Walter Ernest Butler – Erläuterungen zur Magie

Erläuterungen zur Magie

Walter Ernest Butler

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Walter E. Butler war ein Leiter des Ordens Fraternity of Inner Light. Diese folgte den Lehren von Dion Fortune (Violet Firth). Der Text von W.R. Butler über die Erläuterungen zur Magie, befassen sich mit seiner Sichtweise zu Geheimlehren der westlichen Mysterien, der Einweihung, Ritualistik, Meditation und Initiation.

 

In dieser unvollkommenen Welt, wo es so leicht ist, etwas falsch zu verstehen oder missverstanden zu werden, ist es erforderlich, wenn man über ein Gebiet, wie das der zeremoniellen Magie, schreiben will, von vornherein sorgsam für möglichst genaue Wort- und Begriffsbestimmungen zu sorgen. Aber ehe wir das tun, wollen wir einen kurzen Blick auf das werfen, was im allgemein volkstümlichen Sinne unter Magie verstanden wird. Dadurch lichten wir erst einmal das wild gewachsene, die Sicht verdunkelnde und behindernde Gedanken Gestrüpp, tun das gleiche, was zum Beispiel ein Archäologe tun muss, wenn er die tropische Vegetation um einen
alten Aztekentempel beseitigt und erst dann imstande ist, die wirklichen Ausmaße und Formen des Bauwerks festzustellen. 
Dieser Vergleich ist durchaus passend, denn gerade der „Tempel der Magie” ist von alters her in überreichem Maße von üppigem Wildwuchs irrtümlicher und abergläubischer Gedanken und Vorstellungen Überwuchert, besonders in der westlichen Welt, so dass das Wissen um das wirkliche Wesen und die Natur der Magie fast völlig verlorengegangen ist.

Nur in den Reihen der meist Unwissenden und Abergläubischen einerseits und einer kleinen Kerngruppe wirklich informierter, praktizierender Magier andererseits sind noch Reste des Wissens um die wahre Natur der Magie bewahrt worden, wobei hinzuzufügen ist, dass bei der ersten Gruppe die Dinge in so betrüblicher Weise verkannt und entstellt wurden, dass sie nur noch wenig mit den wirklichen Tatsachen zu tun haben. 
Sowohl die Archäologen wie auch die Vertreter der vergleichenden Religionswissenschaft sagen uns übereinstimmend, dass die Magie sich bis zum Beginn menschlichen Lebens auf diesem Planeten zurückführen lässt. Alle religiösen Systeme, ausgenommen einige bestimmte protestantische Sekten und der südliche Buddhismus, haben während der einen oder anderen Periode ihrer geschichtlichen Existenz von der zeremoniellen Magie Gebrauch gemacht. Alle diejenigen, die an den historischen Aspekten und Entwicklungsphasen der Magie speziell interessiert sind, seien auf die Werke der einschlägigen Fachleute verwiesen. 
Wenn die Autoritäten und Kapazitäten auf dem Gebiete der Magie sorgfältig studiert werden, findet man, dass im Großen und Ganzen jede sich erfolgreich behauptende Religion das Beste jener Religion übernimmt bzw. übernommen hat, an deren Stelle sie tritt.

Das übrige überlässt sie dem unwissenden Volk und jenen Priestern und Kirchendienern der alten Religion, die mit der neuen nicht einverstanden sind und sich ihr nicht anschließen wollen. Und im Verlauf der Selbstorganisierung der neuen Kirche beginnt die Verfolgung und Ausrottung der von der alten herstammenden Überbleibsel, die infolgedessen in den Untergrund, in die Illegalität getrieben werden. 
Ein derartiger Vorgang fand auch statt, als das Christentum sich aus seinem Anfangszustand erhob und zur beherrschenden Religion des Westens wurde. Die alte Religion löste sich auf, und die christliche Kirche übernahm vieles von deren Philosophie und den Ritualen und durchdrang nach und nach alle Schichten der Gesellschaft, so dass sich die Anhänger des alten Glaubens nur noch in bäuerlichen Gegenden und an abgeschiedenen Orten halten konnten. Diese Landleute oder „Heiden”, unfähig, die Philosophie ihrer Religion zu verstehen, gaben ihr Wissen meist nur in ziemlich entstellter Form weiter. Weil sie oft in grausamster Weise verfolgt wurden, mussten sie sich im Unter- bzw. Hintergrund verbergen, doch ihre Reihen wurden immer wieder aus verschiedenen Quellen aufgefüllt, unter anderem aus dem Personenkreis jener, die gegen die päpstlichen Vorschriften und Dogmen rebellierten.

Selbst als dann im Gefolge der von der Renaissance ausgehenden Impulse die Möglichkeit bestand, sich vom römischen Joch zu befreien, verhielten sich die Frommen der reformierten Kirchen genauso hasserfüllt, wie es Rom bei der Verfolgung und Ausrottung der Hexen, Zauberer und Magier gewesen war. Die Geschichte Europas vom 11. bis zum 18. Jahrhundert bietet in dieser Hinsicht eine wahrhaft schauerliche Lektüre. Mit dem Aufkommen des „Zeitalters der Aufklärung” begann der Glaube des Volkes an die so oft verleumdeten Kräfte der Magier zu verschwinden. Zugleich begann, zumindest in protestantischen Kreisen, der religiöse Glaube sich in einen Formalismus zu verwandeln, der nur noch wenig Kraft in sich trug.

Dieses kraftlose Niveau der Mittelmäßigkeit feierte, speziell in England, in den viktorianischen Tagen seine höchsten Triumphe, als die physikalische Wissenschaft durch den Mund eines ihrer bedeutendsten Vertreter erklärte, „dass in diesem Universum kein Raum ist für Geist und Geister”, und als der Präsident der Königlichen Gesellschaft sagte: „In der Materie sehe ich die Hoffnung und die Grundgewalt allen Lebens.“ Doch mit dem sich erweiternden Wissen über das Universum, das uns die modernen Wissenschaften brachten, ging eine beachtliche Revision der obigen Anschauungen und Ideen Hand in Hand; und modernen Physikern, wie Jeans, Eddington und Einstein, verdanken wir neue Ideen über die Natur und über Sinn und Zweck des Universums, die von einem Magier bereitwillig akzeptiert werden können, denn er hat, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Worte und Ausdrucksweisen, schon vor Jahrhunderten dasselbe gefunden und gesagt.