der in dieser Art der Behandlung als der vornehmste Verfasser genannt zu werden verdient, bringt auf diesem Wege (S. 223 seines Werks) heraus: »dass das Gefühl des Erhabenen sich auf dem Triebe zur Selbsterhaltung und auf Furcht, d.h. einem Schmerze, gründe, der, weil er nicht bis zur wirklichen Zerrüttung der körperlichen Teile geht, Bewegungen hervorbringt, die, da sie die feineren oder gröberen Gefäße von gefährlichen und beschwerlichen Verstopfungen reinigen, im Stande sind, angenehme Empfindungen zu erregen, zwar nicht Lust, sondern eine Art von wohlgefälligem Schauer, eine gewisse Ruhe, die mit Schrecken vermischt ist«. Das Schöne, welches er auf Liebe gründet (wovon er doch die Begierde abgesondert wissen will), führt er (S. 251-252) »auf die Nachlassung, Losspannung und Erschlaffung der Fibern des Körpers, mithin eine Erweichung, Auflösung, Ermattung, ein Hinsinken, Hinsterben, Wegschmelzen vor Vergnügen, hinaus«. Und nun bestätigt er diese Erklärungsart nicht allein durch Fälle, in denen die Einbildungskraft in Verbindung mit dem Verstande, sondern sogar mit Sinnesempfindung, in uns das Gefühl des Schönen sowohl als des Erhabenen erregen könne. Als psychologische Bemerkungen sind diese Zergliederungen der Phänomene unseres Gemüts überaus schön, und geben reichen Stoff zu den beliebtesten Nachforschungen der empirischen Anthropologie. Es ist auch nicht zu leugnen, dass alle Vorstellungen in uns, sie mögen objektiv bloß sinnlich, oder ganz intellektuell sein, doch subjektiv mit Vergnügen oder Schmerz, so unmerklich beides auch sein mag, verbunden werden können (weil sie insgesamt das Gefühl des Lebens affizieren, und keine derselben, sofern als sie Modifikation des Subjekts ist, indifferent sein kann); sogar, dass, wie Epikur behauptete, immer Vergnügen und Schmerz zuletzt doch körperlich sei, es mag nun von der Einbildung, oder gar von Verstandesvorstellungen anfangen: weil das Leben ohne das Gefühl des körperlichen Organs bloß Bewusstsein seiner Existenz, aber kein Gefühl des Wohl oder Übelbefindens, d.h. der Beförderung oder Hemmung der Lebenskräfte sei; weil das Gemüt für sich allein ganz Leben (das Lebensprinzip selbst) ist, und Hindernisse oder Beförderungen außer demselben und doch im Menschen selbst, mithin in der Verbindung mit seinem Körper, gesucht werden müssen.

Setzt man aber das Wohlgefallen am Gegenstande ganz und gar darin, dass dieser durch Reiz oder durch Rührung vergnügt: so muss man auch keinem anderen zumuten, zu dem ästhetischen Urteile, was wir fällen, beizustimmen; denn darüber befragt ein jeder mit Recht nur seinen Privatsinn. Alsdann aber hört auch alle Zensur des Geschmacks gänzlich auf; man müsste denn das Beispiel, welches andere, durch die zufällige Übereinstimmung ihrer Urteile, geben, zum Gebot des Beifalls für uns machen, wider welches Prinzip wir uns doch vermutlich sträuben und auf das natürliche Recht berufen würden, das Urteil, welches auf dem unmittelbaren Gefühle des eigenen Wohlbefindens beruht, seinem eigenen Sinne, und nicht anderer ihrem, zu unterwerfen.

Wenn also das Geschmacksurteil nicht für egoistisch, sondern seiner inneren Natur nach, d.h. um sein selbst, nicht um der Beispiele willen, die andere von ihrem Geschmack geben, notwendig als pluralistisch gelten muss, wenn man es als ein solches würdigt, welches zugleich verlangen darf, dass jedermann ihm beipflichten soll: so muss ihm irgendein (es sei objektives oder subjektives) Prinzip a priori zum Grunde liegen, zu welchem man durch Aufspähung empirischer Gesetze der Gemütsveränderungen niemals gelangen kann: weil diese nur zu erkennen geben, wie geurteilt wird, nicht aber gebieten, wie geurteilt werden soll, und zwar gar so, dass das Gebot unbedingt ist; dergleichen die Geschmacksurteile voraussetzen, indem sie das Wohlgefallen mit einer Vorstellung unmittelbar verknüpft wissen wollen. Also mag die empirische Exposition der ästhetischen Urteile immer den Anfang machen, um den Stoff zu einer höhern Untersuchung herbeizuschaffen: eine transzendentale Erörterung dieses Vermögens ist doch möglich, und zur Kritik des Geschmacks wesentlich gehörig. Denn, ohne dass derselbe Prinzipien a priori habe, könnte er unmöglich die Urteile anderer richten, und über sie, auch nur mit einigem Scheine des Rechts, Billigungs oder Verwerfungsaussprüche fällen.

Das übrige zur Analytik der ästhetischen Urteilskraft Gehörige enthält zuvörderst die Deduktion der reinen ästhetischen Urteile

30. Die Deduktion der ästhetischen Urteile über die Gegenstände der Natur darf nicht auf das, was wir in dieser Erhaben nennen, sondern nur auf das Schöne, gerichtet werden

Der Anspruch eines ästhetischen Urteils auf allgemeine Gültigkeit für jedes Subjekt bedarf, als ein Urteil, welches sich auf irgendein Prinzip a priori fußen muss, einer Deduktion (d.h. Legitimation seiner Anmaßung); welche über die Exposition desselben noch hinzukommen muss, wenn es nämlich ein Wohlgefallen oder Missfallen an der Form des Objekts betrifft. Dergleichen sind die Geschmacksurteile über das Schöne der Natur. Denn die Zweckmäßigkeit hat alsdann doch im Objekte und seiner Gestalt ihren Grund, wenn sie gleich nicht die Beziehung desselben auf andere Gegenstände nach Begriffen (zum Erkenntnisurteile) anzeigt, sondern bloß die Auffassung dieser Form, sofern sie dem Vermögen sowohl der Begriffe, als dem der Darstellung derselben (welches mit dem der Auffassung eines und dasselbe ist) im Gemüt sich gemäß zeigt, überhaupt betrifft. Man kann daher auch in Ansehung des Schönen der Natur mancherlei Fragen aufwerfen, welche die Ursache dieser Zweckmäßigkeit ihrer Formen betreffen: z.B. wie man erklären wolle, warum die Natur so verschwenderisch allerwärts Schönheit verbreitet habe, selbst im Grunde des Ozeans, wo nur selten das menschliche Auge (für welches jene doch allein zweckmäßig ist) hingelangt? u.d.gl.m.

Allein das Erhabene der Natur wenn wir darüber ein reines ästhetisches Urteil fällen, welches nicht mit Begriffen von Vollkommenheit, als objektiver Zweckmäßigkeit, vermengt ist; in welchem Falle es ein teleologisches Urteil sein würde kann ganz als formlos oder ungestalt, dennoch aber als Gegenstand eines reinen Wohlgefallens betrachtet werden, und subjektive Zweckmäßigkeit der gegebenen Vorstellung zeigen; und da fragt es sich nun: ob zu dem ästhetischen Urteile dieser Art auch, außer der Exposition dessen, was in ihm gedacht wird, noch eine Deduktion seines Anspruchs auf irgendein (subjektives) Prinzip a priori verlangt werden könne.

Hierauf dient zur Antwort: dass das Erhabene der Natur nur uneigentlich so genannt werde, und eigentlich bloß der Denkungsart, oder vielmehr der Grundlage zu derselben in der menschlichen Natur, beigelegt werden müsse. Dieser sich bewusst zu werden, gibt die Auffassung eines sonst formlosen und unzweckmäßigen Gegenstandes bloß die Veranlassung, welcher auf solche Weise subjektiv-zweckmäßig gebraucht, aber nicht als ein solcher für sich und seiner Form wegen beurteilt wird (gleichsam species finalis accepta, non data). Daher war unsere Exposition der Urteile über das Erhabene der Natur zugleich ihre Deduktion. Denn, wenn wir die Reflexion der Urteilskraft in denselben zerlegten, so fanden wir in ihnen ein zweckmäßiges Verhältnis der Erkenntnisvermögen, welches dem Vermögen der Zwecke (dem Willen) a priori zum Grunde gelegt werden muss, und daher selbst a priori zweckmäßig ist: welches denn sofort die Deduktion, d.h. die Rechtfertigung des Anspruchs eines dergleichen Urteils auf allgemein-notwendige Gültigkeit, enthält.

Wir werden also nur die Deduktion der Geschmacksurteile, d.h. der Urteile über die Schönheit der Naturdinge, zu suchen haben, und so der Aufgabe für die gesamte ästhetische Urteilskraft im Ganzen ein Genüge tun.

31. Von der Methode der Deduktion der Geschmacksurteile

Die Obliegenheit einer Deduktion, d.h. der Gewährleistung der Rechtmäßigkeit, einer Art Urteile tritt nur ein, wenn das Urteil Anspruch auf Notwendigkeit macht; welches der Fall auch alsdann ist, wenn es subjektive Allgemeinheit, d.h. jedermanns Beistimmung fordert: indes es doch kein Erkenntnisurteil, sondern nur der Lust oder Unlust an einem gegebenen Gegenstande, d.h. Anmaßung einer durchgängig für jedermann geltenden subjektiven Zweckmäßigkeit ist, die sich auf keine Begriffe von der Sache gründen soll, weil es Geschmacksurteil ist.

Da wir im letzteren Falle kein Erkenntnisurteil, weder ein theoretisches, welches den Begriff einer Natur überhaupt durch den Verstand, noch ein (reines) praktisches, welches die Idee der Freiheit, als a priori durch die Vernunft gegeben, zum Grunde legt, vor uns haben; und also weder ein Urteil, welches vorstellt, was eine Sache ist, noch dass ich, um sie hervorzubringen, etwas verrichten soll, nach seiner Gültigkeit a priori zu rechtfertigen haben: so wird bloß die allgemeine Gültigkeit eines einzelnen Urteils, welches die subjektive Zweckmäßigkeit einer empirischen Vorstellung der Form eines Gegenstandes ausdrückt, für die Urteilskraft überhaupt darzutun sein, um zu erklären, wie es möglich sei, dass etwas bloß in der Beurteilung (ohne Sinnenempfindung oder Begriff) gefallen könne, und, so wie die Beurteilung eines Gegenstandes zum Behuf einer Erkenntnis überhaupt, allgemeine Regeln habe, auch das Wohlgefallen eines jeden für jeden anderen als Regel dürfe angekündigt werden.

Wenn nun diese Allgemeingültigkeit sich nicht auf Stimmensammlung und Herumfragen bei anderen, wegen ihrer Art zu empfinden, gründen, sondern gleichsam auf einer Autonomie des über das Gefühl der Lust (an der gegebenen Vorstellung) urteilenden Subjekts, d.h. auf seinem eigenen Geschmacke, beruhen, gleichwohl aber doch auch nicht von Begriffen abgeleitet werden soll: so hat ein solches Urteil wie das Geschmacksurteil in der Tat ist eine zwiefache und zwar logische Eigentümlichkeit: nämlich erstlich die Allgemeingültigkeit a priori, und doch nicht eine logische Allgemeinheit nach Begriffen, sondern die Allgemeinheit eines einzelnen Urteils; zweitens eine Notwendigkeit (die jederzeit auf Gründen a priori beruhen muss), die aber doch von keinen Beweisgründen a priori abhängt, durch deren Vorstellung der Beifall, den das Geschmacksurteil jedermann ansinnt, erzwungen werden könnte.

Die Auflösung dieser logischen Eigentümlichkeiten, worin sich ein Geschmacksurteil von allen Erkenntnisurteilen unterscheidet, wenn wir hier anfänglich von allem Inhalte desselben, nämlich dem Gefühle der Lust abstrahieren, und bloß die ästhetische Form mit der Form der objektiven Urteile, wie sie die Logik vorschreibt, vergleichen, wird allein zur Deduktion dieses sonderbaren Vermögens hinreichend sein. Wir wollen also diese charakteristischen Eigenschaften des Geschmacks zuvor, durch Beispiele erläutert, vorstellig machen.

32. Erste Eigentümlichkeit des Geschmacksurteils

Das Geschmacksurteil bestimmt seinen Gegenstand in Ansehung des Wohlgefallens (als Schönheit) mit einem Anspruche auf jedermanns Beistimmung, als ob es objektiv wäre.

Sagen: diese Blume ist schön, heißt ebenso viel, als ihren eigenen Anspruch auf jedermanns Wohlgefallen ihr nur nachsagen. Durch die Annehmlichkeit ihres Geruchs hat sie gar keine Ansprüche. Den einen ergötzt dieser Geruch, dem anderen benimmt er den Kopf. Was sollte man nun anderes daraus vermuten, als dass die Schönheit für eine Eigenschaft der Blume selbst gehalten werden müsse, die sich nicht nach der Verschiedenheit der Köpfe und so vieler Sinne richtet, sondern wonach sich diese richten müssen, wenn sie darüber urteilen wollen? Und doch verhält es sich nicht so. Denn darin besteht eben das Geschmacksurteil, dass es eine Sache nur nach derjenigen Beschaffenheit schön nennt, in welcher sie sich nach unserer Art sie aufzunehmen richtet.

Überdies wird von jedem Urteil, welches den Geschmack des Subjekts beweisen soll, verlangt: dass das Subjekt für sich, ohne nötig zu haben, durch Erfahrung unter den Urteilen anderer herumzutappen, und sich von ihrem Wohlgefallen oder Missfallen an demselben Gegenstande vorher zu belehren, urteilen, mithin sein Urteil nicht als Nachahmung, weil ein Ding etwa wirklich allgemein gefällt, sondern a priori absprechen solle. Man sollte aber denken, dass ein Urteil a priori einen Begriff vom Objekt enthalten müsse, zu dessen Erkenntnis es das Prinzip enthält; das Geschmacksurteil aber gründet sich gar nicht auf Begriffe, und ist überall nicht Erkenntnis, sondern nur ein ästhetisches Urteil.

Daher lässt sich ein junger Dichter von der Überredung, dass sein Gedicht schön sei, nicht durch das Urteil des Publikums, noch seiner Freunde abbringen; und, wenn er ihnen Gehör gibt, so geschieht es nicht darum, weil er es nun anders beurteilt, sondern weil er, wenn gleich (wenigstens in Absicht seiner) das ganze Publikum einen falschen Geschmack hätte, sich doch (selbst wider sein Urteil) dem gemeinen Wahne zu bequemen, in seiner Begierde nach Beifall Ursache findet. Nur späterhin, wenn seine Urteilskraft durch Ausübung mehr geschärft worden, geht er freiwillig von seinem vorigen Urteile ab; so wie er es auch mit seinen Urteilen hält, die ganz auf der Vernunft beruhen. Der Geschmack macht bloß auf Autonomie Anspruch. Fremde Urteile sich zum Bestimmungsgrunde des seinigen zu machen, wäre Heteronomie.

Dass man die Werke der Alten mit Recht zu Mustern anpreiset, und die Verfasser derselben klassisch nennt, gleich einem gewissen Adel unter den Schriftstellern, der dem Volke durch seinen Vorgang Gesetze gibt: scheint Quellen des Geschmacks a posteriori anzuzeigen, und die Autonomie desselben in jedem Subjekte zu widerlegen. Allein man könnte ebenso gut sagen, dass die alten Mathematiker, die bis jetzt für nicht wohl zu entbehrende Muster der höchsten Gründlichkeit und Eleganz der synthetischen Methode gehalten werden, auch eine nachahmende Vernunft auf unserer Seite bewiesen, und ein Unvermögen derselben, aus sich selbst strenge Beweise mit der größten Intuition, durch Konstruktion der Begriffe, hervorzubringen. Es gibt gar keinen Gebrauch unserer Kräfte, so frei er auch sein mag, und selbst der Vernunft (die alle ihre Urteile aus der gemeinschaftlichen Quelle a priori schöpfen muss), welcher, wenn jedes Subjekt immer gänzlich von der rohen Anlage seines Naturells anfangen sollte, nicht in fehlerhafte Versuche geraten würde, wenn nicht andere mit den ihrigen ihm vorgegangen wären, nicht um die Nachfolgenden zu bloßen Nachahmern zu machen, sondern durch ihr Verfahren andere auf die Spur zu bringen, um die Prinzipien in sich selbst zu suchen, und so ihren eigenen, oft besseren, Gang zu nehmen. Selbst in der Religion, wo gewiss ein jeder die Regel seines Verhaltens aus sich selbst hernehmen muss, weil er dafür auch selbst verantwortlich bleibt, und die Schuld seiner Vergehungen nicht auf andre, als Lehrer oder Vorgänger, schieben kann, wird doch nie durch allgemeine Vorschriften, die man entweder von Priestern oder Philosophen bekommen, oder auch aus sich selbst genommen haben mag, so viel ausgerichtet werden, als durch ein Beispiel der Tugend oder Heiligkeit, welches, in der Geschichte aufgestellt, die Autonomie der Tugend, aus der eigenen und ursprünglichen Idee der Sittlichkeit (a priori), nicht entbehrlich macht, oder diese in einen Mechanismus der Nachahmung verwandelt. Nachfolge, die sich auf einen Vorgang bezieht, nicht Nachahmung, ist der rechte Ausdruck für allen Einfluss, welchen Produkte eines exemplarischen Urhebers auf andere haben können; welches nur so viel bedeutet, als: aus denselben Quellen schöpfen, woraus jener selbst schöpfte, und seinem Vorgänger nur die Art, sich dabei zu benehmen, ablernen. Aber unter allen Vermögen und Talenten ist der Geschmack gerade dasjenige, welches, weil sein Urteil nicht durch Begriffe und Vorschriften bestimmbar ist, am meisten der Beispiele dessen, was sich im Fortgange der Kultur am längsten in Beifall erhalten hat, bedürftig ist, um nicht bald wieder ungeschlacht zu werden, und in die Rohigkeit der ersten Versuche zurückzufallen.

33. Zweite Eigentümlichkeit des Geschmacksurteils

Das Geschmacksurteil ist gar nicht durch Beweisgründe bestimmbar, gleich als ob es bloß subjektiv wäre.

Wenn jemand ein Gebäude, eine Aussicht, ein Gedicht nicht schön findet, so lässt er sich erstlich den Beifall nicht durch hundert Stimmen, die es alle hoch preisen, innerlich aufdringen. Er mag sich zwar stellen falsches ihm auch gefalle, um nicht für geschmacklos angesehen zu werden; er kann sogar zu zweifeln anfangen, ob er seinen Geschmack, durch Kenntnis einer genügsamen Menge von Gegenständen einer gewissen Art, auch genug gebildet habe (wie einer, der in der Entfernung etwas für einen Wald zu erkennen glaubt, was alle andere für eine Stadt ansehen, an dem Urteile seines eigenen Gesichts zweifelt). Das sieht er aber doch klar ein: dass der Beifall anderer gar keinen für die Beurteilung der Schönheit gültigen Beweis abgebe; dass andere allenfalls für ihn sehen und beobachten mögen, und, was viele auf einerlei Art gesehen haben, als ein hinreichender Beweisgrund für ihn, der es anders gesehen zu haben glaubt, zum theoretischen, mithin logischen, niemals aber das, was anderen gefallen hat, zum Grunde eines ästhetischen Urteils dienen könne. Das uns ungünstige Urteil anderer kann uns zwar mit Recht in Ansehung des unsrigen bedenklich machen, niemals aber von der Unrichtigkeit desselben überzeugen. Also gibt es keinen empirischen Beweisgrund, das Geschmacksurteil jemanden abzunötigen.

Zweitens kann noch weniger ein Beweis a priori nach bestimmten Regeln das Urteil über Schönheit bestimmen. Wenn mir jemand sein Gedicht vorliest, oder mich in ein Schauspiel führt, welches am Ende meinem Geschmacke nicht behagen will, so mager den Batteux oder Lessing, oder noch ältere und berühmtere Kritiker des Geschmacks, und alle von ihnen aufgestellte Regeln zum Beweise anführen, dass sein Gedicht schön sei; auch mögen gewisse Stellen, die mir eben missfallen, mit Regeln der Schönheit (so wie sie dort gegeben und allgemein anerkannt sind) gar wohl zusammenstimmen: ich stopfe mir die Ohren zu, mag keine Gründe und kein Vernünfteln hören, und werde eher annehmen, dass jene Regeln der Kritiker falsch sein, oder wenigstens hier nicht der Fall ihrer Anwendung sei, als dass ich mein Urteil durch Beweisgründe a priori sollte beistimmen lassen, da es ein Urteil des Geschmacks und nicht des Verstandes oder der Vernunft sein soll. Es scheint, dass dieses eine der Hauptursachen sei, weswegen man dieses ästhetische Beurteilungsvermögen gerade mit dem Namen des Geschmacks belegt hat. Denn, es mag mir jemand alle Ingredienzien eines Gerichts herzählen, und von jedem bemerken, dass jedes derselben mir sonst angenehm sei, auch oben ein die Gesundheit dieses Essens mit Recht rühmen: so bin ich gegen alle diese Gründe taub, versuche das Gericht an meiner Zunge und meinem Gaumen: und darnach (nicht nach allgemeinen Prinzipien) fälle ich mein Urteil.

In der Tat wird das Geschmacksurteil durchaus immer, als ein einzelnes Urteil vom Objekt, gefällt. Der Verstand kann durch die Vergleichung des Objekts im Punkte des Wohlgefälligen mit dem Urteile anderer ein allgemeines Urteil machen: z.B. alle Tulpen sind schön; aber das ist alsdann kein Geschmacks sondern ein logisches Urteil, welches die Beziehung eines Objekts auf den Geschmack zum Prädikate der Dinge von einer gewissen Art überhaupt macht, dasjenige aber, wodurch ich eine einzelne gegebene Tulpe schön, d.h. mein Wohlgefallen an derselben allgemeingültig finde, ist allein das Geschmacksurteil. Dessen Eigentümlichkeit besteht aber darin: dass, ob es gleich bloß subjektive Gültigkeit hat, es dennoch alle Subjekte so in Anspruch nimmt, als es nur immer geschehen könnte, wenn es ein objektives Urteil wäre, das auf Erkenntnisgründen beruht, und durch einen Beweis könnte erzwungen werden.

34. Es ist kein objektives Prinzip des Geschmacks möglich

Unter einem Prinzip des Geschmacks würde man einen Grundsatz verstehen, unter dessen Bedingung man den Begriff eines Gegenstandes subsumieren, und alsdann durch einen Schluß herausbringen könnte, dass er schön sei. Das ist aber schlechterdings unmöglich. Denn ich muss unmittelbar an der Vorstellung desselben die Lust empfinden, und sie kann mir durch keine Beweisgründe angeschwatzt werden. Obgleich also Kritiker, wie Hume sagt, scheinbarer vernünfteln können als Köche, so haben sie doch mit diesen einerlei Schicksal. Den Bestimmungsgrund ihres Urteils können sie nicht von der Kraft der Beweisgründe, sondern nur von der Reflexion des Subjekts über seinen eigenen Zustand (der Lust oder Unlust), mit Abweisung aller Vorschriften und Regeln, erwarten.

Worüber aber Kritiker dennoch vernünfteln können und sollen, so dass es zur Berichtigung und Erweiterung unserer Geschmacksurteile gereiche: das ist nicht, den Bestimmungsgrund dieser Art ästhetischer Urteile in einer allgemeinen brauchbaren Formel darzulegen, welches unmöglich ist; sondern über die Erkenntnisvermögen und deren Geschäfte in diesen Urteilen Nachforschung zu tun, und die wechselseitige subjektive Zweckmäßigkeit von welcher oben gezeigt ist, dass ihre Form in einer gegebenen Vorstellung die Schönheit des Gegenstandes derselben sei, in Beispielen aus einander zu setzen. Also ist die Kritik des Geschmacks selbst nur subjektiv, in Ansehung der Vorstellung, wodurch uns ein Objekt gegeben wird: nämlich sie ist die Kunst oder Wissenschaft, das wechselseitige Verhältnis des Verstandes und der Einbildungskraft zu einander in der gegebenen Vorstellung (ohne Beziehung auf vorhergehende Empfindung oder Begriff), mithin die Einhelligkeit oder Misshelligkeit derselben, unter Regeln zu bringen, und sie in Ansehung ihrer Bedingungen zu bestimmen. Sie ist Kunst, wenn sie dieses nur an Beispielen zeigt; sie ist Wissenschaft, wenn sie die Möglichkeit einer solchen Beurteilung von der Natur dieser Vermögen, als Erkenntnisvermögen überhaupt, ableitet. Mit der letzteren, als transzendentalen Kritik, haben wir es hier überall allein zu tun. Sie soll das subjektive Prinzip des Geschmacks, als ein Prinzip a priori der Urteilskraft, entwickeln und rechtfertigen. Die Kritik, als Kunst, sucht bloß die physiologischen (hier psychologischen), mithin empirischen Regeln, nach denen der Geschmack wirklich verfährt, (ohne über ihre Möglichkeit nachzudenken) auf die Beurteilung seiner Gegenstände anzuwenden, und kritisiert die Produkte der schönen Kunst, so wie jene das Vermögen selbst, sie zu beurteilen.

35. Das Prinzip des Geschmacks ist das subjektive Prinzip der Urteilskraft überhaupt

Das Geschmacksurteil unterscheidet sich darin von dem logischen: dass das letztere eine Vorstellung unter Begriffe vom Objekt, das erstere aber gar nicht unter einen Begriff subsumiert, weil sonst der notwendige allgemeine Beifall durch Beweise würde erzwungen werden können. Gleichwohl aber ist es darin dem letzteren ähnlich, dass es eine Allgemeinheit und Notwendigkeit, aber nicht nach Begriffen vom Objekt, folglich eine bloß subjektive vorgibt. Weil nun die Begriffe in einem Urteile den Inhalt desselben (das zum Erkenntnis des Objekts Gehörige) ausmachen, das Geschmacksurteil aber nicht durch Begriffe bestimmbar ist, so gründet es sich nur auf der subjektiven formalen Bedingung eines Urteils überhaupt. Die subjektive Bedingung aller Urteile ist das Vermögen zu urteilen selbst, oder die Urteilskraft. Diese, in Ansehung einer Vorstellung, wodurch ein Gegenstand gegeben wird, gebraucht, erfordert zweier Vorstellungskräfte Zusammenstimmung: nämlich der Einbildungskraft (für die Anschauung und die Zusammensetzung des Mannigfaltigen derselben), und des Verstandes (für den Begriff als Vorstellung der Einheit dieser Zusammensetzung). Weil nun dem Urteile hier kein Begriff vom Objekte zum Grunde liegt, so kann es nur in der Subsumtion der Einbildungskraft selbst (bei einer Vorstellung, wodurch ein Gegenstand gegeben wird) unter die Bedingungen, dass der Verstand überhaupt von der Anschauung zu Begriffen gelangt, bestehen. D. i. weil eben darin, dass die Einbildungskraft ohne Begriff schematisiert, die Freiheit derselben besteht: so muss das Geschmacksurteil auf einer bloßen Empfindung der sich wechselseitig belebenden Einbildungskraft in ihrer Freiheit, und des Verstandes mit seiner Gesetzmäßigkeit, also auf einem Gefühle beruhen, das den Gegenstand nach der Zweckmäßigkeit der Vorstellung (wodurch ein Gegenstand gegeben wird) auf die Beförderung des Erkenntnisvermögens in ihrem freien Spiele beurteilen lässt; und der Geschmack, als subjektive Urteilskraft, enthält ein Prinzip der Subsumtion, aber nicht der Anschauungen unter Begriffe, sondern des Vermögens der Anschauungen oder Darstellungen (d.h. der Einbildungskraft) unter das Vermögen der Begriffe (d.h. den Verstand), sofern das erstere in seiner Freiheit zum letzteren in seiner Gesetzmäßigkeit zusammenstimmt.

Um diesen Rechtsgrund nun durch eine Deduktion der Geschmacksurteile ausfindig zu machen, können nur die formalen Eigentümlichkeiten dieser Art Urteile, mithin sofern an ihnen bloß die logische Form betrachtet wird, uns zum Leitfaden dienen.

36. Von der Aufgabe einer Deduktion der Geschmacksurteile

Mit der Wahrnehmung eines Gegenstandes kann unmittelbar der Begriff von einem Objekte überhaupt, von welchem jene die empirischen Prädikate enthält, zu einem Erkenntnisurteile verbunden, und dadurch ein Erfahrungsurteil erzeugt werden. Diesem liegen nun Begriffe a priori von der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung, um es als Bestimmung eines Objekts zu denken, zum Grunde; und diese Begriffe (die Kategorien) erfordern eine Deduktion, die auch in der Kritik der r. V. gegeben worden, wodurch denn auch die Auflösung der Aufgabe zu Stande kommen konnte: Wie sind synthetische Erkenntnisurteile a priori möglich? Diese Aufgabe betraf also die Prinzipien a priori des reinen Verstandes, und seiner theoretischen Urteile.

Mit einer Wahrnehmung kann aber auch unmittelbar ein Gefühl der Lust (oder Unlust) und ein Wohlgefallen verbunden werden, welches die Vorstellung des Objekts begleitet und derselben statt Prädikats dient, und so ein ästhetisches Urteil, welches kein Erkenntnisurteil ist, entspringen. Einem solchen, wenn es nicht bloßes Empfindungssondern ein formales Reflexions-Urteil ist, welches dieses Wohlgefallen jedermann als notwendig ansinnet, muss etwas als Prinzip a priori zum Grunde liegen, welches allenfalls ein bloß subjektives sein mag (wenn ein objektives zu solcher Art Urteile unmöglich sein sollte), aber auch als ein solches einer Deduktion bedarf, damit begriffen werde, wie ein ästhetisches Urteil auf Notwendigkeit Anspruch machen könne. Hierauf gründet sich nun die Aufgabe, mit der wir uns jetzt beschäftigen: Wie sind Geschmacksurteile möglich? Welche Aufgabe also die Prinzipien a priori der reinen Urteilskraft in ästhetischen Urteilen betrifft, d.h. in solchen, wo sie nicht (wie in den theoretischen) unter objektiven Verstandesbegriffen bloß zu subsumieren hat und unter einem Gesetze steht, sondern wo sie sich selbst, subjektiv, Gegenstand sowohl als Gesetz ist.

Diese Aufgabe kann auch so vorgestellt werden: Wie ist ein Urteil möglich, das bloß aus dem eigenen Gefühl der Lust an einem Gegenstande, unabhängig von dessen Begriffe, diese Lust, als der Vorstellung desselben Objekts in jedem anderen Subjekte anhängig, a priori, d.h. ohne fremde Beistimmung abwarten zu dürfen, beurteilte?

Dass Geschmacksurteile synthetische sind, ist leicht einzusehen, weil sie über den Begriff, und selbst die Anschauung des Objekts, hinausgehen, und etwas, das gar nicht einmal Erkenntnis ist, nämlich Gefühl der Lust (oder Unlust) zu jener als Prädikat hinzutun. Dass sie aber, obgleich das Prädikat (der mit der Vorstellung verbundenen eigenen Lust) empirisch ist, gleichwohl, was die geforderte Beistimmung von jedermann betrifft, Urteile a priori sind, oder dafür gehalten werden wollen, ist gleichfalls schon in den Ausdrücken ihres Anspruchs enthalten; und so gehört diese Aufgabe der Kritik der Urteilskraft unter das allgemeine Problem der Transzendentalphilosophie: Wie sind synthetische Urteile a priori möglich?

37. Was wird eigentlich in einem Geschmacksurteile von einem Gegenstande a priori behauptet?

Dass die Vorstellung von einem Gegenstande unmittelbar mit einer Lust verbunden sei, kann nur innerlich wahrgenommen werden, und würde, wenn man nichts weiter als dieses anzeigen wollte, ein bloß empirisches Urteil geben. Denn a priori kann ich mit keiner Vorstellung ein bestimmtes Gefühl (der Lust oder Unlust) verbinden, außer wo ein den Willen bestimmendes Prinzip a priori in der Vernunft zum Grunde liegt; da denn die Lust (im moralischen Gefühl) die Folge davon ist, eben darum aber mit der Lust im Geschmacke gar nicht verglichen werden kann, weil sie einen bestimmten Begriff von einem Gesetze erfordert: da hingegen jene unmittelbar mit der bloßen Beurteilung, vor allem Begriffe, verbunden sein soll. Daher sind auch alle Geschmacksurteile einzelne Urteile, weil sie ihr Prädikat des Wohlgefallens nicht mit einem Begriffe, sondern mit einer gegebenen einzelnen empirischen Vorstellung verbinden.

Also ist es nicht die Lust, sondern die Allgemeingültigkeit dieser Lust, die mit der bloßen Beurteilung eines Gegenstandes im Gemüte als verbunden wahrgenommen wird, welche a priori als allgemeine Regel für die Urteilskraft, für jedermann gültig, in einem Geschmacksurteile vorgestellt wird. Es ist ein empirisches Urteil: dass ich einen Gegenstand mit Lust wahrnehme und beurteile. Es ist aber ein Urteil a priori: dass ich ihn schön finde, d.h. jenes Wohlgefallen jedermann als notwendig ansinnen darf.

38. Deduktion der Geschmacksurteile

Wenn eingeräumt wird: dass in einem reinen Geschmacksurteile das Wohlgefallen an dem Gegenstande mit der bloßen Beurteilung seiner Form verbunden sei; so ist es nichts anders, als die subjektive Zweckmäßigkeit derselben für die Urteilskraft, welche wir mit der Vorstellung des Gegenstandes im Gemüte verbunden empfinden. Da nun die Urteilskraft in Ansehung der formalen Regeln der Beurteilung, ohne alle Materie (weder Sinnenempfindung noch Begriff), nur auf die subjektiven Bedingungen des Gebrauchs der Urteilskraft überhaupt (die weder auf die besondere Sinnesart, noch einen besonderen Verstandesbegriff eingerichtet ist) gerichtet sein kann; folglich dasjenige Subjektive, welches man in allen Menschen (als zum möglichen Erkenntnisse überhaupt erforderlich) voraussetzen kann: so muss die Übereinstimmung einer Vorstellung mit diesen Bedingungen der Urteilskraft als für jedermann gültig a priori angenommen werden können. D. i. die Lust, oder subjektive Zweckmäßigkeit der Vorstellung für das Verhältnis der Erkenntnisvermögen in der Beurteilung eines sinnlichen Gegenstandes überhaupt, wird jedermann mit Recht angesonnen werden können.

Anmerkung

Diese Deduktion ist darum so leicht, weil sie keine objektive Realität eines Begriffs zu rechtfertigen nötig hat; denn Schönheit ist kein Begriff vom Objekt, und das Geschmacksurteil ist kein Erkenntnisurteil. Es behauptet nur: dass wir berechtigt sind, dieselben subjektiven Bedingungen der Urteilskraft allgemein bei jedem Menschen vorauszusetzen, die wir in uns antreffen; und nur noch, dass wir unter diese Bedingungen das gegebene Objekt richtig subsumiert haben. Obgleich nun dies letztere unvermeidliche, der logischen Urteilskraft nicht anhängende, Schwierigkeiten hat (weil man in dieser unter Begriffe, in der ästhetischen aber unter ein bloß empfindbares Verhältnis, der an der vorgestellten Form des Objekts wechselseitig untereinander stimmenden Einbildungskraft und des Verstandes, subsumiert, wo die Subsumtion leicht trügen kann): so wird dadurch doch der Rechtmäßigkeit des Anspruchs der Urteilskraft, auf allgemeine Beistimmung zu rechnen, nichts benommen, welcher nur darauf hinausläuft: die Richtigkeit des Prinzips aus subjektiven Gründen für jedermann gültig zu urteilen. Denn was die Schwierigkeit und den Zweifel wegen der Richtigkeit der Subsumtion unter jenes Prinzip betrifft, so macht sie die Rechtmäßigkeit des Anspruchs auf diese Gültigkeit eines ästhetischen Urteils überhaupt, mithin das Prinzip selber, so wenig zweifelhaft, als die eben sowohl (obgleich nicht so oft und leicht) fehlerhafte Subsumtion der logischen Urteilskraft unter ihr Prinzip das letztere, welches objektiv ist, zweifelhaft machen kann. Würde aber die Frage sein: Wie ist es möglich, die Natur als einen Inbegriff von Gegenständen des Geschmacks a priori anzunehmen? So hat diese Aufgabe Beziehung auf die Teleologie, weil es als ein Zweck der Natur angesehen werden müsste, der ihrem Begriffe wesentlich anhinge, für unsere Urteilskraft zweckmäßige Formen aufzustellen. Aber die Richtigkeit dieser Annahme ist noch sehr zu bezweifeln, indes die Wirklichkeit der Naturschönheiten der Erfahrung offen liegt.

39. Von der Mitteilbarkeit einer Empfindung

Wenn Empfindung, als das Reale der Wahrnehmung, auf Erkenntnis bezogen wird, so heißt sie Sinnenempfindung; und das Spezifische ihrer Qualität lässt sich nur als durchgängig auf gleiche Art mitteilbar vorstellen, wenn man annimmt, dass jedermann einen gleichen Sinn mit dem unsrigen habe: dieses lässt sich aber von einer Sinnesempfindung schlechterdings nicht voraussetzen. So kann dem, welchem der Sinn des Geruchs fehlt, diese Art der Empfindung nicht mitgeteilt werden; und, selbst wenn er ihm nicht mangelt, kann man doch nicht sicher sein, ob er gerade die nämliche Empfindung von einer Blume habe, die wir davon haben. Noch mehr unterschieden müssen wir uns aber die Menschen in Ansehung der Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit bei der Empfindung eben desselben Gegenstandes der Sinne vorstellen, und es ist schlechterdings nicht zu verlangen, dass die Lust an dergleichen Gegenständen von jedermann zugestanden werde. Man kann die Lust von dieser Art, weil sie durch den Sinn in das Gemüt kommt und wir dabei also passiv sind, die Lust des Genusses nennen.

Das Wohlgefallen an einer Handlung um ihrer moralischen Beschaffenheit willen ist dagegen keine Lust des Genusses, sondern der Selbsttätigkeit, und deren Gemäßheit mit der Idee seiner Bestimmung. Dieses Gefühl, welches das sittliche heißt, erfordert aber Begriffe; und stellt keine freie, sondern gesetzliche Zweckmäßigkeit dar, lässt sich also auch nicht anders, als vermittelst der Vernunft, und, soll die Lust bei jedermann gleichartig sein, durch sehr bestimmte praktische Vernunftbegriffe, allgemein mitteilen.

Die Lust am Erhabenen der Natur, als Lust der vernünftelnden Kontemplation, macht zwar auch auf allgemeine Teilnehmung Anspruch, setzt aber doch schon ein anderes Gefühl, nämlich das seiner übersinnlichen Bestimmung, voraus: welches, so dunkel es auch sein mag, eine moralische Grundlage hat. Dass aber andere Menschen darauf Rücksicht nehmen, und in der Betrachtung der rauhen Größe der Natur ein Wohlgefallen finden werden (welches wahrhaftig dem Anblicke derselben, der eher abschreckend ist, nicht zugeschrieben werden kann), bin ich nicht schlechthin vorauszusetzen berechtigt. Demungeachtet kann ich doch, in Betracht dessen, dass auf jene moralischen Anlagen bei jeder schicklichen Veranlassung Rücksicht genommen werden sollte, auch jenes Wohlgefallen jedermann ansinnen, aber nur vermittelst des moralischen Gesetzes, welches seiner Seits wiederum auf Begriffen der Vernunft gegründet ist.

Dagegen ist die Lust am Schönen weder eine Lust des Genusses, noch einer gesetzlichen Tätigkeit, auch nicht der vernünftelnden Kontemplation nach Ideen, sondern der bloßen Reflexion. Ohne irgendeinen Zweck oder Grundsatz zur Richtschnur zu haben, begleitet diese Lust die gemeine Auffassung eines Gegenstandes durch die Einbildungskraft, als Vermögen der Anschauung, in Beziehung auf den Verstand, als Vermögen der Begriffe, vermittelst eines Verfahrens der Urteilskraft, welches sie auch zum Behuf der gemeinsten Erfahrung ausüben muss: nur dass sie es hier, um einen empirischen objektiven Begriff, dort aber (in der ästhetischen Beurteilung) bloß, um die Angemessenheit der Vorstellung zur harmonischen (subjektiv-zweckmäßigen) Beschäftigung beider Erkenntnisvermögen in ihrer Freiheit wahrzunehmen, d.h. den Vorstellungszustand mit Lust zu empfinden, zu tun genötigt ist. Diese Lust muss notwendig bei jedermann auf den nämlichen Bedingungen beruhen, weil sie subjektive Bedingungen der Möglichkeit einer Erkenntnis überhaupt sind, und die Proportion dieser Erkenntnisvermögen, welche zum Geschmack erfordert wird, auch zum gemeinen und gesunden Verstande erforderlich ist, den man bei jedermann voraussetzen darf. Eben darum darf auch der mit Geschmack Urteilende (wenn er nur in diesem Bewusstsein nicht irrt, und nicht die Materie für die Form, Reiz für Schönheit nimmt) die subjektive Zweckmäßigkeit, d.h. sein Wohlgefallen am Objekte jedem anderen ansinnen, und sein Gefühl als allgemein mitteilbar, und zwar ohne Vermittelung der Begriffe, annehmen.

40. Vom Geschmacke als einer Art von sensus communis

Man gibt oft der Urteilskraft, wenn nicht sowohl ihre Reflexion als vielmehr bloß das Resultat derselben bemerklich ist, den Namen eines Sinnes, und redet von einem Wahrheitssinne, von einem Sinne für Anständigkeit, Gerechtigkeit u.s.w.; ob man zwar weiß, wenigstens billig wissen sollte, dass es nicht ein Sinn ist, in welchem diese Begriffe ihren Sitz haben können, noch weniger, dass dieser zu einem Ausspruche allgemeiner Regeln die mindeste Fähigkeit habe: sondern dass uns von Wahrheit, Schicklichkeit, Schönheit oder Gerechtigkeit nie eine Vorstellung dieser Art in Gedanken kommen könnte, wenn wir uns nicht über die Sinne zu höhern Erkenntnisvermögen erheben könnten. Der gemeine Menschenverstand, den man, als bloß gesunden (noch nicht kultivierten) Verstand, für das geringste ansieht, dessen man nur immer sich von dem, welcher auf den Namen eines Menschen Anspruch macht, gewärtigen kann, hat daher auch die kränkende Ehre, mit dem Namen des Gemeinsinnes (sensus communis) belegt zu werden; und zwar so, dass man unter dem Worte gemein (nicht bloß in unserer Sprache, die hierin wirklich eine Zweideutigkeit enthält, sondern auch in mancher anderen) so viel als das vulgäre, was man allenthalben antrifft, versteht, welches zu besitzen schlechterdings kein Verdienst oder Vorzug ist.

Unter dem sensus communis aber muss man die Idee eines gemeinschaftlichen Sinnes, d.h. eines Beurteilungsvermögens verstehen, welches in seiner Reflexion auf die Vorstellungsart jedes anderen in Gedanken (a priori) Rücksicht nimmt, um gleichsam an die gesamte Menschenvernunft sein Urteil zu halten, und dadurch der Illusion zu entgehen, die aus subjektiven Privatbedingungen, welche leicht für objektiv gehalten werden könnten, auf das Urteil nachteiligen Einfluss haben würde. Dieses geschieht nun dadurch, dass man sein Urteil an anderer, nicht sowohl wirkliche, als vielmehr bloß mögliche Urteile hält, und sich in die Stelle jedes anderen versetzt, indem man bloß von den Beschränkungen, die unserer eigenen Beurteilung zufälliger Weise anhängen, abstrahiert: welches wiederum dadurch bewirkt wird, dass man das, was in dem Vorstellungszustande Materie, d.h. Empfindung ist, so viel möglich weglässt, und lediglich auf die formalen Eigentümlichkeiten seiner Vorstellung, oder seines Vorstellungszustandes, Acht hat. Nun scheint diese Operation der Reflexion vielleicht allzu künstlich zu sein, um sie dem Vermögen, welches wir den gemeinen Sinn nennen, beizulegen; allein sie sieht auch nur so aus, wenn man sie in abstrakten Formeln ausdrückt; an sich ist nichts natürlicher, als von Reiz und Rührung zu abstrahieren, wenn man ein Urteil sucht, welches zur allgemeinen Regel dienen soll.

Folgende Maximen des gemeinen Menschenverstandes gehören zwar nicht hieher, als Teile der Geschmackskritik, können aber doch zur Erläuterung ihrer Grundsätze dienen. Es sind folgende: 1. Selbstdenken; 2. An der Stelle jedes anderen denken; 3. Jederzeit mit sich selbst einstimmig denken. Die erste ist die Maxime der vorurteilfreien, die zweite der erweiterten, die dritte der konsequenten Denkungsart. Die erste ist die Maxime einer niemals passiven Vernunft. Der Hang zur letzteren, mithin zur Heteronomie der Vernunft, heißt das Vorurteil; und das größte unter allen ist, sich die Naturregeln, welche der Verstand ihr durch ihr eigenes wesentliches Gesetz zum Grunde legt, als nicht unterworfen vorzustellen: d.h. der Aberglaube. Befreiung vom Aberglauben heißt Aufklärung; weil, obschon diese Benennung auch der Befreiung von Vor urteilen überhaupt zukommt, jener doch vorzugsweise (in sensu eminenti) ein Vorurteil genannt zu werden verdient, indem die Blindheit, worin der Aberglaube versetzt, ja sie wohl gar als Obliegenheit fordert, das Bedürfnis, von anderen geleitet zu werden, mithin den Zustand einer passiven Vernunft vorzüglich kenntlich macht. Was die zweite Maxime der Denkungsart betrifft, so sind wir sonst wohl gewohnt, denjenigen eingeschränkt (borniert, das Gegenteil von erweitert) zu nennen, dessen Talente zu keinem großen Gebrauche (vornehmlich dem intensiven) zulangen. Allein hier ist nicht die Rede vom Vermögen des Erkenntnisses, sondern von der Denkungsart, einen zweckmäßigen Gebrauch davon zu machen: welche, so klein auch der Umfang und der Grad sei, wohin die Naturgabe des Menschen reicht, dennoch einen Mann von erweiterter Denkungsart anzeigt, wenn er sich über die subjektiven Privatbedingungen des Urteils, wo zwischen so viele andere wie eingeklammert sind, wegsetzen, und aus einem allgemeinen Standpunkte (den er dadurch nur bestimmen kann, dass er sich in den Standpunkt anderer versetzt) über sein eigenes Urteil reflektiert. Die dritte Maxime, nämlich die der konsequenten Denkungsart, ist am schwersten zu erreichen, und kann auch nur durch die Verbindung beider ersten, und nach einer zur Fertigkeit gewordenen öfteren Befolgung derselben, erreicht werden. Man kann sagen: die erste dieser Maximen ist die Maxime des Verstandes; die zweite der Urteilskraft, die dritte der Vernunft.

Ich nehme den durch diese Episode verlassenen Faden wieder auf, und sage: dass der Geschmack mit mehrerem Rechte sensus communis genannt werden könne, als der gesunde Verstand; und dass die ästhetische Urteilskraft eher als die intellektuelle den Namen eines gemeinschaftlichen Sinnes führen könne, wenn man ja das Wort Sinn von einer Wirkung der bloßen Reflexion auf das Gemüt brauchen will: denn da versteht man unter Sinn das Gefühl der Lust. Man könnte sogar den Geschmack durch das Beurteilungsvermögen desjenigen, was unser Gefühl an einer gegebenen Vorstellung ohne Vermittelung eines Begriffs allgemein mitteilbar macht, definieren.

Die Geschicklichkeit der Menschen, sich ihre Gedanken mitzuteilen, erfordert auch ein Verhältnis der Einbildungskraft und des Verstandes, um den Begriffen Anschauungen und diesen wiederum Begriffe zuzugesellen, die in ein Erkenntnis zusammenfließen; aber alsdann ist die Zusammenstimmung beider Gemütskräfte gesetzlich, unter dem Zwange bestimmter Begriffe. Nur da, wo Einbildungskraft in ihrer Freiheit den Verstand erweckt, und dieser ohne Begriffe die Einbildungskraft in ein regelmäßiges Spiel versetzt: da teilt sich die Vorstellung, nicht als Gedanke, sondern als inneres Gefühl eines zweckmäßigen Zustandes des Gemüts, mit.

Der Geschmack ist also das Vermögen, die Mitteilbarkeit der Gefühle, welche mit gegebener Vorstellung (ohne Vermittelung eines Begriffs) verbunden sind, a priori zu beurteilen. Wenn man annehmen dürfte, dass die bloße allgemeine Mitteilbarkeit seines Gefühls an sich schon ein Interesse für uns bei sich führen müsse (welches man aber aus der Beschaffenheit einer bloß reflektierenden Urteilskraft zu schließen nicht berechtigt ist): so würde man sich erklären können, woher das Gefühl im Geschmacksurteile gleichsam als Pflicht jedermann zugemutet werde.