Johann Valentin Andreae (1616) – Chymische Hochzeit

Chymische Hochzeit

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Johann Valentin Andreae
Chymische Hochzeit

Christiani Rosencreutz
Anno 1459

 

Erster Tag

An einem Abend vor dem Ostertag saß ich an einem Tisch, und wie ich mich meiner gewonheit nach mit meinem Schöpffer in meinem demütigen Gebett gnugsam ersprachet: Und vielen grossen Geheimnussen: (deren mich der Vatter deß Liechts seine Majestät nit wenig sehen lassen) nachgedacht.

Auch nuhn mir mit meinem lieben Osterlämblein ein ohngesäurt, unbeflecktes Küchlein in meinem Hertzen zubereitten wöllen, kommet einsmals ein solcher grausamer Wind daher, das ich nit anders meinte, dann es wurde der Berg, darein mein Häußlein gegraben, vor grossem gewalt zerspringen müssen.

Weil mir aber solches und dergleichen an dem Teuffel (der mir manch leyds gethan) nit an that, fasset ich einen muth und blieb in meiner Meditation, biß mich wider mein gewonheit jemand auff den Rucken anreget, darvon ich dermassen erschrocken, das ich mich kaum umbsehen dörffen, noch stellet ich mich so frewdig, als Menschliche schwachheit zu dergleichen sachen sein kan.

Und wie mich solch ding zu etlich mahlen beim Rock zupffet, sihe ich hinumb, da war es ein schön herrlich Weibsbild, deren Kleid gantz blaw und mit gulden Sternen wie der Himmel zierlich versetzt gewesen.

In der rechten Hand trug sie ein gantz guldin Posaun, daran ein Nam gestochen gewest, den ich wol lesen kund, mir aber nochmahlen zu offenbaren verbotten worden: In der lincken Hand hatte sie ein grosses büschel Brieff von allerley sprachen, die sie (wie ich hernach erfahren) in alle Land tragen muste: Sie hatte aber auch Flügel, grosse und schön, voller Augen durch und durch, mit denen sie sich auffschwingen und schneller dann kein Adler fliegen kundt.

Ich hette vielleicht noch mehr an ihr können notieren. Aber weil sie so kurtz bey mir geblieben und noch aller schreck und verwunderung in mir gestecket, muß ichs so sein lassen.

Dann so bald ich mich umbgewendet, blättert sie ihre Brieff hin und wieder und zeucht entlich ein klein Brief flein herauß, welches sie mit grosser Reverentz auff den Tisch gelegt und ohne einig wort von mir gewichen.

Im auffschwingen aber hat sie so kräfftig in ihr schöne Posaunen gestossen, das der gantze Berg davon erhallet, und ich fast ein Viertel stund hernach mein eygen wort kaum mehr gehöret.

In solcher unversehener Abentheur wuste ich mir Armen selbsten weder zu rahten noch zu helffen: fiel deßwegen auff meine Knie und bat meinen Schöpffer: Er wolte mir nichts wider mein Ewiges HeyI zugehen lassen: Gieng darauff mit forcht und zittern zu dem Briefflein, das war nuhn so schwer, das, da es lauter Goldt gewesen were, hette es kaum so schwer sein konnen.

Wie ich es nun fleissig besihe, befinde ich ein klein Sigill, damit es vermacht.

Darauff war ein zartes Creütz gegraben, mit der Inscription: In hoc signo + vinces.

So bald ich nun das Zeichen befunden, war ich desto getröster, als welchem nit unbewust, daß solches Sigill dem Teuffel nit annemlich, viel weniger gebräuchlich were.

Macht derowegen das Brieflein subtil auff: Darinnen befand ich im blawen Feld mit guldenen Buchstaben nachfolgende Verß geschrieben.

alle Planetensymbole in Einem
Heut, Heut, Heut,
Ist des Königs Hochzeit,
Bistu hierzu gebohren,
Von Gott zu Frewd erkohren,
Magst auff den Berge gehen,
Darauff drey Tempel stehen,
Daselbst die Geschicht besehen.

Halt Wacht,
Dich selbst betracht,
Wirst dich nit fleissig baden,
Die Hochzeit kan dir schaden.
Schad hat, wer hie verzeücht,
Hüet sich, wer ist zu Leicht,

Unden an stund: Sponsus et Sponsa.

Da ich nuhn diesen Brieff gelesen, erst wolte mir gantz geschwinden, alle Haar giengen mir zu Berg und lieff mir der kalte Schweiß uber den gantzen Leib herab, dann ob wol ich merckte, daß diß die angestelt Hochzeit were, von deren mir vor sieben Jahren in einem Leiblichen Gesicht gesagt worden, auch welcher ich nuhn ein so lange zeit mit grossem verlangen gewarttet und endtlich in fleissiger nachrechnung und Calcuation meiner annotierten Planeten also befunden, hätte Ich mich doch nimmermehr versehen, daß es mit so schweren und gefährlichen Conditionen würde zugehen.

Dann da ich zuvor gemeint: Ich dörffte nur gerad bey der Hochzeit erscheinen, da wurde ich willkommen und lieber Gast sein, jetzt aber weist es mich auff Göttliche versehung, derer ich noch dißfals nimmer gewiß: so befandt ich auch bey mir selbst, je mehr ich mich seibsten erwegete, das in meinem Kopff nichts dann grosser unverstandt und blindheit in geheymen sachen were, auch daß nit verstehen kundt, das mir unter den Füssen gelegen, und mit dem ich täglich umbgangen, viel weniger daß ich solte zu erforschung und erkandtnuß der Natur Secreten gebohren sein, weil meines erachtens die Natur allwegen einen Tugentlicheren discipel hette finden mögen, dem sie ihren so theüren, gleichwol zeitlichen und vergänglichen Schatz vertrawete.

So befand ich auch, daß mein Leib und eusserlicher guter wandel und Brüderliche lieb gegen meinem nechsten auch nit recht gereiniget und geseübert were.

So erzeigt sich auch noch deß Fleisches kützel, welchem sein Sinn nur zu hohem ansehen und weltlichem Pracht nit dem neben Menschen zu gut stund und immer gedachte, ey wie köndte ich durch solch Kunst meinen nutzen in kurtzem so trefflich befördern, statliche Gebäw aufführen, ein ewigen Namen in der Welt machen, und was dergleichen fleischliche gedancken mehr sein, sonderlich aber bekümmerten mich die dunckele Wort von den 3. Tempeln, die ich mit keinem nachdencken zuwegen bringen köndte. Auch villeicht noch nit kundte, wann mir solches nit wunderbarlich were eröffnet worden.

Wie ich nuhn in solch forcht und hoffnung steckte, mich selbsten hin und wider erwegete, zu allmahlen aber nur mein Schwachheit und unvermöglichkeit befande und also mir selbsten in keinen weg heiffen konte, auch mich vor gemelter betrawung hefftig entsetzete: griff ich entlich nach meinem gewönlichen und aller sichersten weg, legte mich nach vollendtem ernstlichem und eifferigem Gebett in mein Bett: Ob mir doch mein guter Engel auß Göttlicher verhengnuß möcht erscheinen, in diesem zweifelichem handel, wie vormals etlichmal beschehen, berichten, welches dann auch Gott zu Lob mir zum besten und meinem Nechsten zu trewlicher und hertzlicher warnung und besserung geschehen.

Dann wie ich kaum entschlaffen, dauchte mich, ich lege in einem finstern Thurn neben andern unzahlbaren Menschen an grossen Ketten gefangen, darinnen wir dann ohn alles Liecht und schein wie die Immen ubereinander gewimlet und also einer dem andern sein trübsal noch schwerer gemacht: wiewol nuhn weder Ich noch unser keiner ein sticken gesehen, höret ich doch immer sich einen uber den andern zu erheben, wann sein Ketten oder Springer nur umb das geringste leichter gewesen, ohn angesehen unser keiner dem andern viel auffzuheben hatte: Weil wir allzumahl gemachte tropffen gewesen.

Wie ich nun auch in solchem Trübsal mit andern ein gute weil verharrte und immer einer den andern ein blinden und gefangenen gescholten, hören wir entlich mit viel Trommeten zusammen blasen, auch die Heertrommel so Künstlich darzu schlagen, daß es uns dennoch in unserm Creutz erquickt und erfrewet hatt.

Unter solchem gethön wirdt der Deckel am Thurn oben auffgehoben und uns ein wenig Liechts zu gelassen.

Da hette man uns erst recht sehen durch einanderburtzlen dann da gieng alles durch einander und muste etwa der, so sich zu viel erhoben, andern under die Füß kommen Summa, ein jeder wolt der oberst sein, wie ich mich dann selbsten nit gesaumt, sondern mit meinen schweren Springern dannoch under andern herfür gewicht und an einen stein, den ich erwischt, erhoben wiewol ich auch da etlich mahl von andern angriffen worden, da ich mich allweg, so gut ich gemöcht, mit Händ und Füssen erwehrt, dann wir meineten nit anders, dann wir werden alle ledig gelassen werden, welches doch weit anders geschehen: Dann nach dem sich die Herren, so oben vom Loch des Thurns auf uns hinab gesehen durch solches zabeln und wünseln ein wenig erlustriert, heisset uns ein Alter Eyßgrawer Mann still sein, und wie er diß kaum erhalten fanget er, wie ich es noch behalten, also an zu reden:

Wanns sichs nit thet erheben,
Das arm Menschlich geschlecht,
Wer ihm viel guts gegeben,
Von meiner Mutter recht,
Weils aber nit will folgen,
Bleibt es in solchen sorgen,
Und muß gefangen sein.

Noch will mein liebe Mutter,
Ansehen ihr Unarth nicht,
Last ihre schöne Gütter,
Zu viel kommen ans Licht,
Wiwol solchs geschicht gar selten,
Damit sie auch was gelten,
Sonst helt mans für ein Gedicht.

Darumb dem Fest zu ehre,
Welchs wir heut feyren thun,
Das man ihr Gnad vermehre,
Ein gut Werck will sie thun,
Das Seil wird man jetzt sencken,
Wer sich daran wirdt hencken,
Der selb soll werden los.

Wie er nun diß kaum außgeredt, befahle die Alte Fraw ihren Dienern, das Seil in den Thurn zu sieben mahlen hinab zu lassen, und wer da behangen wurde, herauff zu ziehen.

O wolte Gott ich köndte gnugsam beschreiben, was unruh sich dazumahl under uns erhaben, dann jeder wolt an das Seyl fallen, und hindert doch nuhr einer den andern.

Es war aber nach sieben minuten mit dem Glöcklein ein Zeichen gegeben.

Darauff die Diener auffs erste mahl vier außgezogen, dann dazumal konte ich noch bey weitem zum Seil nit kommen, als der ich mich, wie vorgemelt, zu meinem grösten unglück an der Wand deß Thurns auff einen Stein begeben und deßwegen zum Seil, daß in der mitten hinab gangen, nit kommen mögen.

Deß andern mals wirdt das Seil hinab gelassen.

Aber weil manchem die Ketten zu schwer, die Händlin aber zu weich gewesen, kondte er sich am Seil nit erhalten, sonder schlug noch wol manchen, der sich villeicht erhalten hette, mit sich hinab.

Ja es wurde noch wol mancher von eim andern herabgerissen, der doch selbsten nit dahin kommen konte, waren also in unserm grossen Elend noch neydig aufeinander.

Die aber daurten mich selbsten am aller übelsten, denen ihr Gewicht so schwer gewesen, daß sie ihnen selbst die Hand aus dem Leib gerissen, und doch nicht hinauf fkommen können.

Also kams, daß zu den fünffmahlen gar wenig auffgezogen worden: Dann so bald das Zeichen ward gegeben, waren die Diener mit dem auffziehen so schnell, das der mehrtheil uber ein ander geburtzelt, sonderlich aber das fünffte mahl das Seil gar 1er auffgezogen worden, deßwegen der mehrtheil, auch ich selbsten an unser erledigung verzagt und Gott angeruffen, er wolte sich unser erbarmen, und da es müglich, auß dieser finsternuß uns erlösen: der dann auch etliche under uns erhört.

Dann da das Seil zum sechsten mal kommet, hencken sich ihrer etliche festiglich daran.

Und weil das Seil im auffziehen hin und her schwankket, ist es villeicht auß Göttlichem willen zu mir gefahren, welches ich schnell erhaschet, zu obrist auff alle andere gesessen, und also entlich wider verhoffen herauß kommen, welches mich hoch erfrewet, das ich der Wunden, so ich am Kopff von eim spitzigen Stein im auffziehen empfangen, nit empfunden, biß ich mit andern erledigten, den 7. und letzsten zug thun helffen (wie zuvor allweg beschehen) müssen, da mir dann von arbeit das Blut uber mein gantzes Kleid abgeloffen, welch ich doch vor frewd nit geacht hätte: wie nun auch der letste zug, daran noch am allermeisten gehangen, vollendt gewesen: lasset die Fraw das Seil hinweg thun, und ihren uhralten Sohn (dessen ich mich höchlich verwundert) den andern gefangenen ihren bescheid verkündigen, der sie dann nach wenigem bedencken also argeredt:

Ihr liebe Kind,
Die ihr hie sind,
Es ist vollendt,
Was lengst erkennt,
Was meiner Mutter grosse gnad
Ewren beyden hie erwiesen hat,
Daß solt ihr ihn nit thun mißgönnen,
Ein frölich zeit die soll bald kommen
Darin einer wirt dem andern gleich,
Keiner wirt sein arm oder reich,
Wem viel befohlen,
Muß viel holen,
Wem viel vertrawt,
Dem gehts an d‘haut,
Darumb so last ewer grosse klag,
Was ists umb etlich wenig tag.

So bald er die wort vollendt, ward der Deckel wider zugethan und verschlossen, und das Trommeten und Heertrommeln wider angehoben.

So laut kont aber der Thon nit sein, man hört noch der gefangenen bittere klag, die sich im Thurn erhoben für allen herauß. Welches mir dann auch bald die Augen ubergetrieben.

Bald setzt sich die alt Fraw mit ihrem Sohn auff zubereitte Sessel nieder und befilcht, die erlöste zu zehlen.

Wie sie nun die zahl vernommen und auff ein Goldgelb Täffelein auff geschrieben, begert sie eines jeden Namen, welche auch von eim Knäblein auffgeschrieben worden: Wie sie uns nun nach einander ansihet, erseufftzet sie und spricht zu ihrem Sohn, das ichs wol hören kundt: Ach wie tawren mich die arme Menschen im Thurn so ubel, wolt Gott, ich dörffte sie alle erledigen.

Darauff der Sohn geantwortet: Mutter, so ists von Gott verordnet, dem sollen wir nit widerstreben wann wir alle Herren weren und alles Gut hetten auff Erden und weren dann zu Disch gesessen, wer wolt uns doch bringen zu essen.

Deßwegen die Mutter geschwigen. Aber bald darauff sagt sie: Nuhn so last doch diese von ihren Springern erledigen: Welches dann auch schnell geschehen, und war ich ohn wenig der letste.

Noch kundte ich mich nit enthalten, ob ich wol als auff andere gesehen, sonder neiget mich vor der alten Frawen und dancket Gott, der durch sie mich auß solchem Finsternuß ans Liecht gnedig und Vätterlich bringen wöllen, welches dann auch andere nach mir gethon, und also die Fraw vernieget.

Entlich wurde einem jeden ein guldiner denck- und zehrpfenning gegeben.

Darauff war auff der einen seitten die Sonn, wie sie auffgieng gepreget, auff der andern seiten stunden meines behaltens diese drey Buchstaben D.L.S. (Deus Lux Solis; Deo Laus Semper).

Damit einem jeden urlaub gegeben und zu seim thun geschickt worden, mit dem anhang, wir solten zu Gottes lob unserm Nechsten nutzen, und was uns vertrawet, verschwigen behalten, welches wir auch zuthun versprachen, und also von einander geschieden.

Ich aber kundte von wegen der Wunden, so mir die Springer gemacht, nit wol fort kommen, sonder hinckte an beeden Füssen, welches die Alte bald ersehen, hierüber gelacht und wider zu sich gefordert und angeredt.

Mein Sohn, laß dich diesen mangel nit bekümmern, sonder erinnere dich deiner Schwachheiten und dancke daneben Gott, der dich zu so hohem Liecht noch auff dieser Welt und im stand deiner unvollkommenheit kommen lassen und behalte diese Wunden von meinet wegen.

Darauff sich dann das Trommeten abermal erhoben, welches mich dermassen erschreckt, daß ich erwacht und erst gemerckt, das es nuhr ein Traum gewesen, welcher mir doch so starck im Sinn gelegen, das ich mich noch immer vor dem Traum besorget, so däucht mich auch, wie ich noch der Wunden an Füssen empfünde.

Wie nun dem allen, so verstund ich doch wol, das mir von Gott vergunnet worden were, solcher heimlichen und verborgenen Hochzeit beyzuwohnen, deßwegen ich seiner Göttlichen Majestät hierumben mit Kindtlichem vertrawen gedanckt und gebetten.

Er wolte mich ferner also in seiner forcht erhalten, mein Hertz täglich mit Weißheit und verstandt erfüllen, auch entlich zu erwünschtem end, ohne mein verdienst gnediglich bringen.

Darauff rüstet ich mich auff den weg, zog meinen weisen Leinen Rock an, umbgürtet meine lenden mit einem Blutrohten Bendel kreutzweiß uber die Achslen gebunden.

Auff meinen Hut steckt ich vier rohter Rosen: damit ich under dem Hauffen durch solche Zeichen könte desto eh gemerckt werden.

Zur Speiß nam ich Brot, Saltz und Wasser. Deren ich mich dann, auß raht eines Verständigen zu gwisser zeit nit ohne nutz in solchen fählen gebraucht.

Ehe ich aber auß meinem Hüttlein gewichen, fall ich zuvor in solchem meinem Apparat und Hochzeitskleid auff die Knühe und bitte Gott, das wa solches war, er es doch mir zu eim guten end gereichen lassen wolt, hab auch darauff vor Gottes Angesicht gelobt: daß da mir etwas durch sein Gnad wurde eröffnet werden, Ich mich desselben weder zu ehr noch ansehen in der Welt, sonder seines Namen befürderung und dem neben Menschen zu dienst wölle gebrauchen.

Und bin mit solchem Gelübt und guter Hoffnung mit frewden auß meiner Cellen geschieden.

(2. Tag)