Jiddu Krishnamurti – Meditation

Meditation

Jiddu Krishnamurti

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Der Raum, den der Gedanke um sich erzeugt, ist ohne Liebe. Dieser Raum trennt den Menschen vom Menschen und das ganze Werden, der Lebenskampf, die Pein und die Furcht ist darin eingeschlossen. Meditation ist die Aufhebung dieses Raumes, das Aufhören des Ich. Dann gewinnen alle Beziehungen eine ganz andere Bedeutung, denn in dem Raum, der nicht durch das Denken erzeugt ist, gibt es nicht das andere das Werden, weil “Du” nicht mehr existierst. Meditation ist dann nicht mehr das Trachten nach einer Vision, wie geheiligt sie auch durch die Tradition sein mag. Sie ist vielmehr der endlose Raum, in den das Denken nicht eindringen kann.

Für uns ist der kleine Raum, den das Denken um sich geschaffen hat, der das Ich ist, äußerst wichtig, denn der Mensch, der sich mit allem identifiziert, was in diesem Raum vorhanden ist, kennt nichts anderes, und in diesem Raum wird auch die Furcht geboren, nicht zu sein. Wenn der Mensch das verstanden hat, kann er in der Meditation eine Raumdimension betreten, wo Handlung Nicht-Handeln ist. Wir wissen nicht, was Liebe ist, denn in dem Raum, den das Denken um sich als Ich geschaffen hat, ist Liebe der Konflikt zwischen dem Ich und dem Nicht-Ich. Dieser Konflikt, diese Qual ist keine Liebe, es kann nicht in jenen Raum eindringen, in dem es kein Ich gibt. In diesen Raum liegt Glückseligkeit, die der Mensch sucht und nicht finden kann. Er sucht sie innerhalb der Grenzen des Denkens, doch das Denken zerstört nur diese Segensfülle.

Wahrnehmung, die ohne Formulierung, das heißt ohne den Gedanken ist, gehört zu den seltsamsten Phänomenen. Die Wahrnehmung ist dann weit unmittelbarer – nicht nur der Verstand, sondern auch alle Sinne sind daran beteiligt. Eine Wahrnehmung dieser Art ist weder die bruchstückhafte Wahrnehmung des Intellekts, noch eine rein gefühlsmäßige. Sie kann totale Wahrnehmung genannt werden und ist ein Teil der Meditation. Wahrnehmung ohne den Wahrnehmenden heißt in der Meditation mit dem Unermesslichen in seiner ganzen Höhe und Tiefe in Kommunion zu sein. Diese Wahrnehmung ist etwas ganz anderes als das Sehen eines Objektes ohne den Beobachter, denn in der meditierenden Wahrnehmung gibt es kein Objekt und keine Erfahrung. Meditation ist möglich, wo es auch sein mag, wenn die Augen offen sind und man von Objekten jeder Art umgeben ist. Aber dann haben diese Objekte überhaupt keine Bedeutung. Man sieht sie, aber es ist damit kein Wiedererkennen verbunden, und das bedeutetet, dass in diesem Vorgang kein Erfahren ist.

Welchen Zweck hat eine solche Meditation?

Sie hat keinen Zweck; es ist kein Nutzen damit verbunden. Aber in dieser Meditation liegt ein großes Entzücken, das nichts mit den üblichen Freuden zu tun hat. Dieses Entzücken verleiht dem Auge, dem Kopf und dem Herzen die Eigenschaft der Unschuld. Wenn man das Leben nicht als etwas völlig Neues sieht, läuft es schablonenhaft ab, ist es voller Langeweile, etwas gänzlich Sinnloses. Darum ist Meditation von größter Bedeutung. Sie öffnet das Tor zu dem Unermesslichen, zu dem Grenzlosen.

Wenn Du Dein Haupt von einem Horizont zum anderen wendest, so sehen Deine Augen einen weiten Raum, in dem alle Dinge der Erde und des Himmels sichtbar werden. Aber dieser Raum findet immer dort seine Grenze, wo Himmel und Erde einander begegnen. Der geistige Raum ist so eng. Alles was wir tun, scheint sich in diesem kleinen Raum abzuspielen: Das tägliche Leben und die verborgenen Kämpfe mit ihren widerspruchsvollen Wünschen und Motiven. In diesem begrenztem Raum sucht der Mensch nach Freiheit und bleibt daher immer ein Gefangener seiner selbst. Meditation ist die Aufhebung dieses kleinen Raumes.

Wir sind der Meinung, dass in diesem engen Raum des Geistes durch Handlung Ordnung geschaffen wird. Es gibt aber eine andere Handlung, die nicht darauf aus ist, Ordnung in diesen kleinen Raum zu bringen. Meditation ist diese Handlung, die sich einstellt, wenn der Geist seinen begrenzten Raum verloren hat. Die Weite des Raumes, die sich dann auftut und wohin der Verstand, das Ich, nicht gelangen kann, ist Schweigen. Der Geist kann in sich selbst niemals still sein; er ist nur innerhalb des weiten Raumes still, den das Denken nicht erreichen kann. Aus diesem Schweigen erwächst eine Handlung, die mit dem Denken nichts zu tun hat.

Dieses Schweigen ist Meditation. Meditation gehört zu den ungewöhnlichsten Dingen und wenn Du nicht weißt, was sie zu bedeuten hat, bist Du wie ein blinder Mensch in einer Welt leuchtender Farben mit ihrem Wechselspiel von Licht und Schatten. Sie ist keine Sache des Intellekts, wenn sich aber Herz und Geist verbünden, dann wird der Mensch ein völlig anderer. Er ist dann wirklich grenzenlos, nicht nur in seiner Fähigkeit zu denken und wirksam zu handeln, sondern sein Lebensgefühl umfasst einen unendlichen Raum, in dem er Teil eines jeglichen Dinges ist.

Meditation ist das Aufbrechen der Liebe. Es ist nicht die Liebe zu dem einen oder zu den vielen. Sie ist gleich dem Wasser, das man aus jedem Gefäß trinken kann, sei es aus Gold oder sei es aus Ton. Sie ist unerschöpflich.

Und etwas Seltsames ereignet sich, das durch kein Rauschmittel und durch keine Selbsthypnose erreicht werden kann. Es ist, als ob der Mensch in sich selbst eindringt. Er beginnt an der Oberfläche und geht immer tiefer, bis Tiefe und Höhe ihre Bedeutung verloren haben und jeder Maßstab verschwindet. In diesem Zustand herrscht vollkommener Friede – keine Genügsamkeit, die durch Befriedigung entstanden ist – sondern ein Friede, der Ordnung, Schönheit und Kraftfülle in sich trägt. Alles kann vernichtet werden, wie man eine Blume vernichten kann, und dennoch ist der Friede gerade wegen seiner großen Verletzbarkeit unzerstörbar.

Die Meditation kann man nicht von einem anderen erlernen. Man muss beginnen, ohne etwas über sie zu wissen, und muss ständig in diesem Zustand der Unschuld verbleiben.

Der Boden, auf dem der meditative Geist beginnen kann, ist das alltägliche Leben, der Kampf, der Schmerz und die flüchtige Freude. Dort muss der Mensch anfangen und Ordnung schaffen und damit fortfahren ohne Unterlass. Aber wenn Du nur damit beschäftigt bist, Ordnung zu schaffen, dann wird diese Ordnung ihre eigene Begrenzung hervor bringen und Dich zu ihrem Gefangenen machen.

In all diesem Tun musst Du irgendwie von der anderen Seite aus beginnen, von dem anderen Ufer und Du darfst Dich nicht ständig mit diesem Ufer beschäftigen und wie Du den Fluss überqueren kannst. Du musst den Sprung ins Wasser wagen, ohne zu wissen, wie Du schwimmen sollst. Die Schönheit der Meditation liegt darin, dass Du niemals weißt, wo Du bist, wohin Du gehst und welches das Ziel ist.

Gibt es in der Meditation eine neue Erfahrung? Der Wunsch nach Erfahrung, die über das Alltägliche hinausgeht, ist die Ursache, dass der innere Quell versiegt. Das Verlangen nach mehr Erfahrung, nach Visionen, nach höherer Wahrnehmung, nach irgendeiner Realisierung lässt den Menschen nach außen schauen, was nichts anderes ist als seine Abhängigkeit von der Umwelt und den Menschen.

Das Merkwürdige der Meditation ist darin zu sehen, dass kein Ereignis zu einer Erfahrung gemacht wird. Es ist da, gleich einem neuen Stern am Himmel ohne dass das Gedächtnis es übernimmt und festhält, ohne den gewohnheitsmäßigen Prozess des Wiedererkennens und der Reaktion in Form von Zuneigung und Ablehnung. Unser Suchen geht immer nach außen. Der Geist, der irgendeine Erfahrung sucht, geht nach Außen. Nach innen zu gehen, bedeutet, nicht mehr zu suchen; es ist ein unmittelbares Wahrnehmen. Reaktion dagegen ist immer ein Wiederholen, denn sie kommt immer aus demselben Erinnerungsvermögen.

Nach der Regenzeit waren die Hügel herrlich anzuschauen. Sie waren noch braun von der Sommersonne und jetzt würde alles Grüne hervor vorsprießen. Es hatte heftig geregnet und die Schönheit der Hügel war unbeschreiblich. Der Himmel war noch bewölkt und in der Luft lag der Duft von Sumach, Salbei und Eukalyptus. Es war köstlich mitten darin zu sein und eine seltsame Stille nahm von Dir Besitz. Anders als das Meer, das weit unter Dir lag, waren diese Hügel vollkommen reglos.

Du schautest mit wachen Sinnen um Dich; in dem kleinen Haus da unten hattest Du alles zurück gelassen – Deine Kleider, Deine Gedanken und die Welt mit ihrem seltsamen Tun und Treiben.

Hier oben wandertest Du voller Heiterkeit, ohne jeden Gedanken, ohne irgendeine Last, mit einem Gefühl völliger Unbeschwertheit und Schönheit. Die kleinen grünen Büsche würden bald noch grüner werden und wenige Wochen später würden sie einen stärkeren Duft ausströmen. Die Wachteln ließen ihren Ruf ertönen und einige von ihnen flogen vorbei.

Ohne es zu wissen, war der Geist in einem Zustand der Meditation, in dem die Liebe erblühte. Diese Blume kann nur auf dem Boden der Meditation blühen. Es war wirklich wunderbar und seltsam; die ganze Nacht hindurch warst Du davon erfüllt und als Du erwachtest, lange bevor die Sonne aufgegangen war, war es immer noch in Deinem Herzen – mit unvorstellbarer Freude, für die kein Grund zu finden war. Es war da – ursachlos – und es war wirklich berauschend. Es würde während des ganzen Tages mit Dir sein, ohne dass Du überhaupt danach fragst oder es einlädst, bei Dir zu verweilen.

Da Du am Strande entlang gingst, waren die Wogen gewaltig und brachen sich mit großartiger Schwungkraft. Du wandertest gegen den Wind und plötzlich fühltest Du, dass zwischen Dir und dem Himmel nichts war; und dieses Geöffnetsein war himmlisches Glück. Es hatte während der Nacht und während des Tages heftig geregnet und der schlammige Strom ergoss sich in Abflussrinnen hinab in das Meer, das sich schokoladenbraun färbte.

Da Du am Strand entlang gingst, waren die Wogen gewaltig und brachen sich mit großartiger Schwungkraft. Du wandertest gegen den Wind und plötzlich fühltest Du, dass zwischen Dir und dem Himmel nichts war; und dieses Geöffnetsein war himmlisches Glück. So vollkommen geöffnet zu sein, preisgegeben zu sein – den Hügeln, dem Meer, dem Menschen – ist das wahre Wesen der Meditation.

Ohne Widerstand zu sein, innerlich allen Dingen gegenüber ohne Schranken zu sein, wirklich und vollkommen frei von den geringfügigen Nöten, Bedrängungen und Ansprüchen mit ihren nichtigen Konflikten und Heucheleien, heißt mit offenen Armen durch das Leben zu gehen.

Und da Du an diesem Abend auf dem feuchten Sand einher gewandert bist, umgeben von Seemöwen, erlebtest Du das ungewöhnliche Gefühl unverhüllter Freiheit und die große Schönheit der Liebe, die nicht innen noch außen war – sie war überall.

Wir erkennen nicht, wie wichtig es ist, von dem quälenden Verlangen nach Genüssen und ihrer Pein frei zu sein, so dass der Geist allein ist. Nur der Mensch, der völlig allein ist, ist geöffnet. Das alles fühltest Du plötzlich gleich einem starken Wind, der über das Land und durch Dich hindurch fegte. Da standst Du – entblößt von jeglichem Ding, leer – und daher im höchsten Maße offen.

Die Schönheit dieses Zustands lag nicht in dem Wort oder dem Gefühl, sondern schien überall zu sein – rings um Dich, in Dir, über den Wassern und über den Hügeln. Das ist Meditation. Es war ein so wunderschöner Morgen wie noch nie zuvor. Die Sonne war gerade im Aufgehen begriffen, und Du sahst sie zwischen dem Eukalyptus, wie es nur zwischen den Bergen und dem Meer sein kann. Es war ein so klarer, windstiller Morgen, erfüllt von jenem seltsamen Leuchten, das man nicht nur mit den Augen sieht, sondern tief im Herzen erlebt. Und da Du es sahst, waren Himmel und Erde einander ganz nahe, und Du warst in die Schönheit versunken.

Wisse, Du sollst nie öffentlich oder in einer Gruppe meditieren: Du sollst es nur in der Einsamkeit tun, in dem Frieden der Nacht oder in der Stille eines frühen Morgens. Wenn Du in der Einsamkeit meditierst, muss es eine wirkliche Einsamkeit sein. Du musst völlig allein sein, nicht einem System, einer Methode folgen, nicht Worte wiederholen oder einem Gedanken nachjagen oder ihm eine Form geben, die Deinem Wunsch entspricht.

Diese Einsamkeit stellt sich ein, wenn der Geist vom Denken befreit ist. Es gibt keine Einsamkeit, solange Wünsche Dich beeinflussen oder irgendwelche Dinge nach denen Dein Geist trachtet, mögen sie der Zukunft oder der Vergangenheit angehören. Nur in der Unermesslichkeit der Gegenwart geschieht dieses Alleinsein. Und dann, in stiller Verborgenheit, wenn jede Kommunikation aufgehört hat, wenn es keinen Beobachter mit seinen Ängsten, seinem dumpfen Begierden und Problemen gibt – nur dann, in diesem stillen Alleinsein, wird Meditation zu einem Geschehen, das nicht durch Worte ausgedrückt werden kann. Dann ist Meditation ein immerwährender Aufbruch.

Ich weiß nicht, ob Du jemals meditiert hast, ob Du jemals allein, ganz für Dich warst, weit entfernt von allen Dingen; von jedem Menschen, von allem Denken und Trachten – ob Du jemals vollkommen allein warst, nicht isoliert, nicht zurückgezogen in irgendeinen phantastischen Traum oder eine Vision, sondern weit weg, so dass es in Dir nichts Erkennbares gibt, nichts, das Du durch Denken oder Fühlen erreichst – , so entrückt, dass in dieser großen Einsamkeit das tiefe Schweigen zu der einzigen Blüte wird, dem einzigen Licht und einem Zustand, der vom Denken her nicht zu ermessen ist.

Nur in einer solchen Meditation ist Liebe wirklich vorhanden. Mühe Dich nicht damit ab, sie auszudrücken, sie wird es selbst tun. Mache sie Dir nicht zunutze. Versuche nicht, sie in Handlung umzusetzen. Sie wird handeln, und wenn sie handelt, ist es eine Handlung ohne Reue, ohne Widerspruch, in der es nichts von dem Elend und Plagerei des Menschen gibt.

Meditiere allein. Versinke. Versuche nicht, Dich daran zu erinnern, wo Du gewesen bist. Wenn Du versuchst, Dich daran zu erinnern, wird es etwas sein, was tot ist. Und wenn Du Dich an der Erinnerung festhältst, dann wirst Du niemals wieder allein sein. Darum meditiere in dieser unendlichen Einsamkeit, in der Schönheit dieser Liebe, in dieser Unschuld, in dem Neuen – dann umfängt Dich eine Glückseligkeit, die unvergänglich ist.

Der Himmel ist herrlich blau, von jener Bläue, die sich nach dem Regen einstellt und diese Regengüsse kamen nach vielen Monaten der Dürre. Nach dem Regen ist der Himmel rein gewaschen, die Hügel atmen Freude, und die Erde ist still. Auf jedem Blatt liegt das Licht der Sonne, und Du fühlst Dich der Erde eng verbunden. So meditiere in der verborgenen Tiefe Deines Herzens und Geistes, wo Du nie zuvor warst. An diesem Morgen war das Meer wie ein See oder ein riesiger Fluss ohne die kleinste Welle; es war so ruhig, dass Du an diesem frühen Morgen den Widerschein der Sterne darin sehen konntest. Die Morgendämmerung hatte noch nicht begonnen und so spiegelten sich in dem Wasser die Sterne und Klippen und die fernen Lichter der Stadt. – Und als am wolkenlosen Himmel die Sonne am Horizont aufging, zog sie eine goldene Bahn und es war ungewöhnlich anzuschauen – dieses Leuchten, wie es die Erde überstrahlte und jedes Blatt und jeden Grashalm sättigte. Im Hinschauen kam eine große Stille über Dich.

Selbst das Gehirn wurde ruhig und war ohne Reaktion, ohne Regung und es war seltsam, diese ungewöhnliche Stille zu fühlen. „Fühlen“ ist nicht das richtige Wort. – Ein Schweigen, eine Stille dieser Art wird nicht vom Verstand erfühlt; sie liegt jenseits des Verstandes. Der Verstand kann nur wahrnehmen, formulieren oder für die Zukunft planen, aber diese Stille geht über seinen Bereich hinaus, liegt jenseits aller Vorstellung, jenseits aller Wünsche. Du bist so still, dass Dein Körper zu einem Teil der Erde wird, zu einem Teil von allem, was still ist.

Und als der leichte Windhauch von den Hügeln kam und die Blätter bewegte, wurde diese Stille, dieses ungewöhnliche Schweigen nicht gestört. Das Haus lag zwischen den Hügel und dem Meer und schaute auf dieses hinaus. Und da Du Dich dem Meere zuwandtest, das so still da lag, wurdest Du wirklich ein Teil von allem. Du warst jegliches Ding. Du warst das Licht und die Schönheit der Liebe. Auch hier zu sagen „Du warst ein Teil von jeglichem Ding“ ist gleichermaßen falsch. Das Wort „Du“ ist nicht ganz richtig, weil es in Wirklichkeit kein „Du“ gab. Du existiertest nicht. Da war nur Stille, die Schönheit, das ungewöhnliche Gefühl der Liebe. Die Worte „Du“ und „Ich“ trennen die Dinge. Diese Einteilung gibt es in dieser seltsamen Ruhe und Stille nicht.

Und da Du aus dem Fenster schautest, schienen Raum und Zeit aufgehoben, und der trennende Raum hatte keine Wirklichkeit. Dieses Blatt und dieser Eukalyptus und das blau schimmernde Wasser waren nicht von Dir verschieden.

Meditation ist in Wirklichkeit sehr einfach. Wir komplizieren sie. Wir umweben sie mit einem Gespinst von Ideen – was sie ist und was sie nicht ist. Aber sie ist nichts von all diesen Dingen. Weil sie so einfach ist, entgleitet sie uns, denn unser Geist ist so kompliziert, so abgenutzt, so zeitgebunden. Und dieser Geist schreibt dem Herzen vor, was es zu tun hat, und damit beginnen Mühe und Plage. Aber Meditation kommt auf natürliche Weise, ganz mühelos, wenn Du am Strande dahin wanderst oder aus dem Fenster schaust und diese prachtvollen Hügel siehst, die von der Sonne des vergangenen Sommers verbrannt sind. Wenn Du zwischen den Hügeln oder in den Wäldern oder auf der langen gebleichten Sandbank allein dahin wandern würdest – in dieser Einsamkeit würdest Du wissen, was Meditation ist.

Das tiefe Entzücken an der Einsamkeit ist in Dir, wenn Du Dich nicht davor fürchtest, allein zu sein, wenn Du der Welt nicht länger zugehörst und keinem Ding mehr verhaftet bist. Gleich der Dämmerung, die heute morgen herauf kam, kommt es schweigend und bricht einen goldenen Pfad in diese tiefe Stille, die am Anfang war, die jetzt ist und die immer sein wird.

Freude und Vergnügen kannst Du auf jedem Markt zum entsprechenden Preis kaufen. Aber Glückseligkeit kannst Du nicht kaufen, weder für Dich noch für einen anderen. Freude und Vergnügen sind zeitgebunden; Glückseligkeit gibt es nur in völliger Freiheit. Vergnügen wie auch Freude kannst Du suchen und auf vielen Wegen finden, aber sie kommen und gehen. Glückseligkeit – dieses ungewöhnliche Gefühl der Entzückung – hat kein Motiv. Du kannst sie unmöglich suchen. Ist sie einmal da, was der Beschaffenheit Deines Geistes abhängt, bleibt sie – zeitlos, ursachlos, ein Zustand, der von der Zeit her nicht ermessen werden kann.

Meditation ist nicht das Trachten nach Vergnügen und das Suchen nach Glück. Meditation ist im Gegenteil ein Zustand des Geistes, der keinen Begriff und keine Formel kennt und daher völlige Freiheit ist. Nur zu einem solchen Geist, kommt diese Glückseligkeit – nicht gesucht und nicht eingeladen. Ist sie einmal da, magst Du in der Welt mit ihrem Lärm, ihren Vergnügungen und ihrer Brutalität leben – nichts davon wird Deinen Geist berühren. Wenn sie da ist, hat der Konflikt aufgehört. Aber mit dem Aufhören des Konflikts ist die totale Freiheit nicht unbedingt gegeben. In der Meditation bewegt sich der Geist im Raume dieser Freiheit. In der Fülle der Glückseligkeit wird das Auge unschuldig – und Liebe wird dann Segnung.

Meditation ist nicht bloße Beherrschung des Körpers und der Gedanken, noch ist sie ein System des Einatmens und des Ausatmens. Der Körper muss still, gesund und ohne Anspannung sein, das Empfindungsvermögen muss geschärft und wachsam gehalten werden, und der Verstand mit seinem ständigen Geschwätz, seiner Verwirrung und seinem Herumtasten muss zu einem Ende kommen.

Es ist nicht der Organismus, mit dem man beginnen muss, vielmehr ist es der Geist mit seinen Meinungen, Vorurteilen und seinem Eigennutz, auf den man schauen muss. Wenn der Geist gesund, vital und kraftvoll ist, dann wird das Gefühl gesteigert und außerordentlich sensitiv. dann wird der Körper mit seiner eigenen natürlichen Intelligenz, die nicht durch Gewohnheit und Neigung verdorben worden ist, so funktionieren, wie es sein sollte.

So muss man mit dem Geist beginnen und nicht mit dem Körper. – mit dem Geist, der das Denken ist mit der Vielfalt seiner Ausdrucksmöglichkeiten. Bloße Konzentration macht das Denken eng, begrenzt und reizbar, aber Konzentration stellt sich als ein natürlicher Zustand ein, wenn man der Art und Weise des Denkens gewahr ist. Dieses Gewahrsein kommt nicht von dem Denker, der auswählt und ausscheidet, der festhält und verwirft. Dieses Gewahrsein trifft keine Auswahl und richtet sich sowohl auf das Äußere wie auf das Innere; es ist ein Inneinanderfließen dieser beiden, und so kommt die Trennung zwischen dem Äußeren und dem Inneren zu einem Ende.

Das Denken zerstört das Gefühl – und Gefühl ist Liebe. Der Gedanke kann nur den Genuss anbieten, und mit dem Trachten nach Genuss wird die Liebe beiseite gestoßen. Die Freude am Essen und Trinken findet im Denken ihre Fortsetzung und diesen Genuss, den das Denken hervorgebracht hat, nur zu kontrollieren oder zu unterdrücken, ist ohne Bedeutung. Es werden dadurch nur alle möglichen Konflikte und Zwangszustände geschaffen. Der Gedanke, der Materie ist, kann nicht das suchen, was jenseits der Zeit liegt; denn der Gedanke ist Erinnerung, und die Erfahrung aus dieser Erinnerung ist ebenso tot wie das Blatt vom vorigen Herbst.

Indem man aller diese Dinge gewahr ist, entsteht eine Achtsamkeit, die nicht durch die Auswirkungen der Unachtsamkeit hervorgerufen wird. Es ist die Unachtsamkeit, die dem Körper die angenehmen Gewohnheiten diktiert und die Intensität des Gefühls geschwächt hat. Unachtsamkeit kann nicht in Achtsamkeit verwandelt werden. Das unmittelbare Gewahrsein der Unachtsamkeit ist Achtsamkeit.

Diesen komplexen Prozess zu sehen, ist Meditation, die allein Ordnung in diese Verwirrung bringt. Diese Ordnung ist ebenso absolut wie die Ordnung in der Mathematik, und daraus entsteht Handlung als ein unmittelbares Tun. Ordnung ist kein Einteilen, Planen und Gestalten – diese Dinge kommen viel später. Ordnung kommt aus einem Geist, der nicht mit Gedankengut vollgestopft ist. Wenn das Denken schweigt, ist eine Leere da, die Ordnung ist.